Geschichtsfälschung am hessischem Friedhof

Ulrich Brosa 27.09.2007 17:11
Kann Unterstützung nationalsozialistischer Verbrecher "Verteidigung" sein?

Genau das will die Reservistenkameradschaft Kirchhain glauben machen. Dieser Verein hat auf dem Kirchhainer Friedhof eine kaum übersehbare Tafel montiert. Darauf werden Gewalttaten der Wehrmacht als "Verteidigungskämpfe" ausgegeben. Mit getöteten 'Angreifern' wird geprahlt: "Die Verluste der Amerikaner waren erheblich". Die Ungeheuerlichkeiten sollen als "Völkerverständigung" getarnt werden.
Die Friedhofstafel strotzt von dem Jargon, mit dem Militaristen Kriege verherrlichen. "Gefallene" und "hier ruhende deutsche Soldaten" werden vorgegaukelt, wo Knochen vergraben sind. Auf "Sperriegel" und "Divisionsgefechtsstand" hat die Kameradschaft genauso wenig verzichtet wie auf "herandrängende amerikanische Truppen", die "das Feuer eröffneten". Die Verbrechen nationalsozialistischer Deutscher werden selbstverständlich nicht erwähnt.

Die Reservistenkameradschaft verfälscht die Geschichte und demonstriert Verachtung für diejenigen Gegner des Nationalsozialismus, für die jede Verlängerung des Dritten Reichs Qualen und Lebensgefahr bedeutete. Die Kameradschaft missbraucht den Totenkult für national-militaristische Propaganda. Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Kirchhain ist ein Major der Bundeswehr, der sich auch als Staatsanwalt in Marburg betätigt, Rainer Franosch.

Leider ist die Tafel der "Kriegsgräbergedenkstätte" nicht die einzige neonazistische Manifestation in Kirchhain. Die Kapelle desselben Friedhofs, auf dem die Tafel prangt, war etliche Jahre lang, etwa von 1998 bis 2003, mit einem meterhohen Hakenkreuz dekoriert. Reisende, die auf dem Bahnhof Kirchhain aussteigen, werden mit einem stets frischen Sortiment an Hakenkreuzen, volksverhetzenden Sprüchen und neonazistischen Symbolen begrüßt. Adolf Hitler ist, das lesen Reisende sofort, immer noch die führende Persönlichkeit der einheimischen Kultur. Auf 'Fest'-Veranstaltungen in und um Kirchhain kommt es regelmäßig zu Schlägereien, die angeblich von "Türken" oder "Ausländern" "provoziert" werden. Kirchhain ist Ausgangsort der Wolfsangel-Affäre, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte inspiziert wird.

Noch gefährlicher als die Straftaten subalterner Neonazis sind die Fortschreibungen des Nationalsozialismus in den Behörden. Derselbe Staatsanwalt, der die geschichtsverfälschende Kameradschaftstafel auf dem Kirchhainer Friedhof zu verantworten hat, hat zuvor Neonazis vor Strafen bewahrt; beispielsweise dadurch, dass er einem, der einschlägige Morddrohungen verschickt hatte, einen Täter-Opfer-Ausgleich attestierte, die nicht stattgefunden hat.

Leider ist dieser Staatsanwalt kein Einzeltäter. Als sich ein Rechtsanwalt nach umfangreicher Aktenlektüre so an das hessische Justizministerium wandte:

"Es besteht zumindest ein Anfangsverdacht an einer
unheiligen Verquickung zwischen der rechtsradikalen Szene,
den Polizeibehörden und den zuständigen Strafverfolgungsbehörden",

drohte ihm der Vorgesetzte des Staatsanwaltes Franosch mit "Risiken". Statt die Verfehlungen seiner Untergebenen endlich zu beenden, zog der Leitende Oberstaatsanwalt Koeppen erst recht vom Leder: Die Nationalsozialisten seien sehr schlimm gewesen, aber besonders schlimm nun auch wieder nicht; jetzt, so lange nach 1945, wüssten die Leute nicht mehr, was der Geburtstag des Führers bedeutet. Derartige Absurditäten bringen deutsche Staatsanwälte und Richter häufig vor, wenn sie Strafverfahren gegen Neonazis mit der Behauptung einstellen, diese hätten gar nicht gewusst, was sie taten.


Belege

Die Kameradschaftstafel auf dem Kirchhainer Friedhof
 http://www.althand.de/kriegkir.jpg

Vielfältige Äußerungen des Nationalsozialismus im gegenwärtigen Kirchhain
 http://www.althand.de/kirchhain.html

Die Wolfsangel-Affäre
 http://www.eucars.de/blindeye/wangel.html

Vorgetäuschter Täter-Opfer-Ausgleich
 http://www.hu-marburg.de/homepage/justiz/info.php?id=117

"zumindest Anfangsverdacht einer unheiligen Verquickung ..."
 http://www.althand.de/haferdoehm.html#verquickung

"Risiken" und Relativierungen des Leitenden Oberstaatsanwalts Koeppen
 http://www.althand.de/banzer.html#koeppen
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Zeitungsartikel dazu

Zaungast 27.10.2007 - 20:54
Interessante Hintergrundinformationen. Ob die obige Bewertung richtig ist?

Auch Hitler schwafelte von Frieden

Ulrich Brosa 02.12.2007 - 20:55
Das Geschwafel von "Mahnung zum Frieden und zur Völkerverständigung"
am Ende der Kameradschaftstafel hat sardonisches Gelächter besonders
bei amerikanischen Bekannten hervorgerufen, denen ich den ganzen Text
vorgelesen habe.

Schon im NS-Staat war es üblich militaristische Hetze mit Salbader zu beenden:
Der Nationalsozialismus wünsche Frieden. Material dazu auf der instruktiven
Internet-Seite
 http://www.h-ref.de/personen/hitler-adolf/friedensreden/friedensreden.php

"Die ewiggestrigen Anhänger Hitlers verweisen mitunter auf die
sogenannten "Friedensreden" des Diktators: Hitler habe doch immer nur
den Frieden gewollt, er habe sich versöhnlich und entgegenkommend
gezeigt und sei keineswegs als der machthungrige Diktator aufgetreten,
als der er gewöhnlich beschrieben wird.

So kann man freilich nur argumentieren, wenn man Hitlers "Friedensreden"
wörtlich nimmt und völlig außer Acht lässt, was er - diesen Reden zum Trotz -
getan hat..."

Die Kameradschaftstafel auf dem Kirchhainer Friedhof

1) verfälscht Gewalttätigkeiten der NS-Wehrmacht DREIMAL als Verteidigung,
2) erwähnt NS-Verbrechen überhaupt nicht,
3) verwendet den militaristischen Jargon, der auf vielen Neonazi-'Weltnetzseiten'
üblich ist.

Beispiele für letztes sind auf
 http://www.althand.de/banzer.html#weltnetz
gesammelt.

Ich lade ein Foto der Kameradschaftstafel hier hoch. Falls es bei Indy
zu klein erscheint, kann es auf
 http://www.althand.de/banzer.html#kameradschaft
angesehen werden.

Dass die Oberhessische Presse die Geschichtsfälschung unerwähnt lässt
und nur das Geschwafel reproduziert, erstaunt nicht. Carl Hitzeroth,
Herr der "Oberhessischen", wurde nach 1945 als Mitläufer
des NS-Regimes eingestuft, siehe S.141 ff in der Dissertation
 http://eldorado.uni-dortmund.de:8080/bitstream/2003/2967/1/welschunt.pdf

(Provinz-)Zeitungen sehen sich meist bemüßigt ihre (Provinz-)Herrscher
zu stützen. Wie das bei der Oberhessischen Presse, dem Multimillionär
Dr. Reinfried Pohl und dem Rotary-Club Marburg funktioniert, ist auf
 http://forum.hna.de/forum/viewtopic.php?pid=23103
nachzulesen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

(muss ausgefüllt werden) — (muss ausgefüllt werden)