Zahltag – Aktionscamp gegen ARGE-Schikanen

agenturschluss 23.09.2007 19:10 Themen: Soziale Kämpfe
"Zahltag!" so lautet das Motto des am 1.+2. Oktober in Köln stattfindenden Aktionscamp gegen ARGE-Schikane.
Überregional mobilisieren Gruppen für diese beiden Aktionstage an der Kölner ARGE in der Luxemburger Str.

Wir interviewen Bettina C. von agenturschluss zu den Motiven und Perspektiven der geplanten Aktionen an der ARGE.
Ihr stellt Euer Aktionscamp Anfang Oktober an der Kölner ARGE unter das Motto „Zahltag“. Wer rechnet da mit wem ab?

In gewisser Weise wir mit der ARGE. Allerdings wohl kaum in Form einer finalen Abrechnung – die sähe ganz anders aus. Nein, des Motto „Zahltag!“ ist Programm im engeren Sinne:
Wir haben das Aktionscamp bewusst auf den Monatsanfang gelegt. Da gibt es nämlich eine Menge Leute an der ARGE, die zu wenig oder gar kein Geld überwiesen bekommen haben und nun ihrer Kohle hinterher rennen müssen. Kein Einzelfall, sondern Schikane mit System! Wir wollen gemeinsam die Auszahlung des Arbeitslosengeld II derer durchsetzen, die eine willkürliche Kürzung oder Sperre reingedrückt bekommen haben. Wir stehen gemeinsam auf der Matte, wenn der Folgeantrag schon wieder „verloren gegangen“ ist, wenn der Widerspruch einfach nicht bearbeitet wird und der Folgebescheid genauso falsch ist wie der alte ...

Anfang Februar randalierten 100 Hartz-IV-EmpfängerInnen in der Arbeitsagentur Herne so lange, bis ihnen das fehlende Geld schließlich ausgezahlt wurde. Angesichts der Menge der aufgebrachten Leute sprach die Polizei von einem „Massenüberfall in noch nicht da gewesener Dimension“. „Wenn das hier mal hochkocht, dann ist der Schuppen hier in 10 Minuten Kleinholz“, sagte ein älterer Arbeitsloser. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde der Vorfall jedoch verschwiegen. Uns hat er erneut verdeutlicht, dass es auf den Fluren der ARGEn immer heftiger brodelt. Ganz ehrlich: Mir macht so ein gemeinsames Aufbegehren Mut.



Was soll denn vor Ort konkret laufen – wie kann kollektive Gegenwehr deiner Meinung nach aussehen?

Ganz einfach. Wir werden für den 1. und 2. Oktober so eine Art Begleitservice einrichten und zwar mit allen, die an diesem Tag auf dem Amt sind und andere solidarisch unterstützen wollen. Die werden dann in größeren Gruppen dem Anliegen derjenigen, die solche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, Nachdruck verleihen. Wir machen eine „Vollversammlung“, wo wir Tipps und Tricks zusammentragen. Wir stellen Methoden vor, mit denen mensch sich gegen SozialschnüfflerInnen bei Hausbesuchen wehren kann. Wir diskutieren, wie es um Bedarfsgemeinschaften steht, wie die Praxis des Profiling aussieht, wie junge Erwachsene aus der „Stallpflicht“ ausbrechen können, was speziell für MigrantInnen gilt und so weiter. Ich glaube wir haben insgesamt 12 Veranstaltungen. Darüber hinaus macht die Wuppertaler Gruppe Tacheles e.V. vor Ort permanente Einzelfall-Beratung und einführende ALG II-Seminare.

Im Vordergrund stehen jedoch die Aktionen – hier wollen wir allerdings noch nichts verraten. Nur soviel vielleicht: Wir werden an diesen Tagen nicht wie üblich an Verantwortliche in der Politik appellieren – uns genügt es nicht „Weg mit HartzIV“ zu fordern und wir werden kein Gespräch mit dem Leiter der ARGE einfordern. Wir scheißen auf seine Position zur Praxis des „Fordern statt Fördern“. Nein, die ARGE-Leitung interessiert uns nicht, sie kann zu Hause bleiben. Wir wollen an diesen Tagen konkret eingreifen in die Alltagsschikane in dieser ARGE und zwar nicht vereinzelt, sondern gemeinsam! Wir wollen uns und der ARGE klarmachen, dass kollektiver Widerstand angesagt ist!



Wenn ihr nicht mit Forderungen an die Führungsetage der ARGE heran tretet, was ist denn die Perspektive der Aktion Zahltag über die beiden Tage hinaus?

Die Botschaft lautet: „ARGE, es reicht! Wir organisieren unsere Gegenwehr.“
Jede(r) weiß, dass die Willkür der SachbearbeiterInnen seit Hartz-IV enorm gestiegen ist. Unverschämte Forderungen und Nötigungen seitens der ARGE-MitarbeiterInnen gegen Erwerbslose sind an der Tagesordnung: „Sie müssen Ihren Widerspruch zurücknehmen, dann erhalten Sie von uns wieder Geld“. Seit die Unternehmensberatung Roland Berger die ARGE Köln umgestaltet hat, haben sich die Wartezeiten auf den Fluren, die Unzuverlässigkeit bei den Geldüberweisungen und der Druck auf Erwerbslose verdoppelt.

Viele Erwerbslose haben mittlerweile erkannt, dass die willkürlichen und illegalen Praktiken und Drangsalierungen der ARGE nicht zufällig sind, sondern System haben. Es hat in den letzten Monaten hier in Köln eine Reihe Aktivitäten von verschiedenen Gruppen gegeben. Der Hausbesuch beim Leiter der rechtsrheinischen SozialschnüfflerInnen zum Beispiel hat für große Besorgnis bei der Arbeitsagentur und der Stadt gesorgt. Die Blockade der Fahrzeuge eben dieses Schnüffeldienstes vor kurzem zeigt zumindest, dass das Thema nicht mit einem Aktiönchen gegessen ist. Offenbar gibt es in Köln eine ganze Menge Leute, die nicht nur die Tasche leer, sondern auch die Schnauze voll haben und sich diese systematische Gängelei nicht länger gefallen lassen wollen.

Ich wäre zufrieden, wenn die Aktionen am 1. und 2. Oktober uns in unserem weiteren Widerstand selbstbewusster machen. Konkret schwebt mir ein selbstorganisierter „Begleitservice“, vielleicht sogar in Form eines regelmäßigen „Zahltags“ zum Monatsanfang vor. Der ganze Apparat und die Schikanen rund um HartzIV sind ja nur ein Besispiel dafür, wie zur Zeit Leute systematsich entrechtet und mehr und mehr unter Druck gesetzt werden – auch am Arbeitsplatz. Ich stelle mir vor, mit unserem Camp auch ein Zeichen für eine in Deutschland unterentwickelte Praxis zu setzen, soziale Rechte zu erkämpfen statt zu erbitten! Was ein gutes Leben ausmacht, darüber haben wir selbst zu befinden und nicht irgend eine ARGE oder sonstige „RepräsentantInnen“.



Ihr wollt tatsächlich an der ARGE campieren? Das klingt für Anfang Oktober nicht besonders attraktiv.

Ja, wir rücken der ARGE für ganze zwei Tage auf die Pelle. Montag um 10 Uhr geht es los - pünktlich! Das Wetter muss uns dabei nicht stören. Wir haben große Zelte und Gasheizungen. Wir werden bekocht und haben jede Menge Heißgetränke. Außerdem heizen uns Microfon Mafia und andere Bands vor. Wie wir uns dort einnisten werden ist eine Frage der Gegebenheiten an diesem Tag und unserer Ideen. Wir haben für verschiedene Möglichkeiten vorgesorgt. Im Moment sieht es schon sehr gut aus. Es gibt nicht nur Spenden, sondern auch viele Zusagen für die Aktion auch außerhalb von Köln.


Viel Erfolg!
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Ergänzungen

Weitere Schikane durch GEZ

Peter Lustig 24.09.2007 - 11:33
In Berlin im Monat August 07 blieben die Aufforderungen an AlgII-Empfänger, Ihren Antrag auf Fortsetzung von AlgII zu verlängern, einfach aus. Sonst wurden diese Antragsformulare immer einen Monat vorher zugesandt. Hier wird eindeutig darauf spekuliert, daß jemand seinen Antrag nicht rechtzeitig stellt und das Jobcenter pro versäumten Antrag roundabout 700 Euro spart.

Damit aber der Sauereien nicht genug. Wer jetzt z.B. seinen Folgeantrag im August stellt, bekommt frühestens im September die Bestätigung. Vor Oktober 2006 konnte man damals seinen GEZ-Befreiungsantrag stellen und war für September ebenfalls GEZbefreit. Seit Oktober 2006 wird jetzt aber wie in diesem Bsp. die Befreiung erst ab dem Folgemonat akzeptiert. Das bedeutet: Im halben Jahr ist ein ALGII-Empfänger gezwungen, mindestens einen Monat GEZ zu bezahlen. Bei mind. 4 Millionen Berechtigten X 15 Euros ist das einen Menge Schotter, die sich die GEZ trotzdem einsteckt.

Gegenstrategien? GEZ abmelden? Was passiert, wenn ein AlgII-Empfänger beim Schwarzsehen erwischt wird? Muss man zahlen, auch wenn man kein Geld hat?

Ein Schicksal in der westdeutschen Provinz

Berichter 24.09.2007 - 11:46
Wie es kommen kann: In der westdeutschen Provinz. Eine saubere Reihenhaussiedlung. Wer hier arbeitlos wird fällt sofort auf. Es wird geredet. Über ihn. Er, arbeitslos, nach plötzlichem Tod der Eltern depressiv, magersüchtig. Er konnte sich nicht mehr wehren. Die fürsorglichen Ämter verpassen ihm einen Betreuer. Der fädelt die Zwangsversteigerung des Hauses ein. Das Gericht stimmt zu. ...Die Ämter helfen sich gerne gegenseitig. Im Interesse der Betreuten. Was soll ein einzelner auch allein in einem Haus. Von dem Erlös könnte er doch erst mal leben, statt von Hartz IV. Außerdem können davon doch die Gerichte und die fürsorglichen Ämter bezahlt werden. Die Zwangsversteigerung wird über Internet angekündigt. Merkwürdig ...nur ein Bewerber ist da. Der erhält sofort den Zuschlag: 50.000 Euro für ein Haus, das eigentlich gut für 150.000 verkauft werden könnte. Deutschland, ein Raubtierstaat.

Ein paar Monate darf er noch drin wohnen, dann muss er raus aus dem Haus, wo er seinen Vater tot im Bett fand.

Flyer

Arge_in_Bedrängnis 24.09.2007 - 14:16
Ein Aufruf zum Aktionscamp zum Weiterverbreiten.
Es wird ab heute täglich an verschiedenen den Kölner ARGEn für das Camp aufgerufen.

Kunststimmen gegen Armut

edy 25.09.2007 - 19:46
001/2007 Angela Merkel darf sich auf ein riesiges Kunstgeschenk freuen.

Mit der jüngst ins Leben gerufenen Aktion KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT rufen Künstler aus ganz Deutschland auf, ein Zeichen gegen die fortschreitende Armut in Deutschland setzen. Jeder Bürger Deutschlands wird darin aufgerufen, ein durch ihn geschaffenes Werk zum Stichtag 15. November 2007 nach Berlin zu senden. Auf unterschiedlichste Werke zum Thema Armut, Hartz IV, daraus resultierenden Emotionen sowie zur Frage “Sind wir Deutschland?” darf sich die Kanzlerin bereits heute freuen.

Deutschland / Die neue Armut in Deutschland beschäftigt seit einiger Zeit auch freischaffende Künstler/innen. Der Themenkreis Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Armut, daraus folgende Emotionen sowie die Frage “Sind wir Deutschland?” waren im August 2007 Gegenstand der Diskussionen unter Künstlern in einem virtuellen Forum der “Arbeitsgemeinschaft für Kunst (kunstag.de). Die Liste der fehlgeschlagenen Reformen und Gesetze deutscher Innenpolitik ist nicht nur in den Augen der Künstler lang: 1-Euro Jobs vernichten sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. 0-Euro-Praktika - vermittelt an Langzeitarbeitslose durch die Agentur für Arbeit – öffnen skrupellosen Unternehmern Tür und Tor für die Ausbeutung der “Ware” Mensch. Hartz IV-Empfänger können kaum noch ihre Kinder ernähren. In Schulen steht Hartz IV auf dem Lehrplan, an denen Kinder lernen, wie man mit 345 Euro pro Monat eine Wohnung und billige Lebensmittel bekommt. Heuschreckenartige Unternehmensübernahmen haben, neben steigenden Aktienwerten, Massenentlassungen der Arbeitnehmer zur Folge. Ebenso stehen Forderungen zur Vereinfachung der Steuergesetzgebung, zur Eindämmung sinnloser Einsätze der Bundeswehr sowie des Stopps von teuren Prestigeprojekten (z. B. Trans Rapid) auf der Liste.

Unter der Devise “Meckern was gestern, verändern ist heute” formierte sich in der letzten Augustwoche ein vierköpfiges Koordinationsteam. Die Initiatoren, Thomas Baier (Engelsbrand), Bettina Gladisch (Darmstadt), Mona Schwenker (Bergisch Gladbach) und Anne Radstaak (Buch) sind alle als freischaffende Künstler tätig. Sie erarbeiteten innerhalb weniger Tage den Aufruf KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT mit den dahinter stehenden Zielen sowie einen Internetauftritt (www.kunststimmen-gegen-armut.de).

Seit 1. September 2007 rufen die Initiatoren dazu auf, die Bürgerinnen und Bürger mögen ein selbst geschaffenes Kunstwerk zum Stichtag 15. November 2007 an den Deutschen Bundestag in Berlin senden - Werke zum Themenkreis: Hartz IV, Armut, Nichts zu essen, daraus folgende Emotionen, “Sind wir Deutschland”? Ob Gemälde, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Gedicht, Buch, Musikstück oder Häkeldeckchen - auf die verschiedensten Genres darf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Regierungskabinett bereits in diesen Tagen freuen.

Alle Bürger haben die Möglichkeit, ihre persönlichen Einstellungen mit einem Werk der Regierung zum Ausdruck zu bringen. Denn viele sind über die Grundstimmung in Deutschland frustriert. Der Leitspruch der Aktion KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT lautet daher auch passender weise “Meckern war gestern, verändern ist heute!”

Innerhalb der ersten Woche nach dem Aufruf vom 1. September 2007 gingen bereits mehr als 100 Zusagen bei den Initiatoren ein, sich mit einem Werk zu beteiligen. Eine Auswahl der Werke wird in den kommenden Wochen auf der Webseite von KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT zu sehen sein. Weitere Infos finden Sie im Internet unter: www.kunststimmen-gegen-armut.de


Adresse der ARGE

wohin genau 26.09.2007 - 10:51
Arbeitsamt
Luxemburger Strasse 121
50939 Köln (Sülz)

direkt neben dem Land-und Amtsgericht

U-Bahn/(=Straßenbahn) Haltestelle: Weißhausstraße
Ab Hauptbahnhof Linie 18 (etwa Fünf-Minuten-Takt)
(in Richtung Brühl oder Klettenbergpark oder Bonn Hbf)

Montag 1.10. um 10 Uhr (pünktlich!)


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