Mannheim: "Change the climate!"

Delta Press 14.09.2007 18:51 Themen: Antifa Antirassismus
DP: Ich begrüße hier Ludwig vom AK Antifa Mannheim. Diese Gruppe organisiert derzeit hier in Mannheim eine Kampagne unter dem Motto "Change the Climate! Gegen Nation, Rassismus und Kapitalismus". Es wird verschiedene Veranstaltungen geben: Podiumsdiskussionen, Filmabende, Vorträge und zwei Demonstrationen. Die eine am 15. September, die sich gegen den Abschiebeknast in Mannheim richtet. Die andere wird am 3. Oktober stattfinden und hat das Motto "Kein Frieden mit Deutschland".
Da habt ihr euch ja viel vorgenommen. Nation, Rassismus und Kapitalismus, warum alles auf einmal?

L: Es ist ja so, dass wir in kapitalistischen Verhältnissen leben und in einer Welt, die in Nationalstaaten verfasst ist. Rassismus, Nation und Kapitalismus bestimmen darin den Alltag und stehen in direktem Zusammenhang. Aus diesem Grund kann man auf lange Sicht nicht nur eines dieser Übel bekämpfen, wenn man grundsätzlich etwas an den Zuständen ändern möchte.

DP: Das drückt ja auch euer Motto "Change the Climate" aus.

L: Genau, wir wollen nämlich darauf hinaus, dass die gesellschaftliche Grundstimmung, das Klima, sich ändern muss, dass Kapitalismus und Nationen keine natürlichen Unabänderlichkeiten sind, die man einfach hinnehmen müsste. Allerdings wird die Welt von vielen Menschen leider so unkritisch wahrgenommen. Man muss kein Nationalist oder Nationalistin sein, um die Einteilung der Welt in Nationen für selbstverständlich zu halten. Die meisten Menschen glauben allerdings an eine "Natürlichkeit" dieser Einteilung, genauso wie sie spätestens seit dem so genannten Ende der Geschichte 1990 den Kapitalismus für selbstverständlich halten. Mit dem Ende der Geschichte sollte 1990 nach dem Zusammenbruch des Ostblocks der Kapitalismus als einzige Option bewiesen werden. Zu den damaligen Ereignissen gehört auch die "deutsche Wiedervereinigung", die am 3. Oktober gefeiert wird und für das Wiedererstarken Deutschlands sieht. Wir wenden uns gegen diese Ideologie, die die Endgültigkeit von Kapitalismus und Nationalstaaten behauptet.
Natürlich lässt sich dieses komplexe Thema hier nicht auf die Schnelle erläutern. Ich verweise mal auf unsere Homepage www.akantifa-mannheim.de/changetheclimate. Dort finden sich neben anderen Texten auch der Aufruf zur Demonstration am 3. Oktober, der sich damit ausgiebig auseinandersetzt.

DP: Das Motto der Demo am 3. Oktober heißt "Kein Frieden mit Deutschland". Warum dieses Motto und warum an diesem Tag?

L: Wir betrachten den 3. Oktober als ein symbolisches Datum. Der Tag steht mit der bereits erwähnten so genannten Wiedervereinigung Deutschlands auch für den Wegfall der letzten alliierten Restriktionen und für den Wideraufstieg Deutschlands zur Weltmacht. Man redete jetzt davon, als deutsche Nation beide Diktaturen überwunden zu haben. Sie wurden als eine Art Schicksalsschläge dargestellt, die den Deutschen wiederfahren seien. Damit sollte Frieden mit der deutschen Vergangenheit geschlossen und ein "normaler Patriotismus" ermöglicht werden. An diesem Frieden wollen wir nicht teilhaben.
Andererseits steht der 3. Oktober für den mit dem so genannten Mauerfall einsetzenden nationalen Taumel Anfang der 90er-Jahre und die rassistischen Ausschreitungen und Pogrome, die in ganz Deutschland stattfanden.

DP: Das gab es ja auch in Mannheim bei den Angriffen auf die Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Schönau.

L: Ja, dort hat sich die rassistische Grundstimmung besonders deutlich gezeigt, weil die Angriffe nicht von organisierten Nazis ausgegangen sind, sondern von den ansässigen Bürgern und Bürgerinnen, dem deutschen Mob. Damit wurde außerdem auch die These widerlegt, dass der gewalttätige Rassismus ein ausschließlich ostdeutsches Phänomen sei, an dem die DDR die Schuld trage.
Die Ausmaße der rassistischen Übergriffe waren seitdem zwar nicht mehr so heftig wie in der Zeit nach der Wiedervereinigung, aber beispielsweise der aktuelle Fall in Mügeln hat klar gemacht, dass es in großen Teilen der Gesellschaft nach wie vor einen rassistischen Konsens gibt. Hier zeigt sich der Zusammenhang zwischen Nation und Rassismus.

DP: Waren in der jüngeren Vergangenheit für Linke nicht vor allem Naziaktivitäten Anlass, am 3. Oktober auf die Straße zu gehen, um diese zu verhindern?

L: Leider gab es meines Wissens tatsächlich 2004 zum letzten Mal linksradikalen Protest gegen die offiziellen Einheitsfeierlichkeiten, also Protest, der nicht nur Reaktion auf Naziaktivitäten war. Wir finden es aber wichtig, sich an diesem Tag auch unabhängig von irgendwelchen Naziaktivitäten zu äußern. Wir hoffen, mit der Kampange innerhalb der radikalen Linke eine Auseinandersetzung mit dem Thema auch für die nächsten Jahre zu bewirken.
Was dieses Jahr betrifft: Wir lassen uns die Party von den Nazis nicht verderben. Natürlich haben wir die Nazis der Rhein-Neckar-Region und anderswo im Auge und sind vorbereitet. Jedenfalls entscheiden wir, wann wir uns mit diesem Problem befassen; unsere Demo am 3. Oktober findet aber auf jeden Fall wie geplant statt.

DP: Wie mobilisiert ihr zur Kampagne? Wie kann man sich weiter informieren?

L: Aufkleber, Flyer und Plakate weisen auf die Veranstaltungen hin. Eine ausführliche Broschüre informiert außerdem detaillierter über die Inhalte der Veranstaltungen und enthält die Texte zu den Hintergründen der Kampagne. Diese gibt es auch auf unserer Homepage zu lesen unter www.akantifa-mannheim.de/changetheclimate.

DP: Kannst du uns noch etwas mehr zu den Veranstaltungen erzählen?

L: Der Startschuss fällt am 15. September mit dem alljährlichen Gedenken an die Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter, die von den Nazis ermordet wurde. Am Nachmittag findet dann die Demonstration gegen den Abschiebeknast in Mannheim statt.
Am Donnerstag, dem 20. September läuft um 19:30 Uhr im Juz Mannheim der Film "The truth lies in Rostock", der den Pogrom in Rostock-Lichtenhagen 1992 dokumentiert.
Am Mittwoch der folgenden Woche, dem 26. September ebenfalls um 19:30 Uhr gibt es einen Vortrag mit Gerd Wiegel im Forum der Jugend in Mannheim zum Thema Nation und NS-Erinnerung; vom Historikerstreit bis heute.
Wieder eine Woche später ist der 3. Oktober. An diesem Mittwoch findet die besagte Demonstration unter dem Motto "Kein Frieden mit Deutschland" statt. Start ist um 18:00 Uhr am Alten Messplatz.
Am Donnerstag, dem 11. Oktober haben wir mehrere Beteiligte eingeladen, über die rassistischen Ausschreitungen von Mannheim-Schönau 1992 zu diskutieren; das findet im Juz Mannheim um 19:30 Uhr statt.
Wer sich über historische und begriffliche Entwicklung des völkischen Nationalismus informieren möchte, kann das am Mittwoch, den 17. Oktober um 19:00 Uhr im Forum der Jugend bei einem zweifellos interessanten Vortrag von Helmut Kellershohn tun.
Den Abschluss der Kampagne bildet die Abschlussparty am 27. Oktober ab 21:00 Uhr im Juz Mannheim.
Ich weise nochmal auf unsere Homepage www.akantifa-mannheim.de hin, wo eventuelle Änderungen von Zeiten und Orten nachzulesen sind.

http://www.akantifa-mannheim.de

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