Flugblattverteilung an Breisacher Schulen

AK Gegen Jeden Antisemitismus 13.09.2007 07:20
Am Dienstag dem 11.09. wurde an einigen Schulen in Breisach am Rhein ein Flugblatt, das sich gegen jeden Antisemitismus richtete, verteilt.
In der Nacht vom 11. auf den 12. August wurde in Ihringen, das in der Nähe von Breisach liegt, ein jüdischer Friedhof von Neonazis geschändet. Dies war Anlass für die Flugblattaktion am zweiten baden-württembergischen Schultag. Das Flugblatt analysierte und kritisierte nicht nur den Antisemitismus der Täter, sondern auch den, der sich in der restlichen deutschen Gesellschaft finden lässt. Etwa 400 Exemplare wurden am Martin-Schongauer-Gymnasium, der Hugo-Höfler-Realschule und der Berufsschule verteilt.
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ErgänzerIn 13.09.2007 - 13:11
Gegen jeden Antisemitismus!

Einige Überlegungen zur Friedhofsschändung in Ihringen

In der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 12. August, rissen vier Neonazis, von denen zwei der „Kameradschaft Bahlingen“ angehörten, wahllos über 70 Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Ihringen aus der Erde. Die Täter wurden allerdings schon einige Tage später von der Polizei gefasst, da sie mit dem Fahrzeug, mit dem sie den Friedhof verließen, danach in einen Graben fuhren. Bei einer Hausdurchsuchung fand man bei einem der Täter neben Nazi-Symbolen und neonazistischer Musik auch eine Schusswaffe. Die Täter waren der Polizei schon wegen Sachbeschädigung und schwerer Körperverletzung bekannt. Der Älteste wurde in U-Haft genommen während die übrigen drei sich wieder auf freiem Fuß befinden.
Der jüdische Friedhof in Ihringen ist nicht zum ersten Mal Ziel eines antisemitischen Angriffs. Schon 1990 und 1991 wurde er geschändet. Damals hinterließen die Täter nicht nur umgerissene Grabsteine, sondern schmierten auch SS-Runen, Hakenkreuze und andere nationalsozialistische Symbole sowie antiisraelische Parolen auf dem Friedhof.
Jüdische Geschichte in Ihringen
Will man diese Taten nicht einfach zu banalem Vandalismus verharmlosen, sondern sie begreifen, muss man zunächst den historischen Kontext betrachten. Seit dem 18. Jahrhundert wohnen in Ihringen Juden und Jüdinnen. 1933, also in dem Jahr, in dem mit der Machtübernahme der NSDAP die offene und staatlich sanktionierte Terrorisierung und später Ermordung der Juden und derjenigen, die von den Nazis für solche gehalten
wurden, begann, hatte das Dorf noch hundert jüdische Einwohner. Diese waren daraufhin, wie im ganzen Land, antisemitischen Drangsalierungen ausgesetzt. Am 10. November 1938, der Reichspogromnacht, radikalisierten diese sich: ähnlich wie in Breisach und Eichstetten, den Ihringen nächstgelegenen jüdischen Gemeinden, und in ganz Deutschland, trieben Mitglieder der SS die jüdischen Bewohner Ihringens zusammen. Diese mussten dann übelste antisemitische Beschimpfungen über sich ergehen lassen und dabei zuschauen, wie ihre Synagoge niedergebrannt wurde. Dieser Horror war allerdings unvergleichbar mit dem, was ihnen noch bevorstand. Dem als Shoah bekannte industriellen Massenmord fielen nämlich laut Yad Vashem mindestens 53 in Ihringen geborene oder dort ansässige Jüdinnen und Juden zum Opfer.

Der Antisemitismus in der BRD

Auch nach der militärischen Niederlage der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gab es ohne Frage immer noch offene Antisemiten. So kam es schon in den späten 1940ern und den '50ern zu Angriffen auf jüdische Einrichtungen - besonders die Friedhöfe waren dabei Ziele. Doch wieso wählten Antisemiten damals, und wie wir am Beispiel Ihringen sehen noch heute, Friedhöfe als Ziel ihrer Angriffe? Friedhöfe sind vor allem Orte der Erinnerung, Orte gegen das Vergessen. Jüdische Friedhöfe in Deutschland erinnern daran, dass es auch hier, in Breisach, Ihringen und Eichstetten einst jüdische Gemeinden gab. Antisemiten wollen jedoch alles von ihnen als jüdisch empfundene vernichten, sogar die Erinnerungen daran, dass es einmal ein reges jüdisches Leben in Deutschland gab.
Aber dieser offene Antisemitismus wird in Deutschland nur von einer kleinen Minderheit geteilt und die Abscheu der Bürger Ihringens vor dieser Tat ist glaubwürdig. Zwar sind Neonazis und andere offene Antisemiten im Kaiserstuhl eine kleine Minderheit - eine neonazistische Partei wie die NPD fährt bei Wahlen nur erbärmliche 0,9 Prozent ein - und gilt die Erinnerung an das jüdische Leben in der Region als fester Bestandteil des Gemeindelebens, dennoch ist der Antisemitismus nach 1945 nicht einfach bei einem Großteil der Bevölkerung verschwunden, er hat nur eine andere Form angenommen. Einerseits gibt es die verdeckten Antisemiten, die zwar etwas gegen Juden haben, dies jedoch nie öffentlich äußern würden, das sind diejenigen, die am Stammtisch, in vertraulicher Atmosphäre, wenn sie sich unter Gleichgesinnten fühlen, gerne einen antisemitischen Spruch loslassen. Dass solche verkappten Antisemiten keine Seltenheit sind, erkennt man beispielsweise daran, dass laut Umfragen 36% der Deutschen Verständnis dafür haben, dass manche Menschen Juden als unangenehm empfinden. Forscher gehen davon aus, dass 5% der Deutschen „extreme Antisemiten“ und weitere 15% einfache Antisemiten sind, weitere 21% haben „nur“ antisemitische Vorbehalte. Eine weitere Art des Antisemitismus nach 1945 ist der Antizionismus, anstatt gegen Juden zu wettern, wird nun gegen Zionisten gehetzt. Im Hass gegen Israel drückt sich der Hass auf die die Shoah überlebenden Juden aus. Vor diesem Hintergrund muss die weit verbreitete Ablehnung der israelischen Politik begriffen werden. Diese Spielart des Antisemitismus ist jedoch nicht nur für Nazis reserviert, auch viele liberale, linke und konservative Menschen üben eine „Israelkritik“, die nur als antisemitisch bezeichnet werden kann. Auch auf ökonomischem Gebiet äußert sich ein ähnlich subtiler Antisemitismus. So vergleicht der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering „Private-Equity“-Gesellschaften mit Heuschrecken. „Die Heuschrecke“ ist ein altes, nicht nur von den Nazis gebrauchtes antisemitisches Symbol, das denjenigen, der damit belegt wird, als von außen hereinschwärmend, wurzellos, schädlich und so weiter bezeichnet - alles Attribute, die im klassischen Antisemitismus den Juden zugeschrieben werden.

Der antisemitische Charakter der Schändung in Ihringen ist offensichtlich. Dass fast alle diesen Antisemitismus erkannt haben und den Angriff verurteilen, ist erfreulich. Allerdings gilt es, den Antisemitismus in jeder Form zu kritisieren und zu bekämpfen, auch in seinen subtileren Varianten.

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 Gegen-jeden-antisemitismus@hotmail.de

BZ & Jungle zu Ihringen

Bleichgesicht 13.09.2007 - 23:08
In der Jungle ist dazu ein Artikel erschienen:
 http://www.jungle-world.com/seiten/2007/34/10470.php

Und in der Badischen Zeitung gab es Hintergrundinfos zu den TäterInnen, s.u.
Ansonsten: Super Aktion, weiter so!

Bahlingen: Polizei stoppt 'Kameradschaft'
Rechtsradikale am Kaiserstuhl: Nach der Schändung des jüdischen Friedhofs in Ihringen hat die Polizei einer rechtsradikalen Gruppierung, die sich am Kaiserstuhl formiert hatte, ein Ende gesetzt.
Sie nannten sich "Kameradschaft Bahlingen" und Springerstiefel, schwarze Kleidung sowie entsprechender Haarschnitt gehörten zum Erscheinungsbild – passend zum üblichen Auftritt in der rechtsradikalen Szene. Die Polizei hatte die Gruppe bereits seit geraumer Zeit im Auge; im Zuge der Ermittlungen wegen der Friedhofsschändung schritt sie ein.

Zwei der vier Täter von Ihringen gehörten nach Auskunft der Kriminalpolizei Emmendingen der Bahlinger Gruppe an, darunter auch der 28-Jährige, den die Ermittler als Haupttäter der Friedhofsschändung einstufen.

Aus ihrer Gesinnung machten die Mitglieder der offenbar neunköpfigen Gruppe keinen Hehl, sagt Kriminalhauptkommissar Roland Vetter, bei der Polizeidirektion Emmendingen zuständig in Sachen Staatsschutz.

Bereits im Juli hatte der Staatsschutz die rechtsradikale Gruppe im Visier, doch einen ausreichenden Anlass, um gegen die Mitglieder vorzugehen, bot die Gruppe den Ermittlern zunächst nicht.


Das änderte sich nach der Friedhofsschändung. Die Flucht der vier Täter führte in ein Spargelfeld bei Bötzingen, das dort zurückgelassene Auto wiederum auf die Spur des 28-Jährigen und im weiteren Verlauf auch zu den drei Mittätern. Bei Hausdurchsuchungen stieß die Polizei nicht nur auf eine Waffe, sondern auch auf umfassende Informationen über die Aktivitäten und Kontakte der jungen Männer, berichtet Vetter.

Sie stammen aus der ganzen Umgebung, arbeiteten wohl seit März am Aufbau der "Kameradschaft" und in jüngster Zeit offenbar an den Vorbereitungen für ein größeres Treffen von Rechtsradikalen am Kaiserstuhl. Verbindungen unterhielt die Gruppe laut Vetter unter anderem zu Gesinnungsgenossen am Bodensee und in der Ortenau.

Trotz der jüngsten Ereignisse sei der Landkreis Emmendingen keineswegs von einer besonders starken rechtsradikalen Szene geprägt, betont Roland Vetter. Einschließlich der Bahlinger Gruppe müsse man wohl von rund 15 Personen ausgehen; jetzt sei die Szene vorerst einmal ausgedünnt.

In der Vergangenheit hätten sich rechtsradikale Aktivitäten vor allem auf das Elztal konzentriert, weil dort eine gewisse Führungsperson der Neonazi-Szene gewohnt habe. Seit deren Wegzug sei es im östlichen Kreisgebiet ruhig geworden um die Szene. Doch das bedeutet nicht, dass die Ermittler die Akteure aus den Augen verlieren. Der Mann sei nach wie vor aktiv – und unter Beobachtung des Staatsschutzes, versichert Vetter. (bz)

Interview mit einem Mitverfasser

RDL 20.09.2007 - 08:56
Radio Dreyeckland Freiburg (www.rdl.de) hat einen der Mitverfasser Interviewt

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