Berlin: Vorschlag für nächste 129a-VV

Anna 10.09.2007 23:05
Diskussionsvorschlag für die nächste VV zur Unterstützung der §129a - Betroffenen
am Mittwoch, den 12. September 2007, 20Uhr, im Mehringhof
Wer wir sind & weshalb wir dieses Papier verfasst haben
Wir haben uns nach der letzten VV am 29. August zusammengefunden, da wir – wie sicherlich viele der anwesenden GenossInnen – ziemlich unzufrieden mit deren abrupten Abschluss waren. Auf eine ausgiebige Zusammenfassung des offenen Treffens soll hier verzichtet werden, vielmehr wollen wir einige Vorschläge machen, wie eine weitere konstruktive Soli-Arbeit aussehen könnte.
Im Austausch über die bisherige Arbeit, insbesondere deren Außenwirkung in den bürgerlichen Medien, wurde von einem Teil der Anwesenden kritisch angemerkt, dass eigene Positionen aus der radikalen Linken nicht wahrnehmbar sind. So wurde bislang nach Außen einer Positionierung, in der die den drei Inhaftierten angelastete Unschädlichmachung von Bundeswehrfahrzeugen als legitimes Mittel im Kampf gegen Militarismus und Kriegszustand gewertet wird, noch nicht genügend Platz eingeräumt. Denn schließlich handeln nicht diejenigen verbrecherisch, die den Versuch unternehmen, Mordwerkzeuge zu beseitigen, sondern diejenigen, die von ihnen Gebrauch machen, um ihre Herrschaft abzusichern und/oder auszuweiten.
Schon seit Einführung wird der §129a vom linksliberalen Spektrum kritisiert, da er als Instrument der politischen Justiz einen Organisationsstraftatbestand konstruiert und so vor allem der Ausforschung, Kriminalisierung und Einschüchterung linker Widerstandspotentiale dient: Damit ist er geradezu prädestiniert, alle möglichen Leute ohne konkreten Tatverdacht ins Visier der ErmittlerInnen geraten zu lassen. Die Unschuldsvermutung ist somit aufgehoben, verdächtig sind alle, die ihre Politikinhalte und –formen nicht den von den Herrschenden vorgegebenen Handlungsspielräumen unterordnen wollen. In den bürgerlichen Medien wird dieser Kritik ein relativ großer Raum eingeräumt. Es kann allerdings nicht die Aufgabe einer linken Soli-Arbeit sein, durch (Wieder-)Herstellung eines auf konkrete Einzeldelikte abzielenden Strafrechts den Glauben der guten StaatsbürgerInnen an die Gerechtigkeit eines „demokratischen“ Rechtsstaates zu bestärken.
Ebenso sollte aber wohl allen klar sein, dass innerhalb dieser Logik das Maximum, was an Zustimmung seitens des bürgerlichen Spektrums momentan zu erzielen ist, eine Verurteilung der Inhaftierten wegen versuchter Brandstiftung ist - dass in einer Kampagne“, die ausschließlich auf Freispruch für Andrej durch Fallenlassen des §129a abzielt, für die anderen drei kein Platz bleibt.
Mit der Verhaftung unserer Genossen und der Anwendung des §129a versucht der Staat, die antimilitaristische Praxis als Solche zu kriminalisieren. Wir möchten daher die Vorschläge einiger GenossInnen aufgreifen, diesen Angriff mit einer (Soli-)Kampagne zu kontern, die die Kontinuität und Notwendigkeit antimilitaristischen Widerstands in Zeiten des permanenten Kriegszustands, in dem sich die BRD seit dem Angriff auf Jugoslawien 1999 befindet, deutlich macht. Anti-Repressionsarbeit bedeutet auch, Formen und Inhalte emanzipatorischer Politik gegen die Angriffe der Herrschenden zu verteidigen.
In einer Kampagne gilt es insbesondere aufzuzeigen, dass Antimilitarismus nicht als isolierter Teilbereichskampf aufzufassen ist: In Zeiten des Krieges sind alle gesellschaftlichen Entwicklungen und die Kämpfe, die aus ihnen hervorgehen, auch vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Krieg bedeutet nicht zuletzt eine Reduzierung gesellschaftlicher Konflikte und Konflikt“lösungen“ auf Freund oder Feind – der möglichst umfassenden Ausweitung dieser Logik in alle Bereiche des Lebens.

Die BRD als Krieg führende Nation nach außen…
Seit nunmehr fast einem Jahrzehnt ist die BRD wieder als Krieg führende Nation in der Welt präsent. Von der Rot-Grünen Regierung 1998 als humanitäre Aktion etabliert, ist die Bundeswehr heute an über acht Kriegseinsätzen beteiligt, Tendenz steigend. Mit insgesamt rund 8.000 Soldaten stellt sie mittlerweile eines der größten Kontingente an Truppen bei internationalen Kriegseinsätzen. Zur dauerhaften Absicherung geostrategischer Interessen ist es jedoch notwendig, dass globale Engagement nicht allein in militärischen Händen zu belassen. Zunehmend werden zivile AufbauhelferInnen in eine zivil-militärische Kooperation („Civil-Military-Cooperation/CIMIC“) eingebunden. Gleichzeitig werden die Aufgaben von Polizei und Militär immer stärker miteinander verschränkt. Drei-Viertel der „zivilen“ Aufbauhilfe in Afghanistan sind Investitionen in den Aufbau der Polizeistruktur und deutsche Polizisten bilden irakische Sicherheitskräfte aus.
Parallel dazu ist ein stetiges Anwachsen der Militär- und Rüstungsausgaben zu verzeichnen. Eine kommende EU-Verfassung sieht ein konsequentes Aufrüsten per Diktat vor.
Deutschland, als federführender Stichwortgeber in der europäischen Sicherheitsdebatte war maßgeblich daran beteiligt, Begriffe wie die „asymmetrische Kriegsführung“ zu etablieren und in der Folge den europäischen Überwachungsapparat bis an die Zähne aufzurüsten.
Wird die Zivilbevölkerung als potentielle Bedrohung betrachtet, so ist nur folgerichtig, dass alle verdächtig sind und demzufolge bis ins Letzte ausspioniert werden müssen, wie es das neue BKA – Gesetz vorsieht. Dies führt zwangsläufig zu einer immer besser vernetzten Kriegsführung und Überschneidung und Ausweitung von militärischen, polizeilichen und den Befugnissen privater Firmen. In der Folge wird Krieg zunehmend privatisiert, parlamentarischer Einfluss oder Kontrolloptionen verschwinden nahezu vollständig. Dieselbe Diskussion stellt eben auch zur Disposition, ob es nicht angesichts globaler Bedrohungen geboten sei, sich gegebenenfalls über bestehende Gesetze hinwegzusetzen, um vermeintlich höhere Güter zu schützen. Schließlich wurde unlängst laut darüber diskutiert, ob es nicht längst an der Zeit sei, das Folterverbot aufzuweichen und es erscheint beinahe Konsens, dass unter Folter erlangte „Erkenntnisse“ zur Aufklärung heranzuziehen seien.

…und nach innen
Dem Krieg nach Außen haben sich innerhalb des Krieg führenden Staates alle gesellschaftlichen Sphären unterzuordnen. „Sicherheitspolitik“ – ein Euphemismus für die moderne Kriegführung – richtet sich eben gleichermaßen nach Außen und Innen. Zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung wurden in den letzen Jahren die Mittel der politischen Justiz massiv ausgeweitet: Der Erlass der Sicherheitspakete unter Rot-Grün, die Ausweitung des Terrorismusparagrafen auf im Ausland ansässige Organisationen oder das zukünftige BKA – Gesetz sind nur einige Mittel, die den Handlungsspielraum politisch denkender und handelnder Menschen massiv einschränken.
Umso mehr gilt dies, wenn die Betroffenen nicht über einen deutschen oder EU-Pass verfügen und somit dem neuen Aufenthaltsgesetz unterworfen werden, welches einem Maulkorb-Erlass für MigrantInnen gleichkommt.
Mit der fortschreitenden Beschneidung politischer Handlungsräume geht die inflationäre Ausdehnung des Terrorismus-Begriffs einher, der – wie in der Berichterstattung zu Heiligendamm 07 sichtbar wurde – auf jedwede Formen zivilen Ungehorsams – wie z.B. Straßen- oder Schienenblockaden - anwendbar scheint.
In den Kontext der Kriegsführung nach Innen gehört aber auch die Durchsetzung des sozialen „Friedens“. Das bedeutet u.a. die fortschreitende Abwicklung der Gewerkschaften durch Angriffe auf die Tarifautonomie oder, wie jüngst im Fall der Eisenbahnergewerkschaft, durch dass Verbot von Streiks, und schließlich die ganz grundsätzliche Disziplinierung eines/einer Jeden durch die Zuordnung in die Kategorien von Nützlich und Unnütz. In der Hartz- IV – Gesetzgebung oder nun auch in den meisten Ländergesetzen zum Strafvollzug findet dies im beschönigenden Schlagwort des „Fördern und Fordern“ seinen Ausdruck.

Im öffentlichen Diskurs nimmt die Tatsache, dass sich dieses Land in einem Zustand des permanenten Krieges befindet, jedoch keine zentrale Stellung ein. Der Krieg findet scheinbar woanders, in den „Krisenregionen“ der Peripherie und fernab unserer Metropolenrealität, statt…

Eine Kampagne „Bundeswehr abrüsten“ / “Abrüstung jetzt“

Wir laden daher alle interessierten Gruppen und Einzelpersonen ein, gemeinsam mit uns eine Kampagne auf den Weg zu bringen, die sich zeitlich auch an dem weiteren Prozessverlauf orientieren soll und z.B. in einer großen Demonstration im Sommer des nächsten Jahres ihren Höhepunkt finden könnte.

In Stichworten einige Punkte, die als Bestandteil einer Kampagne diskutiert werden könnten:

- Kleinere, dezentrale Veranstaltungen (Themen könnten u.a. Erfahrungen in allen Ländern (Berichte von AktivistInnen), Militarismus & Patriarchat, Verflechtung militärischer und ziviler Organisationen, Normalisierung des Kriegszustandes/ „humanitäre“ Einsätze der Armee und neuer Nationalismus sein)
- Begleitung durch Aktionsprogramm
- Öffentlichkeitsarbeit
- Kinospot

Die Kampagne soll auch dazu dienen, einen Diskussionsprozess innerhalb der „Szene“ in Gang zu setzen, in dem sich über die unterschiedlichen Vorstellungen und Ansätze einer antimilitaristischen Praxis ausgetauscht werden kann. Hier gab es u.a. den Vorschlag, einen parallel laufenden Diskussionskreis zu initiieren, an dem sich alle Interessierten beteiligen können.

Freiheit für Florian, Oliver, Axel und Andrej! - Freiheit für alle Gefangenen! Sofortige Einstellung aller Verfahren nach §129a, b
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Ergänzungen

kommt alle...

antiterrorist 11.09.2007 - 13:50
...zur demonstration am 22.9.2007! Gegen Überwachung und Polizeistaat! §129a/b abschaffen!

Kommt zum antikapitalistischen Block!

An die EinladerInnen zur VV

Einige von delete129a 11.09.2007 - 16:06

Was wir gut finden

Wir stimmen euch zu, dass eigene Positionen aus der radikalen Linken bisher kaum wahrnehmbar sind.

Auch finden wir euren Kampagnenvorschlag am Ende gut: [...].

Und wir stimmen euch auch zu, wenn ihr schreibt: „Ebenso sollte aber wohl allen klar sein, dass innerhalb dieser Logik [= der linksliberalen Kritik am § 129a] das Maximum, was an Zustimmung seitens des bürgerlichen Spektrums momentan zu erzielen ist, eine Verurteilung der Inhaftierten wegen versuchter Brandstiftung ist“.

Genauso sollte allerdings auch allen klar sein: Eine Kampagne, die die „Unschädlichmachung von Bundeswehrfahrzeugen als legitimes Mittel im Kampf gegen Militarismus und Kriegszustand“ verteidigt, wird kurzfristig kein besseres Ergebnis erzielen. Es ist auf absehbare Zeit ausgeschlossen, dass sich ein bundesdeutsches Gericht der Einschätzung der „Unschädlichmachung von Bundeswehrfahrzeugen als legitimes Mittel“ anschließt und auf dieser Grundlage Angeklagte freispricht.

Vielmehr muß sogar klar die Möglichkeit ins Auge gefaßt werden, dass die Justiz nicht nur das praktische Unschädlichmachen von Bundeswehrfahrzeugen als Straftat behandelt (was es zweifelsohne ist), sondern auch das politische Verteidigen der Legitimität dieses Unschädlichmachens kriminalisiert.

Unter beiden Gesichtspunkten scheint uns für den Erfolg der von euch vorgeschlagenen Kampagne zentral zu sein, diese Kampagne nicht im Gegensatz zu – oder auch nur getrennt von – einer linksliberalen Kampagne gegen Gesinnungsstrafrecht, sondern in Verbindung mit einer solchen anzulegen.

[...]

Vollständiger Text im html-Format:

 http://delete129a.blogsport.de/2007/09/11/an-die-einladerinnen-zur-vv/

Alternativvorschlag aus Neustadt und der Welt

Benjamin B. und Karla K. 11.09.2007 - 23:08
Wir teilen eure Einschätzung, dass Positionen der radikalen Linken in dem medialen Diskurs bisher untergegangen sind; wir finden auch, dass eine Kampagne das Mittel der Wahl wäre, wir teilen darüberhinaus aber eure Einschätzungen und eure Kampagnenkonzeption nicht.

Vorausgeschickt sei, dass wir die Soli-VV nicht umbedingt als den richtigen Ort für die Kampagnenentwicklung sehen. Zum einen weil es einerseits die Soliarbeit gibt und andererseits eine politische Kampagne, diese beiden Dinge können sich diametral entgegenstehen, so könnte es durchaus im Interesse der Verhafteteten sein, dass das Thema nicht groß aufgebauscht wird, wärend es für die Kampagnenheinze und -hannas ja zentral ist.
Zum anderen geht es um eine Kampagne, die sich vieleicht nicht auf die drei/vier anwesenden Gruppen beschränken sollte.

Sehr kritisch sehen wir bei euch diese Aufteilung, da Kampf gegen 129a und Überwachungsstaat, was per se linksliberal ist und dort der heroische Antimilitarismus, der genuin linksradikal ist. Es scheint uns eher so, dass hier die eigenen politischen Arbeitsfelder bestimmend für die Wahl sind, was denn jetzt einer linksradikalen Kampagne würdig erachtet wird.

Wir finden die Wahl einer Antimilitarismus-Kampagne etwas befremdlich. Zum einen müßte sich doch eine Kampagne daraus ergeben, was auf der Tagesordnung steht oder zumindestens größere Relevanz besitzt. Jetzt wurden Leute mit dem mg-Vorwurf überzogen, die gerade Bundeswehrfahrzeuge anzündeten, was wäre gewesen wenn jetzt Leute im Knast sässen, die beim Anzünden von Telekom-Fahrzeugen erwischt wurden(was die mg ja durchaus auch getan hat), würden wir dann jetzt alle geleaste Telekom-Karren zum "Abtransport in die Schrottpresse bereitstellen" oder Friedrichshain die DSL-Kabel durchschneiden? Aus der Tatsache, dass es zufällig Bundeswehrfahrzeuge waren eine Antimilitarismus-Kampagne abzuleiten ist doch eher Voluntarismus, geboren aus persönlich präferierten Themenfeldern, denn eine zwingende Notwendigkeit.
Zum anderen teilen wir eure Einschätzung überhaupt nicht, dass "sich die BRD seit 1999 in einem permanten Kriegszustand befindet"! Kriegszustand heißt doch nicht, dass dies der Fall ist, wenn irgendwo auf der Welt eine deutsche Fregatte rumkurvt. Kriegszustand hieße, dass wir hier in einer permanenten Bedrohung leben müßten, was wohl eher nicht der Fall ist.
Sämtliche Einsätze der Bundeswehr haben doch überhaupt keine Relevanz für den öffentlichen Diskurs in Deutschland und werden diese Relevanz durch noch so eine große Kampagne nicht erhalten. Und wegen der nicht vorhanden Relevanz wird auch keine Kampagne entstehen, die größer als die bundeswehr-wegtreten Kampagne wird.
Wir können euch folglich auch nicht darin folgen, dass der Afghanistan-Einsatz(oder die "Kriegs"-einsätze insgesamt) irgendeine Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft hätten. Nur weil in Afghanistan ein paar Tornados vor sich hinfliegen heißt es doch nicht hier: "wir müssen hier alle eng zusammenstehen, wir sind im Krieg", so was könnte man sicherlich für die deutsche Gesellschaft 39-45 oder die amerikanische zur Zeit des Vietnam-Krieges diagnostizieren, aber schon für den Jugoslawien-Krieg(was ja noch ein richtiger Krieg war) galt dies nicht.
Wenn ihr schreibt: "Dem Krieg nach Außen haben sich innerhalb des Krieg führenden Staates alle gesellschaftlichen Sphären unterzuordnen." dann fragen wir uns real, in welcher Welt lebt ihr? Als wenn hier Arbeitslose zum Bau von Kriegsmaterial zwangsrekrutiert oder Lebensmittel rationiert würden. Dieser Afghanistan-Einsatz ist doch höchstens noch lästig für die Parlamentarier, die ihn alle paar Monate verlängern und die Journalisten, die dann darüber berichten müssen. Ansonsten ist dieser "Krieg" doch nur präsent, wenn wieder mal Soldaten in der Horizontalen nach Hause kehren.
In der ganzen Analyse vermengt ihr Sachen, die eigentlich relativ unabhängig von einander stehen könnten: auch wenn die USA, Frankreich oder GB 1999 ff. durch Veto das Kriegführen Deutschland untersagt hätten, so gäbe es dennoch den Abbau von Sozialleistungen und den Ausbau des Überwachungsstaates. Euer Text wirkt streckenweise mehr so als wenn ihr Textbausteine aus einer Gegend mit realem Kriegszustand genommen hättet, denn als genaue Analyse der aktuellen Situation.
Dass Antimilitarismus zur Zeit nicht gerade hochkonjunktur hat, wurde doch erst wieder vor einer Woche mehr als deutlich: seit Monaten wurde zur Verhinderung der Bundeswehrrekrutierungsveranstaltung in Berlin-Mitte mobilisiert, wir haben diese Terminankündigung an mindestens zehn verschiedenen Stellen gesehen; wenn auch im tiefen Sommerloch gelegen, so war es dennoch der Termin der letzten Wochen(vieleicht abgesehen von den Knastkundgebungen) und was war? 40 Leute, nicht viel mehr als die üblichen Verdächtigen kamen. Das wäre schon für Bielefeld nicht wirklich gut gewesen, für Berlin war das bei der Mobilisierung wirklich schwach und macht deutlich, dass Antimilitarismus gerade für einen Großteil der Linksradikalen weit von der Tagesordnung entfernt steht.
Auch zu der Afghanistan-Demo am 15. werden sich wohl nur die letzten paar Antiimp-Gruppen von Arab bis GIS-Md aufmachen. Zu postulieren, dass es "Frieden für Afghanistan" dann gibt, wenn den Taliban das Feld überlassen wird, so viel Zynismus bringt zum Glück ein Großteil der Linksradikalen nicht (mehr) auf.
Eine Antimilitarismuskampagne wird keine wahrnehmbare Wirkung entfalten, weil dieses Thema für die gesellschaftlichen und innerlinken Diskurse keine Rolle spielt.

Was tun?

Am 9.Mai lies die BAW zig Wohnungen und Büros auf Grundlage des 129a durchsuchen. Die Konstruktion war aberwitzig, einige Altautonome hätten die junge Garde zu Anschlägen angeleitet und angewiesen(wer sich auch nur ein paar Monate in der autonomen Szene aufhält, weiß um die Absurdität dieser Konstruktion), angeführt wurden z.B. konspirative Treffen, weil sie fast alle auf dem Buko waren. Weitere amüsante Konstruktionen sind hier:  http://autox.nadir.org/buch/danke.html aufgeführt.
Am 8.7 forderte der amtierende Innenminister eine Regelung, dass als Terroristen gelabelten Menschen legal zu liquidieren seien. Also Killfahndung mit Gesetzesgrundlage. Drei Wochen später wurde deutlich, was ausreicht um so gelabelt zu werden. Wenn man sich zwei mal im Jahr mit jemandem trifft, der irgendwann bei einer Brandstiftung gefasst wird, wenn man dann noch dabei die Handys zu Hause gelassen hat und auch in der Lage war ein Studium hintersichzubringen, dann ist man schon Terrorist, wenn die BAW das will.
Diese Willkürlichkeit ist so verstehen wie sie gemeint ist, als Drohung. Wir werden in naher Zukunft keinen Raum mehr für Antagonistische Politik haben, wenn der einfache Kontakt ausreicht, um in den Knast zu gehen.
Diese Durchsuchungen reihen sich ein in eine Entwicklung hin zu einem noch perfekteren Überwachungsstaat. Dass es eher die Regel als die Ausnahme ist, dass unsere Telefone abgehört, unsere e-mails mitgelesen, unsere Post kontrolliert, unter unseren Autos GPS-Geräte oder Peilsender kleben, scheint überraschend wenig Linksradikale zu stören. Dass an jeder Ecke Videokameras hängen vieleicht schon eher?!
Die Überwachung durch den Staat, durch Unternehmen oder Mitmenschen hat Ausmaße angenommen, die wir uns vor 10 Jahren nicht hätten träumen lassen.

Eine linksradikale Kampagne dagegen stände auf der Tagesordnung! Es könnten auf vielen Ebenen mit gut gewählten Mitteln die Sicherheitsfanatiker in die Defensive gedrängt werden.
Von den Autonomen, die gegen Firmen vorgehen, die von der Überwachung profitieren, über die Computerfreaks, die sensible Daten aus dem BKA-Computern schleusen, über die Leute, die durch die Stadt fahren und Videokameras durch eine, mit einer simplen Bauanleitung hergestellte, Laserkonstruktion außer Gefecht setzen oder die Leute, die den BKAlern in Meckenheim oder dem Innenminister einen Hausbesuch abstatten wäre für alle was dabei.

Krieg dem Krieg! Bundeswehr abschaffen!

Solidarisiererin 12.09.2007 - 13:28
Ich finde es richtig, eine Antimilitarismus-Kampagne zu starten. Die läuft ja auch schon, wie das schöne Plakat "Es gibt zu viele Bundeswehrfahrzeuge" und anderes zeigt. Die Zeit passt auch sehr gut für eine solche Kampagne. Im Oktober und November wird der Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats entscheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die gefangenen Antimilitaristen etwas dagegen haben.

Eine Unschuldskampagne, wie sie bisher gefahren wurde, ist politisch nicht zu gewinnen. Die vom §129a-Verfahren Betroffenen sind Teil der radikalen Linken und entsprechend muss auch die Antwort sein.

Die Themen der militanten Gruppe liefern da zahlreiche Anregungen. Klar, es gibt viele Ansatzpunkte für politische Kampagnen, auch deutsche Konzerne wie die Telekom oder Rüstungskonzerne wie Daimler. All das sollte in der Solidarität massenhaft aufgegriffen werden. Alle Kritiker/innen einer Antimil-Kampagne sollten ihre Ideen einfach umsetzen und sich mit eigenen Kampagnen und Protesten solidarisch zeigen.

solidarisch

Leser 12.09.2007 - 15:41
..wäre auch, mal genau hinzugucken. Außer der Bundesanwaltschaft (und vielleicht Gipfelsoli mit seinen seltsamen Rubriken/URL's) hat bisher niemand die Gefanengenen und anderen Beschuldigten in Zusammenhang mit der mg gebracht. Ziel ist ja wohl, die Gefangenen rauszuholen? Mit bequem anonymen Statements zur mg und lustigen Ulrike-Meinhof-Bildchen werden sie wohl eher auf ewig einzementiert. Da lachen sich BAW/BKA&Co. ins Fäustchen.

Gutes bitte nicht mit dem Besseren erschlagen

Frieda 12.09.2007 - 15:47

@ Benjamin & Karla

und:

ziemlich viel Zustimmung zur Solidarisierin – mit einem gewichtigen Einwand


Ich teile den Einwand von Benjamin und Karla gegen den Vorschlag in der VV-Einladung, „Sehr kritisch sehen wir bei euch [den EinladerInnen] diese Aufteilung, da Kampf gegen 129a und Überwachungsstaat, was per se linksliberal ist und dort der heroische Antimilitarismus, der genuin linksradikal ist.“ Dazu ist bereits von delete einiges Vernünftiges geschrieben worden.

Im übrigen kann ich Euch [Benjamin und Karla] aber kaum zustimmen:


1.
Ihr bringt zwar einige Argumente gegen bestimmte EINSCHÄTZUNGEN in der VV-Einladung (die ich teils teile und denen ich teils widersprechen würde), aber das ist ja kein Argument dagegen, eine Kampagne zu dem THEMA zu machen.
In einer KAMPAGNE müßte ja vielmehr Platz sein, aus vielfältigen Perspektiven und Analysen gegen das weltweite deutsche militärische Engagement Position zu beziehen.
(Nur mal so nebenbei, Ihr schreibt: „Auch zu der Afghanistan-Demo am 15. werden sich wohl nur die letzten paar Antiimp-Gruppen von Arab bis GIS-Md aufmachen.“
Antiimps abbürsten ist das eine, etwas ganz anderes ist, zu jenem deutschem Engagement das Maul zu halten. Selbst wer der hardcore-„Antideutschen“-Einschätzung folgt, daß der britisch-us-amerikanische-etc. Militärinterventionismus in Afghanistan, Irak etc. irgendwie in der Tradition des Krieges gegen Nazi-Deutschland steht, müßte wohl zumindest zugestehen, wenn „anti-deutsch“ nicht nur eine Phrase sein soll, daß wenn mehrere (im vorliegenden Fall: USA, GB etc. einerseits und Deutschland andererseits) das Gleiche machen, das längst noch nicht das Gleiche ist. Vielmehr segeln die deutschen Fregatten im Windschatten der britisch-us-amerikanischen auf EIGENE RECHNUNG.

2.
Ihr schreibt: „Wir können euch folglich auch nicht darin folgen, dass der Afghanistan-Einsatz(oder die ‚Kriegs’-einsätze insgesamt) irgendeine Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft hätten.“
Damit vermengt Ihr zwei Fragen: a) damit, daß sich die Auswirkungen auf „die deutsche Gesellschaft“ in Grenzen halten, dürftet Ihr recht haben, aber das heißt noch lange nicht, daß in Afghanistan nur ein „Kriegs“einsatz in Anführungszeichen stattfindet. In Afghanistan wird Krieg geführt – mit (!) deutscher Beteiligung.

3.
„Wir finden die Wahl einer Antimilitarismus-Kampagne etwas befremdlich. Zum einen müßte sich doch eine Kampagne daraus ergeben, was auf der Tagesordnung steht oder zumindestens größere Relevanz besitzt.“
Die Solidarisierin hat alles Notwendige dazu gesagt: „Die Zeit passt auch sehr gut für eine solche Kampagne. Im Oktober und November wird der Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats entscheiden.“


4.
Euren Gegenvorschlag begründet ihr wie folgt:
„Drei Wochen später wurde deutlich, was ausreicht um so [als „Terroristen“] gelabelt zu werden. Wenn man sich zwei mal im Jahr mit jemandem trifft, der irgendwann bei einer Brandstiftung gefasst wird, wenn man dann noch dabei die Handys zu Hause gelassen hat und auch in der Lage war ein Studium hintersichzubringen, dann ist man schon Terrorist, wenn die BAW das will. Diese Willkürlichkeit ist so verstehen wie sie gemeint ist, als Drohung. Wir werden in naher Zukunft keinen Raum mehr für Antagonistische Politik haben, wenn der einfache Kontakt ausreicht, um in den Knast zu gehen.“

Das ist zwar alles irgendwie richtig, genauso wie alles an der VV-Einladung irgendwie richtig ist – aber (in der Kürze) auch genauso grobschlächtig wie einige Sätze aus der VV-Einladung.
Nach den Kriterien von Benjamin und Karla müßte eine solche Grobschlächtigkeit sogleich gegen jede Antirepressionskampagne sprechen.

5.
Weiter schreibt Ihr:
„Von den Autonomen, die gegen Firmen vorgehen, die von der Überwachung profitieren, über die Computerfreaks, die sensible Daten aus dem BKA-Computern schleusen, über die Leute, die durch die Stadt fahren und Videokameras durch eine, mit einer simplen Bauanleitung hergestellte, Laserkonstruktion außer Gefecht setzen oder die Leute, die den BKAlern in Meckenheim oder dem Innenminister einen Hausbesuch abstatten wäre für alle was dabei.“
Das sind natürlich alles nette Idee. Ich frage mich nur ein bißchen: Wer soll das machen / wer WIRD das machen, wenn INHALTLICH eigentlich war gar kein Grund KLAR ist, warum man/frau etwas gegen den Staat hat (z.B. weil er imperialistisch ist oder rassistisch oder patriarchal). Mit anderen Worten: Ich frage mich, ob eine Antirepressionskampagne AUS SICH HERAUS wirklich so zugkräftig ist, wie ihr meint - und dann auch noch zu gleichen recht entschlossenen Aktionsformen führt.

6.
Außerdem wendet Ihr gegen den VV-Vorschlag ein: „Es scheint uns eher so, dass hier die eigenen politischen Arbeitsfelder bestimmend für die Wahl sind, was denn jetzt einer linksradikalen Kampagne würdig erachtet wird.“

Gilt das nicht vielleicht auch genauso für Euren eigenen Vorschlag?
Im übrigen gilt für Euren Vorschlag tendenziell das, was die Solidarisierin schreibt: „Die Themen der militanten Gruppe liefern da zahlreiche Anregungen. Klar, es gibt viele Ansatzpunkte für politische Kampagnen, auch deutsche Konzerne wie die Telekom oder Rüstungskonzerne wie Daimler. All das sollte in der Solidarität massenhaft aufgegriffen werden. Alle Kritiker/innen einer Antimil-Kampagne sollten ihre Ideen einfach umsetzen und sich mit eigenen Kampagnen und Protesten solidarisch zeigen.“

ANDERERSEITS IST ABER AUCH KLAR: DIE SZENE IST NICHT SO GROß, DASS TAUSEND KAMPAGNEN NEBENEINANDER GEMACHT WERDEN KÖNNEN – WENN SIE DENN EINE WAHRNEHMBARE GRÖSSE ERREICHEN SOLLEN. DAS HEISST: IRGENDWIE MÜßTE SCHON EINE VERSTÄNDIGUNG ÜBER GEMEINSAME SCHWERPUNKTE ZUSTANDE KOMMEN. Das scheint mir kein unwichtiger Einwand zu sein.

Und das verweist dann auf die Frage von den deleterINNEN: Wie müssen solche Kampagnen (sei es eine Antimil-Kampagne oder andere) angelegt sein, damit sie eine starke gesellschaftliche Wirkung erzielen und, um es dem Staat möglichst schwer machen, mit noch mehr Repression zu antworten? Hast Du dazu eine Idee, Solidarisierin?

7.
„Zum einen weil es einerseits die Soliarbeit gibt und andererseits eine politische Kampagne, diese beiden Dinge können sich diametral entgegenstehen, so könnte es durchaus im Interesse der Verhafteteten sein, dass das Thema nicht groß aufgebauscht wird, wärend es für die Kampagnenheinze und -hannas ja zentral ist.“
Auch diesbzgl. noch mal Zustimmung zur Solidarisierin: „Ich finde es richtig, eine Antimilitarismus-Kampagne zu starten. … Ich kann mir nicht vorstellen, dass die gefangenen Antimilitaristen etwas dagegen haben.“

Lesen, Leser?

Genauer 12.09.2007 - 16:47

Auch hier hat keineR die Gefangenen in Verbindung zur mg gebracht.

Die Solidarisierin schrieb einerseits:
"Ich finde es richtig, eine Antimilitarismus-Kampagne zu starten...Ich kann mir nicht vorstellen, dass die gefangenen Antimilitaristen etwas dagegen haben."

Dass die Gefangenen Antimilitaristen sind (und auch, dass sie sich an den Bundeswehrfahrzeugen zu schaffen machten), hat noch niemand bestritten.

Erst drei Sätze weiter nimmt die Solidarisierin, ohne dass es da noch um die Position der Gefangenen gehen würde, SELBST auf die mg Bezug: "Die Themen der militanten Gruppe liefern da [für Kampagnen] zahlreiche Anregungen."

Das kann man gut oder schlecht finden - hat aber nichts damit zu tun, die Gefangenen in Verbindung zur mg zu bringen.

Also: Vor dem Kritisieren bitte genau lesen!

Antwort auf Frieda

Benjamin B. und Karla K. 13.09.2007 - 16:03
Ihr bringt zwar einige Argumente gegen bestimmte EINSCHÄTZUNGEN in der VV-Einladung (die ich teils teile und denen ich teils widersprechen würde), aber das ist ja kein Argument dagegen, eine Kampagne zu dem THEMA zu machen. In einer KAMPAGNE müßte ja vielmehr Platz sein, aus vielfältigen Perspektiven und Analysen gegen das weltweite deutsche militärische Engagement Position zu beziehen.
Nein, dass hier komplett unterschiedliche Einschätzungen vorliegen ist sicherlich kein Argument dagegen nicht der einen Einschätzung zu folgen und diese Kampagne anzuleiern. Wir sind autonom: wenn es Menschen gibt, die das machen, dann gibt es eine Kampagne und wenn nicht, dann halt nicht. Insofern haben wir auch keine Hoffnung mit unseren Argumenten Gehör bei denen, die diese Antimil-Kampagne antizipieren, zu finden, dafür kennen wir die Funktionsweise von Entscheidungsprozessen innerhalb der Szene zu gut: wenn Menschen ein Themenfeld haben, das sie als zentral erachten, dann helfen auch keine guten Argumente oder evidente Rückschläge. Man darf sich Entscheidungsfindung in der Szene nicht als dialektischen Prozess vorstellen. Diese Antimil-Kampagne wird es geben und wenn es keinerlei Ressonanz gibt, dann wird sie einfach der schon existenten Kampagne übergestülpt. Es gibt die bundeswehr-wegtreten Kampagne, die eine gewisse Relevanz erlangt hat, diese Relevanz hat sie ja aber nicht, weil bundesweit die Szene gesagt hat: das ist ein zentrales Thema, lasst uns dazu arbeiten. Wenn dies ein präferiertes Thema für viele Gruppen wäre, dann gäbe es bundesweit mehr als ein/zwei Gruppen, die kontinuierlich dazu arbeiten. Entsprechend wird eine Antimil-Kampagne diesen Rahmen auch nicht überschreiten. Aber wir wollen gar nicht so negativ sein, wir freuen uns über alle Gruppen, die noch was auf die Beine stellen. Insofern freuen wir uns auch über die startende Antimil-Kampagne, wir wissen nur, dass ihr Erfolg begrenzt sein wird.
(Nur mal so nebenbei, Ihr schreibt: „Auch zu der Afghanistan-Demo am 15. werden sich wohl nur die letzten paar Antiimp-Gruppen von Arab bis GIS-Md aufmachen.“ Antiimps abbürsten ist das eine
Wir können ja einfach in diesem Disput, welche Kampagne szeneintern als sinnvoller erachtet wird die Geschichte entscheiden lassen: am 15.9 werden neben Hamas, Hisbollah noch die grauenvollsten Fratzen der LL-Demo kommen und ein paar versprengte autonome Gruppen. Am 22.9 wird es mindestens zwei linksradikale Blöcke geben.
etwas ganz anderes ist, zu jenem deutschem Engagement das Maul zu halten. Selbst wer der hardcore-„Antideutschen“-Einschätzung folgt, daß der britisch-us-amerikanische-etc. Militärinterventionismus in Afghanistan, Irak etc. irgendwie in der Tradition des Krieges gegen Nazi-Deutschland steht, müßte wohl zumindest zugestehen, wenn „anti-deutsch“ nicht nur eine Phrase sein soll, daß wenn mehrere (im vorliegenden Fall: USA, GB etc. einerseits und Deutschland andererseits) das Gleiche machen, das längst noch nicht das Gleiche ist. Vielmehr segeln die deutschen Fregatten im Windschatten der britisch-us-amerikanischen auf EIGENE RECHNUNG.
Dass natürlich die Motivation eine unterschiedliche ist, ist doch keine ernsthafte Diskussion wert, höchstens eine genaue Analyse. Aber man kann auch aus falschen Gründen das Richtige tun. Und ein klerikalfaschistisches Regime wie die Taliban oder einen Diktator zu stürzen, der ein paar 100 000 Menschen liquidierte, ist das Richtige. Wir hätten uns auch gewünscht, dass dies internationale Brigaden oder eine fitte Guerilla übernimmt, aber die Antifa verfügt leider nicht über genug F16 Bomber. Im übrigen sind wir nicht antideutsch, du wendest dich also an die Falschen.
Ihr schreibt: „Wir können euch folglich auch nicht darin folgen, dass der Afghanistan-Einsatz(oder die ‚Kriegs’-einsätze insgesamt) irgendeine Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft hätten.“ Damit vermengt Ihr zwei Fragen: a) damit, daß sich die Auswirkungen auf „die deutsche Gesellschaft“ in Grenzen halten, dürftet Ihr recht haben, aber das heißt noch lange nicht, daß in Afghanistan nur ein „Kriegs“einsatz in Anführungszeichen stattfindet. In Afghanistan wird Krieg geführt – mit (!) deutscher Beteiligung.
Dass in Afghanistan Krieg geführt wird, stellen wir gar nicht in Frage, mit den Anführungszeichen stellen wir nur in Frage, dass die paar deutschen Awacs irgendeine größere Relevanz für diesen haben. Der Krieg wird geführt und die deutsche Beteiligung daran kommt doch über das Symbolische nicht hinaus.
„Wir finden die Wahl einer Antimilitarismus-Kampagne etwas befremdlich. Zum einen müßte sich doch eine Kampagne daraus ergeben, was auf der Tagesordnung steht oder zumindestens größere Relevanz besitzt.“ Die Solidarisierin hat alles Notwendige dazu gesagt: „Die Zeit passt auch sehr gut für eine solche Kampagne. Im Oktober und November wird der Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats entscheiden.“
Du hast uns gerade darin zugestimmt, dass dieser Einsatz keine Auswirkungen auf die "deutsche Gesellschaft" hat. Folglich wird, wenn darüber abgestimmt wird, das ein kurzer langweiliger Beitrag in der Tagesschau sein, mehr nicht. Also mag vieleicht der Zeitpunkt für diese Kampagne passen, vieleicht sogar bestmöglich sein, das heißt aber noch lange nicht, dass diese Kampagne passt. Nur weil Anton schlauer als Alex ist, heißt das nicht, dass Anton schlau ist.
Euren Gegenvorschlag begründet ihr wie folgt: „Drei Wochen später wurde deutlich, was ausreicht um so [als „Terroristen“] gelabelt zu werden. [...] Diese Willkürlichkeit ist so verstehen wie sie gemeint ist, als Drohung. Wir werden in naher Zukunft keinen Raum mehr für Antagonistische Politik haben, wenn der einfache Kontakt ausreicht, um in den Knast zu gehen.“ Das ist zwar alles irgendwie richtig, genauso wie alles an der VV-Einladung irgendwie richtig ist – aber (in der Kürze) auch genauso grobschlächtig wie einige Sätze aus der VV-Einladung. Nach den Kriterien von Benjamin und Karla müßte eine solche Grobschlächtigkeit sogleich gegen jede Antirepressionskampagne sprechen.
Dass wir unseren Alternativvorschlag recht kurz begründet haben, mag stimmen und ist der Tatsache geschuldet, dass wir niemanden langweilen wollten, da wir glauben, dass diejenigen, die wir mit diesem Vorschlag adressieren, die Geschehnisse der letzten Wochen verfolgt haben. Wir verstehen unseren Beitrag auch nicht als Kampagnenentwurf, sondern als Diskussionsbeitrag, wo Leute dann sagen: "ja, sehe ich genauso, ich schlage mal meiner Gruppe vor, so eine Kampagne anzuleiern".
Weiter schreibt Ihr: „Von den Autonomen, die gegen Firmen vorgehen [...]uch abstatten wäre für alle was dabei.“ Das sind natürlich alles nette Idee. Ich frage mich nur ein bißchen: Wer soll das machen / wer WIRD das machen, wenn INHALTLICH eigentlich war gar kein Grund KLAR ist, warum man/frau etwas gegen den Staat hat (z.B. weil er imperialistisch ist oder rassistisch oder patriarchal). Mit anderen Worten: Ich frage mich, ob eine Antirepressionskampagne AUS SICH HERAUS wirklich so zugkräftig ist, wie ihr meint - und dann auch noch zu gleichen recht entschlossenen Aktionsformen führt.
Am Abend des 9. Mai demonstrierten 5000 Leute sehr spontan und entschlossen durch X-Berg. Am 22.9 gibt es eine ziemlich große Demo, wo mehrere linksradikale Gruppen Blöcke machen. Offensichtlich wird die BAW-Offensive als Angriff auf uns alle verstanden, die Motivation zu dem Thema das Autonome-Repertoire auszupacken scheint also schon vorhanden zu sein. Zudem gibt es ja gerade eine Kampagne, die von Leuten getragen wird, die eben gar nicht klar haben, dass sie was gegen den Staat haben. Dies sehen wir nicht als eine Voraussetzung, wobei die Leute, die wir hier ansprechen, qua definitionem etwas gegen diesen Staat haben, sonst wären sie nicht angesprochen. Und die Chuzpe der BAW wurde noch in jedem Text herausgestellt und wenn Vorschläge, wie von Beckstein kommen, Menschen, die als Terroristen bezeichnet werden zu internieren, dann kann dies auch für sich stehen und es bedarf keiner anderen Gründe, um dagegen und allgemein gegen Überwachung vorzugehen und sich damit Raum für zukünftige Politik zu schaffen.
Außerdem wendet Ihr gegen den VV-Vorschlag ein: „Es scheint uns eher so, dass hier die eigenen politischen Arbeitsfelder bestimmend für die Wahl sind, was denn jetzt einer linksradikalen Kampagne würdig erachtet wird.“ Gilt das nicht vielleicht auch genauso für Euren eigenen Vorschlag?
Nein, wir kennen uns vieleicht mit Technix etwas besser aus, aber wir arbeiten gerade zu anderen Themen. Wenn dies gerade unser Arbeitsfeld wäre, dann gäbe es diese Kampagne.
Im übrigen gilt für Euren Vorschlag tendenziell das, was die Solidarisierin schreibt: „Die Themen der militanten Gruppe liefern da zahlreiche Anregungen. Klar, es gibt viele Ansatzpunkte für politische Kampagnen, auch deutsche Konzerne wie die Telekom oder Rüstungskonzerne wie Daimler. All das sollte in der Solidarität massenhaft aufgegriffen werden. Alle Kritiker/innen einer Antimil-Kampagne sollten ihre Ideen einfach umsetzen und sich mit eigenen Kampagnen und Protesten solidarisch zeigen.“ ANDERERSEITS IST ABER AUCH KLAR: DIE SZENE IST NICHT SO GROß, DASS TAUSEND KAMPAGNEN NEBENEINANDER GEMACHT WERDEN KÖNNEN – WENN SIE DENN EINE WAHRNEHMBARE GRÖSSE ERREICHEN SOLLEN. DAS HEISST: IRGENDWIE MÜßTE SCHON EINE VERSTÄNDIGUNG ÜBER GEMEINSAME SCHWERPUNKTE ZUSTANDE KOMMEN. Das scheint mir kein unwichtiger Einwand zu sein.
Wir haben das oben schon ausgeführt: wir glauben nicht daran Leute, die diese Anti-Mil-Kampagne forcieren, davon überzeugen zu können, dass unser Vorschlag besser ist. Wir hoffen, dass es Gruppen gibt, die unserer Meinung sind und dann so eine Kampagne lostreteten. Insofern kann diese Diskussion schon als eine Verständigung gesehen werden, wobei absehbar ist, dass Dinge und Einschätzungen am Ende nebeneinander stehenbleiben. Aber es gibt vieleicht Gruppen, die das eine spannender finden und andere, die das andere besser finden und entsprechend wird es dann Kampagnen geben. PS. Wir fragen uns ernsthaft, und haben uns dies schon beim mg-Anschlag gefragt, wie klar denkende Menschen auf die Idee kommen können, ausgerechnet die Telekom anzugreifen? Weil Magenta unästhetisch ist? Weil ihr Service beschissen ist? Weil wir drei Monate auf DSL warten müssen?
„Zum einen weil es einerseits die Soliarbeit gibt und andererseits eine politische Kampagne, diese beiden Dinge können sich diametral entgegenstehen, so könnte es durchaus im Interesse der Verhafteteten sein, dass das Thema nicht groß aufgebauscht wird, wärend es für die Kampagnenheinze und -hannas ja zentral ist.“ Auch diesbzgl. noch mal Zustimmung zur Solidarisierin: „Ich finde es richtig, eine Antimilitarismus-Kampagne zu starten. … Ich kann mir nicht vorstellen, dass die gefangenen Antimilitaristen etwas dagegen haben.“
Da gehe ich auch nicht von aus, aber die Menschen, die Soli-Arbeit machen, haben ein anderes Interesse, nämlich die Leute schnell aus dem Knast zu bekommen, als die Leute, die eine große Kampagne machen wollen(eine große Wirkung zu entfalten). Im Übrigen sind die Menschen, die soli-Arbeit machen auch eventuell die falschen Ansprechpartner für die Organisation einer linksradikalen Kampagne, da ihre Soli-Arbeit auch einfach aus Freundschaft und nicht aus politischer Nähe resultieren kann.

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