Jena: Fiasko der Völker

ra0105 09.09.2007 14:09 Themen: Antifa
Jena: Mehrere Tausend Menschen protestierten gestern gegen das rechtsextremistische 'Fest der Völker'. Zwar erreichten die Nazis mit etwa 1500 Besuchern eine sehr hohe Teilnehmerzahl, dennoch gilt die Veranstaltung insgesamt als Niederlage für die Veranstalter. So gelang es Gegner den Beginn des Festes durch Blockaden um mehrere Stunden hinauszuzögern. Auch rohe Gewalt der Polizei konnte nicht verhindern, dass zahlreiche Gäste des 'Festes' Stunden später als geplant das umzäunte Gelände erreichten. Doch auch auf der linken Seite lief bei weitem nicht alles nach Plan.

['Fest der Völker' - Im Grenzbereich nationaler Solidarität]

Berlin 1936: Die olympischen Spiele sollen der Propagandacoup der neuen Reichsregierung werden. Millionen Menschen auf der Welt fiebern mit den Sportlern mit, Journalisten aus der ganzen Welt wird das neue Deutschland als friedliebende Volksgemeinschaft präsentiert. In diesem Sinne arbeitete auch Leni Riefenstahl, die zwei Jahre später ihren Film 'Fest der Völker' uraufführte. Der künstlerisch raffiniert erstellte Film gilt bis heute als geschicktes Propagandamachwerk und inspirierte die Thüringer Neonaziszene zu ihrem 'Fest der Völker'
Jena 2007: Eingepfercht zwischen Absperrgittern harren einige Hundert Neonazis im trüben Wetter aus. Das großartige Fest, findet auf einem Parkplatz bisher ohne Strom statt. Alle Zufahrtswege sind blockiert, insbesondere die Bundesstraße 88 gleicht einem Heerlager an Gegendemonstranten. Sowohl Stromaggregat als auch weitere Festbesucher kommen nicht durch. Die Gäste die teils aus Spanien, Italien, Frankreich, Schweiz, Niederlande, Polen, Tschechien sowie weiteren Ländern kommen, stehen sich zunächst einmal nur die Beine in den Bauch. Zeit genug also um alte Bekannte zu begrüßen, sofern sie das Gebiet schon erreicht haben. 'Nationalisten' aus ganz Europa haben sich versammelt um Musik zu hören. Ein großer Teil ist eher Skinheadsubkultur und ein Spaziergang über das Fest erinnert an eine Reise durch Ostdeutschlands Plattenviertel zu Beginn der 90er Jahre.
Ideologisch hängt man mit der Zeit noch weiter hinterher. Wie kann man auch ein Europa der Vaterländer fordern, wenn man dem Kamerad aus Polen, Tschechien, Frankreich usw. vorher noch einmal schnell einige Gebiete abnehmen muss? Vorallem das nicht überwundene Trauma zweier verlorener Weltkriege, scheint bis heute ein unüberbrückbares Hindernis zu sein. Zumindestens für die vermeintliche Avantgarde der weißen Rasse, dem deutschen Volk und seiner selbsternannten Speerspitze. Solch Differenzen sind aber schnell vergessen, wenn man gemeinsam bei Musik etwas grunzen kann. Ja wenn man nur könnte! Erst gegen 15:00 Uhr kann es endlich losgehen. Erst gegen 16:00 sind auch die Letzten eingetroffen. Einige Nazis dagegen sind da schon umgedreht, sie haben es aufgegeben.

[Gegenaktivitäten bestimmten das Stadtbild]

Das das Fest überhaupt starten konnte, war pures Glück. Die Blockade auf der Südseite war etwas zu dünn und so gelang es der Polizei ein kleine Lücke für das Notstromaggragat zu finden. Prinzipiell schien die Polizei aber hoffnungslos überfordert. Die kritische Masse an Gegendemonstranten war reichlich erreicht. Es fehlte an vielen Stellen jedoch die letzte Konsequenz. Beobachter sind sich einig, dass das Fest noch wesentlich stärker hätte behindert werden können. Das dies nicht geschah, lag an der verhältnismäßig großen Anzahl an Bürgern die sich an Protesten beteiligten. So hatte die Polizei teilweise zu leichtes Spiel. Ein mehr an zivilem Ungehorsam hätte hier sicher noch einiges bewirken können. Allerdings sind dies eher Luxusprobleme, wenn darüber im Nachhinein sinniert werden kann, an welchen Blockade mehr Leute hätten sein können.
Die Polizei wurde im Tagesverlauf zunehmend aggressiver, insbesondere in den Abendstunden kam es an einigen Stellen zu völlig überzogenen Schlagstockeinsätzen. Bereits am Nachmittag hatten Einsatzkräfte auch mittels Pfefferspray einige Sitzblockierer leicht verletzt. Eine Spontandemo wurde der Polizei abgedrängt. Kritiker monierten auch hier, das wenig entschlossenes Vorgehen der Demonstranten.
Nachdem bereits die Anreise für viele Nazis ein Märtyrium darstellte, sollte auch die Abreise nicht ohne Probleme vonstatten gehen. Die Polizei hatten alle Schwierigkeiten die Nazis zu ihren Autos bzw. zu den Zügen zu bringen. Durch eine Gasse von Gegendemonstranten, dabei angepöbelt, angespuckt, teils mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen, eilten die Teilnehmer in Richtung Heimat. Das einige Odinverehrer dabei ausgerechnet ihren 'Kreuzgang' in Richtung Bahnhof 'Paradies' antreten mussten ist eine amüsante Anekdote am Rande. Dabei hatten diese noch Glück. In einschlägigen Foren wird sich über Übergriffe der 'Antifa' beschwert. Dies bestätigt vorliegende Berichte, nachdem es 'Sportgruppen' im weiteren Umfeld des Festes gelungen war, mittels direkter Aktionen gegen Anhänger der rechtsextremen Szene vorzugehen.

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Ergänzungen

Dank an alle die da waren

beim nächstenmal 09.09.2007 - 14:35
super super super mehr brauch man wohl nicht zu sagen

Radiobeitrag

ichselbst 10.09.2007 - 17:59
zum nachhören ein radiobeitrag von heute morgen vom uniradio. www.campusradio-jena.de
 http://www.campusradio-jena.de/uploads/media/KW_37_CRJ_Gegenaktionen_NPD_Fest_der_Voelker_Rico_Valtin.mp3

Videobeitrag von Jena-TV

Name 10.09.2007 - 18:11

auto

atax 13.09.2007 - 19:54
der vw bus (bild oben links) gehört zu patrick weber aus sondershausen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Medien — demokratie...

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