Vermummung gegenüber Nazis erlaubt

nanu nana 30.08.2007 22:21 Themen: Antifa Antirassismus Repression
30. August 2007 Erneuter Freispruch: Vermummung vor Nazi-Fotografen auch in Berlin erlaubt!
Auch der zweite Prozess vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (§ 17 a Abs. 2 Nr. 1) endete für eine Berliner Studentin mit einem glatten Freispruch. Die Angeklagte hatte sich am 1. Mai 2004 während einer Demonstration gegen einen NPD-Aufmarsch in Berlin-Lichtenberg mit einem Halstuch und einer Kapuze unkenntlich gemacht.

Damit folgte ein weiteres Mal ein Richter der Argumentation, dass die Vermummung zum Schutz vor fotografierenden Rechtsextremisten keine Straftat darstellt. Schon am 15. August war ein Düsseldorfer Antifaschist in einem ähnlichen Fall freigesprochen worden.

Beide Gerichte äußerten sich übereinstimmend, dass eine verbotene Vermummung auf Versammlungen nicht vorliege, wenn sich die DemonstrantInnen nur vor Naziaktivitäten schützen wollen. In beiden Fällen konnten die Angeklagten deutlich machen, dass sie eine Vermummung ausschließlich gegenüber den fotografierenden Rechtsextremisten angelegt hatten. Für Polizeikräfte waren sie jederzeit identifizierbar.

Der Richter am Berliner Amtsgericht Schmidt äußerte sich in der Urteilsbegründung dahin gehend, dass der Paragraf 17a des Versammlungsgesetzes, auf den sich die Staatsanwaltschaft gestützt hatte, einzig die Identifizierbarkeit von DemonstrantInnen sicher stellen soll. Die Angeklagte hatte sich über Stunden unvermummt in einem Polizeikessel aufgehalten. Dort wurde sie durchgehend von der Polizei gefilmt und fotografiert. Eine Feststellung ihrer Identität durch die Sicherheitskräfte wäre demnach ohne weiteres möglich gewesen.

In einer Prozesserklärung äußerte sich die Angeklagte: „Die jeweils kurze Zeit der Vermummung folgte ausnahmslos aus meiner Angst, in meinem Alltag rechtsextremistischer Gewalt ausgesetzt zu werden, bloß weil ich am ersten Mai gegen den NPD-Aufmarsch auf die Strasse gegangen bin."

Bereits im ersten Prozess am 21. April 2005 hatte das Amtsgericht Berlin die junge Frau freigesprochen. Nach einer Sprungrevision hatte das Kammergericht (=Oberlandesgericht) am 15. Dezember 2006 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Fall erneut an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das heutige Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


siehe auch:
 http://de.indymedia.org/2005/04/112819.shtml
 http://www.rote-hilfe.de/publikationen/die_rote_hilfe_zeitung/2006/2/vermummung_als_schutz_vor_nazis_ein_ueberblick_ueber_wichtige_urteile
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Ergänzungen

Urteil aus Düsseldorf vom 15. August 2007

nana nanu 30.08.2007 - 22:37

klarstellung

jo 30.08.2007 - 23:08
rein theoretisch sollte es dir möglich sein dich zu vermummen, wenn die polizei voher in der lage war deine identität festzustellen (zb bei der anreise, bei personalien kontrolle).
du muszt allerdings mit einer festnahme und einer anzeige rechnen, solltest dann aber mit diesem urteil argumentieren könne (was aber auch keine sicherheit bedeutet, da es a.) noch nicht rechtskräftig und b.) noch weiter angefochten werden kann)

@ Jo & TN

Jojo 31.08.2007 - 00:26
Das ist ja mal eine Supernachricht und wegen der Antiantifa-Knipserei zwingend nötig. Eine unangenehme Nebenerscheinung bleibt: Vermummung bedeutet nicht wirklich zu einer Sache zu stehen, sie provoziert ggf. unnötig auch Team Green , hinter ihr kann sich jeder Proll verstecken, der nur mal die Sau rauslassen will, sie entpersonalisiert den Menschen, entmenscht ihn quasi... Nichtvermummung eröffnet sowohl den Uniformgrünen als auch dem braunen Gesocks unangenehme Handlungsspielräume. Aber je mehr Nichtvermummte (d.h. auch hier in Bildquellen "unverbalkte") Demonstranten ins Spiel kommen, umso mehr reduzieren sich diese. Sie zeigen sowohl den Behörden als auch den Nazisn als auch den verbalradikalen Blackblockies, dass da eine mächtige, zutiefst demokratische, menschliche Bewegung aktiv ist...

Vermummung: TAZ vom 31. August 2007

nanu nanu 31.08.2007 - 09:35

besondere situation!

kessel 31.08.2007 - 14:14
Die beiden Urteile beziehen sich nicht auf Vermummung in einer Demo etc., sondern auf Fälle, wo Leute Stundenlang gekesselt waren und sich nur kurz vermummten.
Deshalb wird das Urteil Nazis kaum nützen. In einer demo wird man so nicht argumentieren können!

Lage auf Demos & Lage in Rotenburg

MeinName 01.09.2007 - 13:39
Das Urteil des Rotenburger Amtsgerichts (ebenfalls Freispruch) bezog sich durchaus auf eine Vermummung waehrend einer Demonstration - ist in der Berufung allerdings aufgehoben worden, Revision ist verworfen worden (beides ohne Begruendung). Liegt zur Zeit beim Bundesverfassungsgericht.

Vermummung: junge Welt vom 01. September 2007

na also 01.09.2007 - 17:33

Radiointerview

Holger Zweifeld 05.09.2007 - 18:32
Interview dazu bei freie-radios.net ...

auch in Sachsen-Anhalt möglich...

AAMSH 12.09.2007 - 20:32
Auch in Sachsen-anhalt ist dies möglich.


Bsp. Auf dem weg zu ner demo ( Reise mit der bahn ) waren 150 nazis am bahnsteig... sprich 8 mal soviele wie wir...
naja wir hatten uns vermummt weil dort auch " Anti-Antifa " spezis dabei waren und die Polizei hat nix dagegen gesagt oder getan auch nicht im nachhinein....

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Klartext

TN 30.08.2007 - 22:45
Hallo,

also darf ich mich am SONNABEND in DORTMUND vermummen?!?
Ich habe nämlich keine Lust, dass die Anti-Antifas mich knipsen und am Montag vor meiner Haustür stehen...

@jojo

reddie 31.08.2007 - 01:06
löbliche idee, aber absolut fern jeder realität.
im übrigen hast du anscheinend ein relativ
minimales verständnis von demokratie, denn
wahre demokratie wird versucht von dem staat
und den ausführenden organen gezielt zu unterdrücken.
und um zur demokratie zu gelangen ist vermummung
bzw. die verschleierung der identität
manchmal nötig um nicht repression ausgesetzt zu sein.
und das nicht nur wenn nazis fotographieren...

@ Reddie

Nochmal Jojo 31.08.2007 - 02:21
danke erstmal für dein Kompliment "löbliche Idee". Was meine Position zur Vermummung angeht, hast du mich aber anscheinend nicht recht verstanden. Zunächst bin ich mir durchaus bewusst, dass Nichtvermummte für den Staat durchaus angreifbarer, weil identifizierbarer zu sein scheinen als Vermummte. Aber sowohl hinsichtlich der strafrechtlichen Konsequenzen als auch der Öffentlichkeitswirksamkeit - sowohl "Bürgis" als auch Team Green und Politikern gegenüber - sind meiner Meinung und v.a. Erfahrung nach Akte unvermummten zivilen Ungehorsams jenseits der vermummten Blackblockies weitaus erfolgreicher, weil weniger strafrechtlich, moralisch, medienmäßig... angreifbar, Nazis ihren Schwachsinn zeigend, andererseits attraktiv genug, sich einzureihen! Meinem Eindruck und meiner Erfahrung nach sind die Mehrzahl derer, die sich bewusst nichtbürgerlicher Antifa-Demos anschließen, unvermummt, stehen dazu und haben zumindest bisher kaum Probleme mit Bullen und Nazis (kein Problem mit Nazis meint hier, dass die durchaus beeindruckt sind, wenn die keinen Eindruck hinterlassen!) im Gegensatz zu eben jenen, die sich zu verhüllen für notwendig zu halten glauben. Und entschuldige, ich habe den berechtigten Eindruck, dass den meisten verhüllten Blackblockies Ideale wie Demokratie, Emanzipation... sowas von scheißegal sind!

Verdummungsverbot

anstatt 31.08.2007 - 11:39
das vermummen zu verbieten sollte doch besser gleich das verdummen verboten werden, wieviel vermummungs mull könnte eingespart werden wenn die verdummung nicht immer wieder so rasant um sich greifen würde. nur die frage ist, wer koennte in großdeutschland darüber entscheiden wie verdummt wer ist, wenn es dafür keine (europäische)richtlichnie gibt.

für mich stellt die verdummung jedenfalls sowieso ein viel größeres problem da als die vermummung. und manche leute sehen vermummt&verdummt einfach besser aus, z.B. PolizeibeamtInnen.

und für neonszis

gilt 31.08.2007 - 13:52
dies dann warscheinlich auch wenn unsere leute fotografieren also ob man sich da jetzt freuen soll weiss ich nicht.
je mehr recht wir kriegen desto mehr sie auch denn noch heisst es gleiches recht für alle.
trotzdem freut es mich dass die beiden freigesprochen wurden.