Berufungsverhandlung gegen A. S.

Antifaschistische Recherche 28.08.2007 17:18 Themen: Antifa
Justizposse im Landgericht Bückeburg / Berufungskammer wandelt Haftstrafe für "Aussteiger" A. S. in Bewährung um.
Bückeburg. A. Christoph S. aus Lindhorst, nach wie vor einer der führenden Köpfe der "Nationalen Offensive Schaumburg" (NOS) ist am Dienstag, 21. August 2007, vor der Kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg unter Vorsitz von Richter von Oertzen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden. Das Urteil wurde für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt, da die Staatsanwaltschaft S.s Aussagen für glaubwürdig hielt, er hätte den Kontakt zur NOS abgebrochen. Somit ist S. mit seiner immer wieder zu Tage tretender Gewalttätigkeit zum fünften Mal innerhalb von 3 Jahren mit einer Bewährungsstrafe davon gekommen. In der Verhandlung ließ er sich von seinem Verteidiger erfolgreich als "Aussteiger" aus der Naziszene präsentieren.

Die Vorgeschichte: Verfahren vor dem Amtsgericht Stadthagen und rechtskräftige Bewährungsstrafen

Der 23-jährige Neonazi wurde am 12.03.2007 vom Amtsgericht Stadthagen wegen falscher Verdächtigung gegen den NOS-"Kameraden" Garry Hann, Missbrauch des Notrufes, Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.

Insgesamt gab es vier Anklagepunkte, von denen drei aus Einsprüchen gegen Strafebefehle der Staatsanwaltschaft Bückeburg resultierten. Mit Beschluss vom 24.01.2007 wurde die Anklage zuvor vom Amtsgericht Stadthagen bestätigt.

- Falsche Verdächtigung

Lindhorst, Schöttlingerstraße 14, 8. März 2006. Zwischen 22.00 und 22.30 Uhr ruft S. mehrfach die Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg an: Garry Hann sei bei ihm zu Besuch und führe gegen seinen ausdrücklichen Willen zwei illegale Schusswaffen beziehungsweise einen Koffer bei sich. Die von ihm ausdrücklich angeforderte Personen- und Hausdurchsuchung erfolgt noch in der selben Nacht und endet mit dem offiziellen behördlichen Ergebnis, dass die Hann zugeschriebenen Waffen ohne jeglichen Zweifel S. gehören. Gegen einen Strafbefehl wegen "falscher Verdächtigung" in Höhe von 25 Tagesssätzen zu je 10 Euro legte er damals Widerspruch ein, den er im Stadthagener Verfahren über seinen Anwalt zurück nahm.

- Missbrauch des Notrufes

Stadthagen, 23. April 2006. Von 03.01 bis 03.33 Uhr wird der polizeiliche Notruf fünf mal mit erfundenen Straftaten, wie zum Beispiel "Hell Angels demolieren Auto", angerufen und die Polizei in Atem gehalten. Einer der Anrufe erfolgte ohne Nummernunterdrückung direkt von S.s Handy.

- Widerstand gegen die Staatsgewalt

Bad Nenndorf, 06.05.2006: An der ersten "Demonstration" zum Wincklerbad nehmen gerade einmal 18 Neonazis teil und halten dort eine "Mahnwache" ab. Wegen zu geringer Beteiligung (unter 50 Personen) fordert die polizeiliche Einsatzleitung Marcus Winter dreifach auf, seine Rede ohne Beschallungsanlage zu halten. Weil dieser sich weigert, wird die Lautsprecheranlage beschlagnahmt. Hierbei schubst S. einen Beamten gegen einen stehenden Polizeiwagen. Gegen den Strafbefehl wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt hatte er ebenfalls Widerspruch eingelegt, den er im Verfahren zurückzog.

- Sachbeschädigung

Bad Nenndorf, 25. Mai 2006. Am Himmelfahrtstag war ein Aufzug durch die NOS in Bad Nenndorf angemeldet, an dem 22 Neonazis, im Wesentlichen aus Schaumburg und Hamm, teilnahmen. Am Agnes-Miegel-Platz löste Marcus Winter die Demonstration auf und die Nazis starten eine "Vatertagstour" in Richtung Lindhorst. Auf dem Weg schlug S. mit einer Latte auf ein Auto ein, in dem er Menschen aus der antifaschistischen Gegendemonstration erkannt haben will. Unter der Wucht der Schläge war die Windschutzscheibe des Kleinwagens zu Bruch gegangen. S. räumte auch diese Tat im Vorfeld der Verhandlung über seinen Rechtsanwalt ein.

Da S. sämtliche Anklagepunkte, ohne sich jeweils konkret zu äußern, über seinen Anwalt bestätigte und auf die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen einvernehmlich verzichtet wurde, ging es in Stadthagen ausschließlich um die Strafzumessung, unter Berücksichtigung der Vorstrafen und noch ausstehender Prozesse.

- Vorstrafen

Am 13. März 2004 schlug S. einem Jugendlichen bei einer NPD-Demonstration in seinem Geburtsort Rotenburg mit einer Holzlatte ins Gesicht und zertrümmerte ihm das Jochbein. Der schwer verletzte Jugendliche musste mehrere Monate lang eine Metallplatte im Gesicht tragen und hätte beinahe sein Augenlicht verloren. Vom Jugendschöffengericht Stadthagen wurde S. am 18. Januar 2005 wegen der Tat zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahren auf Bewährung, verurteilt.

Am 16. November 2005 erhöhte das Jugendschöffengericht Stadthagen diese Strafe um zwei auf elf Monate. Verurteilt wurde S. wegen gefährlicher Körperverletzung, weil er am 23. Oktober 2004 auf einem Schulfest in der Stadthäger Festhalle in Neonazi-Kluft einen Schüler mit einem Schlag ins Gesicht zu Boden gestreckt hatte. Als Arbeitsauflage musste S. damals 30 gemeinnützige Arbeitsstunden ableisten.

Am 16. Oktober 2006 verurteilte das Amtsgericht Stadthagen S. wegen Körperverletzung, unerlaubtem Führens und Gebrauchs einer Schusswaffe sowie Beleidigung eines Polizeibeamten zu einer sechsmonatigen Haftstrafe, erneut auf Bewährung:

Am 23. April 2006 stritt sich ein Pärchen vor S.s Lindhorster Wohnung. Nach seiner Aufforderung an die beiden, den Ort zu wechseln, schlug S. dem männlichen Gegenpart ein blaues Auge. Obendrein schoss er mit einer Gaspistole in die Luft, um sein Anliegen zu betonen. Zuletzt landete der damals 22-Jährige nach diesem brachialen Auftreten auf der Polizeiwache und wurde dort gegen einen Beamten ausfallend ("Du Arschloch, Schwanzlutscher, Fotze").

In mündlicher Verhandlung sollte das Geschehen in der Aprilnacht aufgerollt werden, nachdem der Schaumburger den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft nicht hatte akzeptieren wollen. Als er aber zu dem Prozesstermin am Amtsgericht Stadthagen nicht erschien, nahm der Verteidiger den Einspruch zurück. Der schriftliche Strafantrag wurde damit gültig.

- Damals ausstehender Prozess in Stolzenau

Am 5. August 2006 hatte S. in Begleitung von Marcus Winter und Marco Siedbürger den Hausherrn einer Geburtstagsfeier in Rehburg-Loccum mit einer leeren Flasche geschlagen. Den zum Zeitpunkt des Verfahrens in Stadthagen seit über einer Woche bekannten, auf den 25. April 2007 verschobenen Termin vor dem Amtsgericht Stolzenau (S. wurde dort zu acht Monate Haft ohne Bewährung verurteilt) unterschlug der - politisch unverdächtige - Verteidiger bewusst, in dem er behauptete, der Prozess sei schlicht "aufgehoben". Staatsanwaltschaft und Gericht hatten sich nicht die Mühe gemacht, entsprechende Informationen einzuholen.

- Plädoyers und Urteilsbegründung

Die Staatsanwaltschaft beantragte 10 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung und hilfsweise, bei Gewährung einer Bewährungsstrafe durch das Gericht, ein Kontaktverbot zur NOS, namentlich zu Marcus Winter, Marco Siedbürger, Garry Hann und Jan Neumann.

Nach einem formaljuristischen Plädoyer des Rechtsanwaltes (" ... keine schöne Sachen ... habe ich Herrn S. deutlich gesagt ... "), der sich der Argumentation und dem Strafhöheantrag der Staatsanwaltschaft anschloss, aber aus "ausschließlich rechtlichen Gründen" ("auch weil hier Öffentlichkeit vorhanden ist") eine letzte Bewährungschance einforderte, erhielt S. das letzte Wort, der zu den Ausführungen seines Verteidigers sagte: "Passt schon!"

Die Richterin begründete die Verneinung der Bewährung vor allem mit dem Angriff am 25. Mai 2006, der deutlich mache, dass S. seine unkontrollierten Aggressionen nicht unter Kontrolle bekomme. Er habe seine Bewährungschancen vertan, eine positive Sozialprognose sei nicht möglich, " ... dafür habe ich nichts". Sie könne "keinen Bewusstseinswandel feststellen", sagte die Richterin. In der Vergangenheit habe die Bewährung nichts genutzt – und für die Zukunft sah sie keine Änderung: "Es ist nicht feststellbar, dass der Faden mal reißt."

Berufungsverfahren vor dem Landgericht Bückeburg am 21. August 2007 - Ns 305 Js 5427/06 (78/07) -

Gegen das Urteil des Amtsgerichtes Stadthagen vom 12.03.2007 hatte die Staatsanwaltschaft am 14. und die Verteidigung am 16. März Berufung eingelegt, so dass es zur Verhandlung in Bückeburg kam.

S. wartete allein und überpünktlich vor dem Gerichtsgebäude auf seinen Verteidiger, rauchte nervös eine Zigarette nach der anderen und "begrüßte" die zahlreichen antifaschistischen Besucherinnen und Besucher des Prozesses bis zum Eintreffen seines Anwaltes mit von Hass erfüllten Blicken.

"Keine Feinde mehr"

Nachdem alle Prozessbeteiligten "in der Strafsache gegen A. Christoph S." um 13.05 Uhr den Gerichtssaal betreten hatten, eröffnete Richter von Oertzen die Sitzung mit einer ironischen Bemerkung: Er "bedankte" sich dafür, dass die NOS sein Bild auf ihrer Internseite veröffentlicht hat und er nun "weltweit bekannt" sei, er fühle sich "richtig geehrt". Das Bild wurde im Zusammenhang mit dem letzten Prozess gegen Marcus Winter auf die NOS-Hompepage gestellt, bei dem auch von Oertzen den Vorsitz hatte:  http://de.indymedia.org/2007/07/188097.shtml

Auf die direkt an S. gerichtete Frage des Richters, ob sich im Gerichtssaal "Freunde oder politische Gegner" befänden, antwortete der Verteidiger wörtlich: "Feinde hat er keine mehr, dazu kommen wir noch."

Angaben zur Person

In einem offenkundigen Spannungsverhältnis, vor einem antifaschistischem Publikum taktische Aussagen machen zu müssen, berichtete S., geboren am 14.05.1984 in Rothenburg und wohnhaft in Lindhorst, Schöttlingerstraße 14, zögerlich, dass er seinen Lebensunterhalt durch Waisen- und Kindergeld, "rund 600 Euro", bestreite. Der Vater habe vor über 10 Jahren den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen und seine Mutter sei früh verstorben. Die einzigen Menschen, die er habe, seien seine kranken Großeltern, um die er sich intensiv kümmere. Diese hatten einen Brief an das Gericht geschrieben, dessen Inhalt aber auf Bitte der Verteidigung im allseitigen Einverständnis nicht bekannt gemacht wurde. Der Verteidiger führte nun aus, dass S. nirgendwo Halt gefunden hätte und so schnell an "die falschen Freunde" geraten sei. Von denen distanziere sich sein Mandant nun aber, er wolle mit der Neonazi-Szene nichts mehr zu tun haben und "einen Neuanfang" versuchen.

Den Kontakt zur NOS habe er abgebrochen, behauptete S.. Auf Nachfrage: Er gehe von Marcus Winter "getrennte Wege", habe aber zwangsläufig Kontakt zu ihm. Denn, wie der Rechtsanwalt an dieser Stelle ergänzte, könne sein Mandant Winter "nicht vor die Tür setzen", da dieser einen "gültigen Mietvertrag" habe. Der Verteidiger ging hier noch weiter: Er erwarte in dem Urteilsspruch für seinen Mandanten ein Kontaktverbot zur NOS, in Bezug auf Marcus Winter würde jedoch so oder so "die Trennung durch die Justiz vollzogen". Die Frage des Richters, ob S. nicht an einem "Aussteiger-Programm" teilnehmen wolle, beantwortete der Verteidiger dahin gehend, dass dies konkret erwogen worden sei, aber aus Gründen, die er nicht öffentlich erörtern könne, nicht möglich sei. Auf eigene Initiative nehme er außerdem freiwillig an einem Antiaggressionstraining teil und habe sich für eine Psychotherapie verbindlich angemeldet, erzählte S. weiter. Die Wartezeit betrage aber "zwei Jahre". Er habe sich außerdem zum 1. September bei der Fachhochschule Minden angemeldet und die Verwaltungsgebühr von 165 Euro bereits überwiesen. Als Voraussetzung für die Matrikulierung habe er ein Praktikum in dem Tattoo und Piercing-Studio "Dark Image" in Rinteln erfolgreich absolviert und auch persönlich Tätowierungen vorgenommen.

Ehemaliger Neonazi-Treffpunkt "Dark Image"

Mühlenstraße 16 in Rinteln: Das vor zwei Wochen geschlossene Tattoo und Piercing-Studio "Dark Image" war ein regelmäßiger Anlaufpunkt für militante Neonazis aus dem Kreis Schaumburg und Umgebung und darüber hinaus auch ein Umschlagplatz für harte Drogen. Der ehemalige Haupt-Tätowierer von "Dark Image" war und ist kein unbeschriebenes Blatt: Am 25. Juni letzten Jahres löste er zum Beispiel einen Polizeieinsatz aus, weil er nach einer Neonazi-Demonstration der NOS in Bad Nenndorf mit einem Morgenstern bewaffnet durch die Straßen lief.

Auf der ehemaligen Internetseite von "Dark Image" konnten einige seiner Tattoos betrachtet werden, so zum Beispiel das Symbol des verbotenen "Blood and Honour"-Netzwerkes. So wundert es denn auch nicht, dass "Dark Image" eng mit dem sich offen zum Neonazismus bekennenden Tätowierstudio "Excalibur" in Bad Salzuflen (Brunnengasse 3) zusammen arbeitete, in dem unter anderem auch der Sänger der Rechtsrock-Band "Sleipnir" Marco Laszcz als Piercer aktuell immer noch beschäftigt ist.

Am 26. April diesen Jahres fand in der Fußgängerzone von Rinteln eine antifaschistische Protestaktion gegen "Dark Image" statt:  http://de.indymedia.org/2007/04/173961.shtml

"Engagiert, ehrlich und motiviert" ...

... lautete die schriftliche Bescheinigung einer Therapeutin über die Teilnahme von S. an einem "freiwilligen Antiaggressionstraining". Zur Untermauerung des angeblich labilen Zustandes seines Mandanten bat der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt um eine Unterbrechung der Verhandlung, da dieser sich übergeben müsse. Auf diesbezügliche konkrete Nachfragen des Gerichtes, bestritt S. Drogen zu konsumieren. Um 13.30 Uhr wurde die Verhandlung unterbrochen. S. musste sich offensichtlich doch nicht übergeben und rauchte vor dem Gerichtsgebäude hastig eine Zigarette.

Im Saal ergriff der Rechtsanwalt nun gegenüber der Staatsanwältin die Initiative und fragte sie, ob denn nicht doch noch eine Bewährungsstrafe möglich sei. Dabei argumentierte er vor allem mit dem bevorstehenden Studium.

Nach Wiedereintritt in die Verhandlung wurden die geladenen Zeuginnen und Zeugen entlassen, da sich einvernehmlich darauf geeinigt wurde, den Berufungsprozess auf die Rechtsfolgen, also die Strafzumessung unter Berücksichtigung der Vorstrafen, zu beschränken. Dabei gab es noch ein taktisches Manöver des Verteidigers: Er befragte eine Zeugin, die am 26. Mai 2006 im dem Auto saß, dessen Windschutzscheibe S. zertrümmert hatte, noch schnell nebenbei, ob sie bestätigen könne, dass S. den Sachschaden beglichen habe und sich bei ihr schriftlich entschuldig habe, was diese tat.

"Freiwilliges Antiaggressionstraining"

Der Verteidiger hatte vorgetragen, dass S. aus eigenem Antrieb an einem freiwilligen Antiaggressionstraining seit April teilnehme und informierte den überraschten Richter darüber, dass die Therapeutin für die Verhandlung zur Verfügung stehe. Umgehend als Zeugin aufgerufen, sagte sie aus, dass S. in den bisherigen sechs stattgefundenen Sitzungen bereit gewesen sei, sein Verhalten zu reflektieren. Sie habe "natürlich die Hoffnung", dass der junge Mann "sich verändert".

Die anwesenden Prozessbeobachterinnen und -beobachter haben die Therapeutin deutlich als zumindest "befangen", wenn gar nicht als "unprofessionell" empfunden, wollen sich aber keine abschließende diesbezügliche Bewertung erlauben. Was aber eindeutig gegen die Ermittlungsarbeit von Staatsschutz und Staatsanwaltschaft spricht, ist die Tatsache, dass ein erkennendes Gericht nicht darüber informiert wurde, dass genau diese Therapeutin im Jahre 2005 S. bescheinigte, das er das gerichtlich angeordnete "Antiaggressionstraining" (Urteil des Jugendschöffengericht Stadthagen vom 18.01.2005, siehe oben) - so wörtlich - "erfolgreich durchgeführt" habe.

"Danken Sie der Staatsanwältin, Herr S."

Die Staatsanwältin war jedenfalls beeindruckt: Auf einmal schienen alle Vorstrafen vergessen, so dass sie in ihrem Abschlussplädoyer lediglich 10 Monate auf Bewährung forderte. Die Verteidigung schloss sich dem uneingeschränkt an.

Da die Staatsanwaltschaft nur eine Bewährungsstrafe forderte, blieb dem Richter kaum etwas anders übrig, als S. noch einmal davon kommen zu lassen, weil er "nicht ohne Not" den entsprechenden Strafantrag "übertrumpfen" wolle.

Bewährungsauflagen als "Hilfe" ...

... "zu einem ordentlichen Mitglied in der Gesellschaft" zu werden, sind laut mündlicher Urteilsverkündung die Verpflichtungen, dem Bewährungshelfer unverzüglich jegliche Änderung des Wohnsitzes zu melden, die Ableistung von 100 Stunden gemeinnützige Arbeit, ein Kontaktverbot zur NOS, namentlich Marcus Winter, Garry Hann und Marco Siedbürger und die Auflage bis zum Beginn der Psychotherapie am Antiaggressionstraining teilnehmen.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung verzichteten auf die Einlegung von Rechtsmitteln, so dass das Urteil seit dem 21.08., 14.27 Uhr, rechtskräftig ist.

Ein bitteres Fazit

Die erstinstanzliche Verurteilung in Stadthagen zu einer Haftstrafe ohne Bewährung war ein überfälliger Schritt. Die Bestätigung des Urteils in der zweiten Instanz galt allen Beobachterinnen und Beobachtern als sicher.

Was nur S. selbst und die im Saal anwesenden Antifaschistinnen und Antifaschisten wussten: Der reumütige Sünder, den er vorgab zu seien, war und ist er keineswegs. Er war in diesem Jahr an zahlreichen Aktionen der NOS beteiligt. Als diese am 2. März den "Sicherheitsdienst" für ein
Rechtsrock-Konzert in Garbsen-Meyenfeld bei Hannover stellte und eine Journalistin angriff, war auch S. mit dabei:  http://de.indymedia.org/2007/03/169903.shtml

Am 17. März marschierten die Nazis durch das ostwestfälische Minden, auch hier beteiligte er sich. Im Vorfeld eines weiteren Naziaufmarsches verteilte die NOS am 16.06.2007 in Herford Flugblätter und griff einen antifaschistischen Infostand an. Wieder mit dabei: der "Aussteiger" S.:
 http://de.indymedia.org/2007/06/185338.shtml

Außerdem diente und dient sein Haus in Lindhorst weiterhin als Ausgangspunkt für Aktionen der Schaumburger Neonazi-Szene, zum Beispiel erst vor wenigen Wochen am 28. und 29. Juli, als etwa ein Dutzend Nazis vor dem "Trauermarsch" in Bad Nenndorf dort nächtigten.

Lokale Antifaschistinnen und Antifaschisten sind in Kenntnis davon, dass der "Ausstieg" inszeniert und in der Kameradschaftsstruktur abgesprochen ist. Sie gehen davon aus, dass S. weiterhin in der Szene, wenn auch eingeschränkt, aktiv sein wird. Mit einer gut vorbereiteten Inszenierung konnte er die schlecht vorbereitete Justiz ein weiteres Mal an der Nase herum führen.

Versagen der Justiz

"Die rechtsradikale "Nationale Offensive Schaumburg" (NOS) mit Sitz in Schaumburg sei durch das Urteil gegen W. empfindlich geschwächt worden, erklärte der Chef der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, Frank Kreykenbohm, auf Anfrage. "Die Spitze der NOS, zu der die Polizei außer Marcus W. auch A. S. und Marco S. zählt, hat die Staatsanwaltschaft mehrfach beschäftigt. "Seit 2005 sind insgesamt 45 Strafverfahren gegen die drei Rädelsführer angestrengt worden" ( ... ) "Wir als Polizei werden mit der gesamten rechtsstaatlichen Härte vorgehen. Auch die Justiz geht offensichtlich davon aus, dass - die Zeit der Bewährungen vorbei ist." ( ... ) Wie Kreykenbohm erklärte, sind seit Anfang vergangenen Jahres rund 100 Sachverhalte, wie beispielsweise Propagandadelikte und Körperverletzungen aufgenommen und zur Anzeige gebracht worden. "Diese Extremisten schrecken nicht davor zurück, auch Staatsanwälte, Richter, Polizeibeamte und Journalisten zu bedrohen." ( .. ) Auf Anfrage gab Kreykenbohm seine Einschätzung auf die Auswirkungen des Urteils und die Situation der rechten Szene ab "Sollte W. mit seiner Revision vor dem Oberlandesgericht Celle keinen Erfolg haben, ist die Struktur der NOS empfindlich geschwächt", sagte der Inspektionschef. Stellvertreter gebe es nicht. Mit A. S. ist eine weitere Führungsperson der NOS zu einer 17-monatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung bereits verurteilt, wobei die Berufungsverhandlung aber noch aussteht."
("Schaumburger Zeitung" vom 27.07.2007)

In der Bückeburger Verhandlung wurde S. als angeblicher "Aussteiger" nicht einmal gefragt, wer in der NOS welche Funktion wahrnimmt etc. Gericht und Staatsanwaltschaft hatten auch keinerlei Erkenntnisse über laufende Ermittlungsverfahren ("Wissen Sie etwas?"). Ein Schelm, wer böses dabei denkt ...

Nachtrag

Die NOS hat sich offiziell am 23.08.2007 aufgelöst. Begründung: "Mehr und mehr haben nationale Sozialisten aus den Regionen Ostwestfalen und Schaumburg mit Repressionen Seitens der staatlichen Organe zu rechnen. Grund dafür, ein scheidendes System versucht sich krampfhaft vor dem Sturz in die Tiefe zu retten. Wie ein angeschlagenes Tier, dass in die Ecke gedrängt wird. Wir sind der Jäger!"

Richter von Oertzen und der Staatsanwaltschaft sollte nun aktuell die Möglichkeit eingeräumt werden, sich vor S.s bevorstehenden Berufungsprozess im Landgericht Bückeburg wegen der Körperverletzung in Rehburg-Loccum (siehe oben) sachkundig zu machen. Bei Widerruf aller Bewährungen würde dem militanten Neonazi dann, wie seinem Freund und "Kameraden" Marcus Winter, eine langjährige Haftstrafe bevorstehen.
Über die Machenschaften der NOS und die spezielle Einstellung der Polizei zu diesen „Politkriminellen“ “Hohlköpfen“ berichtete der NDR in dem Abendmagazin 19.30:

 http://www.youtube.com/watch?v=ilR-U_NYCJE
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Ergänzungen

Ticker-Meldung

Radio Westfalica ... 29.08.2007 - 13:07
... meldet soeben:

Rechte Szene am Ende?

Schaumburg/Minden. Obwohl sich die rechte Szene in Schaumburg offenbar aufgelöst hat, bleiben die Behörden wachsam. Ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums sagte uns, dass weiterhin ein Verbot der Nationalen Offensive Schaumburg geprüft wird. Auch die Anhänger werden weiter beobachtet.

Kürzlich war der führende Kopf der Schaumburger Neonazis zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Ein weiterer Anführer kam mit einer Bewährungsstrafe davon, weil er versicherte aus der Szene ausgestiegen zu sein. Das Innenministerium bleibt aber skeptisch. Wir müssen unter anderem beobachten, ob sich in der Gruppierung neue Strukturen bilden, sagte uns der Sprecher. Die Kameradschaft war immer wieder wegen Straftaten aufgefallen. Auch organisierte sie zahlreiche Neonazi-Aufmärsche, wie in Minden.

Antifa Region Hannover

TopNews 29.08.2007 - 13:48
Hallo??? Warum wurde der Beitrag gelöscht?

"Fake": geh mal auf www.antifa-region-hannover.tk / Wir sind zwar keine organisierte gruppe wie die [AAH], aber kein Fake"...

Übrigens: Das mit der Geschichte über die "Neuorganisation" der NOS haben wir aus normalerweise sicherer Quelle. Ob das dieses mal auch so ist, lässt sich von mir nicht überprüfen.

Scheiß autoritäre Linke

k.o.b.r.a. 29.08.2007 - 17:46
Es ist zum Kotzen, wie die Linke immer wieder zum peinlichen Steigbügelhalter für einen starken Staat wird. Eine bessere Welt ist entweder herrschaftsfrei oder sie ist nicht. Mit dummen Phrasen auch gegen Knäste zu sein (wenn es nicht drauf ankommt) und immer wieder für mehr Strafen, wenn die eigenen Interessen damit verfolgbar sind, lässt nur auf eines schließen: Hoffentlich bleibt diese Mainstream-Linken erfolglos. Sonst werden sich so einige an die Mauer gestellt wiederfinden.
Widerlich!
Das diese eklige Werbung für härtere Strafen auf Indy widerspruchslos zu finden ist, schockiert, aber überrascht nicht mal. Neben den ganzen ohnehin autoritären Medien der linken Print-Szene dominieren auch hier die Träumer von einer harten Welt, in der andere die Führer sind.

Bewährung für vorgeblich geläuterten Nazi-Sch

redok 01.09.2007 - 11:32
Bückeburg. Zum fünften Mal innerhalb von drei Jahren ist ein bekannter Neonazi-Schläger in Niedersachsen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Bückeburg glaubte dem notorischen Gewalttäter, er sei inzwischen aus der Neonazi-Szene ausgestiegen. Szenekenner halten den "Ausstieg" für eine Inszenierung.

Im März war A. S. (23) vom Amtsgericht Stadthagen erstmals zu einer Haftstrafe ohne Bewährung (neun Monate) verurteilt worden. Im April hatte das Amtsgericht Stolzenau den führenden Mann der "Nationalen Offensive Schaumburg" (NOS) wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Haft verurteilt, erneut ohne Bewährung.

Gegen das Urteil aus Stadthagen hatten sowohl S. wie auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die in dieser Woche vor dem Landgericht Bückeburg verhandelt wurde. Immerhin vier Anklagepunkte hatte dieses Urteil umfasst: falsche Verdächtigung, Missbrauch des Polizei-Notrufes, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung. Die Richterin hatte keine positive Sozialprognose für S. gesehen und daher keine Bewährungsstrafe verhängt.

In Bückeburg fand die Berufungsverhandlung ein überraschendes Ende. S., dem nun immerhin eine längerfristige Haftstrafe drohte, präsentierte sich dem Gericht als Aussteiger aus der Neonazi-Szene. Aus eigenem Entschluss habe S. an einem Anti-Aggressionstraining teilgenommen, so der Anwalt des Neonazis. Der junge Mann sei an "die falschen Freunde" geraten, wolle sich jetzt aber aus der Szene lösen und einen "Neuanfang" versuchen.

Zwar wohnt S. immer noch mit einem anderen führenden Kopf der NOS, Marcus Winter, zusammen, aber den könne er wegen eines gültigen Mietvertrages nicht vor die Tür setzen. Zum 1. September habe S. sich zudem an der Fachhochschule Minden zum Studium angemeldet. Das dazu notwendige Praktikum habe S. in dem Tattoo- und Piercing-Studio "Dark Image" in Rinteln absolviert und auch persönlich Tätowierungen vorgenommen. Dass dieses erst vor kurzem geschlossene Tattoo-Studio regelmäßiger Anlaufpunkt für militante Neonazis war und auf seiner Webseite unter anderem mit dem Symbol des verbotenen "Blood and Honour"-Netzwerkes warb, hätte erhebliche Zweifel an der angeblichen Ablösung von der Nazi-Szene wecken können.

Als Zeugin bot S. Anwalt die Therapeutin auf, bei der er ein Anti-Aggressionstraining absolviert. Eine klare Prognose wollte sie nicht abgeben, aber sie habe "natürlich die Hoffnung", dass der junge Mann "sich verändert".

Nicht informiert wurde das Gericht darüber, dass die selbe Therapeutin mit S. bereits vor zwei Jahren auf Anordnung des Jugendschöffengerichts Stadthagen ein Anti-Aggressionstraining durchführte, nachdem er bei einer NPD-Demonstration in seinem Geburtsort Rotenburg einem Jugendlichen mit einer Holzlatte ins Gesicht geschlagen und ihm das Jochbein zertrümmert hatte. Der schwer verletzte Jugendliche musste mehrere Monate lang eine Metallplatte im Gesicht tragen und hätte beinahe sein Augenlicht verloren. Die Therapeutin hatte S. damals bescheinigt, er habe das Training "erfolgreich durchgeführt" - doch in den folgenden Jahren fiel S. immer wieder durch Gewalttaten auf.

Von derartiger Verteidigerkunst schien auch die Staatsanwältin beeindruckt, die im Plädoyer nun zehn Monate auf Bewährung als Gesamtstrafe für die zurückliegenden Verurteilungen forderte. Dem schloss sich der S.-Verteidiger gerne an. Das Gericht folgte dem Antrag und setzte die Haftstrafe auf vier Jahre zur Bewährung aus.

Immerhin wurden im Urteil noch einige Bewährungsauflagen verkündet. S. muss bis zum Beginn einer Psychotherapie am Anti-Aggressionstraining teilnehmen sowie ein Kontaktverbot zur Naziszene einhalten. Das Urteil ist rechtskräftig, da sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichteten.

Erhebliche Skepsis löste das Urteil bei Szenekennern aus, die S. "Ausstieg" als "Inszenierung" bezeichneten. Noch im März sei S. am "Sicherheitsdienst" für ein Rechtsrock-Konzert in Garbsen-Meyenfeld bei Hannover und an einer Neonazi-Demo in Minden beteiligt gewesen, Mitte Juni habe er an einer Demo in Herford teilgenommen, und erst Ende Juli hätten vor einem "Trauermarsch" in Bad Nenndorf etwa ein Dutzend Neonazis in seinem Haus in Lindhorst übernachtet.

Offiziell hat sich die NOS - nicht zuletzt wegen des Drucks der Strafverfolgungen - zum 23.08.2007 aufgelöst, doch die "Abschiedserklärung" dazu lässt vermuten, dass die Aktivisten keineswegs aufgeben wollen: "Wir sind der Jäger!", so die großspurige Ankündigung.

Doch noch ist S. nicht ganz auf der sicheren Seite, denn ihm steht noch eine weitere Berufungsverhandlung bevor: wiederum das Landgericht Bückeburg wird über die vom Amtsgericht Stolzenau im April 2007 verhängten acht Monate ohne Bewährung zu entscheiden haben, die er wegen gefährlicher Körperverletzung kassierte.

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... — auch nen wiesenthaler

Niemals — (muss ausgefüllt werden)

Ergänzung — Thema