100 Jahre Arbeiterbeschwichtigung

Montgomery Burns 26.08.2007 04:56 Themen: Atom Globalisierung Kultur Militarismus Weltweit Ökologie
Vor genau hundert Jahren wurde in Stuttgart die Sozialistische Jugendinternationale gegründet. Erster Vorsitzender war kein Geringerer als Karl Liebknecht. Sein Anliegen war vor allem die Erziehung der Jugend zum Antimilitarismus. Manch einer mag sich sieben Jahre später im Schützengraben dran erinnert haben.
Was seinerzeit als Verband junger Arbeiterinnen und Arbeiter begann, mutierte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Club sozialdemokratischer (Regierungs-)Parteijugendorganisationen. Eben jene trafen sich an diesem Wochenende im Postbahnhof in Berlin-Friedrichshain um sich selbst zu feiern und ein bisschen Sozialismus, einige sogar ein bisschen Revolution, zu fordern. In Deutschland hat die IUSY zwei Mitgliedsorganisationen, welche da wären: Die "Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken" und die "JungsozialistInnen in der SPD".
Der Autor konnte sich glücklicherweise umsonst reinschmuggeln. Ein Tagesticket der Veranstaltung hätte 40€ gekostet.
"Ich bin echt sauer. Da beschäftige ich mich seit 15 Jahren mit Anti-Atompolitik und jetzt werden wir von e-on gesponsort!" meint ein Mann im roten T-shirt hinterm Juso-Stand. Die Tatsache, dass ausgerechnet e-on (Stichwort Atomkraftwerke), Deutsche Telekom (Stichwort Arbeitsplatzabbau) und Microsoft (Stichwort Wissensmonopol) Anzeigen in der Festschrift geschaltet haben, sorgte bereits im Vorfeld für einigen Unmut vor allem bei den Falken, die tendeziell deutlich links von den Jusos stehen (aber auch deutlich weniger Mitglieder haben).

Doch auch die Sachen, die der Mann so anzubieten hat sind ein wenig verwirrend. "Kapitalismus ist neben Patriachat, Rassismus und Antisemitismus ein Strukturmerkmal unserer Gesellschaft, dessen Kritik zur Erlangung einer anderen, solidarischen, menschenwürdigen Welt notwendig und zwingend bleibt. Oftmals gleitet scheinbare Systemkritik in reaktionäre Versatzstücke ab. Gerade aufgrund der Notwenidigkeit von Kapitalismuskritik und antikapitalistischer Politik sind reaktionäre Ansätze, die sich genau dies auf die Fahnen schreiben, aber dieses nicht leisten, aufzudecken und offensiv zu bekämpfen." heißt es dort in einem Pamphlet der Jusos Berlin. Reaktionäre Ansätze, die sich Kapitalismuskritik auf die Fahnen schreiben. Ist das nicht die Politik der SPD?

Guantanamo-Minister Steinmeiers Geleitwort steht in besagter Festschrift und manch einer ist noch ganz angetan von der Rede eines Problembären namens Beck, der bereits am Mittag seinen Auftritt hatte. Die Treppen nach oben, gelangt man zur Konzerthalle, in der Culcha Candela auftritt. Und dort liegt auch die e-on-Bar, die der Akw-Betreiber freundlicherweise gesponsort hat. (Nein, Spaltbar heißt sie leider nicht.) Alkoholfreies gibt´s sogar für lau. Ansonsten trifft man Andrea Nahles, Blauhemden, ein paar Menschen aus Übersee, einige Jackett-Träger, viele im H&M-Freizeitlook, einige wenige im schwarzen Dress. Oben hängen Parolen aus vergangenen Tagen: "Republik das heiß nicht viel, Sozialismus ist das Ziel. Die Arbeitklasse ist der natürliche Feind des Krieges. Freiheit für Chile" etc. steht auf gedruckten Transparenten. Der Klomann soll 4€ die Stunde bekommen. Die Jusos sind sauer, weil ein paar Falken immer wieder den Stecker der e-on-Leuchtwand herausziehen.

Unten steht ein Mitglied einer Berliner Antifagruppe auf der Suche nach Streit und fragt, ob die Sozialdemokraten nicht schon 1918 die Arbeiterklasse verraten hätten. Aber er seie doch Sozialist und habe für Friedrich Ebert nichts übrig, entgegnet ihm der angesprochene Juso.
Ein paar Falken wollen mit einem Anti-AKW-Transparent zur e-on-Bar ziehen. Das aber verbietet der Bundesvorsitzende. Man habe schon genug Stress mit den Jusos, das Fass dürfe jetzt nicht überlaufen, solche Dinge könnten später diskutiert werden, aber man könne und dürfe doch jetzt nicht die Partnerorgansation und den Sponsor verärgern. Statt dessen könne man doch einen "Speakers corner" am Ausgang aufstellen, wo noch mal jeder seine Meinung kundtun dürfe. Die Falken-Aktivisten sind mit dem Kompromiss sichtlich zufrieden.

Fazit IUSY: Ein bisschen links, ein bisschen Staat, ein bisschen Kapital.
Einige beherzte AKW-Gegner aus dem Umfeld der Berliner Falken verstießen dann später doch noch gegen die Weisung ihres Bundesvorsitzenden und verschönerten die e-on-Leuchtwand mit Hilfe von Klebeband. Wie lange es gehalten hat weiß der Autor nicht. Er fand die Party nicht sehr spannend und ging bald wieder. Der "International Union of Socialist Youth" und allen anderen Sozialdeokraten widmet er folgendes Gedicht von Erich Mühsam:

Der Revoluzzer

War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: "Ich revolüzze!"
und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
seine Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt , -
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!"

Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.

 http://www.youtube.com/watch?v=OcTxHONF2TU
 http://www.youtube.com/watch?v=RPGvJDpFXB8
 http://www.taz.de/index.php?id=deutschland&art=3649&id=deutschland-artikel&cHash=3c6d54bb46
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

@Juso

egal 26.08.2007 - 13:13
"vernünftig politisch engagieren"

...mensch, selbst das politische engagement ist in der spd schon gleichgeschaltet...


...o_O...

......

lächerlich 26.08.2007 - 13:13
Die SPD engagiert sich "vernünftig" politisch?
Es sind einfach nur Lügner.
Reden von Sozialismus und verordnen Hartz-4.
Reden von Kapitalismuskritik und bechneiden Erbschafssteuer und Spitzensteuersätze.
Fordern "Chancengleichheit für Alle" und verabschieden Gesetze, die das öffentliche Gesundheitssystem zu einer Phars machen, während die privaten Versicherungen für die Reichen eine optimale Versorgung gewährleisten.

Karl Liebknecht war Antimilitarist.
Die SPD hat mehrere Grundgesetzwidrige Bundeswehreinsätze im Ausland, die zur Machtpolitik des Neoliberalismus gehören, zu verantworten.

Wer den Idealen von damals treu sein will, kann niemals Mitglied in der SPD sein.

@juso

syndikalist 26.08.2007 - 13:16
Wenn beim vernünftigen politischen Engagement dann Harz IV rauskommt, werd ich wohl weiterhin dagegen sein - und meine Energie nicht für die Sozialdemokratie, sondern gegen sie einsetzen . Eine andere Welt ist nunmal nicht nur möglich, sondern notwendig.

Echte Probleme

Internationalist 26.08.2007 - 13:44
In anderen Ländern haben Sozialdemokraten noch echte Probleme und sind deshalb auch noch wirklich links. Da kämpfen sie noch für Freiheit, Demokratie und Sozialismus. Und müssen Angst haben dafür im Knast zu landen.
Mit den angepassten "Neue Mitte" SPD Sesselfurzern hat das mal gar nichts zu tun.

E-on enteignen

hans 26.08.2007 - 13:51
Geiler Artikel. Zeigt den Charakter dieser Veranstalltung.
Allerdings war es kein Verbot des Bundesvorsizenden sondern eine Bitte. Des weiteren hatte ich den Eindruck das persöhnliche Wohlbefinden des Sponsors zumindest allen Falken relativ egal war.

@juso

nicht wichtig 26.08.2007 - 14:04
Ihr nennt euch jung-SozialistInnen aber du schwafelst von der Hilfe für die Menschen in Deutschland.
Der Kampf für den Sozialismus beschränkt sich aber in seinem Kampfeld nicht auf die Menschen in Deutschland sondern auf die unterdrückten Menschen der ganzen welt, da ein Sozialismus nicht national zu erreichen ist.

Wenn du den Deutschen helfen willst bist du fallsch bei den Jusos.. da gehörst du ideologisch in dei JN.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 12 Kommentare

Süß...

Juso 26.08.2007 - 12:18
... wie sich notorische "Dagegen"-Schreihälse, die ausser dumpfen Parolen nichts zu bieten haben, über Leute mokieren, die sich vernünftig politisch engagieren.

Weiter so, mit "Kapitalismus zerschlagen"- und "Politik ist Scheiße"-Geschrei ist den Menschen in Deutschland mit Sicherheit gut geholfen !

Tja...

Juso 26.08.2007 - 14:00
..., alle Reaktionen hier bestätigen meine erste Aussage in vollstem Umfang ! Ihr seid so einfach gestrickt und vorhersehbar, das ist echt putzig, ergötzlich gar !

Fuck establishment

rowdy 26.08.2007 - 14:39
Kein bisschen links, ein bisschen Staat, ein bisschen Kapital!

spd, cdu, fdp, npd find ich nicht ok!

dagegen 26.08.2007 - 14:41
"Weiter so, mit "Kapitalismus zerschlagen"- und "Politik ist Scheiße"-Geschrei ist den Menschen in Deutschland mit Sicherheit gut geholfen !"

scheiße ich könnte den ganzen tag in nen eimer reiern und würde den menschen (es sei denn du meinst mit menschen dich und deine freunde aus den oberen 5%) mehr helfen als es die SPD in den letzten 10 Jahren geschafft hat.

Nischenkritik

tut nichts zur Sache 26.08.2007 - 17:59
toller artikel (ironie off)

Mal ganz ehrlich war der Autor in irgendeiner inhaltlichen Veranstaltung?
Wenn ich den Artikel lese dann ist er eine Ansammlung von Oberflächlichkeiten!
Ja die Mitgliedsorganisationen innerhalb von Iusy sind sehr heterogen.
Aber im Gegensatz zu dem hier anwesenden Klüngelkreis versucht Jusy und die Mitgliederorgas viele Menschen von der Notwendigkeit eines Umsteuerns in Richtung einer freien friedlichen demokratischen sozialistischen Welt zu überzeugen.
Und während hier unentwegt SPALTER geschrien wird versuchen dort Menschen herauszufinden wie eine solche Gesellschaft wohl aussehen soll.
Und auch wenn der Autor gerne schwarz/weiß Bilder zeichnet kritische Stimmen zum Regierungshandeln finden sich quer durch alle Organisationen.

Nur ein Beispiel: während ihr in euern Hinterzimmern darüber plaudert was nicht alles getan werden müsste im Israel Palestina Konflikt versucht Iusy die Young labor und die Fatah Jugend an einen Tisch zu bringen und Lösungen zu erarbeiten.

Viel Spass beim Selbstbeweihräuchern und beim zur eigenen Meinung gratulieren

Aha

Falke 26.08.2007 - 18:35
Hi Monty, netter Artikel.

Ach und wie süß ein Juso, wie hast du dich denn hierher, nach Indy-Media, verirrt? Hier werden doch gar nicht solche schönen staatsfreundlichen Artikel veröffentlicht, wie du sie so gerne hast.
Warum trollst du dich nicht einfach wieder zu deinem Kumpel Schäuble, und bequatschst mit ihm noch ein bisschen die neuen Überwachungsgesetze. Oder wenn ihr darauf keine Lust habt, könnt ihr ja im Sandkasten spielen gehen.

Dem Morgenrot entgegen!

SAJ 26.08.2007 - 19:15
Die Falken und die Jusos in eine Topf zu werfen ist einfach falsch, die Falken sind eben keine platte SPD - Jugendorganisation , sondern eine kleine aber feiner linker Kinder- und Jugendverband, der sich oft viel politischer und offensiver darstellt als die Jusos. Dazu kommt, das die Hauptaufgabe der Falken die Bildungsarbeit ist. Viele junge Menschen kommen bei den Falken das erste Mal mit linker Politik in Berührung und entwickeln sich dann weiter! Die Falken sind viel näher and en Bedürfnissen der Menschen als die Jusos. Sie stellen vielerorts ein wichtiges Bindeglied zwischen gemäßigter und radikaler Linker dar. Siehe Berlin und Braunschweig, wo die Falken schon ins Visier von Nazis geraten sind, aufgruznd ihrer offensiven Bildungsarbeit.
Fazit: Die Funktionäre sind das Problem. Der Vorsitzende der Falken ist ein Juso im Falkenhemd, er verhindert eine offensive politische Positionierung, auch im Rahmen des IUSY - Festivals, WEIL ER ANGST HAT! Es liegt an der Basis, so wie beim IUSY geschehen sich davon zu befreien und selbstorganisiert tätig zu werden...

Ansonsten sind die Falken wesentlich besser als ihr Ruf!!!

Tja

muss ja nich sein 26.08.2007 - 19:52
zu Süss:Tja ma schön weiter des Parteibuch lessen,solange du noch kannst.

E-on enteignen - Korrigierung

hans 26.08.2007 - 22:38
Ich würde mich gern Korrigieren.
Ich hab meine obige Aussage nachgedacht.
Es ist mit nichten so das das oben beschriebene den Charakter der Veranstalltung zeigt, da viele wichtige politischen Akzente gerade inerhalb der IUSY - Organisationen gesetzt wurden.
Der obige Artikel beschreibt wohl eher den dunklen Schatten der über der gestrigen Abendveranstalltung lag und so den Blick auf gute Seiten diese Festivals trübte.

Was soll dieser Müll?

Ludwich 27.08.2007 - 00:51
Der Artikel ist Müll. Die Überschrift ist richtiger Müll. „100 Jahre Arbeiterbeschwichtigung“ so eine dumme Kacke. Beides, Text und Überschrift, ist populistischer Mist. Und überhaupt, nenn mir einer den Zweck und Sinn dieses Artikels? Und das Fazit? Ist ein Witz. Das an diesem Wochenende nordamerikanische Gewerkschafter mit Sozialisten aus dem Libanon diskutierten, das Genossinnen aus Afrika über ihren feministischen Kampf berichteten, all das entgeht den LeserInnen dieses Artikels. So ist das lieber Monty wenn man nur zur Party kommt. Die e-on und andere Werbegeschichten werden ein Nachspiel haben und den opportunistischen Funktionären werden wir schon Dampf machen. Das ist unser Ding und das bekommen wir auch selbst thematisiert. Dazu braucht es dich als Autor nicht. Als Falke sage ich, diese Auseinandersetzung mit den Neoliberalen und Opportunisten, die werden nicht hier bei Indymedia geführt sondern in unserem Laden und das ist auch gut so.

Alle SozialistInnen sind eingeladen sich für und in dem einzigen unabhängigen sozialistischen Kinder- und Jugendverband zu engagieren. Für den Sozialismus – macht die Falken stark!

Ach Ludwich...

Norm 27.08.2007 - 16:40
Parteien sind zum Schlafen da, und zum schrecklichen Erwachen!
Der Artikel ist keineswegs Müll, sondern eine nüchterne, wenn auch nicht ganz neutrale Zustandsbeschreibung. Mein lieber Ludwich, man sieht nie klar wenn man drin steckt, das tun Leute von außen viel besser! Man nennt sowas auch Berufsblindheit...

Anarchistische Grüße

nunja

... 30.08.2007 - 17:19
viele Kritikpunkte an der iusy-veranstaltung sind richtig.

nur bitte ich drum nicht alle jusos in einen Topf zu werfen.

aber wenn ich mir so einige jusos angucke denn weiß ich wie es passiert, dass gegen jusos gepöbelt wird, ohne zu differenzieren, wie der nun wirklich drauf ist.
gerade wenn ich sehe, was dieser juso hier schrieb.