Der Schwandorfer Brandanschlag - Vergessen?

ARAG 23.08.2007 12:33 Themen: Antifa Antirassismus
Am 18.12.1988 entfachte ein 19-Jähriger Neonazi in einem Wohnhaus in der Innenstadt Schwandorfs ein Feuer - Eine 3-köpfige türkische Familie und 1 Deutscher kamen in den Flammen um. 12 weitere Einwohner konnten sich teils mit schweren Verletzungen aus den Fenstern retten. Noch 19 Jahre nach dem Anschlag ist die Stadtleitung bemüht beim Vergessen zu helfen.
Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda - wer diese Städtenamen in einer Reihe hört, weiß was sie gemein haben: in allen 4 fanden Anfang der 90er Jahre rassistische Pogrome gegen von Ausländern und Asylanten bewohnte Wohnhäuser statt. Doch was kaum einer weiß: bereits 1988 starben 4 Menschen durch die Brandstiftung eines Neonazis. Am 18.12.1988 setzte der Neonazi Josef Saller das "Habermeierhaus", in der Innenstadt der Kleinstadt Schwandorf in der bayerischen Oberpfalz, in Brand. Ihm sei langweilig gewesen, gab er vor Gericht an, und da habe er sich überlegt "die Türken ein wenig zu ärgern". Er begab sich des nachts zu dem Wohnhaus, betrat es über den Hinterhof,und setzte im Treppenhaus liegende Kartonstücke in Brand. Er habe vorgehabt sie zu löschen, aber von oben seien Schritte zu hören gewesen, deshalb habe er sich entfernt. In kurzer Zeit stand das ganze Haus in Flammen. Das Ehepaar Fatma & Osman Can, ihr 11 Jähriger Sohn Mehmet, und der Deutsche Jürgen Hübener erstickten in ihren Betten und verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. 12 weitere Bewohner retteten sich durch Sprünge aus dem Fenster, und zogen sich dabei schwerste Verletzungen zu.

Es folgen Zeitungsberichte der mittelbayerischen Lokalzeitung zur Verhaftung und Gerichtsverhandlung Josef Sallers.

"Mutmaßlicher Brandstifter bricht sein Schweigen nicht
Ausländerfeindlicher Aufkleber wies der Polizei den Weg
Seit gestern steht Josef Saller (20) wegen besonders schwerer Brandstiftung vor Gericht / Vier Tote

S c h w a n d o r f / A m b e r g (ra). Vier Menschen, darunter die dreiköpfige türkische Familie Can, starben beim Brand des sogenannten "Habermeier- Hauses" in den Morgenstunden des 17. Dezember 1988. Seit gestern muß sich der Schwandorfer Josef Saller vor der Jugendkammer des Landgerichts Amberg wegen des Tatvorwurfs der besonders schweren Brandstiftung verantworten. Der mutmaßliche Brandstifter hat sein ursprüngliches Geständnis nach dem Versuch einer Tatrekonstruktion widerrufen und bestreitet seither, das Feuer im Treppenhaus gelegt zu haben. Vor Gericht schweigt der 20jährige Autolackierer zu den Vorwürfen. Ein ausländerfeindlicher Aufkleber, den Saller am gleichen Abend an einem Haus in der Höflinger-Straße anbrachte, wies der Polizei den Weg zu dem Angeklagten und zeigt auch schon die politische Brisanz dieses Prozesses; zu den befürchteten Ausschreitungen kam es aber nicht.

Großes Medieninteresse prägte am gestrigen ersten Verhandlungstag das Bild im Schwurgerichtssaal des Landgerichts, wo der Mammutprozeß auf vier Tage angesetzt ist: 67 Zeugen und mehrere Sachverständige sollen gehört werden. Der Angeklagte hüllt sich seit dem Widerruf seines Geständnisses in Schweigen, und wollte auch gestern nichts zu dem Tatvorwurf sagen. So beschäftigte sich die Jugendkammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Josef Auerhammer am ersten Verhandlungstag mit den polizeilichen Ermittlungen, dem Geständnis und schließlich den Umständen, die zu dem Widerruf führten.

In der Anklageschrift beschuldigte Erster Staatsanwalt Klaus Demmel den 20jährigen Saller, am 17. Dezember 1988 gegen 0.30 Uhr im Treppennaus des Wohn- und Geschäftsgebäudes am Schiesierplatz Feuer gelegt zu haben. Mit drei Zundhölzern habe er Packpapier in dort herumstehenden Pappkartons angezündet. Als er eine ausländische Männerstimme von oben hörte, flüchtete er. Das ca. 20 Zentimeter hohe Feuer ließ er brennen, obwohl er erkennen mußte, so Demmel, daß es auf die Holztreppe übergreifen konnte und daß in dem Haus Menschen wohnen. Dies sei als besonders schwere Brandstiftung strafbar.

An einem Modell des Gebäudes erläuterte der sachbearbeitende Beamte der Kriminalpolizei Amberg dem Gericht die Raumaufteilung in dem Haus. Während sich andere Bewohner retten konnten, gab es für Osmann Can, seine Frau Fatma und den 13jährigen Sohn Mehmet sowie den im Dachgeschoß wohnenden Jürgen Hübner keine Rettung mehr. Sie starben in dem Flammenmeer. Eindeutig stehe an den Angaben des Kripo-Beamten fest, daß sich der Brandherd im Treppenhaus befand, von das Feuer sich trichtermäßig nach oben ausbreitete und so den Eingeschlossenen den Weg nach unten abschnitt. Man habe im Brandschutt am Treppenhaus Reste von Packpapier und Cartonagen gefunden; Hinweise auf Öl oder Benzin habe es nicht gegeben.
Aufkleber "Türken raus"

Zu den polizeilichen Ermittlungen sagte der Zeuge aus, daß der Verdacht aufkam, daß der Aufkleber "Türken raus", der in der gleichen Nacht an einem ebenfalls von Ausländern bewohnten Haus in der Höflinger Straße angebracht wurde, im Zusammenhang mit dem Brand interessant sein könnte. Die Kripo-Abteilung Staatsschutz ermittelte Josef Saller der mit rechtsradikalen Kreisen in Verbindung gebracht wurde, als den Mann, der den Aufkleber angebracht hatte, was er auch heute noch zugibt. Bei ersten Vernehmungen kam es zu Widersprüchlichkeiten bezüglich seines Alibis: seine Aussagen stimmten nicht mit denen seiner Eltern überein. Am 5. Januar habe dann der tags zuvor festgenommene Saller ein Geständnis abgelegt.

Dabei habe er erklärt, er sei am Abend des 16. Dezember plan- und sinnlos durch die Schwandorfer Altstadt gegangen sei. Zunächst habe er den Aufkleber angebracht. Am Marktplatz sei ihm die Idee gekommen, beim "Habermeier-Haus" noch etwas zu tun, um die darin lebenden Ausländer zu ärgern. Er sei kurz zu der etwa 800 Meter entfernten elterlichen Wohnung gegangen und habe Zündhölzer geholt. Wie der Kriminalbeamte aussagte, habe er den Tatort in allen Details beschrieben und teilweise sogar skizziert, lediglich die Seite des Türgriffs, Ort und Verlauf der Treppe habe er falsch mitgeteilt.

Mir einem Streichholz habe Saller das Treppenhaus erleuchtet, mit drei Hölzern das Packpapier in den zwei Pappkartons entzündet. Eine Männerstimme habe ihn zur Flucht veranlaßt. Obwohl das Papier schon rund 20 cm hoch brannte, machte er sich direkt auf den Heimweg. In seinem Geständnis habe Saller betont, er habe nicht gedacht, daß aus den brennenden Kartons so ein großes Feuer entfachen könnte. Er habe keineswegs Menschen töten oder einen so hohen Sachschaden anrichten wollen. Saller selbst habe sich als strikter Gegner von Alkohol und Drogen bezeichnet, so daß Beeinträchtigungen dieser Art ausschieden, meinte der Zeuge.

Die Wandlung im Verhalten Sallers kam dann vier Tage später, als man ihn von der Justizvollzugsanstalt Amberg zu einer Tatrekonstruktion nach Schwandorf brachte. Schon im Pkw sei Saller "eher reserviert and nicht mehr so gesprächig" gewesen, meinte der Kripo-Beamte. Bei der Brandruine äußerte er, eine innere Stimme sage ihm, er solle bei der Rekonstuktion nicht mitmachen. Auf die Beschwichtigung, dies sei nur ein teil des ohnehin schon abgelegten Geständnisses, ging er dann noch in das Treppenhaus und zündete ein Streichholz an. Und er behauptete, zum erstenmal in diesem Gebäude zu sein. Er sprach von einem polizeilichen "Psychoterror", der zu dem Geständnis geführt hätte. Die Tatrekonstruktion wurde abgebrochen. Seitdem streitet Josef Saller die Tat ab.

[Bild: Auf dem Weg in den Gerichtssaal: Josef Saller wird aus der Justizvollzugsanstalt Amberg von Polizeibeamten zur Verhandlung gebracht.]

Mittelbayerische Zeitung Schwandorf, 03.04.1990"

"Prozeß gegen mutmaßlichen Brandstiffer Josef Saller hat gestern begonnen
Er wollte die Türken nicht töten, "nur ärgern"
Erst Geständnis, dann Widerruf - er hörte plötzlich "eine innere Stimme" / Der Angeklagte schweigt

Von unserem Redaktionsmiigiied Karl-Heinz W e i g e l

A m b e r g / S c h w a n d o r f. Vier "A & P"-Zündhölzer brauchte er, um das Feuer im Schwandorfer "Habermeier"-Haus zu entzünden, vier Menschen kamen in den Flammen um, 1.5 Millionen Mark Sachschaden! Glaubt man den Polizei-Protokollen und dem Geständnis, ist der Schwandorfer Josef Saller (20) der Brandstifter. Drei türkische Mitbürger und ein Deutscher starben in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1988. Seit gestern steht Saller vor der Jugendkammer des Landgerichts Amberg. Anklage: Besonders schwere Brandstiftung.

· Am 1. Verhandlungstag vernahm das fünfköpfige Gericht mit dem Vorsitzenden Richter Josef Auernhammer mehrere Kripobeamte. Sie berichten, wie damals der Verdacht auf Saller kam, wie er gestand, in U-Haft kam und dann sein Geständnis widerrief. Beim Hofgang soll ihm ein anderer U-Häftling zugeflüstert haben: Sag' nichts. Die Polizei kann dir nichts beweisen.

· Der Angeklagte, der rechtsradikalen Kreisen wie der FAP bzw. der Nationalsozialistischen Front zugerechnet wird, zeigte sich gestern wenig kooperativ. "Ich mache keine Angaben" war der erste und einzige Satz, der über seine schmalen Lippen kam. Fast unbeweglich hockte er da, beobachtete nur aus den Augenwinkeln. Aus U-Haft vorgeführt, war er ganz in Schwarz gekleidet: Schwarze Schuhe, Hosen, Jacke. Das Hemd war grau.
67 Zeugen sollen gehört werden

· Saller, links neben ihm die Pflichtverteidigerin, starrte entweder auf das riesige Holzkreuz auf der Wand gegenüber oder auf die Bank mit den drei Nebenklägern: Zwei Freuen und ein Junge. Sie hatten ihre engsten Familienangehörigen im Feuer verloren. Mitten im Schwurgerichtssaal war ein maßstabgerechtes Holz-Modell des "Habermeier"-Hauses aufgebaut worden. Dank dieses Modells konnten Zeugen Details klären. 67 Zeugen und etliche Sachverständige sollen an vier Verhandlungstagen zum Fall "5 Kls 1Js 129/89 jug" aussagen.

· Arbeiter Osman Can (49). Ehefrau Fatma (43), Sohn Mehmet (11) und der Akustiker Jürgen Hübener (47) wurden Opfer, verbrannten, erstickten. Die türkischen Mitbürger wohnten im 2. Stock, Familie Hübener eine Etage tiefer. Im Parterre hatte das Elektrogeschäft "Habermeier" die Verkaufsräume. Folgt man der Kripo, dann wurde der Brand gegen 0.30 Uhr im Treppenhaus gelegt. Und zwar mit zwei mit Packpapier gefüllten Kartons.
"Wollte die Türken nur ärgern..."

· Das Feuer soll sich "trichterförmig von unten nach oben" über die Holztreppe hoch in die Wohnungen ausgebreitet heben. "Ich wollte die Türken nur ärgern", so Sallers erste Einlassung, als er vom Staatsschutz als Tatverdächtiger ermittelt wer. Eine Tötungsabsicht habe niemals bestanden. Daß er kurz vor dem Brand den Aufkleber "Türken raus" an einem Haus in der Nachbarschaft befestigt hat, war nie in Zweifel. Auch gestern nicht.

· Der damals 19 Jahre alte Auszubildende Saller mit dem Berufsziel Autolackierer wurde bei den Ermittlungen zunächst als Zeuge, dann als Beschuldigter vernommen - sein Alibi stimmte nicht. Folgt man den Erkenntnissen der Kripobeamten und Sallers Angaben im Geständnis vor der Ermittlungsrichterin, läßt sich die Brandnacht wie folgt rekonstruieren:

· Saller ging in der Innenstadt ziel- und planlos spazieren. Er klebte die Hetzparole "Türken raus" an eine Hauswand, hatte dann die Idee: "Jetzt zündel ich noch! Stecke Mülltonnen oder sonstwas an." Zu Hause holte er sich Streichhölzer aus der Küche. Auf dem Marktplatz kam ihm der Einfall: Im "Habermeier"-Haus wohnen doch Ausländer. Vor Ort, im dunklen Treppenhaus zündete er zunächst ein Streichholz an.

· Nachdem er sich orientiert hatte, entdeckte er in einer Ecke die Kartons und setzte sie in Brand. Als, plötzlich eine laute Männerstimme "über ihm" ertönte, flüchtete er zur 700 bis 900 m entfernten Wohnung der Eltern. Bald kam die Polizei auf seine Spur. Saller gab sich als "nationalbewußt denkend" zu erkennen, auch als Gegner von Ausländern in Deutschland. Am 5. Januar 1989 gestand er die Tat, wurde konkret.
Kripo: Kein Psychoterror ausgeübt

· Hat die Polizei "Psychoterror" ausgeübt als Saller vernommen wurde? Die Kripobeamten verneinten die Frage gestern immer wieder. Saller habe sich ohne jeden Zwang selbst beschuldigt! Doch am 9. Januar 89 kam die Wende. Im Rahmen der Tatrekonstruktion sollte der Hauptverdächtige im ausgebrannten "Habermeier"-Haus zeigen, "wie es in Wirklichkeit war", so der Beamte zum U-Häftling, dem es im Gefängnis gar nicht gefiel.

· Saller machte zunächst mit, zündete auch ein Streichholz an. Aber dann "sagte mir die innere Stimme, daß ich nicht mehr mitmachen soll". Er sei zum ersten Mal hier in diesem Treppenhaus, wußte Saller plötzlich. Er habe der Ermittlungsrichterin auch schon seinen Widerruf mitgeteilt, so Saller. Er war reserviert, zurückhaltend. Ihm wurde klar: Die Tetrekonstruktion ist Teil des Geständnisses.
Kripo sollte "getestet" werden

· "Ich wollte, daß man mir die Unwahrheit glaubt", erzählte Seiler. Das falsche Geständnis habe den Zweck gehabt, die Kripo zu "testen". Die ganze Geschichte, so Saller, sei von ihm "perfekt inszeniert" worden. Er verfüge über gutes Gedächtnis und über eine gute Kombinationsgabe.

[Foto: In Handschellen aus U-Haft vorgeführt: Der Angeklagte Josef Saller. Foto: Allacher]

Mittelbayerische Zeitung Region, 03.04.1990"

"In der Untersuchungshaft Geständnis widerrufen

Josef Saller widerrief sein Geständnis. In einem Brief aus der JVA an Jugendermittlungsrichterin Mugler, die den Haftbefehl gegen ihn erließ, räumte er zwar die Anbringung des Aufklebers ein, distanzierte sich aber von dem Brand. Als er am Vormittag des 17. Dezember in die Stadt gegangen sei und dabei aus der Ferne die Menschenmenge sah, habe er zunächst an einen Christkindlmarkt gedacht. Er wiederholt den Vorwurf des Psycho-Terrors der Polizei, die ihm nicht geglaubt habe. Erst als er ihnen das erfundene Geständnis mit glaubhaften Details präsentierte, hätten ihm die Beamten plötzlich alles geglaubt. Zuvor hätten sie ihm zugesagt, ein gutes Wort für ihn einzulegen, schrieb Saller an die Ermittlungsrichterin. Und er fügte hinzu, daß er den Mut für eine Brandstiftung gar nicht aufbrächte.

Es folgten weitere Vernehmungen durch die Polizei, wobei es insbesondere um die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen und das Detailwissen bezüglich der Tat ging. Das Schnappen des Türöffners, der defekte Türschließer, der starre Türgriff, das in der Durchfahrt geparkte und von ihm beschriebene Auto, vieles wollte er nach Aussagen des Kripo-Beamten als Erfindungen oder Zufall darstellen, um das falsche Geständnis glaubwürdig zu machen. Als Grund für die Selbstbeschuldigung gab er an, die Polizei testen zu wollen. Auch die Enttäuschung über die Angaben seiner Eltern bezüglich seines Alibis wurde bei der gestrigen Verhandlung als mögliche Ursache genannt.

Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde u.a. festgestellt, daß sich Saller zu Hause Autonummern notiert hatte; von 25 Kennzeichen waren elf der Pkw auf türkische Staatsangehörige zugelassen, angeblich ohne Hintergedanken. Auch eine Frau, die in dem Haus wohnt, an dem der Aufkleber "Türken raus" angebracht war, erklärte, daß sie Saller schon mehrfach vor dem Anwesen gesehen habe, Die Kripo-Beamten sagten gestern im Zeugenstand übereinstimmend aus, daß Josef Saller zwar Vorhaltungen, insbesondere wegen des Alibis gemacht worden seien, er aber bei seinem Geständnis keineswegs unter Druck gesetzt worden sei.
Die "Wurzel der Tat"?

Der Verdacht, ein Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt Amberg hätte ihm zu bem Widerruf geraten, kam ebenfalls am gestrigen ersten Verhandlungstag zur Sprache. Zwei ehemalige Untersuchungshäftlinge wurden in den Zeugenstand gerufen. Der erste erklärte, Saller habe seine Frage bejaht, ob er der Schwandorfer sei, der das "Habermeier-Haus" angezündet habe. Gleichzeitig wisse er von einem Mithäftling, daß dieser ihm zum Widerruf geraten habe. Auch der zweite erklärte, Saller habe ihm gegenüber gesagt, daß er es war, er aber sein Geständnis zurücknehmen werde, weil es keine Beweise gegen ihn gebe.

Ebenfalls als Zeugen geladen waren die Ermittlungsrichterin Mugler und der damalige Staatsanwalt Gerhard Maier. Dabei nahm der von dem Angeklagten gebrauchte Begriff, die ausländischen Bewohner des Hauses "ärgern" zu wollen, breiten Raum ein. Staatsanwalt Demmel wollte wissen, inwieweit dieser hinterfragt worden sei, und brachte dabei auch Rechtsradikalismus als mögliche "Wurzel der Tat" ins Spiel; dazu hätte Saller sich nicht ausführlich geäußert. Das eventuelle politische Umfeld der Tat soll insbesondere am morgigen dritten Verhandlungstag beleuchtet werden. Zu einer Kontroverse in dem ansonsten sehr sachlich verlaufenen Prozeß zwischen Nebenkläger Georg Rudolph und Verteidigerin Barbara Geiger kam als gegen 18 Uhr auch Gewitterwolken über Amberg aufzogen: Staatsanwalt Gerhard Maier hatte den damaligen Haftbefehlsantrag auf Mord formuliert, wobei Rechtsanwalt Rudolph immer wieder nachhakte, während die Verteidigerin die rechtliche Bewertung als alleinige Aufgabe der Jugendkammer ansah. Die auf vier Tage angesetzte Verhandlung wird heute fortgesetzt.

Mittelbayerische Zeitung Schwandorf, 03.04.1990"



13 Jahre saß Saller letztendlich wegen Brandstiftung im Gefängniss, mitte 2001 kam er frei. Von der rechten Szene bundesweit wurde er als Märtyrer gefeiert, diverse rechte Organisationen riefen zur Kontaktaufnahme und Unterstützung auf. Ein "besatzer- und ausländerfreies Deutschland in germanisch-preußischer Tradition in den Grenzen von 1938, ein Europa ohne Neger, Rote und Hakennasen" sei nach wie vor sein größter Wunsch, offenbarte Saller der Presse. Kein Zeichen von Reue.
In der Zwischenzeit gab es im Schwandorfer Stadtrat Debatten über ein Denkmal für die Opfer. Es gibt mehrere Demonstrationen und Mahnwachen, die letzte im Jahr 2000. Nachdem die Stadt sich weigerte ein Denkmal aufzustellen, wird auf einem kleinen Grünstreifen vor dem renovierten Habermeier Haus ein kleiner Papp-Gedenkstein aufgestellt. Das Denkmal wurde schnellstmöglich von der Polizei entfernt. Am 2.3.1999. gibt der Stadtrat einen endgütligen Beschluss bekannt: Es wird niemals ein Mahnmal geben. Oberbürgermeister Kraus befand gleich zu Beginn der Debatte, die Stadt brauche "eine Wallfahrtsstätte für radikale Gruppen nicht" - welche Radikalen er meinte, sagte er nicht. Und der CSU-Fraktionsvorsitzende Uwe Kass erklärte, es könne nicht angehen, "Unterschiede bei Opfern von Gewaltverbrechen zu machen". Und wenn doch ein Mahnmal für die Toten des Neonazi-Brandanschlags errichtet werde, dann "müßte man" - so sagte Kass später gegenüber der Süddeutschen Zeitung - "für jedes Gewaltopfer ein Mahnmal errichten, absolut für jedes". Ihren Tiefpunkt erreichte die quälende Auseinandersetzung mit der Wortmeldung des Freie-Wähler-Stadtrates Hans Zilch: Er, der Monate zuvor noch für das Mahnmal eingetreten war, stieß sich nun plötzlich daran, daß der Name des deutschen Todesopfers auf dem Gedenkstein "nicht an erster Stelle" genannt ist. Das erinnerte manchen Zuhörer fatal an die Rechtsextremen-Parole: "Deutsche zuerst". Zusammen mit der CSU stimmte der Freie Wähler gegen das Mahnmal.

Heute, 19 Jahre nach dem Anschlag, will sich niemand an den Anschlag erinnern. Im Habermeier Haus sind jetzt ein auf ultra-modern getrimmter Friseursalon und eine Bastelwarenladen, auf dem kleinen Grünstreifen wurde eine Telefonzelle errichtet. Nichts erinnert daran dass in diesem Haus einmal 4 Menschen verbrannten, Opfer eines rassistischen Brandanschlags. Wer die Zeit um die Debatten um das Mahnmal nicht miterlebt hat, weiß nicht einmal dass der Anschlag jemals stattgefunden hat. Dafür etabliert sich im Landkreis Schwandorf so langsam wieder eine große, rechte Szene: Es gibt eine Stammkneipe, die Stadt ist übersät mit NPD und C18 Aufklebern, überall an den Wänden sind Nazischmierereien. "Das Reich kommt wieder", ist zu lesen, oder "Ruhm und Ehre der Waffen-SS". Aber auch: "18.12.88: Barbecue in Schwandorf". Mitte Juni hielt die NPD ihr Sommerfest im 5 km entfernten Schmidgaden ab, knapp 100 AntifaschistInnen waren damals in Gewahrsam, während die Nazis fröhlich ihr kleines Fest feierten.

Es wird Zeit gegen das Vergessen vorzugehen - dafür zu sorgen dass die Stadt Schwandorf ihre pro-faschistische Politik aufgibt, ein Denkmal errichten lässt und öffentlich gegen die faschistischen Umtriebe im Landkreis vorgeht.

Kein Vergeben - Kein Vergessen
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Es wird Zeit

Gironimo 24.08.2007 - 16:33
Es wird Zeit, mal eine Aktion gegen das Vergessen dieses feigen Mordes zu starten. Der Jahrestag ist zwar schon vorüber, aber man könnte sich ja mal zusammensetzen und etwas planen. War ziemlich schockiert als ich diesen Bericht gelesen habe, weil ich nur einmal unzusammenhängend davon gehört habe und die Hintergründe gar nicht gekannt habe. Wie gesagt, Schwandorf sollte jetzt mal ordentlich in Angriff genommen werden. Ist mir ja selber bekannt, dass viel faschistischer Abschaum dort wohnt. Wir sollten mal damit anfangen, dort ein bisschen aufzuräumen.
Denn es gibt kein ruhiges Hinterland. Kampf dem Faschistenpack in Schwandorf und Umgebung. Keinen Fußbreit der braunen Seuche. Hier und überall.

kein vergessen

ikke 24.08.2007 - 20:42
ich wäre auch dafür, auf diesen feigen anschlag mal wieder aufmerksam zu machenn, wenn ihr lust habt meldet euch mal bei der akm( Antifaschistische koordination mühlhausen...) wenn ihr lust habt können wir was auf die beine stellen