[thessaloniki] Polizeigewalt und Widerstand

autorIn 22.08.2007 12:49 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Vor wenigen Tagen wurde ein Nigerianer in Thessaloniki von zwei Polizisten ermordet, indem er auf der Flucht von einen Balkon fiel. Seitdem ist die lokale black community im Aufstand und bekommt Unterstuetzung von den lokalen AnarchistInnen und anderen. Am abend des Mordes gab es heftige und erfolgreiche Auseinandersetzungen in den Strassen aber gestern kam es zu den ersten Festnahmen.
Tony war im Stadtteil Kalamaria bekannt und verkauften dort CDs in den Strassen. Am 18.August wollten zwei Polizisten ihn kontrollieren weil es sich angeblich um illegal gebrannte CDs handelt und als Tony wegrannte und in ein Cafe fluechtete, wurde er verfolgt. Auf dem Balkon des Cafes, der nicht besonders hoch ist wurde er von den beiden Polizisten auch noch unklare Weise angegriffen oder zumindest stark bedraengt. Einige ZeugInnen sagen, er sei gestossen worden, es kann aber auch sein, dass er in Panik rueckwaerts sehr ungluecklich fiehl und mit dem Kopf zuerst aufs Pflaster fiel. Wie auch immer, die black community und die AnarchistInnen sind sich einig, dass es sich um Mord handelt, der die Brutalitaet und das wahre Gesicht der Polizei zeigt. Es geht um mehr als diesen einen Vorfall. Die Leute sind emotional stark motiviert und waerend einige eher weniger Konflikte mit den Cops haben wollen, sind andere stark an genau diesen interessiert.

Am abend des Mordes gab es eine spontane Ansammlung von etwa 200 Menschen, die mit Traenengas und Schlaegen der Polizei davon abgehalten wurden, bei dem Toten zu sein. Es wurde uns sogar gesagt, dass einige der Cops direkt neben dem Toten standen und seine Familie und FreundInnen attakierte. Daraufhin gingen auf Initiative einiger Leute aus der black community aber mit Unterstuetzung von einigen AnarchistInnen einige Scheiben zu bruch und es zogen verschiedene Gruppen durch den Stadtteil Kalamaria, der zu den reicheren Vierteln gehoert. Viele der AnwohnerInnen und PassantInnen zeigten Verstaendnis fuer die Zerstoerungen und die Emotionen und die Polizei hielt sich stark zurueck. Kurz vor den Wahlen moechte die offizielle Politik mit Sicherheit keine Eskalation an einem solchen Punkt. Es gab keine Festnahmen und waerend viele von den black people riefen "Tod Griechenland" nannten sie die unterstuetzenden AnarchistInnen ihre Brueder und Schwestern, weil sie sich klar zu ihnen positionierten.

Am Tag darauf gab es einen angekuendigten Protest, der nach einigen Auseinandersetzungen und Unklarheiten, was zu tun sei zur naechsten Polizeistation zog, um diese mit Steinen einzudecken. Die AnarchistInnen sprachen dabei davon, das es wichtig sei, den black people die Initiative zu ueberlassen, da es vor allem ihr Kampf ist und sie sie solidarisch unterstuetzen und nicht vereinnahmen wollen. Dies funktionierte auch ganz gut, auch wenn einige NGO-Menschen dort waren und die black people staendig beeinflussen wollten, dass sie doch bitte friedlich sein sollen und keine Sachen zerstoeren sollten. Die Antwort war meist "No, we want to start now and we will never forgive and we will not forget". Also ging es nach einigen Streitereien zur Bullenstation, wo bereits ein Fahrzeug mit dahinter verschanzten Cops wartete. Wie erwartet gab es dann auch wenige Minuten nach den ersten Steinen einen heftigen Traenengas-Einsatz und die Demonstration loeste sich etwas auf. Zerstoert wurde an diesem Tag relativ wenig und die black people beschlossen, bald wieder zum Ort des Mordes zurueckzukehren um dort eine Mahnwache abzuhalten.

Gestern gab es nun erneut eine Demonstration, diesmal im Zentrum der Stadt. Eine groessere Anzahl an Menschen versammelte sich, spruehte Graffities wie "No justice no peace - Fuck the police" und zog wie die Tage zuvor mit Helmen und Knueppeln los, um ihren Unmut auf die Strassen zu tragen. Diesmal waren leider mehr Cops hinter uns und einige betrunkene und unsolidarische Leute zerkloppten an unguenstigen Orten Kameras und Banken, so dass sie andere Leute gefaerdeten. Die Meinungen gehen hier gerade etwas auseinander, aber klar ist, dass es viel effektiver gewesen waere, den Clash am Ende der Demonstration zu starten, um die Polizei abhalten zu koennen, statt weiter vorne Sachen zu zerstoeren, so dass die Cops von hinten Leute verhaften koennen. Wenige hundert Meter von der sicheren Universitaet entfernt eskalierten einige Leute die Situation wieder, so dass die Cops Traenengas einsetzten und leider 19 Menschen festnehmen konnten. Diese sind noch immer in Arrest und es sieht so aus als ob einige auch noch ein paar Tage drin bleiben. Die Anzahl der Verhaftungen ist fuer lokale Verhaeltnisse relativ hoch und trotzdem bleibt eine Staerkung der Verbindung zwischen den AnarchistInnen und der black community, die ganz neue Dimensionen der Zusammenarbeit entwickeln koennte.

Es gibt relativ wenig Erfahrungen hier mit antirassistischer Selbstorganisation und einige der black community waren eher den NGOs wohlgesonnen waerend andere einfach alles kaputthauen wollten und wieder andere sich gerade stark politisieren. Und die AnarchistInnen sind daran interessiert mehr Kontakt herzustellen aber haben auch junge Leute dabei, die wenig taktisch denken und manchmal auch andere gefaehrden oder sich ignorant verhalten. Was gut funktioniert ist zum Beispiel, dass die Initiative zum Beispiel mit den Spruechen fuer die Plakate oder auf der Demo von der black community kommen und dies von vielen AnarchistInnen fuer wichtig gehalten wird und sie dann zum Beispiel plakatieren gehen oder anders solidarisch unterstuetzen.

Die Medien schreiben und berichten absoluten Mist. Sie versuchen die AnarchistInnen und black people zu spalten und berichten ueber gewalttaetige Punks die alles kaputt machen wollen.

weitere Fotos hier:
 http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=749523

Fight the power!
Viele Gruesse aus Thessaloniki
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Ergänzungen

video und bild zu den zusammenstoessen

name 22.08.2007 - 13:03
Ein Video der buergerlichen Medien zu den spontanen Riots am abend des Mordes:

 http://www.skai.gr/master_avod.php?id=57151

Die Menschen, die mit erhobenen Haenden zu sehen sind, wollten die Polizei dazu bringen, sie zu dem Toten zu lassen, aber sie wurden angegriffen obwohl sie einfach nur bei dem Toten sein wollten (was das Video natuerlich nicht zeigt, da die medien die polizei unterstuetzt und deeskalieren moechte)

weitere infos auf englisch

name 22.08.2007 - 13:21
veroeffentlicht auf indymedia athens:

Violent protests by fellow countrymen and antiracists in solidarity.

The state repression hasn't degraded at all, despite the upcoming elections and the hot summer. During the evening of Saturday 18th of August 2007, according reports, undercovered policemen were after the 25-year-old Tony Onouha, immigrant from Nigeria, who had been selling CDs in a cafe in Kalamaria, Thessaloniki.Tony Ondoha, let your spirit go after the policemen that killed you

Based on denouncements of his fellow countrymen, Tony Onouha, recognised those policemen as the ones who had beaten him up, one year ago. He tried to run away and finally fell from the first floor of the cafe, 5 meters height, to the street, where he died instantly.

Some reports say that the immigrant was pushed by the police officers. In any case, the death of Tony Onua is one more assassination by the state repression mechanism, the Hellenic Police.

Right after Onouha's death, his fellow countrymen had a vigil at the place of the incident. Some of them protested and had a conflict with the riot police and undercovered policemen who went there to suppress the protest. Roadblocks were set up and the riots kept on until Sunday 4am.

On Monday afternoon, 500 hundred people participated in demonstration including many people from the black community and people in solidarity, including the antiracist initiative of Thessaloniki, left and antiauthoritarian groups. When the march was in front of the Polce Department, the demonstrators threw a lot stones against the policemen.

The protests have been announced to go on the following days.

die gefangenen

name 22.08.2007 - 17:46
werden nach aussage des anwalts alle 19 noch bis morgen sitzen und dann vor den richter kommen aber alle nur wegen kleineren sachen (vergleichbar mit landfriedensbruch), da die cops ihnen keine gegenstaende zuordnen konnten, die in den strassen gefunden wurden.
hier sind wir gerade vor den knast gegangen um den gefangenen zuzurufen, damit sie wissen dass sie nicht alleine sind

hausdurchsuchungen

kalamariotis 22.08.2007 - 18:21
Heute gab es auch Durchsuchungen bei Wohnungen der Gefangenen.
Solidarität mit allen Gefangenen!

Statement of some local groups

name 23.08.2007 - 11:28
Thessaloniki: State Racism Kills

Saturday evening, (18 Aug 2007), in a 1st floor cafe in Kalamaria's mall, Thessaloniki, two individuals of unknown identity up to now, dressed with ordinary clothes, but with police officer's behavior, approached Tony Onouha, immigrant from Nigeria, who had been selling CDs, and immobilised him. Tony, who a few weeks ago was beaten by police officers (it is speculated that they were the same), escaped from their control and moved towards the balcony. Under unidentified conditions he fell on the pavement and was mortally injured.

[...]

 http://no-racism.net/article/2237/

die gefangenen sind jetzt alle raus

name 23.08.2007 - 11:35
vor wenigen minuten sind alle gefangenen aus der haft entlassen worden. 10 der leute werden noch ein verfahren bekommen im dezember, da die staatsanwaltschaft ein jahr auf bewaehrung wegen schwerer sachbeschaedigung und landfriedensbruch und angriffe gegen die polizei fordert. aber keins davon wird zu haftstrafen fuehren.

Griechenland: 1 Toter; Konfrontationen

name 23.08.2007 - 11:37
 http://de.indymedia.org/2007/08/191830.shtml

Thessaloniki - Am Samstag dem 21. August war ein nigerianischer Strassenhändler, der CD's verkaufte, aus Angst vor der griechischen Geheimpolizei aus dem ersten Stock einer Cafeteria gesprungen und dabei ums Leben gekommen.

Es gibt Zeugen die behaupten, dass er gestossen wurde und dass er bereits eine Woche zuvor von der Polizei, die ihn kurzfristig festgehalten hatte, durch Schläge misshandelt worden war.

MigrantInnen und AnarchistInnen errichteten noch am selben Tag Barrikaden und griffen die Polizei an. Auch am Folgetag landete die Demonstration eine - erfolgreiche - Attacke gegen den Polizeiapparat. Die Antwort waren dann aber der Einsatz von Aufstandsbekämpfungseinheiten und 21 Verhaftete.
( Quelle:  http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/314261/index.php )
übersetzt von: tierr@

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