München: Bericht zur Nazimahnwache am 17.08.

Benjamin Blümchen 21.08.2007 19:12 Themen: Antifa
Nachdem die Stadt München kurzfristig die geplante Rudolf-Heß-Kundgebung am Marienplatz auf antifaschistischen Druck hin doch noch verboten hatte, fand am 17.08.07 am Stachus (Karlsplatz) unter dem Motto „Meinungsfreiheit - 365 Tage im Jahr. Maulkorbparagraphen abschaffen.“ eine offensichtliche Ersatzveranstaltung statt. Anwesend waren neben ca. 80 Neonazis unter anderem Norman Bordin, Roland Wuttke, Thomas „Steiner“ Wulff und Jürgen Rieger. Von antifaschistischer Seite konnten etwa 700 Personen zu Gegenprotesten mobilisiert werden.
Vorgeschichte:

Zunächst schien es so, als wollte die Stadt München, wie in den zwei Jahren zuvor, den Nazis bereitwillig den zentral gelegenen Marienplatz als Forum für die einzige, legale Rudolf-Heß-Gedenkkundgebung in der gesamten BRD zur Verfügung stellen. Erst einen Tag vor der geplanten Kundgebung lenkte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) unter SPD-Mann Wilfried Blume-Beyerle (sic!) aufgrund des vehementen und immer breiter werdenden antifaschistischen Protestes im Vorfeld ein, und verbot endlich die Kundgebung. Ausschlaggebend war für das KVR jedoch erneut nicht - wie in allen anderen betroffenen Städten der Bundesrepublik - der neuformulierte §130 Abs. 4 Strafgesetzbuch, der die Glorifizierung des Nationalsozialismus unter Strafe stellt. Erkenntnisse, die auch AntifaschistInnen in den Tagen vor der Mahnwache publiziert hatten, dass nämlich München als Ersatzveranstaltung für den höchstrichterlich verbotenen Wunsiedel-Marsch herhalten hätte sollen, haben vielmehr das KVR doch noch zu einem Verbot bewegt.
Grund dafür war mit Sicherheit auch der enorme mediale Druck im Vorfeld: So titelte zum Beispiel die „Abendzeitung“, zweitgrößte Tageszeitung Münchens, am Tag vor der Mahnwache mit „Neonazis raus aus unserer Stadt!“. Diese Parole (untermalt mit einem großformatigen Foto von engagierten AntifaschistInnen) auf jedem der tausenden Zeitungskästen Münchens prangern zu sehen, war für Münchner Antifa-AktivistInnen schon ein etwas neuartiges Gefühl. Im Artikel der „Abendzeitung“ wurde außerdem noch Sonja Eriksson, Pressesprecherin der antifa nt, mit einem Aufruf zu antifaschistischen Gegenaktivitäten zitiert (An dieser Stelle herzliche Grüße nach Salzburg...;-)). Diese enorme Presseresonanz war mit Sicherheit eine Hauptursache dafür, dass das kurzfristige Verbot der Heß-Mahnwache und der Ortswechsel keine negativen Auswirkungen auf die antifaschistische Mobilisierung hatten.

Der Tag:

Um 18 Uhr, dem angekündigten Beginn der Mahnwache, ließen die Nazis noch auf sich warten: Lediglich ein in Antifa-Kreisen recht bekannter, baumlanger Anti-Antifa-Fotograph harrte im typisch münchnerischen Nazi-Gitterkäfig ganz alleine ca. eineinhalb Stunden aus, bereits umringt von hunderten GegendemonstrantInnen. Zwei Nazis, die versucht hatten, sich unter die GegendemonstrantInnen zu mischen, wurden höflich, aber bestimmt verabschiedet. Kurz bevor das Gros der Nazis auf dem Stachus angekommen ist, wurden einige AktivistInnen darauf aufmerksam gemacht, dass die zuhauf anwesende Polizei (Bereitschaftspolizei, massig USK und Zivis) das gleichzeitige Tragen einer Kapuze und einer Sonnenbrille als Vermummung ansieht. Interessant daran ist, dass ein anwesender Polizeibeamter (sehr füllig, anscheinend gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt...) in Anwesenheit von Medienvertretern meinte, dass es den Einsatzkräften egal wäre, ob diese Rechtsauffassung bezüglich der Vermummung vor Gericht bestand hätte oder nicht und dass sie die Leute trotzdem erstmal festnehmen würden. Soviel zur angeblichen „Rechtsstaatlichkeit“ im schönen Freistaat Bayern...
Um circa 19.30 kam dann Norman Bordins camouflagefarbener VW-Bus mit u.a. den Insassen Bordin, Thomas „Steiner“ Wulff und Jürgen Rieger am Stachus an. Zum gleichen Zeitpunkt kamen ca. 80 Neonazis im Untergeschoss Stachus mit der U-Bahn an. Nachdem die Polizei feststellen musste, dass der erste Aufgang beim McDonalds auf den Karlsplatz von AntifaschistInnen blockiert worden war, leitet sie die Nazis nach einer kurzen Rangelei ins Untergeschoss zurück und versuchte es am anderen Aufgang. Nachdem auch hier die AntifaschistInnen eine Blockade bildeten, sah die Polizei keine andere Möglichkeit, als mittels brutalen USK-Prügelbullen eine Schneise durch die GegendemonstrantInnen zu ziehen und die Nazis durch den so entstandenen, ca. 50 cm breiten Zugang im Gänsemarsch zum Versammlungskäfig zu lotsen. Während dieses gesamten Prozederes flogen ordentlich Flaschen und Fäuste, sowie literweise Spucke... Einige Nazis versuchten sogar zurückzuschlagen (öha!), wurden allerdings von PolizistInnen und eigenen OrdnerInnen zurückgehalten.
Nachdem also gegen acht Uhr alle Nazis in den ihnen zugewiesenen Laufstall gebracht worden sind, begann nun endlich die eigentliche Nazikundgebung. Die etwa 700 GegendemonstrantInnen sorgten dafür, dass die Reden u.a. von Jürgen Rieger in einem gellenden Pfeifkonzert untergingen. Auch jetzt noch flogen vereinzelt Gegenstände (u.a. ein Haufen Klopapier). Trotz der vom Münchner KVR medienwirksam publizierten harten Auflagen für die Nazis bezüglich Rudolf Heß, konnten diese u.a. über eine halbe Stunde ein Transparent mit der Aufschrift „Mord verjährt nie!“ tragen und in ihren Reden des öfteren Bezug auf Rudolf Heß nehmen. Heftige Kritik dafür gab es sogar von Mitgliedern des Stadtrates, die zur Gegendemo gekommen waren. CSU-Stadtrat Marian Offman bedauerte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass die Polizei nicht früher gegen die Provokation der Rechtsradikalen einschritt. Offman, der auch Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde München ist, monierte, dass die Neonazis bei ihrer Demo ganz klar gegen die Auflagen der Stadt verstoßen hätten.
Im Laufe der Mahnwache fiel einigen AktivistInnen ein Typ mit schwarzen, gegelten Haaren und in rosa Polohemd auf, der ständig in die Reihen der GegendemonstrantInnen hineinfotographierte und auf Nachfrage sich mit schlechtem Englisch mit deutschem Akzent als englischer Tourist ausgegeben hat (Trottel!). Als er auf die Frage, ob sein Schnürsenkel offen sei, auf deutsch mit „Noch nicht!“ antwortete und kurz darauf merkte, dass seine ach so geschickte Tarnung aufgeflogen war, fing er plötzlich an, panisch die Sonnenstraße hinunterzurennen. Gefolgt von einer Horde Antifas und zwei Zivilpolizisten wurde er ca. 100m weiter gestellt. Leider verhinderten die Zivis einen angemessenen Umgang mit dem Typen und seiner Kamera. Stattdessen beschränkten diese sich darauf, halbherzig ein paar Bilder zu löschen.
Kurz vor halb zehn begannen die Nazis damit, die deutsche Nationalhymne mit allen drei (!) Strophen zu singen, woraufhin zwei USK'ler versuchten, Thomas „Steiner“ Wulff aus der Kundgebung zu ziehen. Als die Nazis dies zu verhindern versuchten, kamen (wohlgemerkt während das Deutschlandlied gesungen wurde!) von allen Seiten USK'ler in den Käfig, die sich dann unter dem hämischen Applaus der GegendemonstrantInnen eine kurze, aber zünftige Keilerei mit den Nazis lieferten. Am Ende konnten sie Wulff erwartungsgemäß doch aus der Kundgebung herausgreifen und zogen ihn durch die spuckenden GegendemonstrantInnen in einen Polizeiwagen.
Kurze Zeit später war für den Rest der Nazis auch Schluss, sie wurden unter massiven Polizeieinsatz an den Ostbahnhof gefahren. (Der Hauptbahnhof scheint aufgrund negativer Erfahrungen mit couragierten AntifaschistInnen in den vergangenen Jahren für Bullen und Nazis mittlerweile kein Option mehr zu sein...)

Fazit:

Der breite antifaschistische Protest gegen diese Mahnwache sowohl im Vorfeld als auch an dem Tag selbst hat es den Nazis sehr schwer gemacht, ihre NS-Propaganda zu verbreiten. Der enorme Druck im Vorfeld sorgte dafür, dass die Nazis zumindest nicht die Genugtuung eines legalen Heß-Gedenkens hatten, wofür ja Thomas „Steiner“ Wulff und Jürgen Rieger anscheinend eigens angereist waren. Am Tag selbst konnten die Nazis von angemeldeten vier Stunden lediglich eineinhalb Stunden unter geradezu lächerlicher Öffentlichkeitswirksamkeit einigermaßen regulär nutzen. Dies ist vor allem auch der erfreulichen Entschlossenheit der GegendemonstrantInnen zu verdanken. Wie immer in München fixierte sich die Polizei unter lächerlichen Vorwänden fast ausschließlich auf die GegendemonstrantInnen und ließ den Nazis jeden Auflagenverstoß durchgehen. So wurden 14 AntifaschistInnen festgenommen (Auf zur Roten Hilfe, Schwanthalerstraße 139 Rückgebäude, jeden Mittwoch 18.00 Uhr!) . Erst zum Schluss sorgte das USK mit dem gewaltsamen Abwürgen des Deutschlandliedes für einige Lacher auf unserer Seite. Alles in allem war diese ganze Geschichte ein großer Erfolg für die antifaschistische Mobilisierung in München, die fast ausschließlich von linksradikalen und autonomen Gruppen bewerkstelligt wurde.
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Ergänzungen

NPD-Kreischef verübte Reizgas-Attacke im JZ

Dorfener 22.08.2007 - 00:04
Dorfen - Den CS-Gas-Angriff vor dem Jugendzentrum Dorfen hat der NPD-Kreisvorsitzende Robert Dietrich verübt. Gegen ihn ermittelt nun der Staatsschutz.

Der Pressebericht der Polizeidirektion Erding sagte über die Hintergründe der Auseinandersetzung im Jugendzentrum am vergangenen Wochenende nicht viel aus. Von "unterschiedlichen politischen Anschauungen" war die Rede. Fakt ist jedoch, dass der Chef der NPD Erding/Freising, Robert Dietrich, nach dem Dorfener Volksfest auch dem JZ einen Besuch abstattete und dort zusammen mit einem Begleiter ein Bier trank.

Als ein JZ-Besucher aus Dorfen den NPD-Funktionär erkannte, sagte er ihm, dass Nazis Hausverbot hätten, und brachte ihn zur Hintertüre. Dort sprühte ihm Dietrich unvermittelt Tränengas ins Gesicht und rannte weg. Als der Dorfener sah, dass der NPDler in Richtung Polizeiinspektion lief, folgte er ihm. Auf der Wache erstatteten beide Anzeige. Der geschädigte Dorfener wegen der Gas-Attacke und Dietrich weil er unsanft aus dem JZ befördert worden sei.

Weil es sich bei Dietrich um einen polizeibekannten Rechtsradikalen handelt, übergaben die Dorfener Beamten die Ermittlungen dem Staatsschutz. Von dort sind nicht viele Infos zu bekommen. Pressesprecher Christoph Huber: "Dass ein Reizgas-Angriff Körperverlatzung ist, leuchtet jedem ein. Nun muss der Staatsanwalt beurteilen, was vorher vorgefallen ist." Ob die Dose CS-Gas frei verkäuflich ist, oder ob sie Dietrich widerrechtlich bei sich trug, konnte der Pressesprecher gestern nicht sagen. Fest steht aber, dass ein Verteidgungsspray nur im Notfall eingesetzt werden darf. "Ob sich der Mann auf Notwehr berufen kann, muss der Staatsanwalt prüfen", so Huber.

Notwehr kommt für Germaine Keogh, Mitglied des JZ-Vorstandes, nicht in Frage. "Es gab weder eine große Diskussion noch Streit in irgendeiner Form, die auf Eskalation hinweisen hätten können, denn es war ja auch genau der Plan der JZ-Verantwortlichen, besonnen zu handeln und dafür zu sorgen, dass den übrigen Besuchern nichts passiert", schreibt sie in einem Brief an die Redaktion. Dagegen, dass der Verein von seinem Hausrecht Gebrauch machte, ist nichts einzuwenden. "Rassisten, Faschisten, Nationalisten, wie man sie auch nennen mag, haben im JZ Dorfen Hausverbot. Dies wurde den beiden mitgeteilt, woraufhin sie völllig gewaltfrei hinausbegleitet wurden", betont Keogh.

Staatsschutz stoppt Nazi-Konzert

Beobachter 22.08.2007 - 00:54
Staatsschutz stoppt Nazi-Konzert


Erding/Forstern - Gedenkveranstaltungen zum 20. Todestag von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess waren im Landkreis nicht angemeldet. Dennoch kam es zu rechtsextremen Zwischenfällen.

In einer kleinen Wirtschaft in Forstern trafen sich am Samstagabend rund 100 Personen, die nach Auffassung des Staatsschutzes der Kripo Erding ,,eindeutig der rechten Szene zuzuordnen sind". Nach den Worten von Kommissar Max Ganser habe man am Freitag über das Landesamt für Verfassungsschutz von dem Termin erfahren ­ und habe prompt reagiert. ,,Wir haben strenge und dichte An- und Abfahrtskontrollen aufgebaut", so Ganser vom Kommissariat Staatsschutz im Gespräch mit unserer Zeitung.

Allerdings habe man nichts gegen die Veranstaltung unternehmen können. ,,Es war eine private Party, und wir haben keine Gesetzesverstöße feststellen können", so Ganser, der mit einem massiven Polizeiaufgebot in Forstern war. Diese Kulisse sorgte immerhin dafür, dass das Konzert mit zwei Neonazi-Bands nicht zustande kam. ,,Nach unserem Wissen wurden nur CDs abgespielt", berichtet Ganser. Der Wirt des Bistros habe nicht gewusst, um welche Gesellschaft es sich handelt. ,,Er hat bei uns ausgesagt, dass das Lokal für eine private Feier reserviert worden sei." Einer der Gäste sei der Münchner NPD-Chef Norman Bordin gewesen, der immer wieder bei Treffen Rechtsradikaler im Landkreis gesichtet wird.

Zu Straftaten ist es in Erding gekommen. In der Nacht auf Samstag wurden an mindestens zwei Stellen Rudolf-Hess-Parolen an Wände geschmiert, darunter an der Mädchenrealschule Heilig Blut sowie am früheren Asien-Restaurant ,,Yasmin-Garden" an der Haager Straße. Ganser berichtet, eine Überwachungskamera habe zwei Täter gefilmt. ,,Wir ermitteln in diese Richtung", so der Beamte. Wer solche Parolen verbreite, müssen sich wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung verantworten. Da die Ermittler weitere Täter nicht ausschließen, werden Zeugen gebeten, sich bei der Polizeidirektion Erding unter Tel. (xxx) xxx zu melden.

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Fragen dazu — babsi