Recherche: NPD in Pankow (Berlin)

Antifa Pankow - EAG 20.08.2007 13:54 Themen: Antifa
Der Kreisverband 8 der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ist der am kontinuierlichsten arbeitende Verband in Berlin. Ein Blick auf sein Struktur und seine Aktionen.
(Erstveröffentlichung)
Vor ca 7 Jahren zogen zwei Neonazis aus Frankfurt/Oder nach Berlin und begannen damit, im Bezirk Pankow einen NPD-Kreisverband aufzubauen. Ihre Namen: Jörg H. und André W. Ihnen gelang es, über die Jahre hinweg einen der aktivsten und kontinuierlich arbeitenden Kreisverbände in Berlin zu schaffen. Jörg Hähnel, der mit seinen Funktionen als Bezirksverordneter in Berlin-Lichtenberg, als Berater der Schweriner Landtagsfraktion und als Szene-Liedermacher ausgelastet ist, nimmt inzwischen nur noch selten an Aktionen in Pankow teil.
André W. ist nach einer längeren Haftstrafe mit seiner Lebensgefährtin und den Kindern zurück nach Frankfurt/Oder gezogen. Dass der Verband nicht wie bei der NPD üblich nach dem Rückzug der beiden Führungsfunktionäre in sich zusammenbricht, ist ein „Verdienst“ H.'s, der es schaffte, den Nachwuchs aus verschiedenen Szenen zu integrieren und zu schulen.
Hierzu wurden sowohl lokale jugendliche Neonazis in Aktivitäten und Strukturen integriert, als auch Kader aus anderen rechtsextremen Organisationen einbezogen. Sowohl Aktivist_Innen der „Heimattreuen deutschen Jugend (HdJ)“, „Gemeinschaft Deutscher Frauen (GdF)“ und der „Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ fanden eine politische Heimat innerhalb des Pankower Verbandes.

DER NEUE VORSTAND

Daniel Steinbrecher (Foto 2) ist der neue Vorsitzende in Pankow und kein Unbekannter. Seit Jahren ist er an der Seite H. aktiv. Von ihm hat er die nötigen Kenntnisse zur Führung des Verbandes erlernt.
Er fehlt auf keinem Neonaziaufmarsch in Berlin, keine politische Aktion in Pankow findet ohne ihn statt. Sein Wohnsitz in Heinersdorf ist wahrscheinlich nicht unmaßgeblich für die politische Stoßrichtung des Pankower Verbandes (Bild 9&10). „Nein zur Moschee in Heinersdorf“ ist inzwischen der meistgeklebte NPD-Aufkleber im Bezirk. Auf einer Demonstration der IPAHB (die Bürgerinitiative, die die rassistischen Proteste gegen die Moschee organisiert) im letzten Jahr wurde er festgenommen, weil er ein Transparent mit rassistischem Inhalt trug.
Sein Stellvertreter ist der Neonazi Ilja Gräser. Ihnen zur Seite steht eine Mischung aus erfahrenen und jungen Neonazis. Die beiden Frauen im Vorstand stehen dabei für die politische Erfahrung. Martina Jablonski (Bild 4) ist seit Jahren im Pankower Verband aktiv. Sie übernimmt die Aufgaben, für die sich der jugendliche Nachwuchs nur schwer begeistern lässt: Wahlplakate hängen, Standbetreuung. In NPD-Blättern verfasst sie Artikel.
Michaela Zanker (Bild 5) ist eine Führungsfigur der „Gemeinschaft Deutscher Frauen (GdF)“ und Witwe des 2002 verstorbenen Neonazi-Kaders Alexander Scholz. Die Zahnarzthelferin stellt die Verbindung zu bundesweiten Neonaziorganisationen und zur Berliner Rechtsrockszene dar. Erst kürzlich wurde ihre Beziehung zu einem Berliner Polizisten bekannt, der in die Vertriebsstrukturen der Rechtsrockband „Deutsch Stolz Treue“ eingebunden war. Beide Frauen kandidierten zusammen mit H. bei der letzten Bezirkswahl für die Lichtenberger Bezirksversammlung und scheiterten mit ihrem Einzug.
Die drei Männer, die den Vorstand ergänzen stellen den aktionsorientierten Teil des Vorstands dar. Der Prenzlauer Berger Kristian Lindner (Bild 6) wurde bis jetzt lediglich im Zusammenhang mit der Kameradschaft „Nationale Aktivisten Prenzlauer Berg (NAPB)“ auffällig. Er fotografiert am Rande von Naziaufmärschen politische Gegner_innen und schrieb Berichte für die Webpräsenz der NAPB. Am ersten Mai 2004 versuchte er mit einem Kameraden namens Gabriel Landgraf (inzwischen aus der Naziszene ausgeschieden) Gegendemonstranten anzugreifen. In letzter Zeit hat er scheinbar seine politische Heimat in der NPD gefunden. Der aus Buchholz stammende Neonazi Diego Pfeifer (Bild 3) fällt vor allem durch seine Bereitschaft zu gewalttätigen Aktionen auf. Während der Pankower Schulprojekttage bedrohte er zusammen mit Andy Fischer (Bild 7) Schüler_innen und verfolgte sie mit einem Auto. Der letzte Neonazi im Vorstand ist eine weitere politische Kuriosität. Der Weissenseer Sandor Makai war zu Beginn seiner politischen Karriere im Umfeld des durchgeknallten „nationalen Anarchisten“ Peter Töpfer unterwegs. In diesem Zusammenhang trug er Transparente, die eine „nationale Antifa“ forderten und lernte während eines „Querfront-Kongresses“ den „Kannibalen von Rothenburg“ Armin Meiwes kennen. Makai fand ungefähr zu der Zeit, als H. in Berlin aktiv wurde den Weg in den Pankower Verband.

DIE AKTIVITÄTEN

Neben einem monatlichen Vorstandstreffen nutzt die Pankower NPD regelmäßig die Naziabsteige „Spasseck“ als abendlichen Treffpunkt. Dort sammelt sich das Publikum, welches das Rekrutierungspotential der NPD darstellt. Politisch ungeschulte, dafür aber ak-tionsorientierte und gewaltbereite Neonazis wie Andy Fischer, Martin Stelter, Alexander Kaminski, Willy Seidler und Patrick Kukolies (Bild 7 & 8). Diese sind vor allem für spontane Aktivitäten, wie Plakatier- und Aufkleberaktionen und Konfrontationen mit Linken zu haben. Wenn der Kontext zu parteifern ist, wie z.B. Demonstrationen von Kameradschaften, wird auf das Label „Vereinte Nationalisten Nordost (VNNO)“ zurückgegriffen. Diese Denkungsgleichheit von NPD und Kameradschaft, die in Pankow schon seit Jahren Realität ist, wird inzwischen berlinweit in der NPD umgesetzt, um so den kriminalisierten Kameradschaftsaktivist_innen einen legalen Organisationsrahmen zu geben. Dass Gewalt ein integrales Element der Pankower Struktur ist, zeigen nicht nur die erheblichen Vorstrafen einiger ihrer Mitglieder, sondern auch das betont agressive Auftreten bei jeder Gelegenheit.
Während eines Dorffestes in Blankenfelde griffen die Begleiter H., die NPD-Aktivisten Diego Pfeifer, Willy Seidler (Bild 10) und Kristian Lindner Feiernde an, darunter Rentner_innen und Eltern mit ihren Kindern. Im Umfeld der als Treffpunkt genutzten Kneipe „Spasseck“ bedrohen NPDler regelmäßig Migrant_innen und alternative Jugendliche. Der aktionistische Part der Parteiarbeit ist eindeutig der Schwerpunkt der Verbandsaktivitäten. Darüber hinaus werden allerdings regelmäßig Flugblattsteckaktionen, Aufkleberrouten und auch Schulungsabende organisiert. Der Kreis der Aktiven, die daran teilnehmen ist jedoch meist auf den Vorstand und einzelne weitere Neonazis begrenzt.

AKTUELLES UND ZUKUNFT

In den letzten Monaten hatte der NPD-Verband finanzielle und organisatorische Engpässe. Viele der Pankower Kamerad_innen hatten keine Lust, den engen Terminkalender mit teilweise als zu parteilastig empfundenen Aktionen mitzutragen, und dafür auch noch Beiträge zu bezahlen. Deutlich zeigt sich das an den teilweise stark schwankenden Beteiligungen an verschiedenen Veranstaltungen. Während zu Auswärtsfahrten (z.b. nach Rostock) ein großer Teil der Aktivisten zu mobilisieren ist, waren bei den letzten Infoständen stets nicht mehr als 6-8 Neonazis vor Ort. So musste Daniel Steinbrecher meist sein Transparent selber halten. Neonazis wie Andy Fischer und Kristian Lindner waren eher für den Schutz im Umfeld zu begeistern.
Ein Schwerpunkt der NPD bleibt weiterhin die Mobilisierung gegen die Heinersdorfer Moschee. Neben eigenen, eher unbedeutenden, Aktionen wie morgendlichen Mahnwachen oder Aufkleberaktionen ist die Teilnahme an den Demonstrationen der IPAHB ein Pflichttermin für Pankower Neonazis. Nachdem die IPAHB fortschreitend ein Mobilisierungsproblem entwickelt, wird der Anteil von organisierten und unorganisierten Neonazis an den Protesten stets höher. Heinersdorf hat sich zu einem Glücksfall für den Verband entwickelt, da die NPD besonders unter Jugendlichen als einzige konsequente Anti-Moschee-Partei verstanden wird. So war auf der letzten IPAHB-Demonstration von den anwesenden 600 Menschen jeder vierte klar als Neonazi zu erkennen. Aus der Demonstration heraus gab es mehrere massive Angriffe von Neonazis auf umstehende Gegendemonstrant_innen. Die Aktionen, die die NPD gegen den Rückbau des Volkssturmdenkmals in Blankenfelde unternahm, liefen völlig ins Leere. Ein Problem, das bleibt, ist die mangelnde öffentliche Präsenz. Weder auf der Straße noch im Internet ist die Pankower NPD wahrnehmbar. Neben dem Versuch, einen Dominanzraum in Niederschönhausen zu schaffen und der offensiven Teilnahme an den Heinersdorf-Protesten sind keine eigenständigen Schwerpunkte zu erkennen. Und so stellen sich wahrscheinlich auch Steinbrecher und seine Kamerad_innen früher oder später die Frage, ob sich der Verband nicht zwischem aktionistischem Anspruch (mit der dazugehörigen Gegenwehr der Antifa und der Repression des Staates) und lästigen Parteiaktivitäten zerreibt.

Antifa Pankow - Emanzipative & Antifaschistische Gruppe //
August 2007

Vorveröffentlichung der in kürze erscheinenden dritte Ausgabe des Antifa-Jugendinfos "Rosen auf den Weg gesteut". Die vorigen Ausgaben, sowie Hintergrundinfos zu Pankow gibt es auf  http://www.antifa-pankow.tk
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