Keine organisierte rechte Szene in Potsdam?

autonome antifaschistische linke potsdam 18.08.2007 16:12 Themen: Antifa
Am 25.07.07 war in Potsdams Zeitungen zu lesen, das nach Erkenntnissen des Bürgermeisters Jann Jakobs keine organisierte rechte Szene mehr in Potsdam festzustellen sei. Er stützt sich dabei auf den Rechenschaftsbericht des Potsdamer Beirats zur Umsetzung des Lokalen Aktionsplanes für Toleranz und Demokratie. Dieser beobachtet seit 2005 die rechte Szene in Potsdam näher und setzt sich aus den verschiedensten gesellschaftlichen Kräften zusammen. Es arbeiten dort Mitglieder des Ausländerbeirates, der Polizei, der Kirchen, der Gewerkschaften, der Stadtverwaltung, der Vereine und Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung Hand in Hand. Sie fordern unter anderem eine generelle Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus.
Uns hingegen liegen Erkenntnisse vor, denen zu Folge sich in Potsdam auch durchaus nach den Verurteilungen führender Neonazis eine rechte Szene gebildet hat, welche ihrem Auftreten gemäß als organisiert gelten darf. Der Verfassungsschutz hingegen berichtet, es gäbe keine rechtsextremen Parteistrukturen und keine rechten Kameradschaften. Vielmehr sei von einer unorganisierten Szene zu sprechen. Tatsächlich wird aber von jenen „unorganisierten Kräften“ eine Annährung an Kreise der NPD gesucht, indem beispielsweise deren Wahlkampfveranstaltungen unterstützt werden oder als Ordner auf deren Demonstrationen aufgetreten wird. Gemeinsam werden bundesweit zahlreiche Demonstrationen besucht und unter den Labeln „Alternative Jugend Potsdam“ und „Freie Kräfte Potsdam“ werden dort Transparente gezeigt. Auch zu so genannten Spontandemonstrationen gelingt es innerhalb der rechten Szene Potsdams binnen kürzester Zeit größere Menschengruppen zu mobilisieren. So zogen beispielsweise am 15.02.2007 ca. 25-30 schwarz gekleidete Personen teils mit Fackeln und Transparent durch die Brandenburger Einkaufsstraße. (MAZ berichtete: „Rechte bei illegaler Demonstration - 120 Polizisten beenden auch Gegenaktion“).Einen ähnlichen Vorfall gab es noch am 2. Juni. An diesem Tag zogen etwa 50 Rechtsextremisten spontan und nahezu unbehelligt durch die Potsdamer Innenstadt, um für „freie Meinungsäußerung“ zu demonstrieren. Auch hier wurde die Demonstration erst durch die Polizei beendet.

Durch welche Aktionen fällt die „unorganisierte“ Rechte Szene in Potsdam außerdem auf?

Massenhafte Propaganda. Die so genannte „Bewegung Neues Deutschland" verteilte erst am 29.7. wieder ihre Handzettel in der Waldstadt. Sie kann als Nachfolgevereinigung der Organisationen „Schutzbund Deutschland“ und „Bewegung Neue Ordnung“ angesehen werden. Diese wurde am 04.07.2006 aufgrund von „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ und seiner „gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung“ gerichteten Zweck und Tätigkeit verboten.
Im gesamten Stadtbild von Potsdam sind zahllose zum Teil selbstgedruckte Aufkleber rechtsextremistischen Inhalts zu finden. In unregelmäßigen Abständen kommt es zu Plakatieraktionen von Seiten der „Freien Kräfte Potsdam“. Schwerpunktmäßig sind auch Schmierereien (Graffiti u.ä.) mit nationalsozialistischem und gewaltverherrlichendem Inhalt keine Seltenheit. Besonders Tage wie beispielsweise der aktuell näher rückende Todestag von Rudolf Hess, Stellvertreter Hitlers und seines Zeichens "Friedensmätyrer" der Rechten, sind immer wieder willkommene Anlässe für vermehrtes Auftreten von Nazi-Propaganda. Meist ist es nur antifaschistisch engagierten Menschen zu verdanken, dass diese zeitnah aus dem Stadtbild verschwindet.

Dies alles ist jedoch relativ harmlos im Vergleich zu weit bedrohlicheren Aktionen. Anfang August schaffte es die so „unorganisierte“ Rechte einen antifaschistisch gesinnten Jugendlichen aus nördlichen Teilen Potsdams zu Hause zu besuchen – teils vermummt und mit diversen Schlagwerkzeugen bewaffnet. Das schnelle Reagieren seinerseits verhinderte Schlimmeres. Vorangegangen waren Einschüchterungsversuche durch Anpöbeln und Bedrohen an Bushaltestellen sowie mittels Aufklebern an der Haustür, mit Aufschriften wie „Hier wohnt ein Antifaschist“, um auch andere Kameraden auf den „politischen Feind“ aufmerksam zu machen.
Zwei Abende später schafften es die rechten Jugendlichen auf eine Gruppenstärke von weit über 20 Leuten, die „unorganisiert“ zum Haus des Betroffenen zogen. Dieser hatte jedoch Besuch von Freund_innen, was die Rechten die Polizei rufen ließ. Diese hatte nichts besseres zu tun, als für die Angreifer Partei zu ergreifen und eine Gefährdenansprache an die eigentlich Bedrohten zu richten. Später wurde bekannt, dass gegen den Betroffenen Anzeigen wegen „Schwerer Körperverletzung“, „Ruhestörung“ und „Verwendung unerlaubter Waffen“ aufgenommen wurden, während die Faschisten ihrerseits nicht mit Folgen rechnen mussten. Die Absurdität eines solchen Verhaltens seitens der Polizei ist für uns nicht nachvollziehbar.
Vielerlei wird hier deutlich: Die rechte Szene schafft es auch trotz gegenteiliger Behauptungen große Kreise für ihre Ansinnen zu mobilisieren. Vom Betroffenen selbst konnten innerhalb der Gruppe Rechte identifiziert werden, die bereits auf NPD-Demonstrationen mit Transparenten der „Freien Kräfte Potsdam“ flanierten und eine recht eindeutige politische Vergangenheit innerhalb der Rechten Potsdams innehaben. All dies spricht für einen Organisiertheitsgrad, der auch von jenem Beirat eigentlich nicht totgeschwiegen werden sollte.

Wir bilanzieren, dass es der Rechten Szene Potsdams gelungen ist, sich nach dem relativ starken Schock - ausgelöst durch die Verurteilung führender Integrationsfiguren im Sommer 2005 - neu aufzustellen.

Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Potsdamer Bevölkerung nicht durch den irrtümlichen Eindruck des Beirates beirren lässt und weiterhin aktiv gegen Faschismus vorgeht. Leichtfertige Rückschlüsse auf das Fehlen einer organisierten rechten Szene nur weil über einen Jahreszeitraum keine unmittelbaren Erkenntnisse über eine Organisierung gewonnen wurden sind nicht zulässig.

[a]alp - autonome antifaschistische linke potsdam

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Ergänzungen

Naziladen im Stadtzentrum

Gelegentlich da 18.08.2007 - 19:34
Was ist eigentlich mit diesem Nazi-Laden in der Brandenbruger Straße, der überall in der Straße seine Aufsteller hat? Der wirbt ja nicht nur mit Thor Steinar sondern auch mit diversen Logos die dem Eisernen Kreuz nachempfunden sind. Gabs da schon mal Proteste?

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