Basken unterstützen Bure/F gegen Atommüll

Markus Pflüger 16.08.2007 19:10 Themen: Atom Freiräume
"Grenzenloser Widerstand" titelte die Regionalzeitung, die ebenso wie das Regional­fernsehen France 3 ( http://88.198.67.163:85/mixed/visita_en_francia.wmv) einen Beitrag als erste Meldung in den Nachrichten über den ungewöhnlichen Besuch in Bure brachten. Die Reisegruppe aus 40 meist jungen Leute aus allen Teilen des Baskenlands unternahmen eine politisch- kulturelle Reise. Zuvor traten sie mehrfach beim Barden­treffen in Nürnberg auf und brachten auch die ortsansässigen Linksradikalen nach der Volks­küche bei einem rauschenden Fest zum tanzen. Sie besuchten das dortige NS-Dokumentations­zentrum und später u.a. die Gedenkstätte KZ Struthof im Elsass ( http://de.wikipedia.org/wiki/Struthof). Um Anti-Akw Aktivitäten zu unterstützen und Erfahrungen auszutauschen fragten sie auch im Widerstandshaus Bure Zone Libre ( http://burezonelibre.free.fr) nach, um in Lothringen die letzten 2 Tage ihrer Reise Station zu machen.
Die TeilnehmerInnen der Reisgruppe sind auch sonst politisch engagiert - beispielsweise gegen eine Schnell­zugtrasse von Madrid nach Paris, die massiv die Täler zerstören soll oder gegen Autobahn-Neubauten und Gentechnik oder auch für die Freiheit politischer Gefangenen und das Selbstbestimmungsrecht der Basken. Und unbekannt ist ihnen der Widerstand gegen Atomanlagen auch nicht. Mit massivem Widerstand haben die Basken einst den Bau des AKW in Lemoiz stark behindert. Das AKW konnte trotz massiver Demonstrationen, Bombenanschlägen im Baugelände und Entführungen von Leitungs­angestellten zwar fertig gebaut werden, ging aber wegen des Widerstands nie ans Netz. Derzeit richtet sich das Hauptaugenmerk der dortigen Anti-Atom-Bewegung auf die Schließung des Schrottmeilers Garoña, nur wenige Kilometer von der baskischen Grenze entfernt in Kastillien. Erst am Sonntag wurde erneut dafür demonstriert, dass die Sozialisten ihrem Versprechen nach einem AKW-Ausstieg (bis 2009) einlöst und den Reaktor der 1971 noch unter der Franco-Diktatur ans Netz ging sofort abzuschalten (www.diariodeleon.es/se_castillayleon/noticia.jsp?CAT=247&TEXTO=6055253).

Das unlösbare Atommüllproblem
Die ungeklärte Frage des verbliebenen Atommülls verbindet alle AtomktraftgegnerInnen meinte Ralf Streck, ein im französischen Baskenland lebender Journalist, der als schon mehrfach über den Widerstand in Bure für deutschsprachige und baskische Medien berichtet hat und als Musiker an der Reise teilnahm: "Hier in Bure soll eine Scheinlösung für den Atommüll gefunden werden - wenn das Endlager in Betrieb geht, könnte das ein europäisches Endlager werden und auch aus anderen Länder den jahrtausende strahlenden Müll aufnehmen." Schließlich hat kein Land bisher eine Lösung für den Hunderttausende Jahre strahlenden Müll.
Zunächst müsse die Produktion von weiterem Atommüll gestoppt werden, deshalb gehören alle Atomanlagen abgeschaltet, fordern auch die Vereinsmitgliedern von Bure Zone Libre. Das Widerstandshaus wird von einem französisch-deutschen Verein getragen und von den regionalen Antiatom-Initiativen unterstützt- zwei Atom­kraft­gegner wohnen aktuell dort. Neben der weiterhin notwendigen Totalrenovierungen, beherbergen sie Treffen, Aktions­trainings und Besuche wie den der Basken und beobachten das Endlager und aktuell die neuen Probebohrungen um das Endlagergelände herum. Das ehemalige Bauernhaus bietet Raum für Treffen und Austausch der Widerstandsgruppen der Region -- aber auch überregional -- so war auch Unterstützung von der Stop Bure Gruppe Trier und der BI Lüchow-Danennberg in Bure erschienen, Kerstin Rudek vom Vorstand der Bürgerinitiative zeigte Solidarität, denn Bure sei wie Gorleben als Endlager ungeeignet, der Salzstock hat Grund­wasserkontakt: „Die Endlager Asse und Morsleben sind schon abgesoffen, Gorleben und alle Atomanlagen gehörten stillgelegt" dazu verteilte sie Einladungen zur bundesweiten Endlagerdemo am 1.9. im Wendland.  http://www.castor.de/aktionen/2007/1sept/flugblatt.html

Basken feiern in Bure
Höhepunkt des Besuchs der Basken in Bure war der Auftritt der Musik, Tanz und Theater­gruppen auf dem "zentralen" Platz in Bure -- etwa ein Drittel der rund 100 Einwohner des verschlafenen Nests waren erschienen und staunten: Die Gruppe Orritz aus Irurtzun in Navarra - marschierten mit großen Glocken behängt und mit spitzen Hüten und Schaf-Fellen geziert durch das Dorf und lockten mit ihrem ungewöhnlichem Klang und Rhythmus die Menschen auf die Strasse. "Die Glocken wecken normalerweise im Frühjahr die Erde auf und vertreiben böse Geister", erklärte einer der Zampanzaris. Beides sei hier wichtig, die Bauern wünschten sie eine gute Ernte und böse Geister seien ausreichend zu vertreiben, sagte er mit Blick auf die staatliche Betreiber­gesellschaft des Atommüllprojekts ANDRA.
Aus Irun in der Provinz Gipuzkoa trommelte die Gruppe "Tu Ku Tun" auf uralten baskischen Rhythmus­instrumenten moderne und traditionelle Musik. Die Instrumente stammen aus dem Arbeitsprozess, so die Kirikoketa (Holzstampfer), die noch immer für die Produktion von Apfelwein genutzt werden. Die Klänge der Kirikoketa oder der Txalaparta kombinierten sie auch mit der Musik der Gruppe Jorratzen aus Bergara im Hochland von Gipuzkoa. Zu deren Trikitixa-Musik, gespielt auf einem einfaches Akkordeon, zu der getanzt wird, zieht man bei Festen im "Triki-Poteo" von Kneipe zu Kneipe und sie werden dabei von "Panderetas" (Tamburins) begleitet. Es ist eine freiheitliche Musik, deren Ursprung in der Rebellion gegen den katholischen Fundamentalismus liegt. Die Triki setzt auf Freiheit, Tanz, populäres Vergnügen, gegen die soziale und religiöse Zensur der Kirchenhierarchie.
Für besondere Aufregung unter den Kindern im Dorf sorgte schließlich die Gruppe Kukuma, die ebenfalls aus Irurtzun in Navarra stammt. Sie beleben mit Figuren aus der baskischen Mythologie die Feste. Auch die brutale spanische Inquisition hat es nicht geschafft, den Basken den positiven Bezug auf Hexen, Kobolde etc. auszutreiben. Kein Berg, auf dem nicht die "Symbolfigur" die "Mari" lebt und gutes tut. Zu ihren Figuren gehört auch der Wolf, der die Kinder neckte oder durchs Dorf trieb: "Der große böse Wolf der Geschichte ist die Atomkraft" interpretierte die Zeitung Republicain Est in ihrem Bericht dessen Auftreten. Eindruck machte auch ein gewaltiger Wilder, der Basajaun, mit Fell bekleidet, bärtig und wilder Mähne suchte er in Bure nach den Verantwortlichen für den Atomwahn, um ihnen die nötige gehörige Tracht Prügel zu verabreichen.
Aus dem verschlafenen Dörfchen wurde mit traditionelle Tänze, Musik und Theater plötzlich ein belebter Festplatz, auch wenn in diesem Jahr kein Widerstandsfestival stattfindet. "Wir sind hierher gekommen um Euch zu unterstützen, euch Kraft zu geben für den weiteren Kampf und um gemeinsam zu feiern". Das geschah dann im Widerstandshaus bis spät in die Nacht. Die Nachbarn scheint es nicht gestört zu haben, Klagen gab es nicht.
Die Stop Bure Initativen planen dieses Jahr am Sonntag den 26.8. einen Protestmarsch gegen das Endlager­projekt und die Probebohrungen in der sogenannten „Zone der Transposition“ um Bure, unter der Atommüll eingelagert werden könnte. Nach einem Austausch mit den deutsch-französischen Atomkraftgegnern fand am nächsten Tag ein Besuch des Endlagerprojektes statt, um sich auch vor Ort neben Informationen der Atom­kraftgegner auch die Anlage anzuschauen und die Positionen der Atomindustrie kernnenzulernen.

Kein Zutritt für Basken?
Erstaunt musste die Gruppe feststellen, dass Basken offenbar in französischen Endlagerstandorten uner­wünscht sind. Als die Gruppe sich zur öffentlichen Besuchszeit dem so genannten Labor näherte, liefen wenig freundlich von allen Ecken Sicherheitsbeamte herbei und verschlossen alle Tore mit dicken Stahl­ketten. Dabei hatte sich die Gruppe nur an die Angebote auf den Webseiten gehalten und wollte an einer begleiteten Führung ab 15 Uhr teilnehmen. "Wir haben Anweisung erhalten, bis auf weitere Order die Tore zu verschließen", erklärte einer vom Security-Dienst. Anrufe auf allen Ebenen und nach Verhandlungen durfte die Gruppe schließlich eintreten, wenn sie "calme" (ruhig) blieben. Dabei waren nur die Betreiber der ANDRA nervös. Schließlich wurde auch das Problem mit einigen fehlenden Ausweisen gelöst, so dass sich doch alle Teilnehmer informieren konnten.
Für die ANDRA-Begleiterin erwies sich die Führung allerdings als ein Super-Gau. Gewohnt, uninformierte Gruppen zu führen, sprudelten etliche Zahlen und Details aus ihr heraus, mit denen sie die Besucher von der Sicherheit der Atomanlage überzeugen wolle. Doch gezielte Nachfragen brachten sie schnell zum kochen. Auf die Frage, wie sie denn 2005 schon eine Empfehlung für den Endlagerstandort abgeben konnte, wo die Bohrungen doch gerade erst in der Ton-Schicht in 500 Meter angekommen war, musste sie passen und brach fast die Führung ab. Tödliche Blicke warf sie dann den FragerInnen zu als sie, nach Verweis auf den internationalen wissenschaftlichen Austausch, nach dem abgesoffenen, einst als sicher verkauften deutschen Endlager für mittel- und leichtradioaktive Asse in Deutschland gefragt wurde. Interessant war noch die Tatsache, dass in der Tonschicht unter Bure insgesamt mindestens 8 Prozent Wasser eingelagert sind. Das bewege sich nicht, hieß es. Was passiert, wenn man bohrt und sprengt, Risse auftauchen usw. solche Überlegungen kommen bei der ANDRA offenbar nicht in Betracht, die auch gegen die eigenen Gesetze verstoßen hat, wonach verschiedene Standorte und Lagermedien untersucht werden sollten. Doch das Müllproblem drängt. Für die neue Reaktorlinie (EPR) muss dringend das Endlagerproblem "gelöst" werden, um der Bevölkerung den Atomwahn wieder schmackhaft machen zu können. Überzeugt davon, dass nicht wissenschaftliche Erkenntnisse sondern Notwendigkeiten zur Auswahl des Standortes geführt haben, drückten die Basken ihren Protest mit einer Privatdemo vom Labor ins Dorf aus.
26.08.2007 "TRANS'MUTANCE", einen Protestmarsch nach Bure- gegen das geplante Atommüll-Endlager, abends Fest. zwei 15 oder 10 km lange Wanderungen für die breite Öffentlichkeit, lassen die noch nette, atomfreie Ecke des Départements Meuse entdecken, die es zu bewahren gilt. Start der 15 km-Wanderung: Sonntag, 26. August 2007, 10.30 Uhr, Couverpuis, Marktplatz, mit Picknick in Biencourt-sur-Orge am Mittag. Infos unter:  http://www.burestop.org 22.-25.08.2007 sollen gewaltfreie Aktionen rund um Bure stattfinden
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Ergänzungen

Wenn wir schon dabei sind

Ralf 16.08.2007 - 20:22
Hier noch ein aktueller Text zu den Entwicklungen in Navarra, wo der Großteil der Basken herkamen, die ja gar keine Basken sein dürfen und schon gar nicht baskisch sprechen können. Den Städten und Dörfern in Navarra, welche die baskische Fahne offiziell aufhängen, werden zum Beispiel die Zuschüsse der Regionalregierung gestrichen.

Spanische Sozialisten schenken der Rechten die Macht in Navarra

Krise bei den Sozialisten nach dem die Sektion in Navarra von Madrid gezwungen wurde, eine rechte Minderheitsregierung zu dulden.

Spanien befindet sich im Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Frühjahr, deshalb haben die Sozialisten (PSOE) eine interne Krise provoziert. Sie brachen in Navarra ihr Versprechen, die ultrarechte "Partei des Volks von Navarra (UPN)", lokale Schwester der Volkspartei (PP), die Macht zu nehmen. Heute übernahm Miguel Sanz erneut die Präsidentschaft. Damit wurde eine von zwei Provinzen im spanischen Staat, in denen ein Machtwechsel nach den Wahlen im Mai möglich war, der Rechten freiwillig übergeben. Auf den Balearen hat die PSOE dagegen eine instabile Fraktion mit sechs Parteien gebildet, um der PP die Macht zu nehmen. Die hatte dort eine absolute Mehrheit nur knapp verfehlt.

Für den Madrider Kurs mussten die Sozialisten in Navarra (PSN) unter die Knute gezwungen werden. Mit Ausschlussdrohungen gelang es dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero sich durchzusetzen. Die PSN hatte sich mit moderaten baskischen Nationalisten von "Nafarroa Bai" (Ja zu Navarra) zuvor auf eine Koalition geeinigt. Die Wahlplattform war als zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen und wollte der PSN als drittstärkster Kraft sogar die Präsidentschaft lassen, um die UPN nach 11 Jahren wieder in die Opposition zu schicken. Der Stil des Politikhooligans Sanz sollte damit ein Ende gesetzt werden. Doch Zapatero fürchtete, diese Koalition werde ihm in Spanien zu viele Stimmen kosten.

Ob das stimmt, ist unklar. Klar ist, dass ihm der Bruch des Wahlversprechens n Navarra und in der Linken viele Stimmen kosten wird. In der PSN wird über eine Spaltung diskutiert. Die gesamte Führung der Sozialistischen Jugend Navarras (JSN) trat aus Protest geschlossen zurück. Gewerkschaftler der PSOE-nahen UGT verbrennen öffentlich ihre Mitgliedsausweise. Zapatero hat allen gezeigt, wie es um die Autonomie der PSN steht, die eigentlich in deren Statuten verankert ist. Eingeknickt war er schon zuvor in Katalonien. Das neue Autonomiestatut, dass dort von 90 Prozent getragen wurde, ließ er beim Gang durch die Madrider Instanzen auf Druck der Rechten heftig verstümmeln.

"Bamby", wie Zapatero genannt wird, hat erneut gezeigt, dass er vor den absurden Attacken und Lügen der Politrowdys der PP und UPN nicht gewachsen ist. Die behaupteten, die PSNE wolle quasi mit der Untergrundorganisation ETA Navarra regieren. Dabei steht die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) hinter Na-Bai, mit der die PP bis zur ihrer Abwahl 2004 in Madrid auch immer wieder koalierte.

Die Provinz Navarra hat für eine friedliche Lösung des "Baskischen Konflikts" eine zentrale Bedeutung, der Zapatero so erneut eine deutliche Absage erteilt hat. Seit dem Ende der Franco-Diktatur wartet deren Bevölkerung auf ein Referendum über den Anschluss an die drei Autonomen Baskischen Provinzen. UPN und PP versuchen weiter den Vorbehalt aus der Verfassung zu streichen, der den Anschluss ermöglicht. Das "Vascuence", wie sie die baskische Sprache "Euskara" abfällig nennen, wird weiter marginalisiert. In der Schule wird Spanisch, Französisch und Englisch gelehrt und in der Verwaltung ist die Muttersprache von Navarra dem Polnisch und anderen EU-Sprachen gleichgestellt.

Im Baskenland kommt es insgesamt zu einer Zuspitzung. Zwar hat die ETA, nach dem Ende ihrer Waffenruhe im Juni bisher nur winzige Anschläge verübt, um die Tür zu einem Dialog offen zu lassen, doch das dürfte sich nun ändern. Das zeigen auch stärker werdenden Angriffe von militanten Jugendlichen auf öffentliche Einrichtungen und Banken.

© Ralf Streck, 16.08.2007

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