GDL,Streiks: Die Justiz als Tarifpartei?

Wolfgang Däubler 08.08.2007 16:10 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Soeben hat das Arbeitsgericht Nürnberg die geplanten Streik der Lokführer im Güter- und Personenverkehr mit der Begründung verboten, dass der deutschen Volkswirtschaft durch den Streik der in der GDL organisierten Lokführer in der Hauptreisezeit schwerer Schaden zugefügt würde.
Obwohl das nur eine erstinstanziche Entscheidung ist und da sicherlich noch eine Beufsentscheidung am Landesarbeitsgericht gesprochen werden wird und möglicherweise später auch ein Bundesgericht zu dem unglaublichen Vorgang noch etwas sagen wird, fällt damit der für morgen geplante Streik im Güterverkehr woll offiziell aus. Was bedeutet das für die Tarifautonomie, wenn diese von völlig unabhängigen Richtern gesprochene weise Entscheidung Bestand haben sollte?
Dass Streiks zu Produktionsausfällen führen, war früher, als das Streikrecht von mutigen Gewerkschaftern erkämpft wurde, bestimmt noch nicht so. Damals haben Gewerkschafter bestimmt immer nur nachts und im Winter gestreikt, damit von den Streiks keiner betroffen worden ist. Oder wie ist die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Nürnberg zu verstehen?
Wie es die Bahn nun schafft, ihre Millardengewinne gegen den Wunsch der Lokführer nach Teilhabe zu schützen, liegt trotzdem völlig im Ungewissen. Kann man von jemandem, der per Gerichtsbeschluss zur Arbeit gezwungen wird, erwarten, dass er auch nur einen Handgriff mehr als Dienst nach Vorschrift macht? Und was, wenn nun - unmittelbar hervorgerufen durch die absurde Nürnberger Entscheidung - Lokführer an schwerer demokratischer Desillusionierung leiden und sich deshalb morgens, anstatt zur Lokomotive in ärztliche Behandlung begeben, damit dort ihre psychische Gesundheit und ihr Glaube an den demokratischen Rechtsstaat wiederhergestellt wird? Dumm gelaufen, würde man dann wohl sagen.
Als die Bahn privatisiert wurde und aus unkündbaren Beamten kündbare Angestellte wurden, war sicher nie gesagt worden, dass Bahndienste ganz normale Dienstleistungen seien, die genauso wichtig oder unwichtig wie alle anderen Dienstleistungen seien und deshalb der Staat sich aus der Bereitstellung von Transportleistungen mit der Bahn zurückziehen kann? Ganz bestimmt nicht, denn das würde ja, folgt man der heutigen Entscheidung möglicherweise bedeuten, dass man damals einfach gelogen hat, um Kosten zu sparen. Na, man stelle sich mal vor, jemand glaubt so einen Unfug, und der bekommt dann Bauchschmerzen und kann icht arbeiten? Dumm gelaufen, würden man dann wohl sagen.
Aber nun soll hier ja nicht an nur der weisen Entscheidung der unabhängigen Nürnberger Justiz herumgemäkelt werden, sondern auch optimistisch nach vorn geblickt werden. Wie wäre es denn damit, die Tarifautonomie einfach wieder herzustellen, in dem die Justiz sich als Tarifpartei auf Seiten der Arbeitgeber mit an den Verhandlungstisch setzt? Wenn die Richter als Tarifpartei mit am Verhandlungstisch sitzen, dann wäre für klare Fronten gesorgt und Gewerkschafter könnten das tun, was sie schon immer getan haben, um Forderungen gegenüber der anderen Tarifpartei durchzusetzen: zu streiken. Und wenn das dann passiert, dann würde man wohl sagen: dumm gelaufen.
So könnte dann die Justiz als Verhandlungspartei gezielt bestreikt werden. Man stelle sich mal folgende Nachricht vor: Zugfahrten nach Nürnberg fallen heute leider aus, weil sich das Arbeitsgericht Nürnberg im Arbeitskampf mit Gewerkschaftern der Bahn befindet. Die Justiz könnte sich dann dagegen wehren, in dem sie den Streik verbietet und allen Teilnehmern Entlassung und Lagerhaft in Guantanamo androht. Nur bleibt dann das Problem bestehen, dass Züge ohne Lokführer nicht fahren. Vielleicht will die Justiz ja ein Richterkommando als streikbrechende Lokomotivführer einsetzen? Aber ob Richter mit soviel Arbeit - und das auch noch im Schichtdienst - wohl fertig werden würden? Und ob sie dann wohl, um mit gutem Beispiel voranzugehen, die Arbeit auch für ein Lokführergehalt machen würden? Sicher hätten Richter dann auch gegen leistungsgerechte Bezahlung nichts einzuwenden. Schließlich gibt es ja auch in Deutschland Suppenküchen, die die meisten Menschen vor dem Verhungern schützen. Dumm gelaufen würde man dann wohl sagen.
Eine clevere Idee ist das, die Justiz zur Tarifpartei auf Arbeitgeberseite zu machen. Da sollte man gleich mal eine Initiative starten, um das im Artikel 9 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich zu fixieren. Wer hier Sarkasmus findet, darf ihn behalten.
weitere Artikel:
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06.08.07
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Quelle:
 http://www.mein-parteibuch.com/blog/2007/08/08/die-justiz-als-tarifpartei/
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Ergänzungen

solidarität auch aus dem dgb-spektrum

na wer wohl 08.08.2007 - 16:35

soli

na wer wohl 08.08.2007 - 19:08
fehler im system,
war der falsche link
nu aba richtig
 http://www.bayern.gew.de/lass/hochschulgruppen/muenchen/

Von den Mitarbeitern kam da kein Druck

vertragt Euch 09.08.2007 - 07:19
"Strategische Entscheidung" des Air-Berlin-Chefs
"Ich muss auf Gerechtigkeit achten"
Air-Berlin-Chef Joachim Hunold war bislang als Gewerkschaftsgegner bekannt, doch nun hat er erstmals Tarifverträge zugelassen. Das könnte die Pilotengewerkschaft nun auch bei der streikbereiten LTU versöhnlich stimmen.
Interview: Sibylle Haas




SZ: Herr Hunold, Air Berlin schließt erstmals Tarifverträge, haben die Gewerkschaften Sie mit der Streikdrohung bei LTU weichgeklopft?

Joachim Hunold: Das ist Unsinn. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe mir manchmal schon überlegt, ob ich vom LTU-Deal zurücktreten sollte. Doch Air Berlin ist das einzige Unternehmen, das die LTU übernehmen kann. Air Berlin, DBA und LTU ergänzen sich hervorragend. Dass wir jetzt bei Air Berlin Tarifverträge schließen, ist eine strategische Entscheidung. Von den Mitarbeitern kam da kein Druck. Da gibt es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

SZ: Warum haben Sie sich trotzdem darauf eingelassen?

Hunold: Wir sind durch die Übernahmen von DBA und LTU so groß geworden, dass wir an einem Tarifkonstrukt nicht mehr vorbeikommen. Die Initiative zum Abschluss von Tarifverträgen bei Air Berlin ist aber von uns ausgegangen und nicht von den Gewerkschaften. Ich will in einer größer werdenden Gruppe die Leute schützen, die das Unternehmen aufgebaut haben. Ich habe die Air-Berlin-Beschäftigten jetzt durch den Tarifvertrag abgesichert. Ich wollte außerdem ein Zeichen setzen als vertrauensbildende Maßnahme.

SZ: Was haben Ihnen die Gewerkschaften versprochen, mehr Zugeständnisse bei den LTU-Verhandlungen?

Hunold: Ich glaube, das liegt nicht immer nur bei den Gewerkschaften, sondern bei den Tarifkommissionen. Wir haben keine Zugeständnisse bekommen. Ich bin allerdings enttäuscht über das Verhalten der Pilotengewerkschaft bei der LTU. Denn wir haben sogar eine Bestandsgarantie auf den geltenden Tarifvertrag abgegeben.


SZ: Die LTU-Piloten wollen aber eine Wachstumszusage.

Hunold: Die können wir nicht abgeben. Es gibt kein Unternehmen, das so etwas macht. Ich weiß doch nicht, wie sich der Markt im nächsten Jahr entwickelt.

SZ: Warum gibt es bei Air Berlin nur Tarifverträge für das Flugpersonal?

Hunold: Bei den anderen Mitarbeitern gibt es kein Verlangen danach. Eines will ich ganz klar sagen: Wir wären nicht so erfolgreich, wenn ich meine Mitarbeiter schlecht behandeln würde.

SZ: Das riecht aber danach, als ob Sie die Pilotengewerkschaft freundlich stimmen wollen.

Hunold: Ich habe ein Zeichen gesetzt für die Gesamtgruppe.

SZ: Wird es bald Tarifverträge für die übrigen Mitarbeiter geben?

Hunold: Das sehe ich nicht.

SZ: Es wird aber eine Personalvertretung geben bei der Air Berlin.

Hunold: Ja, das war aber schon vor der Sache mit den Tarifverträgen klar. Wir haben vor acht Wochen die Piloten abstimmen lassen, ob sie eine Mitarbeitervertretung haben wollen oder nicht. Von den wahlberechtigten Piloten haben nur 39 Prozent dafür gestimmt. Von den abgegebenen Stimmen waren 55 Prozent dafür. Wir haben dann gesagt, wir richten eine Mitarbeitervertretung ein.


SZ: Das Kartellamt hat dem LTU-Deal zugestimmt. Wann gibt es die ersten Konzerntarifverträge?

Hunold: Dafür sehe ich im Moment keine Veranlassung.

SZ: Rechnen Sie mit einem langen Arbeitskampf bei der LTU?

Hunold: Wir haben den Piloten geboten, was wir allen geboten haben, nämlich eine Gehaltssteigerung von drei Prozent. Das Gehaltsniveau der LTU liegt ja ohnehin über dem von Air Berlin. Ich muss aber darauf achten, dass ich alle Mitarbeiter gerecht behandele. Ich kann nicht eine Minderheit im Gesamtverbund besser stellen als diejenigen, die ihnen die Zukunft ermöglichen.

SZ: Das klingt aber nach Streit.

Hunold: Ich glaube, indem wir uns den Usancen anpassen, müsste eine Einigung erzielbar sein. Ich kann verstehen, dass bei den LTU-Mitarbeitern nach den vielen Gesellschafterwechseln eine Verunsicherung da ist. Aber wir bieten der LTU nun eine Zukunftsperspektive.

SZ: Die Pilotengewerkschaft fordert bei der LTU den Sanierungsbeitrag zurück.

Hunold: Soweit ich weiß, ist dieser Beitrag schon teilweise zurückgezahlt worden. Es bringt aber gar nichts, darüber zu diskutieren. Die Gruppe muss sich dem Markt stellen und schauen, wie das Wettbewerbsumfeld ist. Sie muss mit ihren Kosten im Wettbewerb bestehen können. Da muss ich die Gesamtbelegschaft im Auge haben und kann nicht immer nur nach den Piloten schauen.

SZ: Was raten Sie der Gewerkschaft bei LTU?

Hunold: Morgen möglichst schnell zu einer Einigung zu kommen.

SZ: Glauben Sie daran?

Hunold: Ich bin nicht in den Tarifverhandlungen. Aber ich glaube, mit dem guten Willen, den wir gezeigt haben, und mit der Zukunftsperspektive, die wir bieten, sollte auch die LTU-Tarifkommission einsichtig sein. Es ärgert mich schon, dass sie sofort mit einem Forderungskatalog ankam, anstatt erst einmal zu schauen, wie es den Beschäftigten im Air-Berlin-Verbund gehen wird und wie sie sich entwickeln können.

SZ: Haben Sie ein Rückgaberecht, für den Fall, dass es bei der LTU zu einem harten Arbeitskampf kommt?

Hunold: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich dazu nicht äußern möchte.

Ein Hoch auf uns'ren Lokführer, Lokführer ...

VIRRUBER 09.08.2007 - 09:56
Anzumerken ist, daß sich die Vorstände der Bahn-AG in der Vergangenheit Einkommenserhöhungen von 62%-65%, bei einem wesentlich höherem Gehalt wohlgemerkt, zugeteilt haben. Nun fordern diejenigen, die zu Gunsten des Unternehmens jahrelang teilweisen Verzicht geübt haben, eine ethisch gerechtfertigte und angemessene Belohnung für ihre verantwortungsvolle und freizeitlich stark einschränkende Arbeit und schon kommen Personen daher, die diese Forderungen und die damit verbundenen Streikdrohungen als uneinsichtigen Egoismus verteufeln.

>> Wie können die knapp 8500 Bahnführer, die sich für den Streik aussprachen, nur damit leben, die deutsche Wirtschaft in ein Chaos zu stürzen? Wie können sie es verantworten, tausende Urlauber auf den Bahnsteigen stehen zu lassen? > Die Unternehmensführung bekommt soviel Geld, weil sie die schwerwiegende Last der Verantwortung trägt. <<
Ja ja ..., ihre Verantwortung kenn ich - die Verantwortung vor die Kamera zu treten und zu sagen: "Tschuldigung ..., hat ncht geklappt. Na ja, versuch ich es mal im anderen Konzern."
Diese Halunken die! Holt sie vom hohen Roß, die Rabauken u. Menschenschinder!

Alle Räder stehen still, wenn ein starker Arm es will!

Gerichtsentscheid über Einspruch der GDL

oops 09.08.2007 - 15:49
Nach dieser ungeheuerlichen Rechtsprechung soll laut GDL am Freitag, den 10. August um 10 Uhr in Nürnberg vor dem Nürnberger Arbeitsgericht über den Einspruch der GDL entschieden werden.

Terminankündigung unter:  http://www.netzwerkit.de/Members/oops/arbeitsgerichtgdl

Bitte mal selbst weiter recherchieren

Peter Hoffmann 10.08.2007 - 02:31
So schnell schießen die Preusen nicht! Ich habe mal den Link zum Urteil rausgesucht, für alle die nachlesen wollen...  http://www.arbg.bayern.de/imperia/md/content/stmas/lag/nuernberg/entscheidungen/abjuli07/streik_beschluss_09.08.07.pdf
Was mir im Artikel fehlt, ist die Aussage, dass es sich hier um eine *einstweilige Verfügung* handelt, also eine kurzfristige Entscheidung (die kennen wir ja alle von Demos).
Im Übrigen sagt in meinen Augen der Art.9 Abs.3 nicht aus, dass Mensch streiken darf, sondern, dass er sich Zusammenschließen darf, das ist wohl nicht so ganz das Gleiche - sonst würde das ja auch für Beamte gelten.
Ich halte die Entscheidung dennoch für eine riesen Schweinerei, irreversible Schäden haben bisher in Deutschland vor Gericht noch selten irgendwelche Entscheidungen Beeinflusst (Bundeswehr und damit Tote, AKWs und damit evtl. unzählige Tote, ...).

Wenn ich groß bin will ich Lokführer werden!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 13 Kommentare an

dazu — Horst

Streik ade — Schade

SKANDAL!!! — Vanilla

@Schade — Dein Name

@ GG — Tut nichts zur Sache

...da wären ja noch... — ..die Arbeitslosen

Vervollständigung — VIRRUBER

@GG — Allin

@GG — kommunist(tm)