Politisches Verfahren und drakonische Strafen

Hessenmob 05.08.2007 00:34 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe
Haftstrafe für Gebührengegnerinnen wegen einer Autobahnblockade?

Marburg: Ein Jahr nach der Hochphase der Proteste gegen Studiengebühren in Hessen steht nun die erste Gerichtsverhandlung wegen einer Autobahnblockade in Marburg (vom 11.05.06) an. Angeklagt werden Philipp, Lena und Max. Alle drei sind und waren aktive Studentinnen, die ihr Demonstrationsrecht gegen das verfassungsfeindliche, rassistische und unsoziale Gesetz der hessischen Landesregierung wahrgenommen hatten. Vorgeworfen wird den dreien der Tatbestand der Nötigung und aus einer Aktennotiz geht hervor, dass der Richter überlegt, ob der Tatbestand der Freiheitsberaubung in Frage kommt und damit eine Freiheitsstrafe in Betracht zu ziehen sei.
Im Frühsommer 2006 gab es in ganz Deutschland Proteste gegen Studiengebühren, aber was in den ersten Maitagen in Marburg passierte, erstaunte selbst die optimistischsten Köpfe. In Marburg wurde bereits am ersten Abend, als die Landesregierung das Gesetzt angekündigt hatte, eine Spontandemo mit ca. 250 Teilnehmerinnen durchgeführt. In den Folgetagen bis zur ersten Vollversammlung (VV) kam es hessenweit immer wieder zu solchen Spontandemos. In Marburg gab es dann am 11.5. die erste VV in dem Semester. Es waren in dem größten (und überfüllten) Hörsaal der Uni weit über 1000 Studies zusammengekommen. Im Anschluss an die VV zogen dann ca. 1000 Studies spontan durch die Stadt. Soweit wäre die Kulisse und das Geschehen austauschbar mit anderen Unistädten zu dem Zeitpunkt. Aber was dann geschah, wurde nur noch die „neue Marburger Schule“ genannt. Seit rund 20 Jahren wurde die „Stadtautobahn“ B3, die durch Marburg führt, nicht mehr besetzt. Und aus einer Spontaneität, die heute noch viele überrascht, wurde die B3 von ca. 500 Demonstrantinnen (nicht nur Studies) über 1 ½ Stunden (teilweise) in beide Richtungen (Gießen und Kassel) blockiert.
An diesem Tag haben unter den fünfhundert Demonstrantinnen auch die drei Angeklagten protestiert und ihren Unmut auf die Straße in Richtung Wiesbaden gebracht. Diese drei Studentinnen wurden nicht aufgrund ihres individuellen Verhaltens, sondern aufgrund ihrer vergangenen politischen Aktivitäten herausgegriffen. Damit werden sie federführend für die Blockade verantwortlich gemacht. Ihnen drohen Strafen zwischen 1050€ und 2700€, was für zwei Studenten eine Vorstrafe mit sich ziehen würde.
Auf einer Pressekonferenz in Marburg vom 11.7.07 luden für die Angeklagten solidarisch eingestellte Professoren und der Uni-Kanzler ein. Dort meinte ein Anwalt: „Hier soll ganz klar ein Exempel an einer sozialen Bewegung statuiert werden.“ Ein Verfassungsrechtler erläuterte auf der gleichen Veranstaltung, dass „der Vorwurf der Nötigung nicht haltbar ist, da von den Demonstrantinnen keine Gewalt ausgegangen ist. Zudem entstünde bei jeder Demonstration ein Stau. Das Demonstrationsrecht ist allerdings ein höheres Gut als das Individualrecht des Autofahrers. Auch der Vorwurf, die Demonstranten hätten nicht klar gezeigt, warum sie blockierten, sei allein durch Bilder der Presse widerlegt.“

Um die drei Angeklagten hat sich mittlerweile ein breites Bündnis und eine ebenso breite Öffentlichkeit gebildet. So wurden für die Angeklagten ein Spenden- Soli-Konto der Bunten Hilfe Marburg eingerichtet, es wurden Partys und Fußballturniere veranstaltet und dabei Spenden gesammelt, es wurde eine Unterschriftenliste entworfen und mittlerweile auch auf der Homepage des AStA-Marburg online gestellt www.asta-marburg.de/ulist/ . Innerhalb von 2 Wochen kamen knapp über 3000 Unterschriften zusammen. Die Lokalpresse (Oberhessische Presse, Express und Neue Marburger Zeitung), die hessenweiten Radiosender/ TV Sender (Hit Radio FFH, RTL-Hessen und der Hessische Rundfunk) als auch die bundesweite Presse (FR, Jungle World, Neues Deutschland und Junge Welt) haben mehrheitlich positiv berichtet. Unter den prominentesten Unterstützerinnen sind viele Professorinnen, der Senat der Uni, der Uni Kanzler und Politiker über alle politische Ebenen bis hin zu Bundestagsabgeordneten. Zudem haben mehrere Organisationen, wie die Humanistische Union, die GEW, viele ASten, die Rote Hilfe, der DGB und viele weitere ihre Solidarität bekundet.
Jede/r der/die sich solidarisch gegenüber den Studentinnen zeigen möchte, kann auf der oben genannten AStA Homepage online für die Angeklagten unterschreiben und die Staatsanwaltschaft auffordern, das Verfahren einzustellen. Außerdem kann jede/r an den Verhandlungstagen in Marburg (6.8.07 um 11.15h) am Amtsgericht vor Ort sein und sich das politische Verfahren live angucken und sich sein eigenes Bild von der Justiz machen.


Also werdet aktiv, seid solidarisch und setzt euch in Bewegung.

Solidarität ist eine Waffe, je mehr mitmachen, desto kräftiger wird sie!


Einige Links zum Thema:

 http://www.asta-marburg.de/ulist/

 http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/lokalnachrichten/aktuell/?em_cnt=1172495&

 http://www.dgbcampusoffice.de/

 http://beta.op-marburg.de/newsroom/lokal/dezentral/lokal/art655,76443

 http://www.op-marburg.de/op/home.news.lokal/article.archiv.op.jsp?id=20070726.658234

 http://www.hu-marburg.de/homepage/presse/info.php?id=205#pressemitteilung

 http://www.jungle-world.com/seiten/2007/31/10345.php

 http://www.uebergebuehr.de/de/aktuell/news/meldung/ansicht/2007/08/gew-hessen-fordert-einstellung-der-strafverfahren/

 http://www.fh-giessen.de/asta/index.php?option=com_content&task=view&id=164&Itemid=2
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Ergänzungen

Offensive Prozessführung???

k.o.b.r.a. 05.08.2007 - 13:45
Der ganze Text gibt keine Auskunft darüber, welche Art von Gegenwehr organisiert wurde. Uns ist bekannt, dass Anfragen nach Unterstützung aktiver Art unbeantwortet blieben. Stattdessen vermittelt der Text den Eindruck, sich willenlos, aber händchenhaltend abschlachten zu lassen. Geld zu sammeln und Leute zum Zugucken einzuladen ist krass defensiv. Wer gleich immer nach Geld schreit, suggeriert schon die Niederlage (weil nur dann das Geld nötig ist). Und wer Menschen sag, sie sollen kommen und zugucken, denkt gar nicht mehr an mehr. Stattdessen wäre auch möglich, Gerichtsprozesse offensiv zu politischen Aktionsflächen zu machen. Wahrscheinlich bedarf es dann aber auch anderer Rechtshilfegruppen und AnwältInnen als in der norm-unterwürfigen aktuellen "Linken".

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@k.o.b.r,a — Aktivisti

@aktivisti — egal

Ja, ja... — Loewe

@egal — Aktivisti