Geisterstadtprinzip scheitert kläglich

kortschagin 31.07.2007 15:41 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Das Aktionsbündnis „Cottbuser Bürgerinnen und Bürger gegen NPD-Aufmärsche“ hat am 28.7.2007 eine schwere Niederlage erlitten. Vielmehr noch: Das sogenannte Geisterstadtprinzip erzielte genau das Gegenteil von dem, was angestrebt wurde. Auch wenn es noch Berichterstattungen gibt wie die der Lausitzer Rundschau, die die offizielle Version eines großartigen Erfolges des Aktionsbündnis verbreiten, ist die Sachlage doch eine andere.
Auf über 5000 Flugblättern und in einer großangelegten Medienkampagne hatte man die Cottbuser Bürger aufgerufen, Türen und Fenster zu schließen, die Jalousien herabzulassen und dem faschistischen Aufzug die kalte Schulter zu zeigen. Doch nur die wenigsten Cottbuser folgten dieser Aufforderung. Es waren zwar im Vergleich zu anderen Tagen nur wenige Menschen in der Innenstadt. Sie waren aber nicht unbedingt freiwillig nicht dort. Umgeleiteter Straßenbahnverkehr und gesperrte Straßen nahmen vielen die Möglichkeit, problemlos in die Innenstadt zu kommen. Strömender Regen nahm vielen die Lust, aus dem Haus zu gehen. Aber es gab trotzdem genug, die entlang der Demoroute zu sehen waren, denn bei weitem hatten sich nicht alle Geschäftsinhaber bereit erklärt, an der Geisterstadt mitzuwirken. Viele trauten sich auch nicht, da sie mit Angriffen rechter Schläger auf ihre Geschäfte rechnen mussten, wenn die offen ihre NPD-ablehnende Haltung bekundet hätten. Andere zeigten ganz offen ihre Symphatien für die Nazis. Kleine Gruppen rechter Schläger zogen durch die Innenstadt und drohten vielen, die in einem alternativen Stil gekleidet waren oder Fotos machen wollten mit Gewalt, wenn sie nicht augenblicklich verschwinden würden.
Während den Nazis und ihren Schlägern die Innenstadt überlassen wurde und diese für mehrere Stunden einer „national befreiten Zone“ glich, waren die Antifaschisten einigen skandalösen Schikanen seitens der Polizei ausgesetzt. Mehr als einhundert Antifaschisten wurden grundlos von der Polizei eingekesselt und für mehrere Stunden bei strömenden Regen im Freien gefangen gehalten. Danach wurden alle mit Platzverweisen für die gesamte Innenstadt belegt, ohne sich eines Vergehens schuldig gemacht zu haben. Die attac- und DKP-Kundgebung musste vorzeitig beendet werden, da die Polizei mitten in der Kundgebung den Platz wieder für den Straßenverkehr öffnete, so dass eine Fortführung der Kundgebung unmöglich wurde.
Die Wirkung, die das Aktionsbündnis mit der Geisterstadt erreicht hat, ist in mehrerer Hinsicht in das Gegenteil umgeschlagen. Erstens hat man die Innenstadt von Cottbus für einige Stunden den Nazis überlassen. Zweitens hat sich das Aktionsbündnis in der Öffentlichkeit blamiert. Vertreter der „Vereinten Linken Lausitz“ ( http://www.vereinte-linke.org) und des „Bündnisses gegen Rassismus und Antisemitismus Südbrandenburg“ hatten den Vertreter von Stadt und Aktionsbündnis beim Pressegespräch des Oberbürgermeisters darauf aufmerksam gemacht, dass man nicht genug Rückhalt in der Bevölkerung habe, um ein solches Prinzip durchzusetzen. Die Ereignisse am 28.7. bestätigten diese Einschätzung, die die Vertreter der Stadt und des Aktionsbündnis leichtfertig zurückwiesen.
Weiter ist die Annahme nicht uneingeschränkt richtig, eine Demonstration würde in erster Linie dazu veranstaltet, Leute am Straßenrand zu überzeugen. Eine Demonstration ist nicht nur ein symbolische Akt, sondern auch ein Gradmesser der Mobilisierungsfähigkeit politischer Gruppen. Weiter dient sie der Stärkung des Zusammenhalts einer politischen Gruppe. Eine erfolgreiche Aktion oder Demonstration stärkt nicht nur den inneren Zusammenhalt ungemein, sondern lässt das Selbstbewusstsein einer Gruppe besonders stark wachsen.
Obwohl das Aktionsbündnis in vielerlei Hinsicht falsch lag, versucht es heute das Geisterstadtprinzip nicht nur als Erfolg zu verkaufen, sondern es preist es auch noch als nachahmungswürdig an. Aber wirklicher Antifaschismus zeigt sich nicht nur in dem Bestreben, Aktionen und Demonstrationen von Faschisten zu Misserfolgen werden zu lassen oder ganz zu verhindern, sondern auch in dem Bestreben über das wahre Wesen und die Ziele des Faschismus und seiner Organisationen aufzuklären. Beides konnte das Geisterstadtprinzip nicht im Geringsten leisten. Wirklicher Antifaschismus ging lediglich von den Veranstaltern und Teilnehmern der beiden Kundgebungen aus. Und der wirkliche Antifaschismus wurde wie so oft in der BRD vom Staat bekämpft.
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Ergänzungen

Wirklich gescheitert?

Frager 31.07.2007 - 17:09
Es gibt 2 mögliche andere Ansichten:

Es ist nicht gescheitert, weil wir jetzt ein reales Beispiel haben, wo bisher immer rein akademisch diskutiert wurde, ob so ein Konzept was bringt oder nicht

Es ist nicht gescheitert, weil sich die Mehrheit der Stadtbevölkerung der Sache bewusst war und sich wohl kaum jemand von den Nazis überzeugen liess

PS: Nazis bekämpft man am besten in den Köpfen oder wenn sie gefestigt in der Ideologie sind durch Abgrenzung oder Schlagferigkeit (im wörtlichen Sinne). Neben eine Nazidemo stehen und linke Parolen brüllen hat noch keinem Nazi weh getan.

Störung der Ruhe

ikke 31.07.2007 - 21:14
"Auf über 5000 Flugblättern und in einer großangelegten Medienkampagne...". Wann wird hier endlich begriffen, dass die BürgerInnen die rechten Demos und die zwangsläufigen linken Gegendemos bestenfalls als Störung ihrer Ruhe und ihrer Bewegungsfreiheit empfinden und ihnen das ganze Spektakel schlicht scheißegeal ist. Da helfen auch keine Flugis und Medienkampagnen gegen den Frust. Es gibt übrigens auch sinnvollere Beschäftigungen als hinter jeder Nazi-Demo herzuhecheln.

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Wer fragt frager????? — WIEDERSTAND BIS ZUM TOT!!!!

Na und wie wars nun??? — Zuschauer

Hört sich nach viel an — ist es aber nicht

und hier ihre gewinnzahlen ... — red corner 66