Rheinland: Umstrittene BAYER-Pipeline

G. Gunzberg 30.07.2007 22:22 Themen: Ökologie
Bayer errichtet seit Mai 2007 eine 67 km lange, unterirdische Kohlenmonoxid – Rohrleitung zwischen den Bayer-Chemieparks Uerdingen und Dormagen. Der Konzern hofft die Pipeline bis Ende des Jahres in Betrieb nehmen zu können.
Kohlenmonoxid (CO) ist ein wesentlicher Grundbaustein der Chemie. Es wird beispielsweise zur Herstellung von Kunststoffen benötigt, die in der Automobil-, Bau- und Freizeitindustrie eingesetzt werden. Der Bau der Pipeline ist nach Ansicht von Bayer notwendig geworden, um die Produktionsbetriebe am Standort Krefeld-Uerdingen kontinuierlich mit CO zu versorgen. Lt. Aussage von Bayer soll die Pipeline zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der gesamten Region beitragen. Der Konzern betont die formalen Sicherheitskriterien einzuhalten.

Es existiert aber auch ein technisches Gutachten, das dem Projekt erhebliche Sicherheitsrisiken bescheinigt. Es weist darauf hin, dass Kohlenmonoxyd ein deutlich gefährlicheres Gas sei als alle anderen derzeit in Fernleitungen transportierten Gase. Das starke Nervengas ist geruchs-, farb- und geschmacksneutral und deshalb für den Menschen sensorisch nicht wahrnehmbar. Bereits sehr geringe Konzentrationen führten zu ernsthaften Gesundheitsschäden oder sogar zum Tode.

Das Gutachten weist außerdem auf einen Besonderer Schwachpunkt in der technischen Realisation dieser Pipeline hin. Dadurch das die oberirdischen Ventilstationen weder mit einer Leckerkennung ausgerüstet noch gegen unbeabsichtigte und beabsichtigte Fremdeinwirkungen hinreichend gesichert seien ist eine präzise Leckerkennung nicht gewährleistet.“ Lt. Aussage des Bayer Konzerns existiert ein Gegengutachten, dass diese Erkenntnisse als unseriös bezeichnet, weil die Sicherung sehr wohl gewährleistet sei.

Nicht von der Hand zu weisen ist es, dass bei all diesen technischen Planspielereien immer ein kaum kalkulierbares Restrisiko bestehen bleibt. Der Kreis Mettmann hatte eine Studie in Auftrag gegeben, um abzuschätzen wie hoch die Zahl der betroffenen Menschen im dichtest besiedelten Kreis Deutschlands bei solch einem Szenario sein könnte. Bei einem Vollbruch könnten 143.000 Menschen potenziell gefährdet sein und im schlimmsten Fall zu Tode kommen. Vor allem, weil es bisher überhaupt keinen Gefahrenabwehr- und Rettungsplan für diese Pipeline gibt.

Inzwischen formiert sich der Protest gegen das Projekt. Mehr als fünfundzwanzigtausend Unterschriften gegen den Bau der Kohlenmonoxid-Leitung zwischen den Bayer-Werken in Dormagen und Krefeld-Uerdingen sind inzwischen gesammelt worden. Am 16. Juni 2007 demonstrierten 2500 Menschen in Hilden und fordern einen sofortigen Baustopp. In Erkrath findet zur Zeit eine Mahnwache statt. Plakate, die auf das tödliche Risiko hinweisen werden in Stadtteilen verklebt. In der Nacht zum 25. Juli wurden bei einem Bagger, der für den Bau der Pipline eingesetzt worden ist die Scheiben eingeschlagen und das Display einer Kontrolleinheit zerschlagen. Hierbei entstand ein Sachschaden von rund 5000 Euro. Von dieser militanten Aktion distanzierte sich die Bürgerbewegung in Hilden, die den Protest früh begleitete. Auf ihrer Webseite  http://www.muthilden.de/ betont sie, dass bei allen ihren Aktionen keine Gewalt ausgehe, weder gegen Sachen, niemals gegen Menschen und alleine auf die Auseinandersetzung mit Argumenten setzt. Zuguterletzt wünscht sie sich , dass die Täter gestellt werden.

Einen faden Beigeschmack hätte es, wenn sich die Kritik an Bayer nur auf den Bau dieser Pipeline reduzieren würde. Bisher beteiligen sich vor allem die Menschen an diesem Protest, die vom Bau selbst betroffen sind. Nicht nur in der Gegenwart zeigte sich das menschenverachtende und gewaltätige Antlitz des Konzerns. Die aktuell errichtete Pipeline, denen eine Bürgerbewegung ihre vermeintlich besseren Argumente entgegensetzen möchte, ist sicherlich nicht die Spitze des Eisbergs. Niemals sollte vergessen werden, dass Bayer direkter Nachfolger und Profiteur der Auflösung der IG Farben ist und sich bisher nicht bereit war sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinander zusetzen. Hintergrundinfos zum düsteren Kapitel von Bayer unter:  http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Zeitschrift_SWB/SWB_1998/SWB04_98/IG-Farben_Geschichte/ig-farben_geschichte.html

Ist Bayer in Deutschland noch gezwungen sich an gewisse Sicherheitsstandards zu halten sind die Arbeitsbedingungen an anderen Standorten des transnationalen Konzerns menschenunwürdiger. Hier sind die Menschen nicht Restrisiken sondern der ständigen, alltäglichen Gefährdung ausgesetzt. Auf der Seite des Coordinierungskreises gegen Bayergefahren www.cbgnetwork.org sind viele Beispiele aufgeführt. Jeglicher Protest gegen Bayer sollte auch diese fürchterliche Bilanz des multinational agierenden Bayer Konzerns mit einbeziehen.
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Ergänzung

G. Gunzberg 31.07.2007 - 09:41
Hier geht es im Text weniger um den Wahrheitsgehalt von Gutachten und Gegengutachten, das der Text übrigens auch aufführt. Verantwortlich für das Gutachten, das die GegnerInnen unterstützt zeichnet sich der Bochumer Ingenieur Professor Dr. Gerd Falkenhain, das von der Stadt Monheim in Auftrag gegeben wurde. Auch Chemielaboranten werden bestätigen, dass ein Restrisiko besteht, das mit Sicherheit weit über das Rauchen einer Zigarette hinausgeht. Beim Rauchen droht keine sofortige Bewusstlosigkeit, Hirnschaden und Tod wie beim Pipeline-Gau. Die Explosionsgefahr beim Rauchen ist in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen, mal salopp ausgedrückt. Auf den Punkt gebracht, bei einem Bruch der Leitung oder bei einer Leckage bestünde absolute Vergiftungs- und Brand- bis hin zu Explosionsgefahr und das eben auch in unmittelbarer Nähe von bewohntem Gebiet!
Kohlenmonoxid ist ferner ein Photosynthesegift und schädigt deshalb auch Pflanzen und Bäume. Alles in allem eine Schädigung für Mensch, Tier und Pflanzenwelt, falls es einen Unfall gibt.
Wäre die Gefährdung mit dem Rauchen einer Zigarette vergleichbar, dann wäre es ein leichtes für Bayer zu betonen, dass für die Anlage keine Gefahr ausgeht und alles reine Panikmache wäre. Auf der Homepage behauptet Bayer aber, dass Bau und Betrieb der Pipeline unter Beachtung strenger Sicherheitsvorkehrungen erfolgen würde, die teilweise weit über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehen.

Auch stellt sich die Frage einer mutwilligen Zerstörung der Anlage im Betrieb, wo sind denn die Stimmen der SicherheitsfanatikerInnen. Genau die Verantwortlichen, die unserer Freiheit immer mehr beschneiden, vorgeblich im Sinne der Prävention terroristischer Anschläge. Da passt es schon ins Bild, das kein Atomkraftwerk wirksam gegen Anschläge adäquat gesichert ist...

Ergänzung

G.Gunzberg 31.07.2007 - 15:07
Hier ist mir leider bei der Recherche eim Fehler unterlaufen. Selbstverständlich handelt es sich beim Kolenmonoxid um ein Atemgift, danke für den Hinweis.

Panikmache die 2te ?

Chemielaborant 01.08.2007 - 01:51
1. Vergiftungsgefahr
Ich finde ihr solltet mal ein Verhältnis zu den Mengen bekommen von denen wir hier eigentlich sprechen. Darum Folgendes Rechenbeispiel
Zitat aus dem Bericht:
„bei 13,5 bar aus einem 3,5 Millimeter großen Loch 60 Kubikmeter (60.000l) Gas pro Stunde austräten, sind es bei 40 Bar bis zu 500 Kubikmeter (500.000l)“

Ein Normaler mittelklasse PKW (7l Benzin auf 100km) erzeugt beim verbrennen dieser 7 Liter in etwa 872,7l CO gas
(Quelle  http://dc2.uni-bielefeld.de/dc2///////////auto/abgzusre.htm)

Das Bedeutet nun Für das Verhältnis:
68 Wagen erzeuge auf einer Strecke von 100km die gleiche Menge CO wie ein Leck in einer Stunde bei 13,5 bar
680 Wagen auf einer Strecke von 10km
6800 Wagen auf einer Strecke von einem km
Über Starkfrequentiere Straßen wie die Bonner Straße in Köln oder die Aachener Str. fahren pro Tag etwa 60.000-80.000 Autos
Ich hoffe das gibt euch über die Gefahr des Vergiftungspotentials zu denken.

2. Explosionsgefahr
Die Gefahr einer Explosion ist gerade bei CO Quasi nicht gegeben da es ein Sehr Reaktionsträges Gas ist. Diese Trägheit Rührt daher das es mit 1073 kJ/mol (Quelle: Taschenbuch der Chemie Erschienen bei VEB Fachbuchverlag Deutschland) die größte Bindungsenergie (vereinfacht ausgedrückt ist das die Energie die aufzuwenden ist um das Molekül in seine Bestandteile zu zerlegen) aller ungeladenen Moleküle. Da es zudem Leichter als Luft ist (CO 1,2506 kg•m−3 Luft 1,293 kg•m−3) bleibt es nicht lange in Bodennähe.

3. Sicherungen von Pipelines
Mal davon abgesehen das wir Jahrzehnte lang in Deutschland aber auch in den meisten anderen Ländern Mittel Europas ein Pipeline Netz für die Beförderung von Stadtgas hatten in viele Haushalte hatten, sind Pipelines für solche Stoffe der Sicherste Transport weg. Die Sicherheitsanforderungen für Rohrsysteme sind gerade in Deutschland sehr hoch, die Rohre die hier eine Zulassung für 40 bar bekommen laut Bayer nur mit 13,5 bar betrieben werden sind eigentlich für 100 bar druck ausgelegt und man rechnet bei Rohrleitungen mit einem Sicherheitsfaktor von 4 sprich diese Rohrleitung hält mindestens 400 bar Druck aus.
Die angeblich besonderes gefährlichen Ventil Stationen die dazu dienen das Netz im gefahrfall zu unterbrechen um es schnell und sicher entleeren zu können, haben für Rohrverbindungen sie natürlich immer besondere Schwachpunkte sind nochmal höhere Sicherheitsstandards als es bei Rohrleitungen der fall ist außerdem gibt es mittlerweile sehr ausgeklügelte abdichtungsysteme leider konnte ich trotzt Recherche nicht rausfinden was für Abdichtungen Bayer Verwenden möchte.
Gegen Manipulation von Außen sind diese Ventil Stationen Normalerweise dadurch geschützt das sie sich innerhalb eines kleinen Gebäudes befinden welches meistens zusätzlich durch Zaun Natodraht und Videoüberwachung geschützt ist. (mal davon abgesehen das es für Terroranschläge sicher „effektivere“ ziele gäbe)
Ich kann natürlich die Angst der Anwohner Verstehen und Teile ach die Allg. Kritik an Bayer und ähnlichen unternehmen möchte aber auch sagen das unabhängig vom ideologischen System Industrien betrieben werden müssen und dabei hat man auch oft mit gefährlichen Substanzen zu tun hierfür sind Pipelines meiner Meinung nach fast immer das mittel der Wahl.
Zum Schluss möchte ich noch anmerken Anja B. du schreibst:
„2. CO ist ein sehr flüchtiges Gas, so dass Lecks kaum ins Gewicht fallen, Außerdem reagiert das Zeug schnell mit Luftsauerstoff zum CO2 „

das ist so nicht richtig das tut es zwar auch bei Normalen Temperaturen aber in so geringen Mengen das es kaum messbar ist. Da CO aber ein sogenanntes metastabiles gas ist wird die von dir beschriebene Reaktion ehr in Hochöfen genutzt.

-Deutschland Abschalten!


Ergänzung

G.Gunzberg 02.08.2007 - 17:39
Wenn möglich bitte unter Ergänzung stehen lassen....

Die Ergänzungen des Herrn Chemilaboranten sind wissenschaftlich nicht fundiert. Seine selbstdurchgeführten Rechenspielchen sind keine wertvolle Ergänzung des Textes. Der Inhalt des Ursprungstext verliert durch seine Zusatzinformation an Glaubwürdigkeit und an Wert, den GegnerInnen der Pipeline wird schiere Panikmache vorgeworfen.


Experten sind sich über die Gefährdung einer Kohlenmonoxidleitung einig. Auch Bayer selbst weiß um diese Gefahren. Jetzt sollte sich jede(r) selbst seine Gedanken machen, ob er den Menschen Vertrauen schenkt, die die Überzeugung vertreten wir brauchen für den technologischen Fortschritt oder für den Erhalt von Arbeitsplätzen unbedingt diese Leitung.

Diese Menschen sind bereit das Restrisiko in Kauf zu nehmen.

Niemand braucht zu befürchten, dass er ohne Existenz dieser Pipeline auf den technologischen Fortschritt zu verzichten hätte, wie uns einige Kommentare hier weis machen wollen. Ich bitte auf billige Polemik zu verzichten!


Programmhinweis

G.Gunzberg 02.08.2007 - 18:51
Programmhinweis:
Heute berichtet die Politsendung MONITOR Nr. 565 über die Pipeline:

Giftige Gase: Warum der Chemiekonzern Bayer Giftgas durch Wohngebiete leiten darf

ARD 21:45 Uhr

an den Chemielaborant

frilu 25.08.2007 - 17:01
Warum wird eigentlich immer von einem 3,5 mm großen Loch ausgegangen ?
Wie sieht es denn bei einem 5 cm oder gar 20 cm großen Loch aus ? Man kann so natürlich alles runter rechnen. Für mich ist so eine Rechnung "arglistige und bösartige Täuschung".
Für die Pipeline gibt Bayer keine 100%ige Sicherheit. Das bedeutet, dass es (es ist tatsächlich nur eine Frage der Zeit) Tote und Verletzte geben wird. Warum legt man so eine gefährliche Pipeline nich auf dem kürzesten Weg um so die Gefährdung zu reduzieren ? Ach so....auf dem kürzesten Weg wohnen ja viele Politiker, Bayermanager etc. Natürlich will man die Pipeline nicht im eigenen Garten haben - dann wäre man ja selbst hochgradig gefährdet und das Häuschen wäre plötzlich wertlos. Sowas kann man ja nicht zulassen - das macht man besser bei Anderen.
Ich muß ganz ehrlich sagen, dass in meinen Augen die verantwortlichen Bayer-Mitarbeiter und die verantwortlichen Politiker ein Verbrechen an der Bevölkerung verüben. Ich bin eigentlich, seit ich denken kann, CDU Anhänger und Wähler. Ich hatte mich riesig gefreut, als die CDU hier in NRW wieder an die Macht gekommen ist. Mittlerweile bin ich zutiefst von dem Rüttgers-Clan enttäuscht und werde bei den nächsten Wahlen lieber Links wählen als noch mal so eine Bande.
Zudem werde ich - wo immer es geht - zum ganz gezielten Boykott von Bayer-Produkten aufrufen. Da fällt mir auch sicherlich ein Weg ein dies sehr effektiv und mit einer großen Ausdauer zu machen. Bayer und die Politiker sollen ihren gerechten Lohn für dieses Verbrechen erhalten.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Panikmache? — Chemielaborant

nix Panikmache — Informatiker

Nervengift? — Raphael

@Chemielaborant — G.Gunzberg

@ G.Gunzberg — Chemielaborant