Critical Mass in Berlin

other massers 28.07.2007 10:02 Themen: Freiräume
Am Freitag, den 27.07.2007, hat es in Berlin wieder eine Critical Mass Fahrradfahrt durch die Innenstadt gegeben, die seit Dezember wieder ein wenn auch noch kleiner, aber doch monatlicher fester Bestandteil des Stadtlebens geworden ist. Um 16.00 trafen sich ca. 40 RadfahrerInnen am Heinrichplatz um scheinbar zufällig die gleiche Strecke durch Berlin zu fahren.
"Critical Mass bike rides" sind weltweit, vor allem in den Großstädten, regelmäßig jeden Monat stattfindene Fahrten unmotorisierter VerkehrsteilnehmerInnen ohne OrganisatorInnnen und feste Abläufe. Deutliche Ziele gibt es allerdings schon, so u.a. für nachaltigen Verkehr zu werben, höhere Sicherheit im Straßenverkehr und schließlich auch das Radfahren zu zelebrieren (was in Berlin bei einer Mehrzahl wohl im Vordergrund zu stehen scheint). Allerdings sind Critical Mass Fahrten keine angemeldeten Demonstrationen, sondern sie finden im Rahmen der Straßenverkehrsordnung statt. Sie werden auch gerne im deutschsprachigen Raum als geplanter Zufall bezeichnet. Durch ihren Charakter, sich friedlich den benötigten Raum auf der Straße zu nehmen, gibt es auch Ähnlichkeiten zu Reclaim The Streets Aktionen.

So war es also auch am letzten Freitag im Juli in Berlin wieder soweit, als sich die Critical Mass zum siebten Male in diesem Jahr auf den Weg machte. Am gestrigen Nachmittag gab es sogar die Unterstützung eines Mini-Fahrrad-Soundystems dass die Masse u.a. mit Popklassikern bei Laune hielt.
Vom Heinrichplatz ausgehend wurde kreuz und quer durch die Straßen in Kreuzberg und Mitte gefahren. Passanten beobachteten erstaunt und auch interessiert das große Fahrradaufkommen. Interessiert war erwartungsgemäß auch diesmal wieder die Berliner Polizei, die von Anfang an versuchte die eigene Dynamik der CM einzuschränken. So wurde in der Heinrich-Heine-Straße ein Fahrrad beschlagnahmt und die Personalien mindestens einer Person aufgenommen, als einige RadfahrerInnen es sich auf der Straße zu breit machten. Letztlich sorgte jedoch das uneingeladene Team Green (mit leider völlig unangemessenen Fahrzeugen :)) dafür, dass es einen größeren Rückstau des Autoverkehrs gab, in dem sie ihr Fahrzeug inmitten der Fahrbahn postierten und versuchten die Leute von der Straße zu bekommen. Nach einigen Unmutsäußerungen und Ausharren bei strahlendem Sonnenschein wurde das Fahrrad schließlich unter Applaus wieder zurückgegeben, so dass die Fahrt weitergehen konnte.
Die gutgelaunte kritische Masse, mittlerweile auf bis zu 50 Leute angewachsen, wurde dann auf ihrer weiteren Fahrt durchgehend von Polizeifahrzeugen, die mit einer weiteren sogenannten Wanne (Gruppentransporter für bis zu 12 PolizistInnen), einem Kleinbus und einem Polizeiauto Verstärkung bekam, begleitet. Dadurch bekam die insgesamt doch eher kleine Criticial Mass schließlich noch mehr Aufmerksamkeit als sowieso schon durch ihre Präsenz im Verkehr, da sich die Wannen an fast jeder Kreuzung mit Blaulicht und sehenswerten Manövern Platz schaffen mussten.
Im Tiergarten fand dann etwas später ungestört ein kleines Picknick statt. Die Polizei musste leider mit ihren Fahrzeugen draußen bleiben und verabschiedete sich an dieser Stelle.

Nach einiger Zeit rafften sich 50 PicknickerInnen nocheinmal zu einer zweiten gemeinsamen Fahrt auf. Mit immerhin noch 50 Leuten (Anmerkung: Hier scheinen sich Ansichten über die Anzahl der RadfahrerInnen zu widersprechen, s.o.) fuhr die leicht geschwächte Masse über das Brandenburger Tor, zwei Ehrenrunden um den Straußberger Platz und die Karl-Marx-Allee runter Richtung Berlin-Friedrichshain und endete
schließlich in der Rigaer Straße. Die Polizei, welche inzwischen wieder Witterung von der Critical Mass, aufgenommen hatte schaffte es trotz Blaulicht nicht durch den entstandenen Stau und blieb die ganze Zeit außer Sichtweite. In der Rigaer angekommen verstärkte die Polizei kurz ihre Präsenz mit 1 Motorad, 2 Einsatzleitern, einem 6pack und einer Wanne.

Eine solidarische kurze Kritik muss an dieser Stelle aber auch sein, so ist es eigentlich nicht im Sinne einer Critical Mass die anderen VerkehrsteilnehmerInnen absichtlich zu beeinträchtigen und um ein Beispiel zu nennen, den Gegenverkehr zu stören. Das Fahren auf der verkehrten Straßenseite an sich sei zwar recht ungefährlich, mit engegenkommenden Autos sieht die Sache allerdings etwas anders aus.
Es blieb zwar insgesamt wie erwartet völlig friedlich, aber Konflikte mit dem motorisierten Verkehr werden durch solche Aktionen erst richtig angeheizt und haben mit Sicherheit im Straßenverkehr wohl nix mehr zu tun.

So wird es wohl am letzten Freitag im nächsten Monat August um 16:00 Uhr am Heinrichplatz wieder heißen: "We aren´t blocking the traffic, we are the traffic!" oder "Celebrate cycling - Reclaim the streets!". Alle RadfahrerInnen oder auch andere unmotorisierte VerkehrsteilnehmerInnen sind freundlich eingeladen teilzunehmen.



Anderer CM-Indy-Artikel zum Freitag:
 http://de.indymedia.org/2007/07/189267.shtml

Allgemeine Infos zu Critical Mass:
 http://critical-mass.info (englischsprachiger Critical Mass Hub)
 http://de.wikipedia.org/wiki/kritische_Masse_(Protestform) (deutschsprachiges Wikipedia, mit weiterführenden Links)
 http://en.wikipedia.org/wiki/Critical_Mass (englischsprachiges Wikipedia, sehr informativer Artikel)

Berlin:
 http://cmberlin.blogsport.de (Berliner Critical Mass Blog)

Andere aktuelle kritische Massen in der BRD:
 http://critical-mass-frankfurt.de (Frankfurt/Main)
 http://critical-mass-trier.de (Trier)

Critical Mass Ereignisse in diesem Jahr in der BRD bei Indy:
 http://de.indymedia.org/2007/05/178563.shtml (Hamburg Proteste gegen G8)
 http://de.indymedia.org/2007/05/178512.shtml (Berlin)
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Ergänzungen

Polizeibericht Freitag

Bulle 28.07.2007 - 23:50
Eingabe: 27.07.2007 - 09:55 Uhr
Papiercontainer in Brand gesetzt
Friedrichshain-Kreuzberg
# 2192

Drei Papiercontainer zündeten Unbekannte heute früh gegen 2 Uhr 20 auf der Fahrbahn der Frankfurter Allee zwischen Frankfurter Tor und Proskauer Straße in Friedrichshain an. Als die alarmierte Feuerwehr und Polizei eintrafen, stand einer der Container vollständig in Flammen. Die beiden anderen wurden leicht beschädigt. Auf der Fahrbahn lag ein Transparent, das darauf schließen lässt, dass es sich bei den Tätern um Angehörige der linken Szene handelt.

Kleine Zusammenstellung zum Carbusting

Metro 29.07.2007 - 01:46
Am Sonntag den 16.07.2007 entdeckten Polizeistreifen und Fahrzeugbesitzer zwischen 5 Uhr 15 und 19 Uhr 40 an insgesamt 21 Autos in Grunewald platte Reifen. An 17 von ihnen, die in verschiedenen Straßen abgestellt waren, wurden Flugblätter gefunden. Auf diesen forderten die Verfasser die Autobesitzer auf, ihre Fahrzeuge stehen zu lassen, um damit einen Beitrag gegen die Klimaerwärmung zu leisten. In allen Fällen wurden Anzeigen wegen Sachbeschädigung aufgenommen. Die Kriminalpolizei ermittelt. Insgesamt sind bei der Berliner Polizei in diesem Zusammenhang bisher etwa 50 Anzeigen eingegangen.

In der vergangenen Nacht zum 21.07.2007 haben erneut Unbekannte die Luft aus den Reifen von insgesamt zehn Fahrzeugen im Bereich Tegel und Wittenau gelassen. Bei den betroffenen Fahrzeugen handelte es sich jeweils um Geländefahrzeuge und Pkw der gehobenen Klasse. An den Tatorten hinterließen die unbekannten Täter wiederum Flugblätter, in denen auf die Belastung des Klimas durch die Benutzung von Fahrzeugen mit hohem Kraftstoffverbrauch hingewiesen wird.

Unbekannte Täter haben am 24.07.2007 in Lankwitz Luft aus den Reifen abgestellter Fahrzeuge gelassen. Am Montagvormittag gegen 10 Uhr stellte der Halter eines im Gluckweg abgestellten „VW Touareg“ einen platten Vorderreifen an seinem Fahrzeug fest. Gegen 14 Uhr bemerkte der Fahrer eines in der Franzstraße geparkten Lkw „Mitsubishi“, dass der hintere linke Reifen keine Luft hatte. An beiden Fahrzeugen wurden Bekennerschreiben gefunden. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

Unbekannte haben am 25.07.2007 früh in Schöneberg drei Reifen eines "Mercedes" zerstochen.
Der 74-jährige Autobesitzer aus Tempelhof hatte den Wagen am Morgen in der Salzburger Straße geparkt. Gegen 8 Uhr 30 bemerkte er die Beschädigungen an seinem Pkw. Außerdem fand er ein Schreiben, in dem auf den Zusammenhang zwischen der Autonutzung und dem Klimawandel aufmerksam gemacht wird.

Unbekannte Täter ließen in der Nacht vom 26.07.2007 an insgesamt acht Autos die Luft aus den Reifen. An allen, in verschiedenen Straßen in Zehlendorf abgestellten Fahrzeugen waren Zettel mit Hinweisen auf den Klimawandel angebracht. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt.

Auch wenn noch keine heiße Spur vorhanden ist, wissen die Ermittler evtl. einiges über die Täter, die mittlerweile bundes- und teilweise gar europaweit agieren, und ordnen dies – obwohl es regionale Unterschiede gibt – der internationalen „Carbuster“-Bewegung zu. Diese Bewegung entstand 1997 im Rahmen einer internationalen Konferenz zum Thema autofreie Städte. „Auf der ganzen Welt schließen sich Menschen zusammen, um gegen die Autokultur, gegen die Übermacht des Autos zu kämpfen“, heißt es in einer Erklärung. Carbuster sei eine „wachsende Bewegung, die sich über nationale und sprachliche Grenzen hinweg zunehmend Gehör verschafft und sich im Kampf gegen die Zerstörung der Erde vereint“.

Das im Jahr 2004 gegründete „World Carfree Network“ will die internationale autofreie Bewegung vereinigen und ausbauen. Alle Gruppen sollen in ihrem „Kampf gegen die Dominanz und Zerstörungswut des Autos“ motiviert werden. Die vierteljährlich erscheinende 32-seitige eigene Zeitschrift und die Internetseite geben „radikale Informationen über autofreie Bewegungen, Taktiken der direkten Aktion, Industriebeobachtung, alternative Transportmöglichkeiten, Illustrationen, gefälschte Anzeigen“ heraus. Die sogenannte Carbusters-Zeitschrift wird nach Angaben der Verfasser in Prag produziert und von einer Gruppe „internationaler AktivistInnen“ koordiniert … welche die Autokultur unserer Gesellschaft kritisiert und positive Alternativen untersucht.“ Mehr noch: Carbusters möchte sowohl eine Informationsquelle wie auch ein Aktionsaufruf sein. Der Inhalt reiche von „konkreten Aktionsideen und den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen über Artikel zu Ökostädten und Autofahren als Droge bis hin zu globalen Kurzmeldungen und Cartoons zur Auto- und Ölindustrie.“ 21 Gruppen finden sich in der BRD, neun davon in Berlin.

Eine starke Bewegung von „Luftablassern“ scheint sich in Frankreich und Belgien etabliert zu haben. Die Gruppen heißen beispielsweise „les falgadas“ in Belgien („falgada“ bedeutet „schlapp sein“) oder „les dégonflés“ in Paris („dégonfler“ bedeutet „abschwellen“ oder auch „die Luft ablassen“).

Siehe auch:
 http://www.welt.de/berlin/article1057696/Klimaschuetzer_lassen_Luft_aus_Autoreifen.html
 http://www.welt.de/berlin/article1057724/Sachbeschaedigung_in_Serie.html
 http://www.welt.de/berlin/article1051861/Radikale_verueben_Anschlaege_auf_Autos.html

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