Protest gegen Polizeigewalt in Rio

Kollektiv gegen Polizeigewalt 25.07.2007 20:23 Themen: Antirassismus Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Panamerikanischen Spiele in Rio - Sonne und Profit für Reiche – Gewalt gegen Arme
Protest vor der brasilianischen Botschaft in Berlin am 24.7
Am 13.7.2007 begannen die panamerikanischen Spiele, die Olympiade Amerikas, in Rio de Janeiro.
Eingeleitet wurde das Spektakel mit anhaltenden Repressionen der brasilianischen Polizei gegen die zivile Bevölkerung in den Armenvierteln Rios.
Unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung besetzten Polizisten Anfang Mai verschiedene Favelas im Norden der Stadt (Complexo do Alemao). Seitdem verloren über 50 Menschen durch Polizeihand ihr Leben. Die Aktionen der Sicherheitskräfte gipfelten am 27.6 in einem regelrechten Massaker mit 19 getöteten Zivilisten. Die Opfer waren zumeist Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahre. Von der Polizei wurden sie als Banditen, die im Schusswechsel mit der Polizei ums Leben kamen, deklariert. Untersuchungen ergaben jedoch, dass einige der Toten Hämatome durch Schläge sowie Messerstiche aufwiesen. Fast alle Opfer starben ausserdem durch Genickschüsse aus kurzer Entfernung.

Exekutionen durch Polizeibeamten sind in Brasilien, vor allem in Rio de Janeiro, nichts Neues. Die Verantwortlichen bewegen sich auf dem sicheren Boden garantierter Straflosigkeit. Die Vorbereitung auf die panamerikanischen Spiele schufen jedoch eine neue Qualität staatlicher Repression.

Einige Menschenrechtsorganisationen (u.a. Justica Global, Amnesty International), sowie zivile Organisationen ( u.a. das Netzwerk gegen Polizeigewalt) fordern aufgrund der Vorfälle im „Complexo do Alemao“ die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Vorfälle. Doch jeder Versuch die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wird von Regierungsseite systematisch blockiert.

Darüberhinaus werden Aktivisten, die auf die Kehrseite der Spiele aufmerksam machen wollen mit Einschüchterungsmassnahmen überzogen. So wurden am Freitag, den 20. Juli, zwei Menschen des Netzwerkes gegen Polizeigewalt festgenommen, weil sie T- Shirts verkauften, auf dem eine Sonne - das Logo der Spiele - als Kopf eines bewaffneten Polizisten zu sehen ist, dazu die Feststellung:
'Panamerican Games, Rio de Janeiro 2007 – Sun and profit for the rich, Violence against the poor.'
Den Verhafteten soll der Prozess gemacht werden, weil sie das Logo der panamerikanischen Spiele missbrauchen würden.
Wir wissen, dass Massenspektakel alias der panamerikanischen Spiele vor allem der Profitmaximierung einiger weniger dienen.
Im Zuge dessen werden autoritäre Sicherheitsmassnahmen vor allem gegen marginalisierte Bevölkerungsschichten durchgesetzt, nicht nur in Brasilien, sondern überall auf der Welt.
Zivile Opfer werden von der brasilianischen Regierung bewusst in Kauf genommen, vor allem wenn sie arm, schwarz und Bewohner von Favelas sind.

Aufgrund der vergangenen Ereignisse in Rio de Janeiro veranstalteten wir am 24.Juli eine Demonstration vor der brasilianischen Botschaft in Berlin.
Die Aktion wurde von FelS/ Dep. Internationale Solidarität, der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und vom schweizer Komitee für Menschenrechte in den Favelas unterstützt.
Im Zuge dessen wurde eine Kommission von einem Vertreter der Botschaft und dem Verantwortlichen für Pressearbeit empfangen. Bei diesem Zusammentreffen überreichten wir ein Dokument mit unseren Forderungen:

die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission bezüglich
der vor kurzem geschehenen Morde in den Favelas des „Complexo de Alemao“.
die Rückname der unsachgemäßen Vorwürfe – Gebrauch des Logos der Spiele - gegen Aktivisten des Netzwerkes gegen Polizeigewalt in Rio.

Die TeilnehmerInnen der Demonstration entschieden sich dafür hier in Europa eine Kampagne ins Leben zu rufen, die weitere Demonstrationen und eine Intensivierung der Unterschriftensammlung „Schluss mit den Massakern“ (s.u.) beinhalten soll:



Schluss mit den Massakern

Wir, die Unterzeichnenden, erachten die Politik der Regierung des Bundesstaates, die in den letzten zwei Monaten in der Favela Morro de Alemao durchgeführt wird mit der Absicht den Drogenhandel zu bekämpfen, als inakzeptabel.

Diese Politik forderte kürzlich mehr als zwanzig Tote, Männer, Frauen und Kinder. Sie missachtet die elementarsten Rechte der Bevölkerung, die Pflicht der Unschuldsvermutung derjenigen, die Zielscheibe der tödlichen Schüsse sind. Sie missachtet ebenso, dass es in Brasilien keine Todesstrafe gibt.
Der fehlende Schutz für die Bevölkerung in den Regionen, die am meisten vom Drogenhandel betroffen sind, impliziert eine Vernichtungspolitik der unbewaffneten Bevölkerung.

Wir solidarisieren uns mit der betroffenen Bevölkerung, die Frieden fordert, weil sie in Sicherheit leben will: weder unter Willkürherrschaft des Drogenhandels noch unter Polizeigewalt. Wenn es sich um einen Krieg handeln würde – wie die staatlichen Behörden immer wieder behaupten - dann müsste zumindest die Genfer Konvention eingehalten werden, die klar unterscheidet zwischen militärischen Zielen und der Zivilbevölkerung. Folglich, selbst angesichts dieser absurden Hypothese, wird ein unterschiedsloser Angriff auf unspezifische Zielscheiben in Regionen, die dicht bevölkert sind, zu einer illegalen und kriminellen Handlung gegen die BewohnerInnen.

Wir äussern ausdrücklich unsere Empörung gegen diese Art der Kriminalitätsbekämfung, die durch die jetzige Regierung praktiziert wird. Die Wahl der Regierung bedeutet nicht, dass sie dazu ermächtigt ist, mittels Waffengewalt über Leben und Tod in den Favelas der städtischen Peripherie zu entscheiden. Vehement protestieren wir und fordern, dass die Regierung sofort ihre Politik einstellt, die wir als Offizialisierung einer Vernichtungspolitik in Rio de Janeiro erachten.
In Bezug auf das bereits geschehene Massaker fordern wir Transparenz: Die Daten über die Opfer müssen veröffentlicht und die Verantwortlichen der Toten und Verletzten durch polizeiliche Operationen müssen untersucht werden. Wir nehmen an, dass das PAN spezielle Sicherheitspläne für die Stadt erfordert. Aber dies rechtfertigt in keiner Weise, dass mehr und mehr organisierte Massaker vorkommen.
(in franz., port., sp., eng. siehe auch: redecontraviolencia.org)
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen