Für Meinungsfreiheit im Baskenland

diverse 25.07.2007 18:03 Themen: Medien Repression
Manifest (kann bis September mitunterzeichnet werden) von ca. hundert JournalistInnen und ProfessorInnen anlässlich des neunten Jahrestages der Schliessung der baskischen Zeitungen Egin" und Egin Irratia auf Anordnung des Entscheidungsrichters Baltasar Garzón - "Nebenbei" verzeichnet der spanische Staat 2007 bereits 37 Tote im überwachten Freiheitszug...
JAHRESTAG DES VERBOTS VON EGIN UND EGIN IRRATIA

Am 15. Juli jährte sich das Verbot der genannten, baskischen Zeitungen zum neunten Mal. 300 spanische Polizeibeamte hatten auf Anordnung Baltasar Garzón´s (zu dessen Lauterkeit siehe auch:  http://de.indymedia.org/2006/02/139196.shtml) die Schliessung der Redaktion erzwungen. Seither ist das Erscheinen von Ausgaben gelähmt und die Einrichtungen von Egin Irratia müssen ständig umziehen. Anlässlich dieses Jahrestages der Zensur haben mehr als hundert JournalistInnen und ProfessorInnen der Informationswissenschaftlichen Fakultät der baskischen Universität UPV eine Erklärung für die Meinungsfreiheit veröffentlicht.

Die VerfasserInnen bringen in ihrem Text ihre Besorgnis hinsichtlich des Urteils im 18/98-Prozess zum Ausdruck und klagen die Schliessung von "Egin" und "Egin Irratia" als einen "schweren Angriff auf die Meinungs.-und Informationsfreiheit an. Desweiteren erinnern sie daran, dass "mit diesem Akt, weiteren und direkt gegen die baskischen Medien gerichteten Aggressionen, Tür und Tor geöffnet wurde". Aggressionen, die wie im Fall von "Euskaldunon Egunkaria" und "Ardi Beltza", unter dem Vorwand, es bestünden Verbindungen zur ETA abgespielt wurden.

Die Unterzeichneten sehen es für unwahrscheinlich an, dass "Egin" und "Egin Irratia" wieder frei arbeiten können, halten es aber für "machbar und notwendig, dass Schritte zur Wiederherstellung der zivilen,- und politischen Rechte sowohl der Beschuldigten wie der "gesamten baskischen Bevölkerung" die im Verlauf des Prozesses verletzt wurden, unternommen werden. Der erste Schritt hierzu, wäre nach Ansicht der VerfasserInnen ein Freispruch.

Gleichzeitig "müsse ein Weg geschaffen werden, dessen Ziel der Frieden und die politische Normalisierung ist, basierend auf der Meinungs,-und Informationsfreiheit und unter Respektierung sämtlicher übrigen Rechte, Denkweisen und politischen Meinungen.

Das Dokument wurde für alle Medienbeschäftigten zur Unterzeichnung freigeschaltet und kann bis Ende September (dann wird "Egin" 30 Jahre alt) unterschrieben an die Adresse:  hemezortzi98@euskalherria.info gesandt werden.
Das Manifest in Spanisch steht auf:  http://www.kaosenlared.net/noticia.php?id_noticia=38424

MANIFIEST

Für die Meinungsfreiheit

Wir, die wir dieses Manifest in unserer Funktion als JournalistInnen unterzeichnen, möchten der Öffentlichkeit unsere Besorgnis über das Urteil im 18/98-Prozess bekunden, insbesondere bezüglich dessen, wovon wir direkt betroffen sind, nämlich in Hinsicht auf die Meinungs,-und Informationsfreiheit, aber auch was die Bedeutung des Urteils für andere zivile,- und politische Rechte in Euskal Herria anbelangt.

1. Die Schliessung von Egin und Egin Irratia stellte einen schweren Angriff auf die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information dar, dessen Auswirkungen sich bis zum jetzigen Zeitpunkt hinziehen. Sie schuf die Voraussetzungen für die Kriminalisierung der Denkweisen und Meinungen und öffnete nachfolgenden direkten Agressionen gegen die baskischen Kommunikationsmedien die Tür, wie im Fall von Egunkaria und Ardi Beltza, die in verdeckt Weise beschuldigt wurden, vermeintliche Verbindungen zur ETA zu unterhalten.

2. Die Schliessung wurde im Urteil des 18/98- Prozesses eingeschrieben, der von Anfang an schwere Verletzungen der fundamentalen Rechte aufwies, die im Verlauf der mündlichen Anhörung von gefährlicher Offensichtlichkeit geblieben sind. Dazu zählen fehlende Garantien bei der Ausübung der Rechte der Verteidigung, Zeugenaussagen über Folter, das Fehlen oder Verschwinden von Dokumenten und dieselbe Situation, die dutzende Personen in Prozessen seit neun Jahren erleiden und die durch die Prozessumstände verschlimmert wird.

3. Die Meinungsfreiheit von Egin und Egin Irratia wird nicht wiederhergestellt werden können, aber mit Sicherheit ist es notwendig und möglich, die zivilen,-und politischen Rechte die durch diesen Prozess verletzt wurden und von deren Verletzung die Angeklagten und die gesamte baskische Bevölkerung betroffen sind, wiederzuherstellen. Es muss viel getan werden und ein Freispruch wäre der erste Schritt. Ein strafendes Urteil würde im Gegenteil, die den Rechten und zivilen,-und politischen Freiheiten in unserem Land vom Nationalen Gerichtshof auferlegten Einschränkungen bestärken und ausserdem den irreparablen Schaden an zwei Kommunikationsmedien Bekräftigung verleihen.

4. Es ist notwendig, über die Konjunkturen hinaus, einen Weg bis hin zum Frieden und einer politischen Normalisierung zu schaffen, basierend auf der Respektierung sämtlicher übrigen Rechte, darunter die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information, sowie auf der Respektierung aller Denkweisen und politischen Meinungen. Wir verstehen den 18/98-Prozess als Repräsentation einer Behinderung dieses Weges und reklamieren deshalb, dass das Urteil ein Freispruch sein muss.

5. Unsererseits verpflichte ich mich/verpflichten wir uns der Verteidigung der Meinungs,-und Informationsfreiheit und fordere/fordern das Recht für die gesamte Bevölkerung die Kommunikationsmedien zu schaffen und zu unterhalten, die ihrer politischen Pluralität und Soziologie entsprechen.

( Quelle:  http://www.kaosenlared.net/noticia.php?id_noticia=38424 )
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BEREITS 37 PERSONEN STARBEN IM STAAT SPANIEN IN DIESEM JAHR UNTER FREIHEITSENTZUG

Für das laufenden Jahr 2007 gibt es die Nachricht von 37 Toten, die unter Bewachung oder im Verlauf polizeilicher Operationen ums Leben gekommen sind: Die letzte Person am 19. Juli auf dem Provinzkomissariat von Málaga.
Damit beläuft sich die Zahl der seit dem 01. Januar 2001 bekannt geworden Todesfälle auf 480.

TOTE WÄHREND UND NACH VERHAFTUNGEN DURCH BEAMTE DER FSE’s, (spanischen Sicherheitskräfte ) 2007

- 13. Januar: F.J.V.O., 41 Jahre, wird in einer Zelle des Komissariats der Nationalpolizei in der Calle (Strasse) Blas Infante in Sevilla erstickt aufgefunden
- 22. Januar: Y.B., 22 Jahre, stirbt während seiner Festnahme durch die Mossos d’Esquadra in Reus (Tarragona)
- 16. März: A.L.N., stirbt an Bewusstlosigkeit als er sich nach seiner Verhaftung im Gericht von Marbella (Málaga) befindet, unter Bewachung von Beamten der Nationalpolizei
- 31. März : Ein 44 jähriger Mann stirbt nach seiner Verhaftung in der Kaserne der Guardia Civil von Santa Cruz de la Palma
- 15. April: J.M.V.Q., 26, wird in einer Zelle des Komissariats der Nationalpolizei in Puerto de Santa María (Cádiz) erstickt aufgefunden
- 25. April: Ein 40 Jähriger wird in den Verliesen des Provinzgerichts von Málaga erstickt aufgefunden
- 03. Mai: Der 33 jährige, geistig behinderte J.A.AC. kommt durch Schüsse von Beamten der Mossos d`Escuadra in Malgrat de Maret (Barcelona) ums Leben. Sein Vater wird schwerverletzt
- 21. Mai: S.C.G., 22 Jahre, stirbt während der Verlegung in einem Fahrzeug der Mossos d’Esquadra in Badalona (Barcelona)
- 28. Mai: Ein Mann wird tot in den Zellen des Komissariats der Nationalpolizei von Benidorm (Alicante) aufgefunden
- 01. Juni: Ein 34 jähriger Nigerianer kommt im Verlauf des Prozedere zur Identifikation durch die Beamten der CNO, beim Sturz aus einem Fenster im 8. Stock ums Leben
- 09. Juni: Osamuyia A, 23, stribt in dem Flugzeug, mit dem er nach Nigeria deportiert werden soll
- 10. Juni: Ein Mann aus dem Magreb stirbt, nachdem er von Überwachungsdienst des Zolls an der Küste von Alicante von Bord eines Schiffes geholt worden war, an den Folgen eines Herzinfarkts
- 13. Juni: R.R.P. 26, stirbt in einer Zelle des Reviers der Guardia Civil in dem zu Sevilla gehörenden Ort Dos Hermanas
- 18. Juni: Ein Rumäne stirbt, nach einem Sprung ins Leere aus der Generaldirektion der Justizpolizei in Madrid
- 20. Juni: Ein 44 Jähriger stirbt nach seiner Festnahme in den Zellen der polizeilichen Oberpräfektur von Zaragoza
- 26. Juni: A.G.V., ein 27 jähriger Bolivianer wird erstickt im Kerker des Komissariats der Lokalpolizei von Huércal-Overa (Almería) aufgefunden
- 02. Juli: Ein Litauer stirbt nachdem er von einem Schuss eines Lokalpolizisten in Ceutí (Murcia) getroffen wurde
- 19. Juli: Der 40 jährige A.M.C. wird tot in der Zelle des Provinzkomissariats von Málaga aufgefunden

TOTE INNERHALB DER GEFÄNGNISSE 2007

- 19. Januar: Ein erstickter Gefangener im Gefängnis von Picassent (Valencia)
- 19. Januar: A.V., 28 Jahre, stirbt im Gefängnis von El Dueso (Cantabria)
- 19. Januar: S.C.R wird erhängt im Gefängnis Quatre Camins (Barcelona)
aufgefunden
- 06. Februar: M.S.L stirbt im Gefängnis von Picassent (Valencia)
- 10.Februar: Ein 38jähriger Gefangener sirbt im Gefängnis la Oca (Álava)
- 18. Februar: Der 53 jährige S.T. begeht Selbstmord nachdem ihm der beantragte
Straferlass verweigert wurde und er zurück in Haft beordert wird
- 26. Februar: A.Z.L., 28, stirbt im Gefängnis von Puerto Santa María II (Cádiz)
- 06. April: A.J.B.M.,35, stirbt im Gefängnis von Jaén
- 07. April: D.R.A.,24, stirbt im Gefängnis El Acebuche (Almería)
- 10. April: J.C.V.P.,23, stirbt im Gefängnis von Jaén
- 10. April: E.L.M.,40, stirbt im Gefängnis von Perogordo (Segovia)
- 22. April: A.G.R.,39, stirbt im Gefängnis Modelo in Barcelona
- 26. April: Heidi stirbt im Gefängnis Soto del Real (Madrid).
- 11. Mai: Ein Gefangener aus dem Gefängnis von Palma de Mallorca stirbt
eine Stunde nach seiner Verlegung im Hospital von Son Dureta
- 28. Mai: J.D.V. wird erstickt in seiner Zelle im Gefängnis von Albolote
(Granada) aufgefunden
- 02.Juni: Ein männlicher Gefangener stirbt im Gefängnis von Brians
(Barcelona)

TOTE IN JUGENDSTRAFANSTALTEN 2007

- 30. März: Ein neunzehjähriger Jugendlicher stirbt im Zentrum für Jugendliche
von Villena (Alicante)
- 25. April: J.B., 18, stirbt in der Jugendhaftanstalt La Montañeta (Gran Canaria)
- 07. Mai: Der 12 jährige David wird tot im Zentrum für Jugendliche Baix
Vinalopó, Elche (Alicante) aufgefunden

WEITERE DATEN

Das Info "Tote unter Bewachung des spanischen Staats 2001-2004" der Koordination der Solidarität mit gefangenen Personen, benennt die Fälle von 262 Personen, die zwischen 2001 - 2004 unter Freiheitsentzug ums Leben kamen.
 http://www.coordinadoradebarrios.org/documentos/Muertes%20Bajo%20Custodia%202001-2004.pdf
Das Info der Koordination für Folterprävention nennt in seinem enstprechenden Dokument "Folter im Staat Spanien", 66 solcher Fälle im Jahr2005.
 http://www.prevenciontortura.org/informe2005/Informe2005.pdf
Im Verlauf des Jahres 2006 starben mindestens 115 Personen als sie sich unter der Bewachung und in den Händen der spanischen Polizei oder der Haftinstitutionen befanden.
 http://www.nodo50.org/tortura/spip/article.php3?id_article=1377

Jahr 2001- 2004 : 262 Tote
Jahr 2005: 66 Tote
Jahr 2006: 117 Tote
Jahr 2007: 37 Tote (Januar bis Juli)
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Insgesamt 480 Tote

Von den bislang 37 Toten des Jahres 2007 entfallen zusammengefasst, 9 auf die Policía Nacional; 3 auf die Guardia Civil; 2 auf die Policía Local; keine auf die baskische Ertzaintza; 3 auf die katalanischen Mossos d’Esquadra; 1 auf den Zollüberwachungsdienst (Servicio de Vigilancia Aduanera); 16 Personen starben in Gefängnissen und drei in Jugendhaftanstalten.

(Quelle:  http://www.nodo50.org/tortura/spip/article.php3?id_article=5421)

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Ergänzungen

Ein paar Hinweise

Ralf 26.07.2007 - 10:45
Wer etwas verstehen will, warum das so wichtig ist, sich für die Pressefreiheit einzusetzen und den spanischen Nationalisten und Monarchisten in die Suppe zu spucken, sollte sich hier das  http://de.indymedia.org/2007/07/188882.shtml und die Anmerkungen anschauen. Inzwischen, nachdem Spanien die Schließungen von baskischen Medien als "normal" durchgesetzt hat, kommen nämlich auch die fortschrittlicheren schwachen Bewegungen im spanischen Staat dran, wie die Repression gegen die Satirezeitschrift ja deutlich zeigtl

Ansonsten empfehle ich deutschen Linken mal das Buch von Moishe Postone: Deutschland und die Linke, um sich über Nationalismus differenziert auseinander zu setzen. Denn nur weil der deutschen Nationalismus immer reaktionär war, sind es nicht alle. "Man kann nicht einfach "deutsch" sein und vorgeben, nicht zu wissen, daß der moderne deutsche Nationalismus - im Gegensatz zur Situation in vieler anderer Länder - immer reaktionär gewesen ist." So verteidigt er auch den Nationalismus der Palästinenser: "Ihr Nationalismus ist total verständlich, nicht nur moralisch, sondern auch materiell. Welche andere Haltung wäre denn möglich für Menschen, die vertrieben wurden" (...) "Die permanent das Ziel brutaler israelischer Angriffe waren und von arabischen Staaten, in deren Konflikten untereinander als Spielball benutzt wurden? Natürlich wollen sie ihr Land zurück. Das ganze."
Zum Teil kann das auch auf die Basken übertragen werden.
Gleichwohl warnt er die Linke auch, die unfähig ist, ihre Politik auf einer "Analyse und Einschätzung der Situation zu machen und zu einer kritischen Unterstützung" solcher Bewegungen zu kommen, "die ein andauernder politischer Lernprozess bedeuten würde. Statt dessen gibt es die oft unkritische Identifizierung mit solchen Bewegungen. " Die, wenn man sie nicht mit offenen Augen sieht, kann man später enttäuscht oder desillusioniert sein, Beispiele gibt es dafür ja genug "ohne irgendwas gelernt zu haben. Statt dessen wird das nächste Identifikationsobjekt ausgesucht". Damit wird das aufgegeben, was Linke eigentlich ausmacht: "unsere kritischen Reflektionen von unseren eigenen Erfahrungen und ihre Vermittlung zu der Gesellschaft in der wir leben". Das hat die deutsche Linke, aus dem Konflikt mit ihrer eigenen Vergangenheit und dem NS sowieso weitgehen aufgegeben.
Um nochmal mit dem Professor für europäische Geisteswissenschaften (der selbst in Frankfurt in den 70ern und 80ern studiert hat, bevor er in die USA zurückging) zu sprechen: "Die Linke hat zu oft das Muster vorherrschender deutscher Einstellungen, das zurückzuweisen sie angetreten war, reproduziert". Das gilt auch für die Beurteilung anderer Bewegungen, die, ohne sie zu kennen, heute oft (aus einer bescheidenen Analyse des deutschen Nationalismus) über dieses Totschlagargument verdammt werden. Die Beiträge zum Baskenland auf Indymedia sprechen für die beiden hier dargestellten Muster ja Bände dazu.

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