Spanien: ImmigrantInnen vertrieben

diverse 22.07.2007 18:51 Themen: Antirassismus Weltweit
Jahrelang lebten mehr als 150 Immigrantinnen unter einer Brücke in der Stadt Valencia. Gemeinsam mit UnterstützerInnen kämpften sie um die Schaffung würdigen Wohnraums. Am vergangenen Dienstag hat die Stadtverwaltung geräumt....
Nicht genug, dass aus der "flüssigen Grenzmaterie" Mittelmeer ständig Leichen gefischt werden (erst vor wenigen Tagen sind erneut 50 Personen ertrunken), auch wer im Abschottungsstaat Spanien als nichtverwertbares Humankapital gestrandet ist, wird nachhaltig weggeräumt...
Vorgeschichte siehe:  http://de.indymedia.org/2007/05/177747.shtml.

BARBERA VERTREIBT DIE IMMIGRANTEN/TINNEN VOM FLUSS UND SPERRT DIE BRÜCKE AB UM IHRE RÜCKKEHR ZU VERHINDERN
von: Jaime Prats - Valencia - 17.Juli 2007

Gestern liess die Stadtverwaltung Hunderte der ImmigrantInnen, die unter der Ademuz-Brücke gelagert hatten, vertreiben und zäunte die Zone ein, um zu verhindern, dass die "Schande von Valencia" (Titel eines Videos hierüber, unter:  http://de.indymedia.org/2007/05/177747.shtml.) sich womöglich weiter fortsetzt. Gleich in den ersten Morgenstunden wurden die aus aller "Herren"-Länder stammenden Menschen von Gemeindefunktionären aufgefordert, ihre Sachen zusammenzupacken und in angebotene Unterkünfte für Obdachlose zu gehen. Städtisches Reinigungspersonal räumte indessen die Reste der "Belagerung" weg. Ungefär 26 Personen nahmen das Angebot der Sozialen Dienste an. Die Übrigen blieben im Park Jardín del Turia. Die NGO´s fordern von der Stadt Valencia - und zwar bereits seit mehrern Jahren - die Schaffung einer dauerhaften Unterkunft.

"Bitte lassen Sie mir einen Tag Zeit damit ich meine Lage klären und meine Sachen zusammenräumen kann", so Ana, eine 46 jährige Spanierin. Sie lebte in einem improvisierten "Haus" aus 1 m hohen Kartonwänden, das sie mit Óscar, einem 29 jährigen Belgier islamischer Herkunft geteilt hat. Zwei von Hunderten die unter Brücke von Ademúz Schutz und Unterkunft gesucht hatten. Anfänglich waren die meisten der ImmigrantInnen SchwarzafrikanerInnen; mit der Zeit stellten sie nur noch 30 Personen der insgesamten BewohnerInnen des autonomen Lagers; der Rest stammte aus Algerien, Marokko, Bulgarien, der Ukraine und Pakistan, aber auch aus Spanien selbst. Die Heterogenität ihres Ursprungs vermischte sich mit den vielfältigen Problemen der Leute: von Papierlosen (sin papeles) mit Hoffnung auf einen Job bis hin zu sporadisch Anwesenden mit Alkohohlproblemen, die in chronischer Marginalisierung leben.

Nach einem gescheiterten Räumungsversuch hat nun am Dienstag die Stadtverwaltung beschlossen, soziale Maßnahmen mit polizeilichen zu kombinieren. Nach der Offerte, in Aufnahmezentren unterzukommen und der Aktion der Reinigungstruppe, erschien die Polizei und verhinderte, dass die ImmigrantInnen und NGO´s die Zone des Flusstals blockierten. Diejenigen nämlich, die es vorzogen in den Jardín del Turia umzusiedeln, reklamierten dass die angebotenen Unterkünfte nur auf Zeit sind. Ein Algerier konnte sogar ein diesbezügliches Dokument vorweisen. "Eine dauerhafte Aufenthaltseinrichtung ist die einzige Lösung wenn die ImmigrantInnen nicht erneut in diese Situation der Schutzlosigkeit geraten sollen!", beharren die NGO´s auf ihrer Forderung.
 http://www.elpais.com/articulo/Comunidad/Valenciana/Barbera/desaloja/inmigrantes/rio/valla/puente/vuelvan/elpepuespval/20070717elpval_3/Tes

Bericht von UnterstützerInnen

SÄUBERUNGSAKTION AM FLUSS

Am Montag (15.07.07) begannen E-Mails einzugehen, die berichteten, dass die Ortspolizei und Reinigungsleute ohne vorherige Ankündigung um 8:30 a.m. bei der Ademuz-Brücke aufgetaucht waren, die Leute mit Tritten aufweckten und die Sachen, derer, die nicht reagierten, umherwarfen. Bei dem, was sie als "saubermachen" bezeichneten, landeten auch Kleidung, Lebensmittel und Dokumente unwiederbringlich auf dem Müll (sieben junge Männer sind seither ohne Papiere) ... Es hiess, es würden Plätze in Obdachlosenunterkünften angeboten. Auf die Frage der Vertriebenen Wo?, Wer sagt das?, was für Bedingungen?, gaben jedoch weder die Säuberungtruppe noch die Polizei, die "nur ihre Arbeit taten", eine Antwort.

Viele Kommunikationsmedien filmten in einem Akt der Präpotenz die ImmigrantInnen, ohne sie zu fragen und ohne ihnen die Gelegenheit zu einer Stellungsnahme zu geben... Jemand der/die unter der Brücke gelebt hat, würde mit seiner Sichtweise die Realität zum Ausdruck bringen. Dies ging die ganzen drei Tage, welche die Räumung dauerte, so. Die Mehrheit der Betroffenen wies die Kameras zurück. Seit zwei Jahren fordern sie ein Aufnahmezentrum, Papiere und/oder dass man sie arbeiten lässt, ohne dass sie von der Polizei gejagt werden. ( Die Betroffenen leben von ihrer Kreativität und verkaufen u.a. Brillen, Schmuck und Orangen; arbeiten auf Parkplätzen und als ErntehelferInnen...). Manche schämten sich auch, dass ihre Familien sie im Fernsehen sehen könnten oder hatten Angst, weil sie keine Papiere besitzen.

Ein besonders realitätserhellender Moment war, als ein junger Araber bei einem Gespräch ein Papier hervorzog, das ihm in einem Aufnahmezentrum ausgehändigt worden war. In diesem stand, er könne 14 Tage lang dort, im Stadtteil Nazareth, bleiben. In diesen zwei Wochen würde man seine Situation klären und sehen, was weiter mit ihm passieren soll. "Lügen", erklärte der Junge, denn nach diesem Zeitraum wurde ich auf die Strasse gestellt, mit nichts". Die Kopie dieses Dokuments ging zwar durch die Medien, ohne dass jedoch diese aus der Distanz fähig waren/sind, die Realität zu veranschaulichen: permenate jeder Art von extremem Klima widerstehen zu müssen; rassistische Angriffe; Angriffe seitens der Polizei; Stress... Stattdessen erreichten die Medien was sie gewollt hatten: Ein sensationalistisches Bild oder Zeugnis von 10 Min. Länge, das eine "Realität" suggeriert, in der sich etwas ändert und die Situation verbessert wird. (Zumindest aber haben sie ihre Chefs zufriedengestellt).

Gegen 17 Uhr nach der Säuberungsaktion, als die Leute an den Ort zurückkehrten, ergriff sie ohne weitere Erläuterung die Polizei, verlud sie und räumte die Brücke. Die ImmigrantInnen wurden in einem Tal ausgesetzt. Erwachsene Männer, Jugendliche und Frauen verschiedener Rassen und Kulturen wurden gewaltsam von den Fahrzeugen gestossen und hinausgeworfen.Die Leute von Brücke schliefen in dieser Nacht unter dem Sternenhimmel, während die Brücke von der Polizei bewacht wurde und auf ihr und an ihr entlang Patroullien marschierten. Die Leute haben in würdiger und solidarischer Weise und einer familiären Atmosphäre Widerstand geleistet.

Am folgenden Tag trafen sich die Wenigen, die mit den Leuten vom Fluss solidarisch sind, um auf dem Rathausplatz zu demonstrieren. In diesem Moment kamen die Polizei und ein Lastwagen mit einer Reinungstruppe zum Fluss zurück und nützte aus, dass Einige beschäftigt waren und andere Angst hatten zu protestieren; sie sammelten die Sachen derjenigen ein, die in der Nähe geschlafen hatten und warfen auch diese auf den Müll.

Am Mittwoch gegen 7:00 morgens tauchten ohne weitere Erklärung und ohne Medien die Polizei erneut auf und warf ausnahmslos sämtliche Habseligkeiten der Leute auf den Müll. Dann wurde mit Gerätschaften alles was sich unter der abgezäunten Brücke befand, vollends zerstört. Um die Mittagszeit wurden dann im Aufnahmelager CAI, in c/ pozo del Barrio (Stadtteil) del Carmen, die famosen Plätze, von denen in den Medien gesprochen worden war, eingefordert. Entgegen deren Rede hiess es jedoch dort, dass man diejenigen, die akzeptieren, für 14 Tage in einer Pension unterbringen würde, weil es keine freien Plätze gäbe..

Nach Ablauf dieser zwei Wochen werden die Leute, als einzigem Raum der ihnen bleibt, erneut auf der Strasse stehen. Das Problem wurde nicht gelöst sondern hat schlicht das Leben der betroffenen Personen noch mehr verkompliziert. Gleichzeitig geht der Widerstand weiter. Viele sind ausgewiesen worden, andere organisieren das Überleben. Das Panorama ist desolat: Die übrigen Leute in ihren Häuser haben die Regierenden gehört und deshalb ein ruhiges Gewissen "man hat ihnen ja Plätze in Aufnahmezentren und professionelle Hilfen angeboten"; das ist, was Valencia offiziell zu hören bekam.

Quelle und zugleich viele Photos und Video:

Video auch auf Youtube:
 http://joseluisredon.wordpress.com/

freie Überstzung: tierr@

"Nebenbei" bemerkt, sind in den Internierungslagern "für" ImmigrantInnen in den USA, 62 Personen ums Leben gekommen. Diese Zentren, in denen die Menschen daruf wartet, wie über ihre Situation entschieden wird, gelten als Pseudogefängnisse. Die Information über die Toten stammt von Norma Martínez, Mitglied des Radiokollektivs Völker ohne Grenzen des Pazifistischen Radios in den USA und steht (auch als Audio ) unter:
 http://www.masvoces.org/spip.php?article1059

Zum "Thema" siehe auch:

Apartheid ist "ein warmes Bett"
 http://de.indymedia.org/2007/01/167253.shtml

Marokko: Sterben ohne Ende?
 http://de.indymedia.org/2007/01/165576.shtml
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Ergänzungen