Altstadtlauf in Göttingen mit schwarzem Block

weg mit 129 19.07.2007 00:02 Themen: Repression
Am Mittwoch fand in Göttingen der jährliche Altstadtlauf statt. Diesmal eine Premiere: der schwarze Block lief mit. Um auf die Repression vor und während des G8-Gipfels und die weiteren Verschärfungen aufmerksam zu machen, lief der Schwarze Block unter dem Motto „Wir sind alle 129a“ diesmal mit.
Vor Startbeginn noch ein ganz kleines Grüppchen, stießen schnell noch weitere Vermummte dazu. Die Gruppe von circa 20 Autonomen bildete zwar das Schlußlicht der LäuferInnengruppe, war aber keines, sondern eher das diesjährige Highlight des Göttinger Altstadtlaufs. Mit der Parole „Wir sind alle 129a!“ wurden während des Laufens Flugblätter verteilt. Beim Zieleinlauf wurde außerdem ein schönes Transpi entfaltet und nochmals lauthals Parolen gerufen.
Fazit: es hat auf jeden Fall ne Menge Spass gemacht. Und Flugblätter wurden auch ne Menge verteilt.
Im nächsten Jahr laufen wir wieder mit – oder?

hier noch der text von dem Flugblatt:

Seien Sie vorsichtig, wenn Sie das Flugblatt lesen – es könnte explodieren,
denn es ist von Göttinger Autonomen geschrieben.
Wie die BildZeitung uns erklärt hat, sind wir kein Verein und es gibt keine Anführer. „Alle sind gleichberechtigt, daher auch der Begriff Autonome. Jeder entscheidet, wie weit er geht.“ Auf Demos bilden wir Ketten und schotten uns mit Transparenten ab. Unsere Kleidung ist schwarz, mit „Palästinensertüchern“ schützen wir uns vor Tränengas und vor einer Identifizierung durch die Bullen, die laut Bild nur „Bullenschweine“ im autonomen Jargon heißen. Unser Feind ist der Staat und wir sind fast alle linksradikal. Den Staat bekämpfen wir mit Flaschen, Steinen und Knüppeln (also passen Sie auf, bevor Sie weiterlesen). Vor den Schlagstöcken der Polizei schützen wir uns mit Lederhandschuhen und Knieschonern. Unser Kodex laut Bild: „Niemand soll zurückbleiben.“ Unser Ziel: „Sie wollen der Stachel im Fleisch der Gesellschaft sein.“
DANKE BILD; DASS DU UNS SO SCHÖN ERKLÄRT HAST! Nur die Palästinensertücher sind schon lange völlig out, und das aus gutem Grund. Da hinkt die Bild mit ihrem Wissen Jahrzehnte hinterher.
Da die Autonomen, wie Bild nun erklärt hat, ja so gefährlich und kriminell sind, muss der Staat, bzw. die Polizei selbstverständlich aufrüsten. Schlagstöcke (die Tonfa im Polizeijargon) und Tränengas oder Wasserwerfer reichen nicht mehr aus, um uns zu verletzen. Gummigeschosse sind gefordert und der Elektroschocker. Dass diese Waffen schwerste Verletzungen verursachen, das interessiert die Polizei gar nicht.
Eines der beliebtesten Mittel um uns zu kriminalisieren ist der Paragraph 129a – die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Eine terroristische Vereinigung ist mensch ab 3 Personen. Manchmal haben die Ermittlungsbehörden Schwierigkeiten, auch drei Personen zu finden. Aber dank der ausufernden Befugnisse im Rahmen des 129a (Telefon- und Raumüberwachung, Einsatz von verdeckten Ermittlern und Durchsuchungen) werden in der Regel viel, viel mehr Menschen bespitzelt, und so finden sich meist doch noch welche.
Können Sie sich noch an die Ermittlungen gegen die Autonome Antifa (M) in den 90er Jahren erinnern? Insgesamt standen über 600 Personen im Fadenkreuz der Ermittler. 13.929 Telefongespräche wurden abgehört. Für die Beschuldigten und ihr soziales Umfeld gibt es keine geschützte Privatsphäre mehr. Aber - nur zwei Prozent aller eingeleiteten Verfahren endeten bisher mit einer Verurteilung. Auch das Göttinger Verfahren endete mit Freispruch
Und auch im Vorfeld des G8-Gipfels hat die Polizei auf dieser rechtlichen Grundlage jede Menge Hausdurchsuchungen durchgeführt. Ohne konkreten Verdacht, geschweige denn irgendwelcher Beweise, wurden mehr als 40 Wohnungen oder Läden durchsucht und alles mögliche beschlagnahmt.
Es geht nicht um die Aufklärung von Straftaten, sondern um die Durchleuchtung und Kriminalisierung von allem, was sich gegen die Herrschende Ordnung bewegt
Dafür hat es zwar jede Menge Kritik an der Polizei gegeben, aber das stört die Polizei ja wenig. Die hatte was sie wollte – jede Menge Material zum auswerten, auch wenn es wenig bis gar nix bringt. Aber auch hier soll ja aufgerüstet werden. Bis die Online-Durchsuchung kommt, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Aber zurück zur terroristischen Vereinigung. Auch die reicht jetzt nicht mehr aus. Der Paragraph 129 soll um c und d erweitert werden. Weil es manchmal so schwierig ist, drei Personen zu finden, die sich für eine Anklage eignen, soll jetzt eine Person schon ausreichen bzw. lose agierende Netzwerke (vielleicht 2x2?). Und zwar nicht für etwa begangene Straftaten, sondern für sogenannte Vorfeldhandlungen, wie etwa die Verbreitung von Bombenanleitungen im Internet oder das Sammeln von Finanzmitteln für Anschläge. Wohlgermerkt: hier wird eine Strafe eingeführt, für nicht begangene Straftaten. Begründet wird dies natürlich mit der ausländischen terroristischen Gefahr, wie so viele andere Verschärfungen auch. Aber ist das ganze erst mal eingeführt, werden diese Gesetze – wie immer – auch auf andere Gruppen angewandt, wie z.Bsp. auf Autonome.
Die Polizei bekommt immer mehr Befugnisse, als ob sie nicht schon genug davon hätten. Und wer Macht bekommt, benutzt sie auch, auch das wissen wir. Die Hausdurchsuchungen vor dem G8_Gipfel waren nur ein Vorgeschmack davon. Mehr davon bekamen viele DemonstrantInnen zu spüren. Der Republikanische Anwaltsverein hat viele polizeiliche Übergriffe dokumentiert. Die reichen von Misshandlungen bei der Festnahme über Tötungsandrohungen bis hin zu sexistischen Äußerungen und Übergriffen durch PolizeibeamtInnen.
Bei Kontrollen an einer S-Bahn Station nahe dem Camp Rostock Fischereihafen griffen Polizeibeamte Frauen in den Schritt und machten dabei anstößige Geräusche. Darüber hinaus mussten sich mehrere Frauen bei Kontrollen vor männlichen Beamten ausziehen.
Einem Ingewahrsamgenommenen wurde bei der Festnahme ein T-Shirt über den Kopf gezogen und im Nacken verknotet, so dass er nicht mehr sehen konnte. Er wurde gefesselt und mehrmals mit dem Kopf auf den Boden geschlagen.
Das sind nur ganz wenige Beispiele. Aber sowas interessiert die BildZeitung nicht so sehr, wie Steine werfende Autonome. Womit wir wieder am Anfang wären.
Liebe LeserInnen, wir hoffen, dieses Flugblatt hat Sie tatsächlich vergiftet, es ist nämlich ihr Gehirn, das wir in Wahrheit infiltrieren wollen. Und dafür ist uns jedes Gift recht.
BILD DIR DEINE MEINUNG!
Wir sind alle 129a!
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Ergänzungen

129c

muss weg 19.07.2007 - 22:08
hier ein taz-artikel zur verschärftung des § 129

Auch Einzeltäter schon im Vorfeld bestrafen
Innenminister Schäuble (CDU) und Justizministerin Zypries (SPD) tüfteln an neuem Anti-Terror-Strafrecht
KARLSRUHE taz Innen- und Justizministerium planen eine Verschärfung der Anti-Terror-Gesetzgebung, um islamistische Einzeltäter und lose terroristische Netzwerke schon im Vorfeld von Taten bestrafen zu können. Das Strafgesetzbuch soll deshalb um zwei neue Paragraphen, 129c und 129d, ergänzt werden. Vermutlich werden sie so formuliert sein, dass auch linksradikale Einzeltäter und lose Netzwerke erfasst werden.

Der klassische Anti-Terror-Paragraph 129a erfasst terroristische Vereinigungen mit fester Mitgliedschaft, die auf Dauer angelegt sind, um Anschläge zu begehen. Die Organisation muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. Natürlich hatte der Bundestag die RAF vor Augen, als der Paragraf 1976 eingeführt wurde. Sobald jemand Mitglied in der Terrorgruppe wurde, konnte die Strafverfolgung einsetzen, auch wenn noch keine konkrete Straftat begangen wurde. Die Strafbarkeit wurde quasi vorverlagert.

Islamistische Terroristen agieren dagegen in losen Netzwerken, die sich nur für einen Anschlag zusammentun. Die Kofferbomber von Nordrhein-Westfalen waren vermutlich nur zu zweit. Da sie einen konkreten Anschlag versucht hatten, ist die Strafbarkeit hier kein Problem. Anders war es aber bei Ihsan Garnoui, einem Tunesier aus Berlin. Er konnte nur wegen kleinerer Delikte wie unerlaubtem Waffenbesitz verurteilt werden, weil ihm weder eine Gruppenmitgliedschaft noch eine unmittelbare Anschlagsvorbereitung nachgewiesen werden konnte.

Für solche Fälle sollen nun auch bloße Vorfeldhandlungen von Einzelpersonen bestraft werden, berichtet die Welt, etwa das Sammeln von Finanzmitteln für Anschläge, das Beschaffen von Sprengstoff oder die Verbreitung von Bombenanleitungen im Internet. Genaueres ist noch nicht bekannt.

Es liegt aber auf der Hand, dass gerade eine diffuse linksradikale Szene von solchen Strafvorschriften ebenfalls betroffen wäre. Das gestrige Beispiel von Hamburg zeigt, dass die Konstruktion fester terroristischer Vereinigungen dort mitunter relativ willkürlich ist.

Außerdem könnten auch rechtsradikale Netzwerke und potenzielle Einzeltäter künftig schon im Vorfeld konkreter Taten bestraft werden. CHR

taz Nr. 8271 vom 10.5.2007

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Wunderbar — Derderimmerdaist

null — nichtig

passage palästinensertuch — undogmatisch

Ist dir kalt? — ...

Dies und das — Antifa

T-Shirts — Hannoveraner

ohje — kein plan

@kein plan — jo

@ kein plan — ...

T-Shirts — Antifa

Palitücher rocken! — Jassir

palituch — dumdidadum

sehr gute aktion — antifa

@autonome — selber

coole aktion — kloputzer

Senf — dazu

Palitücher? — Peschmerga

wir sind alle black *block — ist ausgefüllt

129 c, d — Aridela

T-Shirts — Rowi

Palitücher — Aridela

Und wenn... — ...

§ 129a — Dein Name