Genf: Besetztes Haus geräumt

Infokiosk 16.07.2007 00:27 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Am 11-07-2007 um 10 Uhr hat die Polizei das Squat "La Tour" in Genf umzingelt, der Vorwand ... eine Personenkontrolle!

Das besetze Haus "La Tour" ist im Dezember 2001 wieder besetzt worden (nach einer ersten Besetzung von 8 Jahren). Seit Beginn war es nicht nur ein Lebensort, sondern auch ein Ort mit vielen Aktivitäten und Übergang. Nach der Umstellung durch die Polizei wurde das besetzte Haus geräumt. Dies ist der jüngste repressive Schlag gegen selbverwaltete Räume in der Schweiz. Es gab dort unter anderem eine selbstverwaltete Kinderkrippe, einen Konzertsaal, ein Studio, einen Photoraum, einen Saal (für Theater, Sport, Film, Tanz, Bandraum), einen Infokiosk, einen Schlafraum für Leute auf Durchreise und nun auch eine Serigraphiewerkstatt...
Hintergrund

Seit dem Ende des letzten Jahres will der neue Eigentümer das Gebäude wieder haben, um es zu renovieren und Geld zu scheffeln. Die BewohnerInnen wollen natürlich nicht weggehen, darum haben sie von den Bullen ein Räumungsverfahren verlangt. Aber seit einem Urteil zugunsten des "Rhino" ist es schwieriger ein besetztes Haus zu räumen, jedenfalls kann es viel Zeit in Anspruch nehmen und eine lange juristische Auseinandersetzung geben. Der Staatsanwalt Zappelli hat die Klage abgewiesen und will an ihrer Stelle das Verfahren mit politischen Entscheiden ändern. Da das nicht funktionierte, werden neue Methoden ausprobiert, um die BewohnerInnen zu kriminalisieren und zu räumen.

Die erste dieser Methoden besteht darin, in ein Haus zu kommen oder davor Leute abzufangen und die Leute, die sich dort aufhalten, wegen Hausfriedensbruch anzuklagen. Die Methode, die am Mittwoch angewandt wurde, bestand eben gerade darin, mit einem Großaufgebot aufzumarschieren und die BewohnerInnen einer Personenkontrolle zu unterziehen, welche auch sicherlich zu einer Anklage wegen Hausfriedensbruch führen wird. Während dieser Zeit kam der Hauseigentümer mit einem Justizgerichtsvollzieher und lässt feststellen, dass sein Haus leer ist und er bekommt es zurück, indem es es durch Gitter zugesperrt wird und überwacht wird. Alles geschieht natürlich unter Polizeischutz in Kampfmontur. Die offizielle Begründung lautet dann: Es ist keine Räumung und die Polizeibeamten sind da wegen einer unerlaubten Versammlung vor dem Haus.

Auseinandersetzungen vor dem Haus und in der Umgebung

Um ca. 13.00 hat die Polizei dann DemonstrantInnen angegriffen und Tränengas eingesetzt, worauf diese mit Flaschenwürfen antworteten. Es gab Auseinandersetzungen auf dem Boulevard du Pont d' Arve und in der Rue de Carouge, wobei Container angezündet wurden und Sachbeschädigungen durchgeführt wurden. Im Zusammenhang mit der Räumung und den nachfolgenden Krawallen wurden sieben Person inhaftiert. Einem 20-Jährige wird namentlich die Teilnahme an einem Aufruhr beschuldigt. Er soll ausserdem ein Polizeiauto beschädigt haben, wie die Genfer Polizei in einer Mitteilung schrieb. Er sei geständig. Die übrigen sechs Inhaftierten wurden bereits dem Richter vorgeführt.

Solidaritätsaktionen in anderen Städten

In der Nacht auf Mittwoch haben Menschen den Polizeiposten in den Städten Luzern und Zürich mit Farbe angegriffen und besprayt. Die Botschaft lautete: "Gegen die zerstörung autonomer Freiräume!" Dieser Anschlag geschah als Reaktion auf die Räumung des seit vielen Jahren besetzen Hauses "La Tour" in Genf und in Solidarität mit allen anderen bestehenden, bedrohten oder bereits geräumten Freiräumen weltweit.

Demo für´s Rhino

Am Donnerstag 12. Juli, wurde dann zu einer Demo aufgerufen (18 Uhr, 24 boulevard des Philosophes, Genf) um eine Sympathiekundgebung für die älteste Hausbesetzung «Rhino» durchzuführen. Die Polizei hielt sich während der Demonstration zurück. Unter den Kundgebungsteilnehmern waren Hausbesetzer, Angehörige der Punk-Szene und linke Politiker. Wir müssen uns bewusst sein, dass mehrere Häuser in derselben Lage sind, wie das "La Tour" - das bekannteste ist wohl "Rhino", das in den nächsten Tagen ernsthaft bedroht ist. Die Parteipräsidenten der Sozialisten und der Grünen waren da, es wurde Musik gespielt und getanzt. Anders als am Dienstag, als die Räumung eines besetzten Hauses am Boulevard de la Tour zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei geführt hatte, verlief der Anlass vor dem «Rhino» ruhig. Doch die Besetzer sind entschlossen, das «Rhino» zu verteidigen – gegen den Zugriff der privaten Eigentümer, die nun, 19 Jahre nach der Besetzung, das Gebäude umbauen wollen. Informationen des Kollektivs zufolge soll das Haus in der Nacht vom Sonntag auf den Montag mit Menschen gefüllt werden soll – «bis die Mauern krachen», wie «Rhino»-Sprecher Maurice Pier sagt.

Kritik an Generalstaatsanwalt und Grünen

Auf zahlreichen Transparenten im Umzug wurde der Genfer Generalstaatsanwalt Daniel Zappelli angegriffen. Er hatte die Räumung am Dienstag angeordnet. Kritisiert wurde auch Staatsrat Robert Cramer (Grüne). Ein Sprecher des «Rhino» warf ihm vor, mit der Räumungsbewilligung vom Dienstag umgeschwenkt zu sein. Der Sprecher plädierte zudem für ein Recht auf Wohnung für alle. Daniel Zappelli hatte sein Vorgehen am Mittwoch gerechtfertigt und erklärt, das Aus drohe besetzten Häusern, für die Baupläne vorlägen und deren Eigentümer geklagt hätten. Diese Kriterien sind beim «Rhino» erfüllt. Die 80 Bewohner der Gebäude mit dem markanten Horn an der Fassade befürchten die Räumung bereits nächste Woche. Anfang Mai wurde das Hotel Steingraben in Basel nach kurzer Besetzung wieder geräumt. Auch in Zürich wurde gerade kürzlich das Gebäude Stampfenbachstrasse 28/30 geräumt.

Symbolik des Rhino

Das knallrote Rhinozeroshorn am Boulevard des Philosophes ist ein Wahrzeichen Genfs, das weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist. Sein Name ist Programm. «Rhino» steht für «retour des habitants dans les immeubles non occupés», was heisst, dass in unbewohnte Wohnhäuser wieder Bewohner zurückkehren sollen. 1988 protestierte eine Gruppe von Studenten gegen die Immobilienspekulation, als sie die beiden stattlichen, leeren Gebäude nahe der Genfer Altstadt besetzten. Denn in den Achtzigerjahren waren in Genf kaum Wohnungen zu mieten, obwohl Hunderte von Häusern leer standen. Ihre Besitzer hatten sie vom Markt gezogen, um das Angebot zu verknappen und so die Preise in die Höhe zu treiben. «Das Amt für Statistik registrierte 2500 leerstehende Wohnungen, während 3000 Personen auf der Warteliste der Stadt eingetragen waren», sagt Maurice Pier. Die Besetzer haben seither aus dem «Rhino» einen Ort des gemeinschaftlichen Wohnens und einen Treffpunkt der alternativen Kulturszene gemacht.Dass sich das «Rhino» und zahlreiche andere Hausbesetzungen in Genf halten konnten, verdanken sie wesentlich der starken Unterstützung, welche die «Squatter» in Genf durch die linken Parteien und in grossen Teilen der Bevölkerung geniessen.

Hausbesetzung auf schweizerisch

Zahlreiche Persönlichkeiten, die für die Rechte der Mieter gefochten haben, sassen oder sitzen heute noch in den politischen Institutionen von Stadt und Kanton. So weigerte sich etwa im Jahr 1989 die Kantonsregierung trotz Räumungsbefehl des damaligen freisinnigen Staatsanwalts, die Polizei zur Evakuierung des «Rhino» aufzubieten, weil sie einen Aufstand der Strasse vermeiden wollte. Tolerant zeigte sich auch der frühere SP-Staatsanwalt Bernard Bertossa, der nur dann räumen liess, wenn die Besitzer ein konkretes Projekt vorlegten. Das Motto hiess: Besser ein besetztes Haus als ein leerstehendes Haus. Zwar versichert der neue freisinnige Staatsanwalt Daniel Zappelli, die Doktrin seines Vorgängers zu respektieren. Dass der Wind gedreht hat, zeigen allerdings die Zahlen. War Genf noch Mitte der Neunzigerjahre die meistbesetzte Stadt Europas mit rund 140 Besetzungen, zählt sie heute nur noch 27; als Zappelli sein Amt im Jahr 2003 antrat, waren es immerhin noch 120 «Squats». Dass die Zahl der besetzten Häuser abnimmt, liegt aber nicht nur am Staatsanwalt. Die seit eineinhalb Jahren amtierende Kantonsregierung setzt sich dafür ein, dass Bauen in Genf mit seinen zahlreichen administrativen Hürden wieder möglich wird. So ist es dem liberalen Regierungsrat Mark Muller gelungen, Vertreter von Mietern und Bauherren an einen Tisch zu bringen und ihre widerstrebenden Interessen in einem Pakt gegen die Wohnungsnot zu vereinen. Baubewilligungen für «Squats» werden rascher als früher erteilt, und in den nächsten Jahren sind grössere Überbauungen, auch mit einem Anteil an Sozialwohnungen, geplant. Denn die Leerwohnungsziffer ist in Genf mit 0,15 Prozent auch heute noch die tiefste in der Schweiz. Für Mieter mit schmalem Budget ist es fast unmöglich, eine geeignete Wohnung zu finden.
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Ergänzungen

Kommunisten legen Feuer in Cisalpino-Toilette

http://www.nachrichten.ch/ 16.07.2007 - 00:47
Samstag, 14. Juli 2007

Bern - In einem Cisalpino in Zürich hat es am Freitagabend zu brennen begonnen. Der Zug befand sich auf einem Rangiergleis, als ein Lokführer Rauchentwicklung in einer Toilette bemerkte und Alarm auslöste.m Der Vorfall ereignete sich um 23.10 Uhr, wie SBB-Sprecher Christian Ginsig auf Anfrage sagte. Zum diesem Zeitpunkt habe sich niemand in dem Zug befunden. Insgesamt entstand ein Schaden von rund 80'000 Franken. Die Ursache für den Brand ist noch unbekannt.
Der Rauch habe sich im ganzen Wagen ausgebreitet, so dass dieser nach Mailand gebracht und dort vollständig gereinigt werden müsse, sagte Ginsig.

Italienische Kommunisten als Urheber des Feuers

Die Ursache für die Rauchentwicklung ist noch unbekannt. Die Stadtpolizei Zürich hat eine Untersuchung eingeleitet. In einer Mitteilung an die Nachrichtenagentur SDA bekannte sich eine den italienischen Kommunisten nahestehende Gruppe dazu, im Cisalpino ein Feuer gelegt zu haben. Mit der Aktion habe die Gruppe mit dem Namen «Proletarische Internationalistinnen» ihre Solidarität mit politischen Gefangenen in Italien unterstreichen wollen, heisst es in der Mitteilung.

Schweizer Presse

Marcopolo 16.07.2007 - 00:51
Die Polizei begann ihre Aktion am Dienstagmorgen gegen 10 Uhr im besetzten Gebäude «La Tour» im Genfer Quartier Plainpalais. Sie führte die Bewohner zur Identitätskontrolle ab und umzäunte das Haus, um eine Rückkehr der Hausbesetzer zu verhindern. Zudem wurde die Wasser- und Stromzufuhr unterbrochen.

Gegen 10.30 Uhr begann eine grössere Gruppe von Sympathisanten der Besetzer, gegen die Räumung zu protestieren. Etwa 100 Personen stellten sich mitten auf eine nahe gelegene Kreuzung und blockierten den Verkehr. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, liess die Polizei sie gewähren und leitete den Verkehr um.

Der Besitzer des charakteristischen Gebäudes habe die sofortige Räumung verlangt, um es renovieren zu können, wie sein Anwalt Marc Oederlin mitteilte. «Die Baubewilligung liegt seit einem Jahr vor. Sehr rasch werden 16 Wohnungen mit regulierten Mietzinsen zur Verfügung gestellt», sagte Oederlin. Das Mobiliar der Besetzer werde in ein Depot gebracht, wo sie es ahholen könnten.

Krawalle in Genfer Hausbesetzerszene

Basler Zeitung 16.07.2007 - 01:57
Weitere Festnahmen

Genf. AP/baz. Bei Ausschreitungen nach der Räumung eines besetzten Hauses in Genf hat die Polizei weitere sechs Personen festgenommen. Allen wird Unruhestiftung vorgeworfen, vier von ihnen weiter Gewalt und Drohungen gegen Beamte, und in drei Fällen ausserdem Sachbeschädigung. Verletzt wurde niemand.

Zu den Unruhen war es nach der Räumung des besetzten Hauses in der Nähe der Plaine de Plainpalais am Dienstag gekommen. Unter die Protestierenden mischten sich am späten Nachmittag kleine Gruppen von Randalierern, wie der Genfer Polizeisprecher Patrick Puhl auf Anfrage sagte. Schaufenster wurden eingeschlagen, Abfalleimer in Brand gesteckt und Autos beschädigt. Auch ein Polizeiposten wurde in Mitleidenschaft gezogen.


Demonstration

Die Polizei setzte Tränengas ein, nachdem sie und die Feuerwehr mit Steinen, Flaschen und anderem beworfen worden war, wie Puhl sagte. Es kam zu sechs Festnahmen. Bei den Verhafteten handelt es sich um drei Schweizer im Alter von 22, 27 und 28 Jahren, um zwei Franzosen im Alter von 22 und 27 Jahren sowie um eine 32-jährige Mexikanerin. Bereits am Dienstag waren elf Personen bei der Räumung des Hauses vorübergehend festgenommen worden.

Bei den Ausschreitungen ist gemäss dem Polizeisprecher niemand verletzt worden. Gegen Mitternacht sei Ruhe eingekehrt. Am Mittwochmorgen demonstrierten auf dem Platz einige dutzend Personen friedlich.

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