Kunsthochschule HH will Zwangsexmatrikulieren

Gib Pfote 13.07.2007 18:11 Themen: Bildung Kultur
Nach dem ersten tatsächlichen Studiengebührenboykott an einer Hochschule sollen jetzt tatsächlich die widerständischen Studierenden exmatrikuliert werden. Der Kampf ist zu Ende - oder fängt er jetzt erst richtig an?
Nachdem eine Hamburger Hochschule nach der anderen mit ihrem Studiengebührenboykott gescheitert ist, war es die kleine Hochschule für bildende Künste (HfbK), die zum Ort der Auseinandersetzung werden sollte. Warum dies so ist, darüber lässt sich viel spekulieren. Nach Aussagen von Studierenden spielten verschiedene Faktoren eine Rolle, warum ausgerechnet hier die Bereitschaft besteht, innerhalb dieser Nichtzahlungsauseinandersetzung auch den letzten Schritt zu gehen. Zum einen mögen vielleicht einige Studierende dem offiziellen Abschlußgrad nur eine untergeordnete Bedeutung zugestehen, darüber hinaus haben wohl auch verschiedene Dozenten angekündigt, ihre Lehrinhalte auch explizit an bestimmte, nämlich ihre zukünftigen Nichtstudierende weiterzugeben - scheiß auf den Titel!
Zum anderen gab es wohl, im prozentualen Gegensatz zu den Herdentieren der "großen" Universität oder der HAW, innerhalb der Studierenden einen relativ ausgeprägten kritischen Geist - die Studierenden der HfbK interessieren sich scheinbar eben für mehr als rosa Polohemden, den erbärmlich kopierten Beckham-Iro, die nächste Party des BWL-Fachbereiches. An dieser Stelle ein dezidiertes Fuck You! an alle, die in der Vergangenheit ihren Arsch nicht hochbekommen haben.

An der HfbK wurde der Boykott durchgesetzt und vollzogen - mit einem Ende (?), welches sich wohl insgeheim viele nicht vorstellen konnten: diejenigen, die aktiv am Boykott teilgenommen haben, werden zwangsexmatrikuliert, so ließ sich heute vernehmen.
Im (zum Springer-Konzern gehörenden) Hamburger Abendblatt liest sich das so:

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Es war ein niedergeschlagener Martin Köttering, der sich gestern auf einer Pressekonferenz in der Aula der Hochschule für bildende Künste (HfbK) dazu gezwungen sah, den Rauswurf von 265 seiner Studenten anzukündigen. Der Präsident der angesehenen Kunsthochschule sagte, dass ihm eine "rechtsaufsichtliche Feststellung" der Wissenschaftsbehörde keine andere Wahl lasse. Bereits am Montag sollen die Studenten, die sich bis zuletzt geweigert hatten, ihrer gesetzlichen Pflicht zur Zahlung der neu eingeführten Studiengebühr in Höhe von 500 Euro pro Semester nachzukommen, entsprechende Post im Briefkasten haben. Köttering sagte, diese Zwangsexmatrikulation schaffe "zweifellos nicht nur für die Studierenden, die damit einen erfolgreichen Abschluss ihres Studiums erst einmal unmöglich machen, sondern auch für die HfbK ein außerordentliches Problem".

Tatsächlich muss fast die Hälfte aller Studenten die Hochschule verlassen. Denn von den 571 eingeschriebenen Kommilitonen konnten nur 129 aus sozialen Gründen befreit werden. Von den verbleibenden 442 gebührenpflichtigen Studenten haben nur 177 auf das HfbK-Konto eingezahlt. 265 Studenten zogen den Boykott vor. Die schlagartige Reduzierung der Studentenzahl sei ein gravierender Einschnitt, der den künstlerischen Nachwuchs für die Metropolregion "über Jahre" maßgeblich beeinträchtigen werde, so der Präsident. Die Studenten, deren Wortführer ihre Exmatrikulation als politisches Symbol im Kampf gegen Studiengebühren aufgefasst wissen wollen, hatten zu Kötterings Bedauern die "Chance, die ihnen durch die Mahnung mit Zahlungsfrist gegeben wurde, ungenutzt verstreichen lassen". Auch das Angebot, selbst über die Verwendung der Mittel bestimmen zu dürfen, wurde ausgeschlagen.

Köttering kritisierte aber auch die Wissenschaftspolitik des Senats. Schließlich sei die Wettbewerbsfähigkeit der HfbK durch den neuen Kurs "stark eingeschränkt". Die renommierten Kunsthochschulen in Düsseldorf, Berlin, Frankfurt und Leipzig würden auf Gebühren verzichten, ebenso wie Bremen, Kiel und Berlin. Doch das Rechtsgutachten der Wissenschaftsbehörde lasse ihm keinen Spielraum. Mit einer Ausnahme: Köttering versprach, alle Studenten, die ihre Haltung bis 30. September revidieren und das Geld doch noch überweisen, wieder an der HfbK aufzunehmen.

Sabine Neumann, Sprecherin von Senator Jörg Dräger, sagte: "Das ist ein honoriges Angebot." Sie hoffe, "dass viele davon Gebrauch machen". HfbK-Student Axel Ahl winkte aber ab: "Wir wollen, dass unser Schicksal Wahlkampfthema wird." (aus:  http://www.abendblatt.de/daten/2007/07/13/769996.html)
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Jetzt bleibt abzuwarten, ob das Lockangebot Erfolg hat - der "Rettungs"versuch seitens der Hochschule, mit Rückendeckung des hiesigen Bildungssenators Dräger ist dabei zweifach interessant: zum einen soll natürlich der Widerstand gegen das Gebührenmodell durch diese ernstzunehmende Drohkulisse gespalten werden. Zum anderen läßt sich daraus aber auch erkennen, dass der Senat im Grunde eine solche Eskalation fürchtet - ein derartiges Exmatrikulationsszenario würde tatsächlich einen Imageschaden für die Hansestadt bedeuten, dessen Ausmaße selbst von Technokraten wie Dräger und von Beust gefürchtet werden.

Der AStA der HfbK ist übrigens hier zu finden:  http://www.hfbk.de/_new/_html/index.html

Alles Gute den aufständischen Studierenden an der HfbK - vielleicht schafft ihr es demnächst ja selbst, euren Widerstand auch in die unabhängigen und linken Medien zu kommunizieren?! Let the struggle continue!
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Ergänzungen

Danke, Jörg!

rank my ass 13.07.2007 - 18:56
Jörg Dräger, einer der besten Senatoren, den Hamburg je hatte.

Schon wieder: Klage abgewiesen

radio corax 13.07.2007 - 23:26
Hochschule als kritische Instanz der Gesellschaft? Scheint längst Geschichte. die Akzeptanz für Unigebühren steigt im Minutentakt. Mit Studiengebühren soll die Qualität der Lehre verbessert werden. Sagen die BeführworterInnen. Die Kontra-Gebühren-Aktivisten scheinen politisch isoliert. Doch es gibt Sie noch. Die Aktionen dagegen. Wird ja irgendwie auch Zeit. Denn: An 48 staatlichen Hochschulen wurden dieses Sommersemester erstmals Studiengebühren erhoben. Und immerhin: an Zweien verweigern Studenten die Zahlung: An der Hochschule für bildende Künste und an der Theaterakademie Hamburg enthält jeweils ein Großteil der Studenten das Geld den Hochschulen vor. Während die Hochschulleitungen den Nichtzahlern mit Exmatrikulation drohen, fechten die Studenten die rechtliche Grundlage dieser Drohung an. Und nicht nur in Hamburg gibt es Bewegung. Auch in Baden Würtemberg tut sich etwas. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe verhandelt über die Klagen von vier Studenten gegen die Studiengebühren in Baden-Württemberg. Immerhin das BundesLand, das die Einführung von Studiengebühren als erstes beschlossen hat. Vor wenigen Minuten war Urteilsverkündung...Hannes von Radio Corax sprach mit einem Aktivisten vor Ort.

Studiengebühren zahlen oder gehen

radio corax 17.07.2007 - 11:13
Es tut sich was an der Front der GegnerInnen von Studiengebühren. Mit diesen soll die Qualität der Lehre verbessert werden. Sagen die BeführworterInnen. Die Kontra-Gebühren-Aktivisten schienen lange Zeit politisch isoliert. Doch es gibt Sie noch. Die Aktionen dagegen. Am radikalsten ist der Protest derzeit in Hamburg – und auch die Konsequenzen: So hat die Hochschule für bildende Künste die Hälfte ihrer Studierenden exmatrikuliert. Am gestrigen Montag wurden ihnen die entsprechenden Bescheinigungen zugestellt. Die Boykotteure hatten die zum Semesterbeginn fälligen 500 Euro nicht an die Hochschule überwiesen, sondern auf ein Sperrkonto. Als eine von Hochschulpräsident Martin Köttering gesetzte Frist verstrich, sah dieser sich nach dem Hamburger Hochschulgesetz gezwungen, die Studierenden zu exmatrikulieren. Und das, obwohl Köttering selber gegen Gebühren ist... Klingt nach einem ziemlichen durcheinander in Hamburg. Etwas Licht ins Dunkel bringt Benjamin Rentner. Er ist Mitorganisator des Boykotts. Alex von Radio Corax sprach mit ihm.

Wer einknickt kriegt leckeres überbackenes

Käsebrot 25.09.2007 - 21:15
Auch wenn die Lage ernst ist, nicht alles glauben was in der Springer-Presse steht! Die haben schon zum Anfang des Boykotts "gemeldet" das alle Boykottierer exmatrikuliert werden.

weitere Infos über den Boykott in Hamburg unter:  http://www.izshamburg.de/ . Dort kann man sich auch in die Mailingliste eintragen und die neuesten Nachrichten sofort per mail bekommen.

Zur Zeit wird noch nach Spenden ( z. B. 5 €) für Anwälte usw. gesucht:

 http://www.izshamburg.de/spenden.php

wir versuchen es auch an den anderen Unis nochmal mit dem Boykott 2.0!

Die Möglichkeiten sind nicht so eng, wie sie dargestellt werden: Poltischer Druck, direkte Aktionen, Boykott 2.0, Nächste Wahl, gerichtlich anfechten, Volksentscheid, Einknicken der CDU usw...


Respekt und Solidarität an alle Boykottierer, die ein persönliches Risiko auf sich nehmen.

Bitte weitere Aktionen zum Thema sofort posten.


PS: Übrigens noch ne kleine Anekdote; is zwar weit weg, aber ein Beispiel wie es auch laufen kann: In Chile haben sie letztes alle Zahlungsunwilligen, die an der Uni wegen Boykott exmatrikuliert wurden, später aufgrund von poltischen Druck doch wieder eingeschrieben.
Dort versucht man die Gebühren, die noch aus der Zeit der Pinochetdiktatur stammen, auch krampfhaft wieder aubzuschaffen. Da gehts richtig ab...

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Moralische Unterstützung — Apfelschorle

Solidaritaet mit den StudentInnen — Ex-Studentierende