/etc 2007 - Hackerinnen in Linz

Anna 12.07.2007 19:22 Themen: Gender Netactivism
In Linz hat am Mittwoch der siebte Eclectic Tech Carnival - /etc 2007 begonnen. Mehr als 50 Frauen aus mehreren europäischen Ländern, Äthiopien und den USA kommen zusammen, um sich mit Computern und anderer Technik zu beschäftigen. Es gibt Workshops, Lectures, PlayLabs, Performances, Öffentliche Interventionen und mehr und der Bezug zu Technik ist vielfältig.

Der diesjährige /etc wurde von einer internationalen Vorbereitungsgruppe und mehreren Initiativen in Linz vorbereitet: Der Stadtwerkstatt, einem Kunst- und kulturpolitischen Projekt, das u.a. das Freie Radio FRO beherbergt (das auch Teile des Programms überträgt), der Migrantinnen-Initiative MAIZ und dem Projekt servus.at. Seit 2002 findet /etc jährlich statt, bisher immer in Südosteuropa oder Österreich und wird von jeweils unterschiedlichen lokalen Initiativen eingeladen und organisiert. Der Ursprung liegt in der niederländischen Gruppe Genderchangers, einer Frauengruppe, die seit 1999 mit der Amsterdamer Gruppe ASCII die Begeisterung für Open-Source-Software, besetzte Häuser, freies Internet und recyclete Hardware teilte, und anfangs auch die Räume. Die Genderchangers veranstalten legendäre Hardware-Kurse, bei denen Computer komplett zerlegt werden, aber auch viele Workshops zum Lernen und Beibringen von Software. Alle Veranstaltungen sowohl der Genderchangers als auch des /etc sind nur für Frauen. Allerdings können die meisten /etc-Events live über Internet als Stream verfolgt werden.

Programm | Streamadressen | Radio FRO /etc Spezial | Fotos

Die Vorbereitung für das Treffen begann vor knapp einem Jahr, als sich bei der in Berlin stattfindenden Konferenz Wizards of Os Frauen aus Österreich und aus Brasilien trafen, die zum ersten Mal einen an mehreren Orten auf verschiedenen Kontinenten gleichzeitig stattfindendes Treffen vorbereiten wollten. Aus verschiedenen Gründen hat das letztlich nicht geklappt, aber die zweite Hälfte soll noch dieses Jahr im November in Brasilien stattfinden. Die Vorbereitung in Linz bezog daher von Anfang an die Frauen des Projekts MAIZ ein, auch weil es hier Frauen aus Brasilien gab, die eine starke Verbindung nach dort herstellten. Der diesjährige /etc ist der mit Abstand größte bisher, was auch daran liegt, dass die Voraussetzungen in Linz sehr gut sind. Die gesamte Infrastruktur ist vorhanden und die Zusammenarbeit mit der Stadt verlief gut, so dass etwa alle Teilnehmerinnen in einer Schule schlafen können, deren Räume leer und mit Matratzen ausgestattet sind, und auch die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs ist für Konferenzteilnehmerinnen kostenlos. Das war bei vorigen Treffen anders, bei denen oft tagelang gemeinsam geschraubt wurde, um die technische Ausrüstung nutzbar zu machen - was letzten Endes dem Zielentsprach, sich gemeinsam technisches Wissen anzueigen, aber auch viel zum chaotischen Image beigetragen hat.

Mit einem Budget von knapp 6.000 Euro unterbietet das Event die Kosten anderer Tech-Meetings bei weitem. Das war auch dieses Mal nur durch viel unbezahlte Arbeit und Engagement zu schaffen.

Der erste Tag der Konferenz begann mit einer Vorstellung des Eclectic Tech Carnival und seiner Geschichte durch Donna Metzlar. Warum Computer-Kurse und -Veranstaltungen nur für Frauen Sinn machen, hat viele Erklärungen. Eine ergibt sich - wie oft - aus den Begrifflichkeiten. Wenn technische Dinge als Genderchangers, Motherboards, Master and Slave, Nipples und Clits bezeichnet, dann ist der Weg zum Geschlechterverhältnis nicht weit. Eine andere Erklärung ist ganz pädagogisch: es lernt sich leichter in der Peergroup, wo alle ähnliche Fragen und Heransgehensweisen haben. 

Der zweite Teil des Tages begann im zweiten Veranstaltungsort mit einer Vorstellung des mitveranstaltenden Projekts MAIZ, einem autonomen Integrationszentrum von und für Migrantinnen. Das Projekt wird fast ausschliesslich von der EU finanziert und beschäftigt derzeit 30 Frauen. Die Verbindung zwischen dem /etc und MAIZ beschreibt das Verhältnis der meisten Teilnehmerinnen zu Themen jenseits der Technik: Nutzung und Entwicklung von, generell Beschäftigung mit Technik ist nicht von anderen Themen losgelöst, insbesondere nicht von politischen Diskussionen.
Bei MAIZ gibt es politische und kulturelle Projekte, ein wesentliches Thema ist die Situation von Sex-Arbeiterinnen und dabei auch die Frage, welche Optionen Migrantinnen überhaupt noch in Österreich haben, legal im Land zu bleiben. Selbst Heiraten ist inzwischen nicht mehr möglich, weil ein Visum für verheiratete Frauen nur noch aus dem Herkunftsland beantragt werden darf. MAIZ selbst dazu:

maiz ist ein unabhängiger Verein und eine Organisation von und für Migrantinnen aus verschiedenen Kontinenten. Als Betroffene und Protagonistinnen zugleich bestätigen die beteiligten Frauen, die Fähigkeit von Minderheiten zur Selbstorganisation.

Aus unserer eigenen Betroffenheit heraus haben wir 1994 mit anderen Migrantinnen begonnen, unsere Situation als Frauen anderer Kulturen in Österreich zu analysieren und beschlossen, uns für eine rechtliche und soziale Besserstellung von Migrantinnen, insbesondere von Migrantinnen in der Sexarbeit - Betroffene von Frauenhandel oder auch nicht - einzusetzen.

Wir verstehen uns als selbstorganisierter Verein und setzen uns u.a. für eine rechtliche Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Migrantinnen ein. Wir treten gegen den sex-and-tear-Voyeurismus österreichischer Medien und die Entpolitisierung der Situation der Migrantinnen durch eine „Kultur der Hilfe“ ein.

Im Bewusstsein der Legitimität unserer Rolle als Protagonistinnen versuchen wir durch die Arbeit in verschiedenen Bereichen, Antworten auf die Problematik der Frauenarbeitsmigration und auf Anfragen von Sexarbeiterinnen zu geben. Dabei entwickeln und verfolgen wir Strategien, die uns ein würdiges Leben ermöglichen.

Am Nachmittag fand dann im MAIZ ein Workshop zu verschiedenen Communication Tools statt, die von /etc zur Kommunikation genutzt werden: IRC, Mailinglisten, und die Drupal Website. Dabei wurden von der Frage, was eine Mailingliste überhaupt ist bis zum neuen Content für die /etc-Drupal-Seite viele Themen bearbeitet, die in der Konferenz-Woche sicher noch zur Anwendung kommen.

Am Abend folgte der 'Contributors Show Case', bei der alle Veranstaltungen und Referentinnen kurz vorgestellt wurden, und auch der Veranstaltungsort Stadtwerkstatt mit seiner Geschichte als ehemals besetztes Haus am Donau-Ufer.

Von Paula Graham (Opengender.org.uk, http://www.technologyandsocialaction.org) wird es Workshops zum Installieren und Benutzen von Ubuntu geben. Cristiane von Migrazine wird einen Stadtrundgang machen, bei dem Linz mit den Augen von Migrantinnen gesehen werden wird. Danach werden die Ergebnisse des Rundgangs in einer Website präsentiert. Die Teilnehmerinnen werden sowohl in den Umgang mit dem CMS Typo3 eingeführt als auch lernen, mit HTML eine Website selbst zu erstellen, die am Ende der Woche veröffentlicht werden soll. Audrey Samson and Urska Merc bringen in einem erprobten HTML/CSS-Workshop Grundlagen und in der Folgeveranstaltung Feinheiten von Stylesheets bei. Es wird einen Gimp-Workshop geben, der die Grundlage für die Veranstaltung 'UpStage' sein soll. UpStage selbst wird online von Helen Varley Jamieson direkt aus Neuseeland vorgestellt: dabei handelt es sich um Online-Performances, bei denen die Teilnehmerinnen Avatare gestalten. Der klassische Genderchanger-Hardware-Workshop zeigt Hardware und erklärt sie: alles wird auseinander- und wieder zusammengeschraubt. Gloria Willadsen, Geek seit 20 Jahren, die für ihren Artikel Let’s All Evolve Past This: The Barriers Women Face in Tech Communities schon zwei Todesdrohungen bekommen hat (die sich auf Erklärungen bezogen, warum Frauengruppen sinnvoll sind und wie Männer besser mit Frauen in Tech-Umgebungen kommunizieren können), wird sich mit Website-Erstellung beschäftigen: Permissions, Multimedia-Files, Backend-Programming. Die zweite Runde dreht sich um Server-Konfiguration, dynamische IP-Adressen, alles umsonst und mit Open Source Software.

Audrey Samson berichtet über einen von ihr umgestalteten Nähtisch, bei dem sich an Stelle der Nähmaschine eine Tastatur befindet. Wenn die Tasten gedrückt werden, sind entweder Nähmaschinengeräusche oder aber Frauenstimmen zu hören, die über ihr Verhältnis zu Technik sprechen. Das Nähmaschinenpedal kann dazu benutzt werden, von dem einen zum anderen Geräusch zu faden. Beim /etc wird es einen Löt-Workshop geben, bei dem Grundlagen für solche Projekte vermittelt werden. Bricolage Sexual macht einen DIY-Sex-Toy-Workshop, bei dem gelernt werden kann, wie aus alten Lippenstiften und alten Handys Dildos gemacht werden, aber zeigen auch moderne Tarot-Lesungen. Eine fand bei der Vorstellung statt und prognostiziert für den /etc 07: Arbeit, Umarmung (aus der ein Werkzeug zur Veränderung entsteht), Traum und schliesslich Einsamkeit (wenn alle wieder zuhause sind). Im Hardware-Bling-Bling-Workshop von Sara Platon werden aus Fundstücken aus Linz neueMotherboards hergestellt, und aus alten Motherboards neue Dinge hergestellt. Da sich abzeichnet, dass es in der sehr sauberen Stadt Linz evtl. zuwenig passende Fundstücke geben wird, wird dies allerdings womöglich auf ein fotografisches Ergebnis hinauslaufen. 

Biruktait Fekeremariam wird die Frauengruppe Lycenix aus Äthiopien vorstellen, die sich mit beschäftigt und das Ziel hat, Frauen mit Hilfe von Computern (ICTs) und insb. Open-Source-Software (FLOSS) dazu zu befähigen, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzubringen.

Schliesslich gibt es noch eine Reihe 'Birds of a Feather'-Sessions (BOF): spontane Workshops. Bei einem wird es um das Erstellen von Netzwerkkabeln gehen, Ivana Pavić von 'Mama' aus Zagreb wird "Verschlüsselung für die moderne Dissidentin" vorstellen: GnuPG, Tor, Instant Messaging, sichere Internet-Suche. Die Launch Lounge bschäftigt sich mit Sprache und Text - Transformation von Sprache, Streaming von Text, Sprache ohne Sprechen und Sprechen ohne Sprache.

Alle Veranstaltungen in den Hauptveranstaltungsorten Stadtwerkstatt und MAIZ werden gestreamt. Die Streamadressen ändern sich also je nach dem, wo die jeweilige Veranstaltung stattfinden:
Stadtwerkstatt:
http://etc-stream.servus.at:8000/stwst-saal.ogg
MAIZ: http://etc-stream.servus.at:8000/maiz.ogg
Am Abend finden Performances und Konzerte im Cafe Strom statt: http://etc-stream.servus.at:8000/strom.ogg

Mit dem VLC Media Player können sowohl auf Windows, Mac OS X als auch Linux alle Medien abgespielt werden (download).

Andere Berichte:
dieStandard.at: Gender,Technologie und Kunst in Linz

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Ergänzungen

weiterer Gedanke

Peter Hoffmann 12.07.2007 - 21:13
Erstmal eine Super Idee, würde ich mir für ne ganze Menge weiblicher Menschen um mich herum auch wünschen weil ich tatsächlich sehe, dass der Bezug zur Technik oft durch das Geschlecht erschwert wird.

Auf der anderen Seite sehe ich natürlich das Paradoxon mit dem in Fragen Genderpolitik immer zu kämpfen sein wird.
Zum einen wollen wir die künstliche Trennung der Geschlechter aufheben, also Geschlecht dekonstruieren, auf der anderen Seite manifestieren wir es in dem wir solche Trennungen einführen (die Workshops wären sicher auf für Menschen nicht weiblichen Geschlechts spannend gewesen) - jedoch um mit den Problemen die die Barrieren bereits aufgebaut haben umgehen zu können. Eine geschlechtsneutrale (Technik-)Erziehung wäre sicher das Ideal, nur dürfen wir nicht in einer Totenstarre verharren bis wir dieses erreicht haben.

Also nochmals einen Gruß an die Veranstalterinnen, Danke für eueren Einsatz, ich find's toll!

Die Polizei setzt Handys als Wanzen ein

Die Welt 15.07.2007 - 22:10
Über drahtlose Schnittstellen wie Bluetooth oder W-Lan können Polizei-Experten Handys von Verdächtigen umprogrammieren. Auch Trojaner werden mit Klingeltönen eingeschleust. Das Gerät einfach ausschalten hilft nicht. Auch in diesem Zustand kann die Polizei mithören.

Die Polizei setzt bei Ermittlungen im Bereich der Schwerkriminalität manipulierte Handys als Wanzen ein. Die Software der Mobiltelefone sei so umprogrammiert, dass die Freisprecheinrichtung aktiviert werde, ohne dass der Benutzer dies merke, heißt es in einem Bericht des "Spiegel". Mehrere Landeskriminalämter hätten eingeräumt, diese Technik zu zu nutzen. Ein Sprecher des Bundeskriminalamtes habe erklärt, das BKA verfüge über diese Fähigkeiten, wende sie derzeit aber nicht an.

Die Software-Manipulation sei auch möglich, wenn die Polizei das Gerät nicht in die Hand bekomme, heißt es in dem Bericht weiter. Möglich sei dies über Datenschnittstellen per Bluetooth oder W-Lan. In Spielen, Bilddateien oder Klingeltönen ließen sich zudem so genannte Trojaner verstecken, die entsprechende Änderungen vornehmen.

Die Software des Telefons könne außerdem so programmiert werden, dass auch ein vermeintlich abgeschaltetes Handy als Wanze funktioniere. Bei einem solchen Gerät erlösche zwar die Anzeige, und Anrufe würden nicht angenommen. Das Gerät bleibe aber betriebsbereit und reagiere auf ein bestimmtes Signal der Polizei. Dadurch könnten über die Freisprecheinrichtung alle Geräusche aus der Umgebung übertragen werden.

/etc 2007 - Hackerinnen in Linz

radio corax 25.07.2007 - 14:59
"Frauen und Technik!" Oft gehört. Und oft dran gestört. Ein Satz, in dem vieles steckt. Vor allem aber sicherlich eins: Das völlige Absprechen eines technischen Verständnisses. Und zwar Frauen gegenüber. Frauen waren und, ich möchte mal behaupten, das sind sie immer noch:stark unterrepräsentiert in Bereichen, die einen technischen Schwerpunkt haben -Die weibliche Mechanikerin oder Systemadministratorin ist wohl immernoch eher die Ausnahme. Doch nicht nur in beruflicher Hinsicht fällt das Gefälle der Geschlechter in dieser Hinsicht auf: Auch im Alltag sind es oft die Männer, die den Computer mal durchchecken? Und dann frage ich mich, woran liegt das eigentlich? Die einen meinen, Frauen hätten generell weniger Interesse an Technik als Männer- vielleicht genetisch bedingt!? Oder liegt diese Entwicklung vielleicht einer einseitigen Sozialisation mit festgesetzten Geschlechterrollen zugrunde? Wie sieht es mit selbsterfüllender Prophezeihung aus, also im Sinne von: "Ich bin ne Frau, ich muss das nicht verstehen bzw können...von mir werden andere sachen erwartet." Warum erzähl ich das jetzt eigentlich alles? Weil es natürlich vor mir schon mehr Leute gab, die sich genau die selben Fragen gestellt haben. Und dabei ist es nicht geblieben. Kongresse, auf denen das Verhältnis von Mensch und Technik vorgestellt wird, sind nicht neu-ccc oder wizards of os, um hier nur ein paar zu erwähnen. Doch es gibt auch ein Event, das die Bereiche Technik, Kunst und Frauen verbindet. "Eclectic Tech Carnival" ist sein Name. Und der fand vor kurzem in Linz statt. Judith von Radio Corax sprach mit Aileen.sie hat an der Organisation mitgewirkt und befasst sich inhaltlich schon länger mit diesem Thema...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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man man — Mensch

Coole Sache — Mrs. Flanders

bla — blub

Sexismus ? ! ? — stefan

Seit einem Jahr an der Spitze — Winston Smith

Auf Indy nichts Neues — Haeckse