Spaniens Regierung überraschend umgebildet

Ralf Streck 11.07.2007 10:32 Themen: Weltweit
Am Montag legten vier neue Minister in Madrid ihren Amtseid beim spanischen König ab. Denn am vergangenen Freitag hatte Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero die Regierung überraschend, acht Monate vor den Parlamentswahlen, umgebildet. Darin zeigt sich die Nervosität der Sozialisten (PSOE), welche die Regional- und Kommunalwahlen im Mai gegen die konservative Volkspartei (PP) verloren haben. Zapatero will nun die "Wahlversprechen vollständig" in den "wichtigen Bereichen für das Land und für die Interessen seiner Bürger" umsetzen. Vor der drohenden Schlappe bei den Wahlen will er Zuversicht zeigen und "Änderungen und Projekte für die nächste Legislaturperiode vorbereiten".
Das kann nur ein Witz sein, denn weder für die Wohnungsnot, noch für die baskische Frage nach dem gescheiterten Friedensprozess, noch für die Umgestaltung des Senats, zu einer Art "Bundesrat" in denen die Regionen wirklich Mitsprache erhalten ist es längst zu spät. Mal schauen was nach der Absetzung der Unkulturministerin in der Frage Kopiergebühr und Internetüberwachung geschieht.

Ohnehin blieben die Schlüsselministerien unberührt. Erst vor einem Jahr wurde die Parteirechte, wie die Ex Minister für Verteidigung und Justiz, kalt gestellt. Allerdings, mit dem Ende der Waffenruhe der ETA, binden die Sozialisten auf völligem Konfrontationskurs Leute wie Bono wieder ein, um bei den Wahlen im Teich der PP zu fischen, in denen die eigentlich Mitglied sein müssten.

Mit Bernat Soria (56) wurde ein Bio-Mediziner nun Gesundheitsminister, der sich zwar als Stammzellenforscher einen Namen machte, aber keine politische Erfahrung hat. Der will die Stammzellenforschung vorantreiben, womit sich Zapatero versucht einen moderenen Anstrich zu geben. Die bisherige Amtsinhaberin Elena Salgado (58) löst den farblosen Jordi Sevilla als Minister für öffentliche Verwaltung ab.

Mit Cesar Antonio Molina (55) wurde die (Un-)Kultusministerin Carmen Calvo abgelöst. Vielleicht bringt der Literaturkritiker und Journalist, bisher Direktor des Cervantes-Instituts, mehr Sensibilität auf. Calvo setzte sich ständig in die Nesseln, zuletzt mit dem Kinogesetz. Damit wollte sie eine Quote spanischer Filme vorschreiben und viele Kinos streikten. Halsstarrig verhinderte sie, dass Pablo Picassos "Guernica" im April zum 70. Jahrestag der Bombardierung von Gernika im Baskenland ausgestellt werden konnte, das der als Anklage des von Spanien bestellten Massakers gemalt hat.

Sie trat vor allem als Vertreterin der Interessen der Autorenvereinigungen auf. Spanien erhebt eine hohe Gebühr auf beschreibbare CDs und DVDs, die mit einem Recht auf eine Privatkopie begründet wird, das wegen Kopierschutz meist gar nicht umgesetzt werden kann. Schnelle Internetverbindungen wollte sie ebenfalls mit einer solchen Gebühr belasten, wie sie nun auch für Abspielgeräte beschlossen ist. Dabei liegt Spanien bei dessen Nutzung schon auf den unteren Rängen der EU, weil dem Ex-Staatsmonopolisten hohe Preise genehmigt werden.

So wurde dem Ex-Staatsmonopolisten Telefonica gerade eine Rekordstrafe von 151,9 Millionen Euro aufgebrummt, weil die Firma ihre Monopolstellung im Kabelnetz ausnutzt und extrem hohe Preise beim Weiterverkauf von DSL-Verbindungen abverlangt. Es handelt sich um die zweithöchste Strafe, welche von den EU-Wettbewerbshütern überhaupt wegen dem Missbrauch einer beherrschenden Marktstellung ausgesprochen wurde.

Spanien nimmt seinen Bürgern im Durchschnitt 20 Prozent höhere Preise als im EU-Durchschnitt ab. Spanien liegt bei der Nutzung des Internets im EU-Vergleich auf den unteren Plätzen. Bereinigt man die Preise um die Kaufkraft, wird die Abzocke noch deutlicher. Während in Frankreich, bei einem Mindestlohn von 1200 Euro, der Ex-Staatsmonopolist 25 Euro monatlich kassiert, sind es in Spanien bei einem Mindestlohn von 630 Euro etwa 40 Euro. Wegen mehr Konkurrenz in Frankreich kann man eine ADSL-Verbindung schon ab 10 Euro bekommen.

Getarnt, als Kampf gegen die Piraterie, wurden Gesetze der Konservativen zur Kontrolle und Zensur des Internets sogar verschärft und die Autorenvereinigungen sollte sogar das Recht erhalten, ohne juristische Kontrolle Webseiten zu schließen. Bei Tierfreunden war sie verhasst, weil sie die Quälerei der Stierkämpfe gegen Angriffe, auch aus der EU, verteidigt und fördert. "Nicht durch Druck oder Gesetze werden die Corridas verschwinden", sagte sie. Will Zapatero seine Wahlversprechen einhalten, hat der neue Kultusminister viel Arbeit.

Viel Stress kommt auch auf die neue Wohnungsbauministerin Carme Chacon zu. Die 36-jährige Verfassungsrechtlerin, bisher Vize-Parlamentspräsidentin, wird kaum dafür sorgen können, dass das Recht auf eine bezahlbare Wohnung schnell eingelöst wird. Die Proteste nehmen zu und können auch durch den Botellon nicht mehr völlig ruhig gestellt werden, manchmal überlagern sich die Fragen auch. Die Immobilienblase hat sich unter der PSOE extrem aufgeblasen. Junge Menschen haben wegen hoher Preise keine Chance, auch wegen der prekären Arbeitsbedingungen, an bezahlbaren Wohnraum zu kommen. Die Proteste nehmen zu und Chacon erhält den undankbaren Job, sich mit der platzenden Spekulationsblase zu konfrontieren.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 10.07.2007
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Spinner — Paul

Überrascht — Ralf

Sozialisten? — herrmann-elite