Aktionen gegen den Freiburger Uni-Festakt

Autonomes Medienkollektiv Freiburg 10.07.2007 18:57 Themen: Bildung
 Am Samstag, den 7. Juli 2007, gab es in Freiburg den Höhepunkt des Universitäts-Jubiläums in Form eines ultrapompösen Festaktes mit odenhaften Vorträgen, Dîner im Colombi-Hotel, Sektempfang und Ball. Als Festredner lud Rektor Jäger den Landesministerpräsidenten Oettinger, Bundesbildungsministerin Schavan und den Präsidenten der EU-Kommission Barroso ins Konzerthaus am Konrad-Adenauer Platz ein. Diverse Aktionen und zwei kleine Demos begleiteten die elitären Aktivitäten bereits ab den frühen Morgenstunden.
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    Jubiläum

Das 550. Jubiläum der Universität Freiburg verkörpert zugleich den Abgang und das runde Ende für seine Magnifizenz Dr. Dres. Hardcore Jäger, der allein für diesen Anlass auf seine pünktliche Berentung im vergangenen Jahr verzichtet hat. Sein autoritärer Führungsstil erbrachte ihm über die Jahre den Ruf eines patriarchalen und rücksichtslosen Feindes von Partizipation und Transparenz. Statt kritische Wissenschaft zu fördern, ließ er Institute schließen und öffnete nach und nach sämtliche Türen für Gelder aus der Privatwirtschaft und größenwahnsinnige Forschungs- und Großbauprojekte jeder Couleur. So konnten sich über die Jahre zum Beispiel die Bereiche Tierversuchskunde, Doping oder Rüstungsindustrie (die Gleichstellungsbeauftragte im Rektorat ist im Sinne missverstandener Emanzipation eine Lobbyistin der Freiburger LITEF) an Jägers Uni ungestört fest etablieren und fortentwickeln.


Konzerthaus am 7. Juli um kurz nach sieben
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Das mangelnde Mitspracherecht sowie die kürzlich durchgesetzte Einführung allgemeiner Studiengebühren beklagten an diesem Tag vor allem Studierende. Der u-asta hatte kurzfristig zu einer Demonstration aufgerufen um das große Fest wenigstens doch noch ein bisschen kritisch zu begleiten.


    Festakt

Aber auch abgesehen von der aktuellen Hochschulpolitik und den universitätsinternen Befindlichkeiten wusste es dieses Treffen exzellenter Eliten per se Wut zu schüren. Der kleine Gipfel, geschützt durch Lahrer Bullen und einen Fuhrpark mit dutzenden Nobelkarossen, wurde – trotz minimaler Organisation – von diversen Gruppen als Selbstbeweihräucherung und grundloser Sektsauferei der Fürsten und Fürstinnen von BaWü und darüber hinaus auf unsere Kosten wahrgenommen. Der grenzenlosen Schickeria wurden demnach Sprüche wie „Ihr feiert und wir zahlen“ oder das ganz banale „Wir haben nichts zu feiern“ entgegengesetzt.

Durch die Form der Veranstaltung wurden auch weiterreichende politische und politisch-wirtschaftliche Bündnisse zum Ausdruck gebracht. Nicht nur die Sponsoren der Uni (Südwest Stahl AG, BASF, ZDF, MLP, Coca-Cola, etc.) nutzen das Spektakel als Plattform. Auch ein zukunftsorientiertes Schwarz-Grün (Geschichtsrevisionist Oettinger, Wagenburg- und Sozialpolitikhasser Salomon und Bolognaprozessträgerin Schavan stießen aufeinander an) oder ein rechtes Großeuropa (der charmante Militarist und vereinende Prophet Barroso weist den Weg) konnten sich in Szene setzen.


    Sambaaktion

Während also innen die Sektkorken knallten, beteiligten sich Studierende, Strassenpunx, Sambatist@s, HedonistInnen und weitere Linke an Protestaktionen.


Frühsport mit Samba
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Da bis 9:20 Uhr alle geladenen Gäste im Konzerthaus sein mussten, traf sich die Aktions-Samba-Band sambasta! bereits eine Stunde zuvor, um von der Straßenbahnbrücke aus lautstark gegen diesen Festakt von Eliten für Eliten zu protestieren. Bereits nach wenigen Minuten kam der „persönliche Betreuer“ der Samba-Band, Bullenoberrat Harry Hochuli, mit den Azubis einer überregionalen Frühschicht, und versperrte den weiteren Weg in Richtung Konzerthaus. Von der Straßenbahnbrücke aus konnte die Samba-Band dennoch den kompletten Vorplatz des Konzerthauses über eine Dreiviertelstunde lang beschallen.

Die am Balkon des Prachtbaus versammelten werten Herren und Damen, Exzellenzen und Präsidenten mussten zum Frühsekt den unappetitlichen Satz: „solidarität statt konkurrenz - eliten wegrocken!“ auf einem Transparent lesen. Durch spontane Spurwechsel und Kesselungen der Bullen durch die Band wurden diese zu einem Zirkeltraining aus Bockspringen, Ringen und kurzen Sprints motiviert. Die Sambaband spielte fast zwei Stunden in der Nähe des Konzerthauses, das zunehmend abgeriegelt wurde.


    Studidemo


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Gegen 12 Uhr versammelte sich ein bunt gemischter Haufen DemonstrantInnen auf der blauen Brücke. Auch Teile der Samba-Band wollten zu der vom u-asta organisierten Demo stoßen, wurden aber vorm Busbahnhof von einer kleinen Einheit Polizei etwa 20 Minuten aufgehalten (siehe Fotos unten). Dies geschah trotz eines einsatzleitenden Reviernord Harrys, der den musikalischen AktivistInnen zwei Stunden zuvor das Spielen zum Auftakt der Demo ausdrücklich „angeboten“ hatte. Trotzdem untermalte die Band von der anderen Straßenseite aus die Auftaktkundgebung musikalisch und nahm danach ungestört an der Demo durch Bahnhofsviertel, Universitäts- und Sedanviertel teil.


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Die Demo führte die Bahnhofsachse Richtung Norden, vorbei an der ungeschützten CDU-Zentrale, über den Rotteckring, durchs Sedanviertel und zurück zur Blauen Brücke. Die gut 150 DemonstrantInnen skandierten durch ein von den Strassenpunx mitgebrachtes Megaphon: „Solidarität statt Konkurrenz! Zur Hölle mit der Exzellenz!“ Die Hedonistische Internationale jonglierte, Die Linke schwenkte ihre Fahne und die beiden vom u-asta hielten ihre Plakate hoch. Kurzzeitig wurde der ÖPNV blockiert und eine große Anzahl Flugblätter (mit wenig hochschulpolitischem Inhalt) verteilt: autonom (pdf) und sambasta (jpg).



Die geringe Mobilisierung ist im Kontext eines Grundsatzbeschlusses einer Studierenden-Vollversammlung aus dem Jahr 2006 zu sehen. Dieser beinhaltete eine „kritische und konstruktive“ Begleitung der Jubiläumsaktivitäten. Nach teils intensiven Protesten vor der Einführung von Studiengebühren, scheint sich unter den StudentInnen mehr und mehr Ratlosigkeit breitzumachen. Die Studierendenvertretung kooperiert offen mit Unileitung und Polizei, möchte ein bisschen protestieren, aber nur so dass es eben niemanden stört...

Bei der Abschlußkundgebung forderte ein ehemaliger, studentischer Senator mehr Mitspracherechte für die Studierenden, damit wir auch in 50 Jahren noch etwas zu feiern hätten. Danach wurde ein gefundener Flyer rezitiert, der zu einer spontanen Fahrraddemo im Anschluss aufrief.


    Rolldemo



Dies nahm die Polizei zum Anlaß für den absurdesten der vielen Kessel in der jüngeren Freiburger Demogeschichte (02.12.2005, 29.07.2006, 16.12.2006, 01.05.2007): Gut 30 Bullen kesselten etwa sieben potentielle DemonstrantInnen und gut fünf PassantInnen ein. Sie nahmen Personalien auf und erteilten Platzverweise, was ganz im Sinne der rollenden ProtestlerInnen gewesen sein dürfte.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass Teile der kasernierten Bereitschaftspolizei aus Lahr im Streifenpolizeidress unterwegs war. Dies erfolgte offensichtlich mit dem Zweck, nicht zu martialisch zu wirken und den prominenten Gästen nicht das Gefühl mangelnder Legitimität spüren zu lassen.


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Noch während die Polizei versuchte die Blaue Brücke zu kontrollieren, setzte sich in einiger Entfernung eine kleine Fahrraddemo in Bewegung und blockierte die Stephan-Meier-Straße in Sichtweite der Bullen. Diese lösten daraufhin ihren Kessel auf, und die Spiele konnten beginnen.



Gefolgt von vier Motorradcops radelten etwa 30 gut gelaunte Linke zur Kronenbrücke, wo sie erneut (und im Rahmen des Weltklimatages klimafördernd) in den Straßenverkehr eingegriffen. Der weitere Weg führte über die B31, Richtung Schwabentor und auf dem Schloßbergring zurück zur Schwabentorbrücke. Inzwischen folgte auch ein Streifenwagen, der bei einer Unterführung abgehängt werden konnte.



Weiter ging’s durch die Salzstraße, am Bertoldsbrunnen vorbei und durch das Bermudadreieck, wo zwei Wannenbesatzungen eine Festnahme versuchten. Später, nach einer weiteren kleinen Tour, löste sich die Demo in der Rempartstraße auf. Plötzlich rasten zwei Wannen auf die Kreuzung am Werthmannplatz, Bullen sprangen heraus und stürmten auf zwei FahrradfahrerInnen zu. Die beiden wurden in Identitätsfeststellungsgewahrsam genommen, rollten jedoch noch am selben Abend wieder in Freiheit.




    Ausklang

Im Anschluss an diese Aktionen wurden die Bullen sichtlich nervöser und umlagerten das Szene-Viertel „Im Grün“. Zahlreiche Zivilbullen fingen an, sich aufdringlich zu verhalten. Nach einer kurzen Klärungsphase verließen sie doch den unmittelbaren Kern des Quartiers und begnügten sich mit der Beobachtung von außen.

Am Abend gab es noch den großzügigen Sektempfang der exzellentesten Bildungsgurus dieser Breitengrade, an dem auch einige unerwünschte Gäste teilhatten. Auch für die meisten Bullen war nun legerer Kleidung angeordnet worden. Wieder wurden Platzverweise ausgesprochen.


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    Ende

Letztendlich war der Uni-Festakt vor allem ein Erfolg für narzistische LenkerInnen akademischer Welten: Die gnadenlose Selbstbeweihräucherung konnte ungestört erfolgen. Der Protest, an dem sich wenige beteiligten, drang nur selten zu den Feiernden vor und müsste, besonders für die Studierendenvertretung, als Misserfolg gewertet werden. Nichts besonders Außergewöhnliches im kleinen Breisgaumetropölchen: Eliten lassen großkotzig raushängen, wie viel klüger, schöner und reicher sie sind. Sie scheißen auf Bildung- und Sozialabbau, sagen das laut und ernten dafür Beifall. Nebenbei wird ein Häufchen KritikerInnen durch unverhältnismäßig viele StaatsdienerInnen auf Distanz gehalten, sogar ein Hubschrauber bewachte zeitweise das Häufchen Protest.

Dennoch haben wir bei guter Laune und in vielfältige Aktionen unsere Ablehnung dieses Zeremonials der Elitenbildung zum Ausdruck gebracht. Mindestens ebenso bedenklich wie die Entwicklung in Sachen Anzahl der DemonstrantInnen, sind die Verdichtung von Vorkontrollen, Einschüchterungen, heftigen Auflagen bei angemeldeten Demos, gezielten Irreführungen der Teilnehmenden durch Team Green und allgemeiner Überwachung. Dies gilt im Besonderen angesichts der in Freiburg erst jüngst neu entfachten Debatte (siehe Autonome Antifa Freiburg: 1 2) zu überzogenen Bullentätigkeiten.


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    Bisherige Indyberichte des
Autonomen Medienkollektivs Freiburg


10.07.2007 – Antifaschistischer Protest in Frankfurt/Main
15.06.2007 – Repression während des Gipfels
25.05.2007 – Squat « Le Tobbogan » in Dijon geräumt
23.05.2007 – Espace Autogéré des Tanneries in Dijon bleibt
21.05.2007 – Kampf um Freiräume in Dijon
08.05.2007 – Besetztes Hotel Stein&Graben in Basel geräumt
03.05.2007 – Schwarz-roter 1. Mai in Strasbourg & Freiburg

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    Ergänzungen
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Ergänzungen

Die Misere der Freiburger Universität

Autonomes Medienkollektiv Freiburg 17.07.2007 - 10:13
Vom 6. bis 16. Juli 2007 feiert die Freiburger Universität ihr Fest zum 550jährigen Bestehen. Rektor und Festkomitee ergehen sich schon seit Monaten in Lobreden über die Bedeutung und die großen Leistungen der gegenwärtigen Universität. Eine Festschrift in nicht weniger als fünf Bänden, herausgegeben von dem Historiker Bernd Martin, stellt die Geschichte der Universität dar. Gegen die Verklärung des jetzigen Zustandes der Universität hat Rüdiger Scholz, Germanist an der Freiburger Universität 1968-2004, ein Pamphlet verfasst:

 http://omnibus.uni-freiburg.de/~scholzr/

Quelle:  http://www.autonome-antifa.org/spip.php?page=antifa&id_breve=404&design=2

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 29.07.2007 - 23:26

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Klasse! — ich halt