Brandenburg: Bevorstehende Sammelabschiebung?

engagiertes Mensch 07.07.2007 14:28 Themen: Antirassismus Repression
Macht der Abschiebestaat wieder mal mobil? Flüchtlinge sollen zwangsweise nach Herkunftsländern sortiert zur massenweisen Überprüfung durch eigens eingeflogene Behördenmitglieder gebracht werden.
Wie bereits gestern vom Flüchtlingsrat Hamburg angedeutet, werden im Land Brandenburg kamerunische Flüchtlinge aufgefordert, sich für eine Massenüberprüfung zusammenzufinden. Das entsprechende Aufforderungsschreiben liegt jetzt in eingescannter Form vor (siehe unten). Daraus gehen Details über den geplanten Ablauf und die Etappen der Deportation hervor. Außerdem wird in der Begründung immer wieder betont, dass diese Maßnahmen durch ein besonderes öffentliches Interesse legitimiert seien, wer diese Öffentlichkeit sein soll, bleibt im Dunklen.

Die Menschen, die in Köln die Identitätsfeststellung der vorgeführten Flüchtlinge vornehmen sollen, sind extra eingeflogene Mitglieder aus Behörden der Herkunftsländer. Im Gegensatz zu den in der BRD ansässigen Botschaften können sie Pässe ausstellen. Das Fehlen eines Passes hindert die deutschen Behörden zunächst daran, Menschen abschieben zu können. Angesichts der geplanten Identitätsüberprüfung liegt der Verdacht nahe, dass mit der Ausstellung neuer Pässe die Abschiebung von Menschen ermöglicht bzw. beschleunigt werden soll.

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Ergänzungen

Juristische Erfolge

Antirassista 08.07.2007 - 10:28
Es gab bereits juristische Erfolge gegen diese Sammelanhörungen, denn

Normalerweise ist solch eine Anordnung ohne Anhörung nicht möglich:

Verwaltungsverfahrensgesetz Land Brandenburg, § 28, Anhörung Beteiligter
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu
geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
insbesondere wenn
1. eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;

Aber die Ausländerbehörde macht geltend, dass:

„…ein erhebliches öffentliches Interesse an der schnellen Durchsetzung Ihrer vollziehbaren Ausreisepflicht besteht.“

Bei den Anhörungen in Dortmund hatte eine Anwältin aus Köln Erfolg mit einem Antrag gegen die Anordnung der "sofortigen Vollziehung". Allerdings gab das Verwaltungsgericht dem Antrag vor allem aus formalen Gründen statt: es handele sich bei der Vorladung der Ausländerbehörde um eine Zwangsmaßnahme, die einer richterlichen Anordnung des Amtsgerichts bedurft hätte (VG Köln, Beschl. v. 24.03.2006 - 23 L 477/06 -).

Außerdem handelt es sich hier nicht um eine Vorführung bei der Vertretung des Landes, sondern in der Ausländerbehörde:

Aufenthaltsgesetz, § 82, Absatz 4

Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint …

So entschied das Verwaltungsgericht Bremen anlässlich der Vorführungen in Hamburg im November 2005, dass es fraglich sei, ob die Vorführung "in den Räumlichkeiten der Ausländerbehörde Hamburg" ... "durch § 82 Abs. 4 AufenthG gedeckt" sei: "Die Ausländerbehörde Hamburg dürfte nicht die für den Antragsteller im Sinne von § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG "zuständige Behörde" sein" (VG Bremen, 03.01.2006, AZ: 4 V 2731/05).


Was denn nun?

Widerspruch 08.07.2007 - 10:47
Angela Merkel hat in ihrem neuen Video-Podcast die Integration von Menschen mit ausländischer Herkunft als „eine der Schlüsselaufgaben unserer Zeit“ bezeichnet.

Hat sie dem BMI auch Bescheid gesagt?

Pressemitteilung des BMI vom 25.04.2007: Das Bundesinnenministerium bewertet das erfolgreiche Rückführungsprojekt als weiteren wichtigen Schritt bei der konsequenten Umsetzung der europäischen Rückführungspolitik … Nach Abschluss der laufenden Vorbereitungen beabsichtigt Deutschland im Herbst 2007 mit weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Rückführung zu beginnen.

weiterer hinweis

rax 08.07.2007 - 14:08
einige landkreise in brandenburg haben vergessen, die "sofortige vollziehbarkeit" der vorführung nach kökln anzuordnen, d.h. schon der widerspruch hat aufschiebende wirkung und mensch muss nicht dort hin.
montag nachmittag also faxen: "(name, anschrift). gegen ihre verfügung, dass ich am 12.07.2007 in köln vorsprechen soll, erhebe ich hiermit widerspruch. (unterschrift)". zur begründung kann man noch auf die entscheidung des vg bremen verweisen und die regelung des § 82 IV 1 AufenthG (vorführung bei der vertretung, nicht bei vertretern...) hinweisen.
wie die erfahrung derartiger "delegationen" zb am beispiel guineas zeigt, bestehen die "delegationen" in der regel aus einem konglomerat von leuten der staatssicherheit (mit folterkontakten...) einerseits, schlicht kriminellen menschenhändlern andererseits, die vermutlich auf eigene rechnung den deutschen behörden resiepapiere ausstellen. das diese papiere nach dem recht des heimatstaates oft nicht einmal existieren oder falsche urkunden sind (an deren beschaffung deutsche behörden gegen bezahlung mitwirken!), interessiert die verwaltungsgerichte leider wenig. wenn man was schafft durchzusetzen, dann, das man zur "vorführung" nicht hin muss.

Weitere Informationen

no-racism.net 09.07.2007 - 00:26
Auf no-racism.net finden sich zwei aktuelle Beiträge vom 9. Juli 2007, in denen die Informationen zu den geplanten Sammelabschiebungen zusammengefasst und mit weiteren Informationen erweitert wurden:

Die 'Rückführungspolitik'. Ein rassistisches Projekt der EU
Abschiebungen aus den EU-Staaten werden zunehmend auf EU-Ebene koordiniert. Immer öfter kommt es zu sogenannten Charterdeportationen bzw. Sammelabschiebungen. Doch auch die Einzelstaaten setzen zunehmend auf diese Praxis. Aktuell weist vieles darauf hin, dass Ende Juli 2007 Massendeportationen von Deutshland aus in verschiedene afrikanische Länder stattfinden soll.
 http://no-racism.net/article/2185

'Wenn Du nicht gehst, dann...' Sammel-abschiebung?
Seit Jahren setzen die Abschiebebehörden in der EU auf sogenannte Sammel- oder Charter- Abschiebungen. Wie bei jeder Abschiebung muss auch hier das Zielland der Abschiebung sog. "Heimreisezertifikate" ausstellen. Die Abzuschiebenden werden dabei zur "Mitwirkung" gezwungen. Wer nicht freiwillig geht, der/dem droht die Abschiebung unter Anwendung von Zwangsgewalt.
 http://no-racism.net/article/2184

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