Blutiger Wahlkampf in Guatemala

pirata 02.07.2007 20:49 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Dass Wahlkämpfe in Lateinamerika mit unter bis aufs Blut ausgefochten werden, ist nicht außergewöhnlich. Doch Guatemala scheint diesmal für den Urnengang einen besonders hohen Blutzoll zahlen zu müssen. Neben Politikern werden diesmal vor allem Busfahrer erschossen. Ein rechtsradikaler Präsidentschaftsanwärter steht in Verdacht, die Morde an den Buschauffeuren in Auftrag gegeben zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Otto Pérez Molina hat durchaus gute Chancen, nächster Präsident Guatemalas zu werden. Grimmig blickt er im ganzen Land von den Wahlplakaten hinab, seine Faust geballt und verspricht, mit „harter Hand“gegen Straftäter vorgehen zu wollen. Dabei gilt der General selbst als jemand, der sich nicht unbedingt um Recht und Gesetz kümmert. Er wird für Massaker an Indigenas während des Bürgerkrieges verantwortlich gemacht, half einem korrupten Ex-Präsidenten zur Flucht nach Panama und soll auch Gewerkschafter, Studenten und Oppositionspolitiker in seiner Zeit als Chef des militärischen Geheimdienstes, um die Ecke gebracht haben. Unangenehm ist für ihn auch, dass er nun in einem neuen Buch offen beschuldigt wird, in den Mord am Bischof Gerardi verwickelt gewesen zu sein. Das Verbrechen sorgte weltweit für Aufsehen und erschütterte das Land tief . Außerdem soll er seinen gigantischen Wahlkampf mit nicht unerheblichen Summen der Drogenmafia finanzieren. Was ihn aber nicht davon abhält, sich als Saubermann, „General des Friedens“ (O-Ton Otto Pérez Molina) und Patrioten mit reiner Weste zu präsentieren.

Doch vor wenigen Tagen bekam die eh schon tiefrot getünchte Weste noch weitere häßliche Kleckse. Niemand geringeres als der amtierende Vizepräsident sprach öffentlich die Vermutung aus, dass Otto Pérez Molina womöglich hinter der schrecklichen Blutserie gegen Busfahrer in der Hauptstadt stehe, die das Land beschäftigt. Binnen weniger Wochen wurden dort 40 Busfahrer bei ihrer Arbeit erschossen. Das Merkwürdige daran: Oft wurden die Opfer gar nicht ausgeraubt. Was war dann das Motiv der Täter? Für den Vizepräsidenten und andere außenstehende politischen Beobachter ist klar: Der General will womöglich das eh schon von der ausufernden Kriminalität geplagte Land noch weiter in die Krise treiben. Das könnte dann dem Hardliner mit der stets geballten Faust Stimmen zutreiben.

Schon heute ist „El General“ bei allen Umfragen auf Platz zwei in der Wählergunst. Nur wenige Prozentpunkte fehlen ihm noch, um den derzeitigen Favoriten Álvaro Colom zu übertrumpfen. Dem spindeldürren, konservativen Sozialdemokraten mit der Lispelstimme, dem jegliches Charisma fehlt, kamen schon 16 Parteikämpfer abhanden – alle ermordet.
Es gilt als sicher, dass es am 10. September zu keiner Entscheidung kommen und ein zweiter Wahlgang nötig werden wird. Was die Siegeschance des Rechtsradikalen noch erhöhen könnte. Von den 16 Präsidentschaftsklandidaten im ersten Wahlgang sind 13 im rechten oder ultrachten Lager angesiedelt. Die Stichwahl zwischen den beiden Favoriten könnte spannend werden. Doch bis dahin wird noch viel Blut fließen.
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Ergänzungen

Uebersetzung Titelbild

pirata 02.07.2007 - 22:56
"Es gibt verschiedene Moeglichkeiten nach Blut zu bitten/verlangen". Eine Werbung der guatemaltekischen Tageszeitung "El Periodico".

Uebersetzung Foto Otto Pérez Molina

pirata 02.07.2007 - 23:07
O-Ton Wahlplakat von General Otto Pérez Molina: „Die Flamme der Ilusion und der Veraenderung wird die Quelle fuer den Kampf sein, weil dies so unseren Traeumen entspricht. Mein Verlangen nach Frieden, Sicherheit und Wohlstand werden fuer alle Guatemalteken Wirklichkeit.“

...

no importa 02.07.2007 - 23:10
Alvaro Colom ist auch bei der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2003 schon angetreten und damals dem konservativ-rechten z.Z. amtierenden Präsidenten Oscar Berger unterlegen.

no importa

pirata 03.07.2007 - 03:58
Colom ist sogar bei der vorletzten Wahl schon angetreten, damals noch fuer ne linke Partei.

colom vs perez molina

itapipoca 03.07.2007 - 05:25
bisher wurden 52 politiker ermordet im wahlkampfjahr 2007 in guatemala, weit mehr
als 2003 bei der letzten wahl.
colom tritt zum 3. (Und letzten) mal an, beide male ist er bisher gescheitert.
die bevoelkerung traut keinem der kandidaten, grosse spruenge sind auch
von colom nicht zu erwarten.
fast die haelfte der bevoelkerung weiss, nicht ob bzw. wen sie waehlen soll.
die vorwuerfe gegen perez molina konnten zwar nicht bewiesen werden,
stehen aber im raum und wirken nicht unglaubwuerdig.
selbiges ist naemlich in honduras bei den letzten wahlen passiert: gewalteskalation vor der wahl, um unregierbarkeit vorzutaeuschen.

es bleibt zu hoffen, dass colom gewinnt, aber es wird schwer, denn in der stichwahl werden die rechts-waehler wohl fuer perez stimmen.

Guatemala in der Reaktion

Richard Frisch 15.07.2007 - 13:28
Nachdem es vor über 10 Jahren gelungen war den Bürgerkrieg zu beenden, war doch eine Verbesserung der Lage in Guatemala zu beobachten. Es hat mehrere hinreichend demokratische Wahlen gegeben, eine signifikante Entmilitarisierung, Verbesserung der Gemeindeautonomie und regionale Phänomene wirtschaftlicher Entwicklung. All das könnte bei einem Wahlsieg der extremen Rechten ein Ende finden. Schlimmer noch, das zarte Pflänzchen der Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte zertreten werden, ein Rückschritt in die Verhältnisse der Diktatur - ein fatales Signal nicht nur für Guatemala sondern für die gesamte Region.
Aber auch ein Beweis für die Unfähigkeit Europas sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit zu leisten.

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