Italienischer Polizeichef sechs Jahre nach dem G8 2001 in Genua abgesetzt

Anna 21.06.2007 00:24 Themen: G8 Repression Weltweit
Gestern nachmittag wurde bekannt, dass der italienische Präsident Prodi den italienischen Polizeichef Gianni De Gennaro absetzen wird. De Gennaro war 14 Jahre im Dienst, länger als jeder andere italienische Polizeichef mit Ausnahme von Bocchini unter Mussolini.
Gegen 23 Uhr gestern abend wurde bekannt, dass gegen De Gennaro ein Ermittlungsverfahren wegen Anstiftung zur Falschaussage im Diaz-Schulprozess eingeleitet wurde. Ein weiteres Verfahren wurde gegen den früheren Polizeichef von Genua, Francesco Colucci, wegen Falschaussage eingeleitet und es wird gemutmaßt, daß es sich bei ihm um den von De Gennaro angestifteten Lügner handelt. Dies wird die politische Landschaft Italiens in Bewegung bringen und wurde von allen BeobachterInnen der Prozesse nach dem G8-Gipfel in Genua jahrelang erhofft, denn bisher sah es so aus, als ob er wie die anderen Verantwortlichen für die Polizei-Übergriffe von Genua 2001 ungeschoren davon kommen würde. Dies könnte sich nun ändern.

Details zu den Prozessen: Anneke Halbroth: G8-Gipfel vor Gericht. Juristisches Verwirrspiel um die Repression in Genua 2001 in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 83 (1/2006)

Aktuelle Zusammenfassung: Summer (June) 2007 Update on Genoa G8 Court Cases (Englisch).

Quelle: La Repubblica Gianni De Gennaro indagato nell'inchiesta sul G8 di Genova

Letzte Woche: Hoher Polizist bestätigt Übergriffe beim G8.

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Ergänzungen

Netzzeitung

Info 21.06.2007 - 08:25
Polizist sagt zu Todesschüssen in Genua aus
01. Jun 22:21


Just wenige Tage vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm, hat der Polizist, der beim Gipfel in Genua 2001 einen Demonstranten erschoss, gesprochen. In einem Prozess gegen G8-Gegner.

Sechs Jahre nach seinen tödlichen Schüssen auf einen italienischen Demonstranten bei den Unruhen am Rande des G8-Gipfels in Genua hat der Polizist erstmals vor Gericht ausgesagt.

Er sei in seinem Polizeiauto angegriffen worden und habe Angst bekommen. «Da habe ich meine Pistole genommen und zwei Schüsse in Richtung auf die kaputte Autoscheibe abgegeben», sagte der Carabiniere Mario Placanica am Freitag vor einem Gericht in Genua als Zeuge. Bei dem Prozess stehen 25 Globalisierungskritiker wegen schwerer Sachbeschädigung vor Gericht.

«Ich habe mich hier zur Aussage entschlossen, weil ich zeigen will, dass ich nichts zu verbergen habe und vor niemanden weglaufe», sagte Placanica weiter.

Ein Verfahren gegen Placania hatte die italienische Justiz bereits vor vier Jahren eingestellt. Sie war zur Überzeugung gekommen, dass Placanica bei den Unruhen im Juli 2001 in Notwehr gehandelt habe.

Erschossen und überfahren

Der 23-jährige Demonstrant Carlo Giuliani war bei den schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten am Rande des G8-Gipfels erschossen und anschließend überfahren worden. Angeblich hatte er versucht, ein Polizeiauto mit einem Feuerlöscher anzugreifen.

Es kam in Genua zu den schwersten Unruhen in der über 25-jährigen Geschichte der G8-Konferenzen. Zwei Tage lang dauerten die Straßenschlachten, hunderte Menschen wurden verletzt, die Demonstraten setzten Autos ins Brand und plünderten Geschäfte. Der italienischen Polizei wird wiederum vorgeworfen, damals überreagiert zu haben. Vor allem bei einer Razzia in einer Schule, wo Demonstranten übernachteten, sollen die Beamten mit unverhältnismäßiger Brutalität vorgegangen sein. Auch diese Prozesse dauern noch an. (nz)

 http://www.netzeitung.de/ausland/662170.html



Hoher Polizist bestätigt Übergriffe bei G-8-Gipfel 2001 in Genua

Aus Solidarität sechs Jahre lang gelogen

Sechs Jahre nach blutigen Zusammenstössen am Rande des G-8-Gipfels in Genua hat erstmals ein hoher Polizeioffizier schwere Übergriffe der Sicherheitskräfte eingeräumt.

(sda/dpa) «Vier Polizisten schlugen auf ein Mädchen mit einer Platzwunde am Kopf ein, die bereits in einer Blutlache auf dem Boden lag», sagte der Ex-Polizei-Kommandant Michelangelo Fournier bei einem Prozess in Genua.

Es habe sich um eine «Metzelei» gehandelt, sagte er nach Angaben italienischer Zeitungen vom Donnerstag. Er habe sechs Jahre lang «aus Solidarität mit seinen Kollegen» gelogen und die Übergriffe geleugnet.

Bei dem Prozess gegen 29 Sicherheitskräfte geht es um eine Razzia in einer Schule, in der Globalisierungskritiker damals übernachteten. Laut Staatsanwaltschaft haben die Einsatzkräfte Dutzende Personen verprügelt und teilweise schwer verletzt.

Bei Demonstrationen und Zusammenstössen beim G-8-Gipfel 2001 wurde ein Demonstrant von einem Polizisten erschossen. Das Verfahren gegen den Todesschützen wurde später eingestellt. Der Carabiniere habe in Notwehr gehandelt, hiess es zur Begründung.

 http://www.nzz.ch/2007/06/14/al/newzzF2X1472Z-12.html

Niemand ist 6 Jahe nach Genua abgestzt worden

jain 21.06.2007 - 11:19
Prodi hatte schon im Winter De Gennaro vermittelt, dass es an der Zeit ist, dass es zu einem Wechsel auf seinem Posten kommt (Seit der Mussolini-Diktatur war übrigens nie wieder ein oberster Polizeichef so lange im Amt). Unterm Strich ist an einer regelrechten Absetzung nich viel dran: de facto wurde bloß ein inzwischen scon seit eingen Monaten ziemlich sicherer Abgang von der zeitlichen Vollendung her etwas vorweggenommen, sprich, es wurden angesichts der neuesten Entwicklungen rund um Genua etwas schneller als vorgesehen Nägel mit Köpfen gemacht, damit der Wechsel jetzt auch möglichst rasch Tatsache wird, obwohl noch nicht abschließend festgelegt ist, wer De Gennaros Nachfolger sein wird und auch sein zukünftiger Auftrag noch nicht fest steht, nicht zuletz weil die strukturellen Voraussetzungen für die Posten, auf die De Gennaro eigentlich schielte, nicht bzw noch nicht vorliegen, was verrät, dass die Prodi-Regierung es plötzlich eiliger hatte, als sie es sich gewünscht hätte.

Der nach der amtlichen Zustellung des Bescheids über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vor einer Woche entstandene Handlungsdruck könnte im Nebenprodukt der ohnehin wahrscheinlichen Besetzung des Postens mit De Gennaros rechter Hand Manganelli den Weg endgültig frei machen, in dem die Bündnispartei Rifondazione Comunista, die Manganelli für nicht tragbar hält, genötigt wird, sich mit dem angeblichen Kopf De Gennaros zufrieden zu geben und bei Manganelli endlich nachzugeben. De Gennaro würde dann im Bewusstsein gehen, dass seine rechte Hand das Kommando übernimmt. Sofern Leute "gehofft" haben, dass er seines Amtes enthoben wird, damit sich etwas ändert, wird daraus garantiert nichts, wenn Manganelli übernimmt. Eine kleine genugtuung erhalten immerhin die, die De Gennaros Absetzung als Konsequenz für die Machenschaften in Genua immer wieder GEFORDERT (und nicht einfach nur "erhofft") haben. Nur ist die Sache ja erstmal noch nicht direkt eine Konsequenz für Genua, weil wegen Anstiftung zur Falschaussage NACH Genua ermittelt wird.

Ob dadurch vielleicht doch noch die politischen Verantwortlichkeiten und die Verantwortlichkeiten De Gennaros u.a. in Sachen Diaz-Schule aufgedeckt werden, ist vorerst alles Andere als sichergestellt. Was die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft, die sich wirklich sehr zugeköpft hält, wirklich hergeben, ist für alles Weitere erstmal grundlegend entscheidend und momentan zumindest, völlig unklar. Einiges spricht immerhin dafür, dass sie mindestens eine sehr brisante Sache in der Hand hat. Einschätzungen über die reale Tragweite sind derzeit nicht möglich. Bleibt es bei dem einfachen Verdacht der Anstiftung zur Falschaussage, kommt De Gennaro über kurz oder lang aber schon ganz gut klar, das steht fest.

korrektur

italiano 21.06.2007 - 17:45
Prodi ist nicht Präsident, sondern Regierungschef. Staatspräsident ist Napolitano.

In dem Artikel fehlt die Rolle des Gianfranco Fini, damals Außenminister und Neofaschist (die Distanzierung von Mussolini folgte beim Israel-Besuch 2003), der sich ins Polizeipräsidium nach Genua begab und dort auch Befehle erteilte.

tv-bericht

tv-bericht 21.06.2007 - 18:08
hab folgenden tv-bericht zu genua gefunden, dauert 21 minuten:
 http://rapidshare.com/files/36617855/Gipfelstuermer_-_Die_blutigen_Tage_von_Genua.avi

1 ganz vernünftiger Pressebericht!

1 kleines wunder...! [sagt dazu "jain"] 21.06.2007 - 22:57
Ein kurzer Bericht, der ausnahmsweise ziemlich gut wiedergibt, was sich gerade in Rom abgespielt hat, ist hier zu finden:

Italien: Polizeichef stolpert über G8-Schlägereien - von Paul Kreiner

 http://www.diepresse.com/home/panorama/welt/312157/index.do?_vl_backlink=/home/panorama/index.do

Nicht viel mehr als eine recht klare Momentaufnahme mit einigen wichtigen Hintergrundbasics, aber dafür wirklich erstaunlich präzise und gut geschrieben... das hat man beim Mainstream selten erlebt.

Bei der Gelegenheit entschuldige ich mich für Tippfehler, Holpersprache und 1 X verschreiben im Beitrag vom Vormittag [nickname: "jain"]. Ich meinte "vorvergangene Woche", schrieb aber "vergangene Woche", als ich auf die Zustellung des Bescheids an De Gennaro hinwies.

TV-Bericht Genua

pet 22.06.2007 - 14:48
"die blutigen tage von genua" ist eine knapp 45minütige
wdr-produktion von michael busse & marie-rosa bobbi aus dem jahre 2002.

in voller länge zu sehen bei google video

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Quelle?

Terroropfer 21.06.2007 - 00:47
Gibts dafür auch 'ne Quelle? Im Netz hab ich zumindest bisher rein gar nichts dazu gefunden ...