Studiengebührenboykott an der HfbK Hamburg

Nicolas Damm 16.06.2007 02:06 Themen: Bildung
Studiengebührenboykott an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg tritt am 13.Juni 2007, wie auf der zu diesem Datum stattgefundenen Vollversammlung beschlossen in Kraft!
Der Präsident der Hochschule, Martin Köttering will die Studierenden nach einer Mahnfrist von 10 Tagen exmatrikulieren, so seine Aussage auf der benannten Vollversammlung vom 13.Juni 2007.
Die Studierenden der HfbK verweigern ungeachtet dessen weiterhin die Zahlung der Gebühren an die HfbK.
So haben 273 von 555 zahlungspflichtigen Studierenden, abzüglich einer bisher ungewissen Zahl von Studierenden, die befreit wurden, z.B. weil sie angeblich "besonders begabt" sind oder weil sie ein Urlaubssemester beantragt haben, die Zahlung der eingeforderten Gebühren von 500,-€ an die HfbK, die zusätzlich zum Semesterbeitrag von rund 250,-€ anfallen, verweigert.
Zum heutigen Datum haben sich sogar schon 283 Leute am Boykott beteiligt.
Das ist mehr als die Hälfte und weitaus mehr als ein Drittel der Studierenden.
Trotzdem steht der Präsident der Hochschule, Martin Köttering, nicht hinter seinen Studierenden.
"Er begrüße den Boykott. Er sei ja auch gegen Studiengebühren.
Je mehr Leute boykottierten, desso besser seien seine Argumente vor dem Senat der Behörde für Wissenschaft,
wenn er erneut mit diesem in Verhandlungen trete."
Der Wahl von zwei ihm auf der Vollversammlung gestellten Möglichkeiten,
nämlich, die Studierenden NICHT zu exmatrikulieren oder
aus Konsequenz von seinem Amt als Hochschulpräsident zurückzutreten hat er nichts anderes zu entgegnen,
als die Antwort, er würde das Gesetz nicht brechen.
Seine Aussage, er begrüße den Boykott, kann somit nicht als aussagekräftig gesehen werden,
da er von den Studierenden erwartet, dass sie das Studiengebührenfinanzierungsgesetz nicht beachten und die drohende Exmatrikulation in Kauf nehmen,
während er selbst jedoch weder das Gesetz brechen will, noch die nötig gewordene Konsequenz zieht und zurücktritt.
Oder gibt es eine andere mögliche Lösung?
Vielleicht könnte er, der angeblich als einziger Hochschulpräsident in Hamburg überhaupt etwas gegen Studiengebühren einzuwenden hatte, um ein politisches Zeichen zu setzen, gegen das Studiengebührenfinanzierungsgesetz klagen?
Statt auf solche Ideen zu kommen oder sich überhaupt wenigstens Gedanken gemacht zu haben,
was denn die Konsequenz wäre, bzw. welche Repressalien ihm evtl. drohen könnten,
wenn er die Studierenden ungeachtet des Gesetztes nicht exmatrikulieren würde,
wollte er sich auf der benannten Vollversammlung nicht auf Begriffe wie die der Selektion einlassen.
Trotzdem gab er aber zu, dass an der HfbK nicht zuletzt durch die Studiengebühren eine Auswahl stattfände.
Er machte deutlich, dass durch die Auswahlkriterien zur Aufnahme an der HfbK ohnehin eine Bestimmung von sogenannten elitären Studierenden stattfände und die Auswahl durch finanzielle Mittel nur noch erleichtert würde.
Ausserhalb der Hochschule würden sehr viele Studierende warten, die für eine Aufnahme an der HfbK gerne bereit wären, die Studiengebühren zu bezahlen.
Dafür politische Zeichen zu setzen scheint er also nicht zu sein.
Er glaubt die Hochschule sei weder ein Leuchtturm, der Signale nach aussen sände, noch ein Glasturm, indem die
Kunststudenten völlig unberührt von der Aussenwelt blieben.
Er machte sein Kunstverständnis deutlich indem er sagte, es gäbe genug bekannte Künstler ohne Diplom und er
glaube ganz zuversichtlich an die Kraft der Kunst, auch mit Studiengebühren, da diese auf die Kunst an sich wohl kaum Auswirkung haben könnten.
Dies wurde von vielen Studierenden als äusserst zynisch empfunden.
Doch die Studierenden der HfbK lassen sich nicht unterkrigen und boykottieren weiter.

Über den aktuellen Stand der Dinge kann sich auf www.hfbk.de informiert werden

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Ergänzungen

Sehr schön ...

Tim 16.06.2007 - 07:18
Super, was Ihr da auf die Beine stellt! An der Uni Hamburg ist der Boykott ja gescheitert, obwohl ich auch über 6.000 Boykottierende (von ca. 40.000 Studierenden) noch als eine stattliche Zahl ansehe. Übrigens werden von den Nicht-Boykottierenden an der HfbK sicher auch etliche wegen eines Kindes unter 14 Jahren von Studiengebühren verschont bleiben, an der Uni Hamburg sind das - geschätzt - rund 10 Prozent, bei Euch (positives Vorurteil) vielleicht ja noch mehr? Wenn das stimmt, bleiben ja weit weniger als 200 Leute über, die an der HfbK überhaupt zahlen ... echt super!

nicht aufrgeben!

soso... 16.06.2007 - 13:00
ihr rettet das bild der hamburger studierenden! leider ist der boykott an allen anderen hamburger hochschulen (uni, tu, haw, hcu) gescheitert. hamburgweit haben sich über 10.000 studierende (von 60.000) am boykottversuch beteiligt. zu wenig, etwa 16.000 wären nötig gewesen...
hfbk für hamburg!

Mögliche Folgen?

Skizze 16.06.2007 - 15:48
Mögliche Auswirkungen von Studiengebühren auf die HfbK:

- Beschleunigung:
Es wird nun "schnell, schnell" studiert. Kunst kann man aber nicht "schnell, schnell" studieren. Im Gegenteil: Das schadet oft sogar. Scheitern, Auszeiten, langfristige Denk- und Orientierungsprozesse sind oft essentielle Bestandteile künstlerischer Entwicklung, wie aus vielen Biografien ersichtlich. Im Neoliberalismus will man aber keine Versager, sondern Top-Leistung sehen - auch in der Kunst. Wer es nicht packt, der fliegt, es gibt ja genug andere Aspiranten.

-Vermeintlich "marktkompatible" Produktion:
Es wird sich an Erfolgsmodellen orientiert (etwa Malerei der Leipziger Schule), statt eigene Bahnen künstlerischen Denkens zu entwickeln, da nun im Schnell-Studium Risiken eher vermieden und Investitionen wieder eingespielt werden müssen. Die "Leipziger Schule" ist allerdings schon wieder passe (Documenta, Biennale), während an der HfbK noch eifrig losgepinselt wird: man setzt nicht mehr die Trends, sondern läuft ihnen erfolglos nach. Folge ist aber auch ein rückschrittlich-marktorientierter Kunstbegriff: Kunst ist nun wieder das, was reiche Leute gnädigerweise auf Verkaufsausstellungen und in Galerien erwerben, um damit das eigene Heim zu dekorieren oder an der spannenden Kunstwelt teilzuhaben. Kunst ist nicht mehr: autonome Kraft der Veränderung, Denken; obwohl hier doch ihr derzeit behauptetes Potential liegt (vgl. Documenta, Biennale).

-Affirmation
Es wird von Studentenseite vermehrt bei vermeintlich oder wirklich einflussreichen Personen herumgeschleimt, um angebliche "Netzwerke" herzustellen oder ihnen beizutreten, statt vorhandene inhaltliche und personelle Widersprüche und Konflikte individuell auszuhalten und auszutragen. Machtpositionen werden vermehrt unhinterfragt affirmiert, um persönliche wirtschaftliche Risiken bei der eigenen Kunstproduktion möglichst gering zu halten. An die Stelle von Kooperation tritt vermehrt, wie ideologisch ja gewünscht, der Wettbewerb - um Geld, Zuwendung, Ansehen. Lokale Honoratioren aus Kultur und Wirtschaft, Galeristen und HfbK-Apparatschiks bilden vermehrt Klüngel, die nicht ganz uneigennützig einzelne Künstlerkarrieren von Studenten planen und designen. Die Definitionsmacht darüber, was Kunst, und was neue, interessante Kunst sein könnte, liegt nun ganz bei diesen Kreisen, ihr Wohlwollen ist für angehende Künstler wichtig. Politisches Engagement, das gegenwärtigen marktapologetischen Tendenzen zuwiderläuft, wird entweder umarmt und strategisch vereinnahmt (entsprechende individuelle Karriereangebote), oder ignoriert, bzw. verächtlich gemacht. Diese vermeintlich marktwirtschaftliche "Auslese" selektiert aber eher nach Wohlverhalten - eine langfristig wenig tragfähige ästhetische Strategie für Künstler. Ohne Not vertreibt man so "Rebellen" und Leute mit Mut und eigenem Kopf, und behält die Duckmäuser und Karrieretechniker.

-Bedeutungsverlust der HfbK
Kaum einer der auch wirtschaftlich erfolgreichen Künstler, die in letzter Zeit ein HfbK-Studium absolvierten, steht für die derzeit an der HfbK scheinbar erwünschte Art von Kunstproduktion (Index, Kunstmarkt, harmlos-pseudopolitische-unpolitische "Poesie", gefühlige "Experimente" von vermeintlichen Künstlergenies a la 19. Jrhd.) oder stimmt den neoliberalen HfbK-Reformen zu. Ohne Notwendigkeit wird auch ein Alleinstellungsmerkmal aufgegeben, und vorhandenes internationales Ansehen verspielt. Schon jetzt erkennen Absolventen ihre alte Hochschule kaum wieder, es ist bereits viel gefühlte Freiheit verlorengegangen.

-Sozialstruktur
Kunst wird - noch mehr, wieder - zu etwas, bevorzugt das Kinder reicher Eltern studieren (können, dürfen, sollen). Sinn davon bleibt unklar, es sei denn, man hielte Kunst für überflüssigen Luxus, den sich auch als eigene Praxis nur Reiche leisten können sollen - und natürlich einige "Hochbegabte" (siehe auch Punkt "Affirmation").

-Karrierechancen des Führungspersonals
Die einigermassen reibungslose Einführung der Studiengebühren (langfristige, INSM-begleitete CHE-Salamitaktik, Mehrzahl der Studenten lange Zeit apathisch oder ängstlich-verunsichert oder pragmatisch-karrierefixiert, siehe oben) garantiert für die Verantwortlichen weitere Karriereschritte im CDU-nahen Politik-, Wirtschafts- oder Kulturbereich. Ohnehin war Kötterings Spielraum nicht allzu groß, die Leine des CDU-Senats gestattet keine so munteren Sprünge, wie vom Asta scheinbar erhofft. Als eine Art "Blitzableiter" zieht K. aber so den gesammelten Unmut der Protestierer auf sich, der nach seinem Wechsel in ein anderes Amt dann entsprechend erst mal ins Leere laufen wird. Der geplante nächste schwarz-grüne Senat wird sich dann sehr um "wachsende Stadt" mit viel "Kultur" bemühen, und eine weniger neoliberale Führungsfigur (entsprechend dem dann inzwischen vorherrschenden Zeitgeist) einsetzen, die wieder mehr auf Ausgleich bedacht sein wird. Die Reformen, Studiengebühren, Exmatrikulationen sind dann allerdings ("leider") nicht mehr rückgängig zu machen. Ohnehin sind die Protagonisten des Protests dann schon weg, und eine neue Generation von Kunststudenten hält das verschulte "Credit-Points"-Studium ohnehin schon für "normal", bzw. macht sich keinen Begriff davon, dass und wie es mal anders war, oder sein könnte.

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