Die Lage der polnischen MigrantInnen inEuropa

Monika Karbowska 11.06.2007 16:13 Themen: Gender Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Attac Konferenz in Stuttgart "Europa Global-Fatal" 30.03 - 1.04.2007
Es spricht über meine Erfahrung als polnische Migrantin und feministische Aktivistin in Europa.
Soziale und Ökonomische Lage der MigrantInnen aus Polen
Autorn: Monika Karbowska
Korrektur und Hilfe: Ute Goelz, Attac Stuttgart


Die Quellen

Dieser Beitrag entstand auf Grund meiner eigenen Erfahrung als Migrantin und als polnische Aktivistin im Ausland. Seit 1992 lebe ich in Frankreich, einem Land, das ich aus politischen Gründen gewählt habe. In dieser Zeit war Frankreich noch nicht so konservativ und ultraliberal wie heute und ich zog es vor dort zu bleiben, obwohl es viel einfacher war, die Aufenthaltserlaubniss in Deutschland zu bekommen. Als Migrantin habe ich alles erlebt und durchgemacht, was eben Migranten machen und erfahren. Ich habe auch die polnischen Migranten politisch organisiert. In den Jahren 1996-2000 war ich Generalsekretärin der Organisation Polnischer Studenten in Frankreich und war in dieser Funktion verantwortlich für die politische und soziale Tätigkeit dieser Art Gewerkschaft, die für Rechte der emigrierten Studenten kämpfte.
Ich verdanke auch dem Netzwerk “Polki na Emigracji” (“Polinnen auf Wanderung”), das 2006 ein Symposium in Budapest abgehalten hat, Informationen über die Lage der Polinnen in verschiedenen Ländern. Diese Informationen wurden mir von Agnieszka Zaleska, der langjährigen Direktorin der polnischen Schule in Athen, gegeben. Agnieszka Zaleska wurde neulich von ihrer Stelle durch den rechtskonservativen Bildungsminister der aktuellen polnischen Regierung entlassen, obwohl sie so viel Gutes für die polnischen Migranten und ihre Kinder getan hat. Stören denn die politisierten MigrantInnen die rechtsextremen Politiker in Polen? Wir können es ahnen.


Migrationstradition der Polen

Die Polen sind seit 200 Jahren ein Migrantenvolk. Jeder Pole weiß, wie sehr die traditionelle Migration “in den Westen” (Nordamerika, Frankreich, Deutschland… aber auch Süd- und Nordafrika oder Südamerika) einen Teil polnischer Identität bei den Landbewohnern bildete. Migration gab es auch selbstverständlich in der Identität der Polen jüdischer Abstammung (Amerika, Westeuropa und später Israel). Migration gilt seit dem 19 Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit als eine Lebensoption, und das obwohl das kommunistische Regime die Migrationen nicht willkommen hieß und durch die Schließung der Grenzen verhindern wollte. Aber das Leben ist immer stärker als die politische Unterdrückung. Deshalb gab es die politische aber auch ökonomische Migration durch die 40-jährige Lebenszeit des Regimes. In den 80er Jahren gab es sogar eine starke Migration von jungen gebildeten Leute, die ohne Probleme Aufenthaltserlaubnisse im Westen als “politisch Verfolgte”. (Deutschland, Frankreich, Kanada, USA) bekamen. Es gab auch “Pendelmigration” zum Beispiel von Studenten, die ein Jahr lang im Westen arbeiteten, um danach mit den beschafften Devisen eine Wohnung zu kaufen, und ihr Studium nach der Unterbrechung fortsetzten.

In dieser Zeit hatten wir, Polen, ein Sprichwort, das die Lage genau beschrieb und die Unterschiedlichkeiten der Migrationserwartung klarmacht :“Vor dem Krieg sind wir für das Brot ausgewandert (za chlebem) - heute, ist es fûr das Brot mit dem Schinken (za chlebem z szynka)”. Dieses zeigt, dass die Lage der polnischen Arbeiter sich soviel durch den Kommunismus verbessert hatte, dass sie nicht mehr zum Überleben auswanderten, sondern um dauerhafte Güter zu kaufen. Natürlich gilt dies nicht für die politische Migration, deren Ursachen die fehlende Meinungsfreiheit war. Dies trifft auch nicht zu für die massive Emigration, zumeist nach England, der Mitglieder der früheren dominanten Klasse, der Aristokratie und der Intelligenz, die dazu durch die kommunistische Politik 1945-1950 gezwungen wurden.

Die Ursachen der heutigen Migration

Leider hat der brutale Kapitalismus den sprichwörtlichen Schinken verschwinden lassen, so dass seit 1991-1992 die Leute sich wieder für das blanke Brot zur Migration entscheiden müssen. Seit der Erzwingung der Öffnung der Grenzen für die westlichen Produkte, die Privatisierungen, die Pleite und die massive Schließung polnischer industrieller Betriebe in den Jahren 1991-1996, herrscht eine massive Arbeitlosigkeit in Weiten und Breiten der Regionen Polens. Der industrielle Süden wurde stark davon getroffen, aber betroffen war auch der landwirtschaftliche Norden mit der Schließung der staatlichen Großlandwirtschaftsbetriebe. Heute noch erreicht in den Südprovinzen die Arbeitslosenrate 20 bis 30 % der arbeitsfähigen Bevölkerung. In manchen Nordregionen steigt die Rate bis auf 40%, und das laut der offiziellen Statistiken, die doch daran ein Interesse haben könnten, diese Lage zu unterschätzen. Wir können also annehmen, dass die Situation schlimmer sein könnte als diese Statistiken sie zeigen.

Als die Betriebe Anfang der 90er Jahre geschlossen wurden, unternahm die Regierung - der offiziellen ultraliberalen Ideologie wegen - überhaupt nichts, um diese Industrie umzustrukturieren. Die Leute wurden so, wie sie da standen, allein gelassen, weil sie sich jetzt, laut der regierenden Ideologie, als “Selbstunternehmen” zu bezeichnen und zu verhalten haben. Es wurden nur einige “Freie ökonomische Zonen” mit dem Gelde der EU (dem Phare-Programm zum Beispiel) errichtet, die nichts an der Gesamtsituation geändert haben. Ein Beispiel : in meiner Heimatstadt im Süden, Tarnobrzeg, gab es ein Schwefelbergwerk. Das wurde im Jahre 1991 fast komplett geschlossen, obwohl eine ganze Stadt davon lebte. Seitdem - gibt es diese Stadt eigentlich nicht mehr. Die Menschen, die um die 40-50 Jahre alt waren, haben überhaupt gar keine Arbeit gefunden und leben von elenden Renten, während die meisten jungen Leute ausgewandert sind. Sogar die Älteren müssten in den Westen ziehen, um zu putzen oder am Bau zu arbeiten, damit sie überleben können. Eine totale soziale Wüste.

Diese Menschen haben mit ihren Unternehmen nicht nur ihre Arbeitsbasis verloren: sie haben ihre soziale Position, ihre Würde, ihre soziale Bedeutung verloren. Ihre Strukturen, Organisationen, die ihre Lebensweise bestimmten, wurden plötzlich zerstört. Zum Beispiel, alles was mit dem Urlaub, der Kultur oder dem Sport zu tun hatte, drehte sich um den Betrieb – wenn es keinen Betrieb mehr gibt, verschwindet auch die Freizeit, die Kultur und der Sport. Und die Menschen haben auch ihre politische Bedeutung verloren : Erinnern Sie sich, dass eigentlich kein einziger Arbeiter aus der Solidarność sich die Rückkehr des Kapitalismus wünschte! Eigentlich wussten die Arbeiter nicht was der Kapitalismus ist, sie hatten keine Ahnung, wie eine westeuropäische Gesellschaft organisiert ist, geschweige denn die eines totalen ultraliberalen und brutalen Systems.
Diese Leute sind heute ein soziales und politisches Nichts. Für die in Polen seit 1992 Herrschenden existieren sie nicht. Die Arbeiter mögen die sozialliberalen Postkommunisten zwar zweimal gewählt haben, ihre Lage wurde aber dadurch kaum zum politischen Thema.


Die Migration zwischen 1992 und 2004

Die alte Tradition kam also schnell zurück : die Emigration als Lösung.
Als ich 1992 nach Frankreich kam, waren die polnischen ArbeiterInnen schon da, aber noch nicht so massiv. Jedes Jahr wurden sie mehr und mehr. Ich selbst kann nur über Paris berichten, weil ich dieses Milieu gut kennengelernt habe, wir können uns aber vorstellen, dass die polnische Migration sich in anderen Teilen Frankeichs und Europas in dieser Zeit ebenso verbreitete.
In dieser Zeitspanne zwischen der Unterschreibungs der Schengenzusatzprotokolls von 1992 und dem Eintritt in die EU im Jahr 2004, also 12 Jahre lang, hatten die Polen die Möglichkeit 3 Monate lang im Westen zu leben, aber ohne arbeiten zu dürfen. Dies betraf nur England nicht, das den Polen durch Visumzwang verschlossen blieb. So haben die Menschen das Naheliegende gemacht : Schwarzarbeiten blüte. Schwarzarbeiten betrifft im Übrigen alle Länder, wenn es auch in Deutschland etwas einfacher war, eine Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeiter zu bekommen. In allen anderen Ländern war die Lage der Arbeiter sehr viel schwieriger. In Frankreich war es eigentlich unmöglich, die sehr restriktiven Vorschriften zu umgehen. Als Spanien und Italien Migranten in den 90er Jahren massiv legalisiert haben, waren auch tausende Polen und Polinnen darunter. In Griechenland bevorzugt die Regierung Schwarzarbeit sowieso, so dass sie beide Augen zudrückt, wenn es um Polen geht.

Für die polnischen Regierungen zwischen 1992 und 2004 existierten die Migranten offiziell nicht. Man durfte einfach nicht darüber sprechen. Das wurde mir inoffiziell von dem polnischen Botschafter in Paris im Jahr 1999 gesagt, als wir, in der Funktion der polnischen Studentenorganisation, unsere Regierung um Hilfe baten. Unsere soziale Lage war dramatisch : wir hatten nicht einmal eine Studentenkrankenversicherung, auch nicht wenn wir Studentenaufenthaltsgenehmigungen hatten, weil die polnischen Behörden die jeweiligen Abkommen nicht unterzeichnen wollten. Also waren wir so benachteiligt, weil unsere Regierung, ob konservativ oder sozialliberal, unsere Existenz aus europapolitischen Gründen leugnete. Wir sollten als Migranten nicht existieren, weil Polen die Verhandlungen um den Eintritt in die EU begonnen hatte und die Regierung zeigen musste, dass Polen keine “Migrationgefahr” darstellt. Ich habe auch von der Botschaft und dem polnischen Konsulat Informationen über Bauarbeiter bekommen, die Arbeitsunfälle erlitten hatten und für die die behandelnden französischen Krankenhäuser von den Familien oder von der Botschaft die Kostenübernahme verlangten, weil diese Arbeiter überhaupt keine legale Existenz und also keinerlei Versicherung hatten. Sogar dem polnischen Botschafter tat es Leid, dass er uns, der “großen Politik” wegen, nicht helfen konnte.

So blieb die Lage bis 2005 - genau bis zur Grenzöffnung Englands für PolInnen. Von einem Tag auf den anderen verwandelten sich die polnischen Elendsmigranten in ‚fast britische’ Staatsbürger, die die gleichen Rechte hatten wie die Engländer! So wurde die polnische Migration gewaltig : verschiedene journalistische und wissenschaftliche Quellen schätzen ein, dass binnen 2 Jahren zwischen 500 000 bis 1 Million Polen nach England und Irland übersiedelt sind. Insgesamt hätten 2 Millionen Polen ihre Heimat seit 2004 verlassen. Wenn wir die Pendelmigration dazu rechnen, können wir leicht 3 Millionen erreichen.
In anderen EU Ländern ist es nicht so einfach, an legale Arbeit heranzukommen. In Deutschland und Frankreich wurden den Migranten nur einige Berufe geöffnet, wie Bauarbeiten, Landarbeit für Saisonarbeiter, Hotelgewerbe (62 Berufe in Frankreich). Spanien hat erst die Grenzen geöffnet und jetzt wird es sie wieder verschließen. Das Gleiche gilt für Italien. In Griechenland ist sowieso Schwarzarbeiten die Regel. Nur Schweden hat die Grenzen total geöffnet, die Notwendigkeit aber, die schwedische Sprache zu können, um legal zu arbeiten, bremst die Flut der nicht qualifizierten Migration.


Die Lage der Migrantinnen

2004 wurde also zwar zu einer großen Änderung, die Politik der Westländer heißt aber die Niederlassungsfreiheit nicht auf immer willkommen, weil die Regierungen ihre Grenzen wieder schließen können, wie es in den Eintrittsverhandlungen für die 7 Jahre Übergangsphase verhandelt wurde. Für mich besteht die ganz große Neuerung / Innovation in der “Bolkestein Migration”, die eine Gefahr für die Einheit Europas darstellt.

Migration ist natürlich auch geschlechtsspezifisch, weil die Berufe im Westen geschlechtsspezifisch bestimmt sind. Natürlich fahren die meisten Frauen weg, um zu putzen (die Migrantinnen selber sprechen nicht edel von “Hausarbeit” sondern von “Putzen”) und die Männer zum Bauarbeiten. Beide fahren auch, um in der Landwirtschaft zu arbeiten, (Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland). Und auch in der Landwirtschaft arbeiten sie nicht zusammen, da wegen der getrennten Bewerbungsorganisation Frauen nicht in den gleichen Bereichen wie die Männer arbeiten. Eigentlich treffen sich die MigrantInnen in ihrer Arbeit nicht. Sie treffen sich in Polen wieder, in ihrer Stadt, ihrer Familie, ihrem Dorf, oder in den seltenen Migrantenorganisationen, die meistens die polnische Kirche im Ausland fördert .

Wer die Fahrt mit einem polnischen Bus durch Europa zurück nach Hause für die so wichtigen Zeiten wie Weihnachten oder Ostern nicht erlebt hat, kann das nicht verstehen. Da sind hunderte von Bussen (heute, mit den Low-Cost-Flügen auch Flugzeuge) voll von Menschen, die nach Hause nur für ein paar Tage oder ein Paar Monate fahren. Die Männer fahren oft zusammen, weil sie oft zusammenarbeiten. Sie erzählen sich Geschichten über den dämlichen Franzosen (oder Juden, der Antisemitismus erneuert sich stets, willst du diese so im Nebenbei gemachte Aussage nicht herausnehmen? ) die sie nicht bezahlen wollten, während die Frauen über ihre “Madame” oder über die Alten, die sie pflegen, sprechen.

Es kann aber auch anders sein als auf diesem Bild. Wie in vielen Ländern Europas haben Frauen auch in Polen eine höhere Aubildung als Männer, sind aber öfter als Männer arbeitslos. Diese Frauen, die putzen gehen, haben oft ein Abitur, oder auch manchmal einen Universtätsabschluss! Wenn sie zwischen 40 und 60 sind, waren sie früher, vor dem Zusammenbruch ihres ökonomischen Lebens, Beamtinnen oder qualifizierte Arbeiterinnen. Wenn sie jünger sind, haben sie oft das Abitur nicht mehr oder gar keinen Beruf, auch wenn sie Abiturniveau aufweisen: wie in allen Ländern führt in Polen der Druck auf die Arbeitlosen zum Rückgang des Bildungniveaus, weil das Universitätstudium viel teurer als früher und mehr und mehr unerreichbarer wird. Nichtsdestotrotz gehen junge Leute in den Westen oft eben, um zum Universitätstudium Zugang zu bekommen. Sie sind diejenigen, mit denen ich die Polnische Studentenorganisation in Paris gegründet habe, die binnen 2 Jahren von 10 Mitgliedern auf 300 gestiegen ist. Wenn unsere Gewerkschaft so viele polnische Studenten in einer Zeit aufgenommen hatte, in der es sehr schwierig mit den Aufenthaltserlaubnissen war, können wir vermuten, dass heute Zehntausende von jungen Polinnen in den Westen gehen, um zu studieren, um sich eine bessere Zukunft durch eine Westausbildung zu sichern.

Es fällt allerdings auf, dass Mädchen oft mehr am Studium interessiert sind als Jungs. Mädchen haben keine Wahl: als Kindermädchen oder Altenpflegerin verdienen sie weniger als die Jungs im Bauunternehmen. Während Männer ungefähr 1000 Euro in einer gut bezahlten Stelle verdienen können, können die Frauen mit nicht mehr als 600-700 Euro für einen Ganztagsjob rechnen. Nicht mal genug, um im Westen selbständig zu leben. Die Mädchen haben oft Französisch oder Spanisch gelernt und sind also in Frankreich den Jungen voraus mit der sozialen Integration, da diese Sprachen als “Sprachen für Fräulein aus dem gutem Hause” in Polen angesehen werden, während Englisch als die wahre Sprache der wahren Männer gilt. Aber die Männer, die Englisch lernen, finden genug Jobs in Polen, die Frauen bleiben dabei anscheinend auf der Strecke. Also fahren die Frauen nach Frankreich, um zum Beispiel als Au-Pair-Mädchen zu arbeiten, Französischkurse zu machen, und nach 2 Jahren nach dem Sprachaufnahmeexamen der Sorbonne an die Universität zu gehen. Ich kenne viele Beispiele von Frauen, die so zu studieren angefangen haben. Mit dem Studium wächst die soziale Integration, und der Wunsch nach Polen zurückzugehen lässt nach. Diese Frauen versuchen nach dem Studium eine Arbeit zu finden und bleiben oft im Westen.

Ende der 90er Jahre war es sehr schwierig eine Arbeitserlaubniss nach dem Studium zu bekommen: daher versuchten die jungen Frauen Franzosen (oft mit Migrationshintergrund) zu heiraten. Sie bekamen, wie im 19 Jahrhundert, die Möglichkeit zu arbeiten nur, wenn sie geheiratet hatten! Die Heirat war ein Mittel zum Zweck: Arbeit, Haus und eine eventuelle soziale Integration durch Kinder. Der Familie eine Arbeit und Kinder zu zeigen wird immer noch als der wahre Erfolg in der polnischen Provinz angesehen, am besten mit einem Mann der Franzose ist, nicht mit einem Polen! Ein Ehemann allein genügt allerdings nicht, um als erfolgreich angesehen zu werden, die Arbeit muss auch hinzukommen, damit die Frau nicht als “Verräterin” gilt. Geld verzeiht nämlich alles.

Dieses Geld aber hat die Migrantin nicht immer. Arbeitet sie schwarz, was oft vorkommt, auch wenn sie Papiere hat, kann es vorkommen, dass sie nicht bezahlt wird. Hat sie eine volle Aufenthaltserlaubnis, erlebt sie die massive Arbeitslosigkeit wie alle anderen Westeuropäer ihrer Schicht. Doch sie hat keine Familie, auf welche sie sich stützen könnte. Sie kann ihre Wohnung verlieren, obdachlos werden. Sie besitzt nichts, deshalb sprechen Soziologen über “provisorisches” Leben, eine Art verinnerlichtes Lebenspräkariat, wo der Migrant keinen Raum im Dorf seiner Herkunft hat, weil es zu lange her ist, dass er oder sie weggegangen ist, aber auch kein Zuhause im Westen findet, weil seine Situation niemals stabil ist.
Die Straßen von Paris sind voll von obdachlosen Männern, die überall in Europa, manche seit 10 Jahren, gearbeitet haben und irgendwann aufgegeben haben, für die Arbeit, fur das Bezahltwerden, für die Wohnung zu kämpfen. Sie sind ewige Migranten und schämen sich zu sehr, nach Hause zurückzukehren. Sie können nämlich der Familie, der Ehefrau, den Eltern, den Stiefeltern, nicht zeigen, dass sie versagt haben, können sie nicht enttäuschen. Ich habe mit manchen Polen aus den Straßen in Paris gesprochen: sie sind diejenigen, die Zelte und richtige selbstgebaute Häuschen in den Parks und Straßen von Paris gebastelt haben und da geblieben sind - bis im Sommer 2006 der Maire von Paris sie von den Straßen verjagt hat. Heute leben diese Menschen am Rande der Stadt, in der Nähe von den Autobahnen. Europa baut schnell die gleichen Slums wie in den so genannten armen Ländern der Welt.

Die Frauen sind auch obdachlos, doch sie sind weniger sichtbar, da sie erstens dank der positiven Aspekte der weiblichen Sozialisation ein soziales Netz, das aus Freundinnen besteht, leichter aufbauen und sich auf dieses Netzwerk verlassen können. Dieses Netzwerk ist eine Art Tauschsystem, wie unsere Studentenorganisation so ein Tauschnetzwerk war. Die spezifische Lage der weiblichen Jobs kann auch zu einem Tauschsystem führen, wie zum Beispiel Pflege für eine Familie gegen ein Zimmer. Viele Jobs als Kindermädchen geben auch die Möglichkeit der Unterkunft, männliche Jobs geben diese Möglichkeit nicht. Außerdem scheuen sich die Behörden mehr weibliche Armut sehen zu lassen. Weibliche Armut auf der Strasse schockt den guten Bürger mehr als männliche, weil der konservative Bürger irgendwie denkt, dass ein Mann auf der Strasse seine Lage gewählt hat, während eine Frauen ihre Lage nicht gewählt haben könnte, da eine Frau zum Hause gehört. Diese Frauen haben oft Kinder und das liberale System will nicht allzu gern Kinder auf der Strasse sehen lassen, also gibt es in den Obdachlosenheimen mehr Plätze für Frauen und Kinder als für Männer. Außerdem gibt es die Fälle, bei denen die Frauen ihre Abhängigkeit vom Ehemann ausleben: sie bleiben mit prügelnden Männern zusammen, um bloß nicht auf der Straße zu landen. Manche leben von einer Art Hausprostitution: sie schlafen mit einem Mann nur um ein Dach überm Kopf zu behalten.


Die Prostitution

Die Prostitution war eine marginale gesellschaftliche Erscheinung vor 1989, da alle Frauen eine Arbeit hatten. Massive Prostitution begann mit der Einführung von mafiösen kriminellen Organisationen in der Zeit des Zusammenbruchs der gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen in Polen in den Jahren 1992-1994. Da die Pornographie auch in dieser Zeit eingeführt bzw. freigegeben wurde und die Presse die Prostitution als den Gipfel der westlichen sexuellen Befreiung anpries, begann es für junge Mädchen aus der Provinz für akzeptabel zu gelten, in dieser Weise eine Lösung für die finanziellen Probleme ihrer Familie zu suchen. So gerieten hunderte von Polinnen mehr oder weniger willig in die Bordelle von Deutschland, Belgien, Spanien oder auf die Straßen von Frankreich oder Schweden. Ich habe solche Mädchen 1994 in Warschau gekannt: sie waren eigentlich in einer Wohnung eingesperrt und wurden nach 1 Jahr Dienst in Polen nach Deutschland transportiert. Trotz dem Ausmaß dieses Phänomens bleibt aber die Prostitution in Polen ein Tabu: die Prostituierte ist immer die “Andere”, die Ausländerin, die Ukrainerin, die Moldavierin, nicht meine Frau, nicht meine Schwester, nicht meine Tochter. Obwohl minderjährige Ukrainerinnen offen auf den Landstrassen des Landes prostituiert werden, schließen die Bürger beide Augen davor zu. Das hat ganz sicher mit der katholischen Doppelmoral zu tun : als die Prostitution begann, hat die Katholische Kirche keine Kritik vorgebracht. Pornographie war lange Zeit in den 90ern an denselben Kiosken verkauft worden, wo auch Papstphotos zu haben waren. Es ist auch logisch: verlorene Frauen sind nützlich, weil sie desto mehr die Ehefrau und Mutter zur Geltung bringen.

In dieser Situation gibt es natürlich Migrantinnen in der Prostitution, besonders in den Bordellen von Deutschland, Belgien, Holland seit 2000, und Spanien. Ich kann über ihre Lage durch das Netzwerk “Polinnen in der Migration” und von Aktivisten aus Griechenland berichten. Diese Frauen geraten in diese Lage, weil sie nicht genug in den sehr schlecht bezahlten Migrantenjobs verdienen. Da sie meistens ihrer Familie nichts schicken können, hoffen sie durch die Prostitution schneller ans Geld zu kommen. Sie möchten auch Familien gründen und heiraten, was ihnen nicht einfach wird, da Freier sehr selten Prostituierte heiraten! Und natürlich verheimlichen sie ihr Gewerbe ihrer Familie in Polen. Besonders junge Mädchen, die gar keine sexuelle Erfahrung hatten, ahnen überhaupt nicht, was auf sie zukommt und was Prostitution bedeutet. Die Zuhälter halten Ausschau nach solchen Mädchen, die sie zum Beispiel nach der touristischen Saison auf den griechischen Inseln ansprechen. Sie versprechen den Mädchen, dass sie in einem Bordell in paar Tagen mehr Geld verdienen werden als in der gesamten Saison in einem Hotel oder Restaurant. Da die Mädchen meistens weniger Geld verdient haben als sie es erhofften, und da sie keine Ahnung von der Prostitution haben, gehen sie in das Geschäft ohne Gedanken hinein.

Prostitution bietet keine Integrationsmöglichkeit. Das habe ich an einer Freundin erlebt, die meine Mitmieterin war und in einer Luxusbar in Paris Prostituierte war. Diese Bar war illegal, weil Bordelle in Frankreich illegal sind, trotzdem existieren sie in manchen guten Pariser Vierteln, weil die Behörden sie gutheißen. Diese Freundin hat zwar viel Geld verdient: 20 000 Francs pro Monat hat sie ihrer Familie geschickt. Damit hat sich die Familie ein Haus gebaut und ihr Bruder hat sich ein Auto gekauft. Sie aber hat kein Französisch gelernt, und sie hat keinen Mann getroffen, der sie heiraten konnte, damit sie eine Integration durch legale Papiere hätte bekommen können. Sie hatte sämtliche psychologischen und medizinischen Probleme, die mit der Prostitution zusammenhingen. Sie hat überhaupt nichts von ihrem Geld gehabt, während ihre Cousine, die in einem Restaurant arbeitete, nach 3-4 Jahren eine Aufenhaltserlaubnis bekam. Prostitution ist ein Leben am Rande der Gesellschaft. Es wäre sogar noch schlimmer für sie gewesen, wäre sie nicht im Netzwerk unserer Studentenorganisation beschützt gewesen. Als die Polizei schließlich die Bar schloss, fand sie eine Arbeit als Kindermädchen, weil sie dank des Netzwerks nicht völlig isoliert war.

In den Ländern, in denen Bordelle legal sind, bekommen die Prostituierten meistens eine Arbeitskarte nur für diese Tätigkeit, und es ist ihnen eigentlich unmöglich das Milieu zu verlassen und eine andere Arbeit zu finden.


Fundamentalismus und Macht der Kirche in Polen

Die Kirche ist seit 1989 zur zweiten Macht in Polen geworden. Sie hat im Jahr 1995 ein Konkordat erzwungen, über das es keine politische Diskussion gab. In diesem Abkommen verlor der polnische Staat jegliche Kontrolle über die Aktivität des Vatikans auf seinem eigenen Teritorium. Die Kirche wird direkt vom Vatikan aus regiert und der Staat muss sich dem kanonischem Recht anpassen, was die Strukturen der Kirche betrifft. Der Staat hat der Kirche 160 000 ha Agrarboden zurückgegeben, die 1945 verstaatlicht worden waren. Die polnischen laïzistischen Organisationen meinen, dass es weit mehr ist, als die Kirche vor dem Krieg besaß. Heute ist die Kirche der größte Empfänger der EU-Hilfe für die Landwirtschaft in Polen! Außerdem bezahlt sie keine Steuern für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten und für den Bau neuer Kirchen bekommt sie auch direkt vom Staat Unterstützung – ebenso wie für die zahlreichen Reisen des Papstes nach Polen. Durch das Konkordat verlor der Staat die Kontrolle über die zivile Ehe, weil die Konkordatsehe im Zivilrecht jetzt gültig ist. Die Folge ist, dass die Zivilehe fast verschwunden ist, da nur Wenige es sich in Polen leisten können, sich freiwillig als Atheist zu bezeichnen, was so angesehen wird, wenn sie eine solche Ehe eingehen.
Noch 1990 hat der Staat durch die autoritäre Wiedereinführung des Religionsunterrichts auch die Kontrolle über die Bildung der Kirche überlassen. Der Kampf der laïzistischen und feministischen Organisationen gegen Religion als Pflichtfach in den öffentlichen Schulen und gegen die Kontrolle der Priester über die Noten dauerte über die ganzen 90er Jahre. Durch das Konkordat nimmt der Staat die Pflicht auf sich, die katholische Religion auf allen Ebenen der Bildung zu organisieren und zu bezahlen. So haben die Andersgläubigen und die Nichtgläubigen gar keine Rechte.

Die Kirche kontrolliert auch ihre sehr extremistischen Organisationen, wie die Polnische Ligue der Familien (früher war es die National-Christliche Partei die zweimal ,1991-1993 und 1997-2001, an der Macht war) und die “Jugend Aller Polen”, und ihre extremistischen Medien, wie das heute durch seinen Antisemitismus berühmte Radio Maryja. Sie besitzt aber auch andere Medien, wie die Presse, die in Kiosken oder in den Pfarrgemeinden im ganzem Lande zu finden ist - oder auch das eigene Fernsehen “Trwam”. Außerdem hat die Kirche Einfluss auf das staatliche Fernsehen dank einem Gesetz, das “Christliche Werte” im Fernsehen vorschreibt. Radio Maryja gibt es seit mehr als 10 Jahren, trotzdem hat der Westen solange nicht hingeschaut, was da so gesprochen wird. Die polnische katholisch-fundamentalistische Ideologie besteht nicht nur aus Antisemitismus, sondern sie ist auch gegen das “dekadente Europa” gerichtet, gegen das “atheistische Frankreich”, gegen die Frauen, weil Frauen schmutzig sind und Kinder töten, sprich abtreiben, gegen die Ledigen, die die Heirat verweigern und gegen die Homosexuellen. Besonders die Frauen werden als Quelle alles Bösen bezeichnet und deshalb müssen sie gezähmt werden, wenn sie der natürlichen Rolle widerstreben und Kinder nicht gebären wollen.

Deshalb ist der größte Erfolg der polnischen Fundamentalisten und die größte Niederlage der Europäerinnen das Verbot der Abtreibung in Polen (1993) nach 36 Jahren Legalität. Da die Geburtenrate in Polen zum ersten Mal in der Geschichte niedriger als die Todesrate ist, und da die Frauen kaum Verhütungsmittel benutzen können, können wir daraus schließen, dass die polnischen Frauen massiv abtreiben. Sie tun es illegal oder fahren ins Ausland: keine Frau will aber über diese Migration berichten, nicht mal die Feministinnen, da sie dem polnischem Recht nach absolut illegal ist. Wir brauchen viel Zeit und Unterstützung der westlichen Aktivisten, damit wir überhaupt die Polinnen ermutigen können, über diese traumatischen Erfahrungen erst noch zu sprechen.

Die Kirche dieser neuen fundamentalistischen und nationalistischen Ideologie ist besonders stark in den Provinzen, in denen die industriellen Strukturen verschwunden sind und ein gesellschaftliches und moralisches Vakuum enstanden ist. Da die linken Ideen total zerschlagen wurden, richtet die Kirche die Wut und Verzweiflung der Leute auf Sündenböcke wie die Juden, Frauen, Kommunisten, oder auch gegen das dekadente Europa, das schnell als die Quelle aller Probleme gesehen wird. Der Nationalismus wächst besonders seit der Regierung von 2005, was die amerikanische Regierung ausnützt, um den Racketenschild als Schutz vor “dem Bösen aus dem Osten und dem Süden” durch die polnische Regierungspropaganda darzustellen und so das Sündenbockdenken in der polnischen Mentalität zu verfestigen.

Wenn wir diese Situation betrachten, erscheint es natürlich, dass die Menschen, die diese Regionen verlassen, um in den Westen auszuwandern, auch diesem geselleschaftlichen Klima entfliehen wollen. Frauen fahren in den Westen, um mehr Freiheit zu haben. Besonders junge Frauen wollen auch am Leben Spaß haben, in Diskotheken gehen, Männer treffen und ihre sexuelle Freiheit erleben, inklusive das Recht auf Verhütungmittel und Abtreibung. Die Migrantinnen sind nicht politisiert und sprechen nicht öffentlich über Politik, klar ist aber, dass sie dieselbe Freiheit haben wollen wie andere Frauen in Frankreich. Sie sind auch hierher gekommen, um diese natürliche Freiheit zu genießen und haben dafür viele Mühen auf sich genommen. Auch die Frauen, die das Abtreibungrecht nicht unterstützen, bevorzugen eine richtige familienfreundliche Politik wie in Frankreich. Frankreich ist eigentlich gar kein Modell in Sachen Familienpolitik, aber das wenige, was getan wird, scheint den Polinnen riesig, im Vergleich zu der bloßen Mutterschaftsideologie, gekoppelt an Verachtung der alleinstehenden Mütter in Polen). In ihrer Heimat sind die Frauen, die Mütter und auch die Familien nämlich völlig alleine, jedes Individuum muss sich selbst im ultraliberalen Dschungel einen Platz erkämpfen. Die Migrantinnen bevorzugen den Westen, weil sie noch von sozialer Solidarität träumen. Sie hoffen auch viel Geld zu sparen, falls sie sich entscheiden werden, nach Polen doch zurückzukehren. Geld erlaubt nämlich, sich sogar von der Macht der Kirche zu befreien, wie wir es am Beispiel der illegalen Abtreibungszene sehen.


Die Bolkestein Migration.

So nenne ich die Polen die mit polnischen Verträgen ins Ausland kommen, um für westlichen Arbeitgeber zu arbeiten. Heute, da die “Bolkestein” Richtlinie abgestimmt wurde, wird dieses Phänomen legal - oder nur fast legal, da es einige Länder ,wie zum Beispiel Frankreich, gibt, in denen die Behörden diese Richtlinie nicht einführen wollen. In dieser grauen Zone arbeiten zehntausende Menschen. Sie sind wie üblich Bauarbeiter überall in Europa, Landarbeiter, Kellnerinnen, Pflegerinnen… Das Problem ist, dass ihr Lohn auf dem polnischen Lohnniveau bleibt, also zwischen 400 bis 800 Euro. Diese Menschen haben dadurch keine Möglichkeit, an eine Integration heranzukommen. In Frankreich sind sie illegal, weil weder die Regierung noch die Gesellschaft das Prinzip der Herkunft akzeptieren will. Oft sind sie überzeugt davon, legal zu arbeiten, obwohl sie eigentlich für das französische Recht überhaupt nicht existieren. Also haben sie keinen Zugang zur Kranken- oder Arbeitslosenversicherung. Wenn sie ihre Kinder aus Polen mitkommen lassen, haben sie keinen Zugang zu den Kinderkrippen und zu Schulen, zu sozialen Wohnungen und auch kein Arbeitslosengeld oder keine Umschulung, wenn der Vertrag ausbleibt. Besonders Frauen befinden sich in schwierigen Lagen, weil sie diejenigen sind, die öfter ihre Kinder ins Ausland mitnehemn. Da die polnische Regierung diese Bolkestein Migration unterstützt, um die Arbeitslosen loszuwerden, informiert sie die Migranten nicht über die Kontroverse dieser Richtlinie und die Gefahren dieser Verträge.

An zahreichen Beispielen sehen wir, dass die “Bolkensteinverträge” manchmal an Menschenhandel grenzen: der Skandal der Landarbeiter, die als Sklaven in einem Betrieb in Italien gehalten wurden, die 4-5 bekannten Streiks von polnischen Arbeitern in Frankreich, die überhaupt ihre Löhne nicht bekamen bis sie mit der Unterstützung der französichen Gewerkschaften gestreikt haben. Ich habe auch Arbeiterinnen in Hotels in Griechenland getroffen die 14 Stunden pro Tag arbeiteten, 400 Euro verdienten und denen die polnische Arbeitsagentur, die den Vertrag gemacht hat, den Vertrag zu unterbrechen und die Arbeit zu verlassen verboten hatte, ansonsten müssten sie die Agentur entschädigen. Diese Praktiken sind im Bereich des Menschenhandels bekannt.

Das Problem der “Bolkensteinverträge” besteht in der Institutionalisierung der Ungleichheit zwischen den West- und Osteuropäern, was zu gegenseitigen Konflikten und auch zu nationalistischem Hass führen kann. Die Westler fürchten zu Recht den Druck der Billigarbeiter auf die Löhne und die Ostler verdienen nicht mal genug, um ein autonomes Leben zu gestalten, weder im Westen noch in Polen. Sie arbeiten unter sehr schweren Bedingungen, wohnen oft auf dem Kampingplatz oder in überfüllten Hotels, wo die Arbeitgeber sie unterbringen. Wie viele Migranten auf der ganzen Welt verschweigen die Arbeitsmigranten aus dem Osten Europas ihre Lage ihrer Familie, damit die Lüge und die Illusion des Erfolgs durch die Migration erhalten bleibt.


Was können wir tun: polnische Migranten sind europäische Bürger

Wenn die Leute sich selbst belügen, kann man darauf keine Politik aufbauen. Was wir tun können und sollten ist, diese Migranten zu organisieren, damit sie ihre Rechte verteidigen können, damit sie bewusste Europäische Bürger werden.
Erstens ist es notwendig den Migranten zu helfen, sich selbst in Gewerkschaften zu organisieren. Zwar gibt es Migrantengewerkschaften oder Ausschüsse in einigen Ländern wie in Deutschland, diese Strukturen sind aber zu schwach, um einen politischen Umschwung in der polnischen Migration zu erarbeiten. In vielen Ländern gibt es überhaupt keine Organisation der polnischen Arbeiter (Frankreich, Griechenland…).
Was die Polen angeht können wir uns vorstellen, Auschüsse des “Komitees für die Hilfe und die Verteidigung der Repressionierten Arbeiter“ (KPiORP) in ganz Europa zu gestalten, damit es zu einer Art Gewerkschaft der ganzen Migration in Europa wird. Dieses ‚Komitee’ hilft schon den polnischen Migranten durch Verbreitung von Broschüren, die über die Rechte der Arbeiter in Großbritannien, Irland, Deuschland und Österreich aufklärt, damit sie vor der Reise über ihre soziale Lage Bescheid wissen. Der KPiORP ist auf der Suche nach Finanzierungen, um solche Broschüren über alle anderen Länder zu machen, in die die polnischen Arbeiter derzeit strömen.

In diesem Zusammenhang müssen wir auch vorsichtig sein und die Intra-europäische Migration von der Festung Europa Politik trennen, weil diese Bevölkerungen, obwohl sie alle Migranten sind, doch nicht die gleichen politischen, kulturellen oder sozialen Probleme haben. Wir müssen über alle sozialen und kulturellen Probleme mit den Migranten sprechen, auch über das Schulwesen für ihre Kinder. Schon jetzt übernimmt der Vatikan die polnischen Schulen, die bereits im Westen existieren und vor 2005 durch den Staat unterstüzt wurden. Wenn wir nicht wollen, dass die Fundamentalisten die Migration benutzen, um das “Dekadente Europa zu bekehren”, müssen wir jetzt das Problem des Schulwesens stellen. Wir müssen den Migranten den Zusammenhang zwischen ihrer Lage in Polen und in der Migration und dem liberalen Kapitalismus klarmachen. Wenn das Ziel die Politisierung der Migranten ist, scheint es sinnvoll zu sein, die Europawahlen 2009 schon jetzt vorzubereiten. Polnische Migranten werden 2009 an diesen Europawahlen teilnehmen. Warum sollten sie Abgeordnete wählen, die in Polen wohnen, statt eigene Kandidaten aufzustellen, die ihre Probleme gut kennen? Auf der Basis KPiORP-Komitees, die wir in den westlichen Ländern zur Selbsthilfe der Migranten organisieren würden, mit Hilfe von polnischen Parteien wie Racja oder Partia Pracy, die mit der europäischen Linken arbeiten, könnten wir linke “Migrationslisten” zusammenstellen. Diese Wahlen könnten die ersten richtigen europäischen Wahlen sein, wo die Staatszugehörigkeit zum ersten Mal weniger bedeutsam wäre als die Eigenschaft, ein/e Europäer oder Europäerin zu sein. Wenn dies gelänge, würde es ein richtig großer Schritt für eine wahre europäische Ost-West Integration!
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Ergänzungen

We´ll get organized!

... 11.06.2007 - 17:36
Erstmal ne Frage:
Gibt es schon Leute von KPiORP, die hier oder in Frankreich aktiv sind und wie kann mensch die erreichen?

Ansonsten:
Danke für den schönen und sehr persönlichen Beitrag. Davon sollte es mehr geben, z.B. hier:

Kongress:
Migration und Antirassismus, migrantische Selbstorganisation und Gewerkschaften.
Zentrale Gegenstände des linken Diskurses und von emanzipatorischer Praxis
Termin: 30.6-1.7.2007
 http://www.rlf-bw.de/cms/index.php?article_id=174

Anliegen und Aufbau des Kongresses

Der Kongress verfolgt das Ziel, Migration als soziales Phänomen, ihren Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalismus sowie ihr subversives Potential zu thematisieren und deren Relevanz für die linke Diskussion und Praxis aufzuzeigen.

Wir glauben, dass es notwendig und möglich ist, die Selbstorganisation von MigrantInnen, gewerkschaftliche Kämpfe, die Arbeit antirassistischer Bündnisse und die globalisierungskritische Bewegung miteinander zu verknüpfen. Hierzu wollen wir mit dem Kongress einen Beitrag leisten.

Wir halten es für unerlässlich, theoretische und praktische Perspektiven miteinander zu verbinden, zu fragen, welche analytischen Zugriffe auf Migration in welcher Hinsicht dem Phänomen gerecht werden und zu diskutieren, welche Konsequenzen für die antirassistische Praxis hieraus zu ziehen sind.
Diese Diskussionen bilden den Schwerpunkt des ersten Tages: Theoretische und praktische Perspektiven auf Migration.

Am zweiten Tag sollen drei aus unserer Sicht besonders relevante Felder antirassistischer Intervention in Form von workshops vertiefend behandelt werden: das Baugewerbe als Bereich vorwiegend „männlicher“, das Feld der Dienstleistungs- und Haushaltsarbeit als Bereich vorwiegend „weiblicher“ Arbeitsmigrati-on sowie der Kampf um Grund- und Menschenrechte für hier lebende, z.T. illegalisierte MigrantInnen.

Schließlich soll es auch darum gehen, nach einer Perspektive zu fragen, die geeignet sein könnte, die verschiedenen Kämpfe miteinander zu verbinden. Hier wollen wir schauen, ob die Forderung nach globalen sozialen Rechten eine solche Forderung sein könnte. Dies soll insb. im Anschluss an die Workshops und in Auswertung der dortigen Diskussionen in Form einer abschließenden gemeinsamen Runde geschehen.

Samstag, 30. Juni: Theoretische und praktische Perspektiven auf Migration

9:30-12:00 – gemeinsame Veranstaltung des Bündnisses „100 Jahre Internationaler Sozialistenkongress in Stuttgart“

Die historische Bedeutung des Internationalen Sozialistenkongresses 1907 in Stuttgart
mit: Prof. Frank Deppe (Marburg) und Ulla Jelpke (MdB, Die Linke)

13:00 – Beginn des Kongresses

13:00-15:30 – Neoliberale Weltmarktdynamik und Migration

Thema 1: Neoliberale Globalisierung, Unterentwicklung und Migration
mit: Martina Backes (iz3w, Freiburg)

Thema 2: Migration, Veränderung der Klassenzusammensetzung und soziale Kämpfe
mit: Redaktion Wildcat (angefragt)

Thema 3: MigrantInnen als Avantgarde der Prekarisierung? Was lässt sich für die gewerkschaftliche organizing-Debatte hieraus lernen?
mit: Efthimia Panagiotidis (Kanak Attak, Euromayday Hamburg, Transit Migration)

16:00-18:30 – Europäisches Grenz-regime und Neukonfiguration von Grenzen

Thema 1: Die Migrationspolitik der EU: „Festung Europa“, Abschottung, Lagerstrukturen an den Außengrenzen
mit: Christopher Nsoh (Berlin, Promotionsstipendiat RLS)

Thema 2: Governing Migration – Die Neukonfiguration von Grenzen und Souveränität durch Migration und deren Autonomie
mit: Vassilis Tsianos (Kanak Attak, Transit Migration, Gesellschaft für Legalisierung)

Thema 3: Militarisierung der EU-Außengrenzen und Verwischung ziviler und militärischer Strukturen
mit: VertreterIn Informationsstelle Militarisierung Tübingen

19:00-21:30 – Migration, Prekarisierung von Rechten und linke Konsequenzen

Thema 1: Entrechtung, Überwachung, Zwangsmaßnahmen gegen Flüchtlinge und migrantische Selbstorganisation dagegen
mit: VertreterInnen von antirassistischen Initiativen und Projekten

Thema 2: Integration als Disziplinierungs- und Normalisierungsinstrument
mit: Kien Nghi Ha (Politikwissenschaftler, Berlin)

Thema 3: Globale Soziale Rechte – eine vereinigende Klammer migrantischer und sozialer Kämpfe?
mit: Thomas Seibert (medico international), angefragt

Sonntag, 1. Juli: Felder antirassistischer Intervention

10:00-12:00 – Vorstellung von Initiativen, Projekten und Kampagnen. Möglichkeit zu Vernetzung und Organisierung

13:00-15:30 – Workshops

Workshop 1: Zur Situation von Wanderarbeitern im Baugewerbe
mit: Matthias Kirchner (Generalsekretär des Europäischen Verbands der Wanderarbeiter) und Hartmut Zacher (IG BAU Regionalverband Stuttgart), angefragt

Workshop 2: Zur Situation von Migrantinnen im Dienstleistungsgewerbe und als Haushaltsarbeiterinnen
mit: Iris Nowak (Hamburg), angefragt und Sonja Marko (Bundesvorstand ver.di, Ressort Migrationspolitik/ ausländische Arbeitnehmer), angefragt

Workshop 3: Der Kampf um Grund- und Menschenrechte für Flüchtlinge und MigrantInnen
mit: VertreterInnen von antirassistischen Initiativen und Projekten

16:00-18:00 – Abschlussdiskussion

Globale Soziale Rechte als gemeinsame Perspektive? Diskussion der Ergebnisse der Workshops und Perspektiven der weiteren Arbeit

Danke für den schönen Artikel

naja 12.06.2007 - 07:35
Aber :POLEN war ein sozialistischer Staat voller ERACHSENER ,und das ist die Beschreibung hilflos ausgelieferter Kinder ,ein bischen zu sehr MITGEFÜHL heischend ,(exept prostitution ) und Wut auslösend :die dummen Polinnen,das das auch Errungenschaften westlichen Feminismus in Frage stellt ,das " Verhalten " ,nicht der Charakter ,von polnischen Frauen ,die sich so heiraten LASSEN ;das das nicht nur Sympathie erweckt (hat ) ,sondern Wut ,auch auf selbstverantwortliche FRAUEN ;und die ganze Sache hat einen Haken ,Nicht -Europäer müßen zum Teil in beschisseneren Verhältnißen aushalten und haben keine Migrations"erlaubnis".Leute sind sauer ,weil Polen die Arbeit billig/er erledigen .Sozialisten hatten es im Westen nicht unbedingt leicht ....

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crossposting? — Anti-Attac

Ebenfalls... — tierr@