Petition zu Arbeitslosenzahlen

Stefanie 10.06.2007 11:08 Themen: Soziale Kämpfe
Seit Jahren wird die Zahl der Arbeitslosen künstlich kleingerechnet. In einer öffentlichen Petition wird der Bundestag nun aufgefordert, zukünftig realistischere Zahlen durch das Statistische Bundesamt veröffentlichen zu lassen.
Auf den ersten Blick erscheint diese Forderung widersinnig. Denn sieht man sich auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes um ( http://www.destatis.de/themen/d/thm_erwerbs.php) und vergleicht die Zahlen ergeben sich folgende Unterschiede für den Monta April 2007:

Erwerbslose nach ILO-Telefonerhebung = 2,77 Millionen
Arbeitslose nach Daten der Bundesagentur für Arbeit = 3,967 Millionen

Die große Diskrepanz erklärt sich aus den unterschiedlichen Erhebungsmethoden. So basiert die ILO-Erhebung des Statistischen Bundesamtes auf einer Telefonumfrage nach den Kriterien der "International Labour Organization (ILO)". Als erwerbslos im Sinne der ILO-Statistik gilt, wer weniger als eine Stunde arbeitet, aber mehr arbeiten will. Die Gesamtzahl der Erwerbslosen wird anhand einer Stichprobe hochgerechnet. Damit ist die stille Reserve automatisch erfasst, hingegen fallen geringfügig Beschäftigte heraus. (Quelle: Wikipedia  http://de.wikipedia.org/wiki/Erwerbslose). Die Zahlen der BA beruhen dagegen darauf, wer arbeitslos gemeldet ist.

Glücklicherweise ist die Petition in diesem Fall sehr präzise und definiert genau welche Zahlen veröffentlicht werden sollen:
"Als Arbeitslosenzahl soll gelten: Die Summe aller im gesamten Berichtszeitraum arbeitslosen bzw. arbeitsuchenden Menschen, die Leistungsbezieher nach dem SGB III (ALG I), nach dem SGB II (ALG II), arbeitsuchend mit oder ohne Leistungsbezug sind oder sich in einer Arbeitsgelegenheit, einer Fortbildungs- oder sonstigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme befinden." (Quelle: Öffentliche Petitionen an den Deutschen Bundestag, "Bundesagentur für Arbeit: Zahl der Arbeitslosen"  http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=455).

Vielfach wird kritisiert, das die veröffentlichten Arbeitslosenzahlen künstlich klein gerechnet werden. Dies geschieht mit Hilfe eines Tricks, denn:
Rechtlich ist arbeitslos, wer Arbeit sucht und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen zum Beispiel:

- Erwerbslose in Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen
- Erwerbslose in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM)
- Erwerbslose, die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ausführen (MAE-Kräfte bzw. Ein-Euro-Jobber)
- Erwerbslose, die bei Personal-Service-Agenturen (PSA) beschäftigt sind
- Erwerbslose, die arbeitsunfähig krank geschrieben sind
- Erwerbslose über 58, die die Regelung des § 428 SGB III in Anspruch genommen haben.
- Erwerbslose, die Arbeitslosengeld II beziehen, aber aufgrund vorübergehender Kinderbetreuung nicht arbeiten können.
(Quelle: Wikipedia  http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslosenzahl)

Das ist natürlich in der Tat nichts anderes als Schönfärberei. Denn jemand der in einen befristeten 1-Euro-Job gepresst wird, krank geschrieben ist oder zur "58er-Regelung" überredet wurde ist und bleibt arbeitslos. Das er nicht mehr in der Statistik auftaucht ändert nichts an seiner Situation, und die ist ganz einfach auf den Punkt zu bringen: Er hat keinen Job. Ein arbeitsmaktpolitischer Erfolg wäre es, wenn mehr Menschen einen Arbeitsplatz hätten, ohne jetzt darüber philosophieren zu wollen wie das erreicht werden kann. Aber es als arbeitsmarktpolitischen Erfolg zu verkaufen wenn nur möglist viele Betroffene nicht mehr in der Statistik auftauchen ist eine Unverschämtheit.

Genaue und ehrliche Zahlen, Fakten sind unabdingbar wenn man ein Problem als solches erkennen und lösen will. Es bleibt zu hoffen das der Initiative Erfolg beschieden sein wird damit diese Zahlen zukünftig veröffentlicht werden. Damit sich die Initiatoren der Petition auch mündlich vor dem Bundestag äußern dürfen müssen mindestens 50.000 Menschen die Forderung unterstützen, was jeder noch bis zum 16.07.07 auf den Seiten des Petitionsausschusses tun kann:
 http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=455
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