Campinski: Berliner Arzt im Einsatz verhaftet

Kemper Family 06.06.2007 15:13 Themen: G8 Heiligendamm Repression
Gegen 14 Uhr heute wurde der Arzt und Aktivist Dr. Michael Kronawitter aus Berlin am Ortsausgang Bad Doberan von der Polizei verhaftet. Er war – deutlich mit Rettungsweste als Arzt gekennzeichnet – von Berliner Zivilpolizisten angehalten worden.
Nach der Personalienüberprüfung sagten die Beamten sinngemäß, Dr. Kronawitter sei als Führer von Störern und Linksradikalen bekannt. Anschließend teilten sie ihm mit, er werde bis zum 8. Juni in Unterbindungsgewahrsam genommen.

Dr. Kronawitter war gerade unterwegs zu einem der Blockadeorte, von dem aus dringend ein Asthmamittel angefordert wurde. Nachdem sich die Polizei zunächst weigerte, wurde später zumindest das Auto mit den Medikamenten freigegeben.

Kontakt: RAV 01577-47 04 760
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Ergänzungen

bild nach der festnahme

g8-presseteam 09.06.2007 - 23:22
Das Foto ist von Christian Mang.

interview

jw-leser 09.06.2007 - 23:29
 http://www.jungewelt.de/2007/06-09/026.php

»Wir wurden wie Hunde behandelt«
Berliner Arzt will gegen seine Verhaftung während der Gipfeltage klagen. Unhaltbare Zustände im Rostocker Sammelgefängnis. Ein Gespräch mit Michael Kronawitter
Interview: Wera Richter

Dr. med. Michael Kronawitter arbeitet als Arzt in Berlin und ist aktiv in der linken und antifaschistischen Bewegung

Sie sind am Mittwoch bei einer Blockade der G-8-Gegner vor Heiligendamm verhaftet worden, obwohl Sie dort deutlich erkennbar in Rettungsweste als Arzt tätig waren ...
Berliner Zivilpolizisten haben behauptet, ich hätte Demonstranten durch Polizeisperren geführt. Selbst wenn ich das getan hätte, wäre das keine Straftat gewesen. Aber die Beamten sprachen von schwerem Landfriedensbruch und beauftragten uniformierte Kollegen, mich festzunehmen. Ein unglaublicher Vorgang. Ich war im Einsatz und habe Leute medizinisch versorgt. Zum Zeitpunkt der Festnahme war ich auf dem Weg zu einem Journalisten, der in der Nähe von Bad Doberan Atemprobleme hatte, wahrscheinlich ein Asthmaanfall. Ich bin nicht mehr bis zu ihm hingekommen.

Bei Ihnen sollen »Tatwaffen« beschlagnahmt worden sein. Worum handelte es sich?
Unter anderem um mein Funkgerät und mein Handy. Beides diente der Kommunikation zwischen den Ärzten und Sanitätern, die bei den Blockaden unterwegs waren, um bei Notfällen zu helfen. Die Polizei behauptet, ich hätte damit Proteste und Aktionen der G-8-Gegner koordiniert.

Sie sind dann in die Gefangenensammelstelle in der Industriestraße in Rostock gebracht worden. Können Sie die Kritik des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins an den dortigen Haftbedingungen bestätigen?
Was ich da erlebt habe, kann ich kaum beschreiben. Viele der Gefangenen fühlten sich an die Bilder aus Guantánamo erinnert. Wir waren wirklich in Käfigen, etwa fünf mal fünf Meter, die von allen Seiten einsehbar und von oben mit einem Netz abgedeckt waren. Von der Galerie aus filmte ständig ein Polizeibeamter in die »Zellen«. Es gab keine Waschmöglichkeiten. Dauernd, auch nachts, brannte Neonlicht, und durch die Lüftungen dröhnten Propellergeräusche. Wir wurden praktisch mit Schlafentzug gequält. Es gab unzureichend zu essen und kaum Decken. Die Leute haben angefangen zu bellen und zu knurren, um sich dagegen zu wehren, wie Hunde behandelt zu werden. Das waren Zustände, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Ich hielt so etwas in Deutschland für unvollstellbar.

Sie sollten eigentlich bis Freitag in Unterbindungsgewahrsam bleiben, sind dann aber doch Donnerstag abend entlassen worden. Wie kam es dazu?
Das Amtsgericht hatte den Unterbindungsgewahrsam zunächst bestätigt. Da saß eine Strafrichterin, die der Sachverhalt nicht im geringsten interessierte. Meine Beschwerde vor dem Landgericht veranlaßte aber die dort tätigen Richter dazu, die Maßnahme sofort aufzuheben. Sie waren äußerst empört, mit was für fadenscheinigen Gründen die Polizei Freiheitsentziehungen durchgeführt hat.

Bis zu Ihrer Verhaftung waren Sie als Arzt im Einsatz. Können Sie eine Bilanz ziehen?
Das ist schwer überschaubar, denn es gab viele Orte, an denen es zu Polizeiübergriffen gekommen ist. Ich vermute, daß es mehr als 500 verletzte Blockadeteilnehmer gegeben hat. Allein an dem Tag, an dem die friedlichen Sit-ins begonnen haben, kam es zu etlichen Übergriffen. Die Situation an den Blockadepunkten glich teilweise einem Bürgerkriegsszenario: Knüppel- und Wasserwerfereinsätze, dazu Hubschrauberstaffeln, die über den Leuten hingen. Es war gespenstisch und natürlich auch einschüchternd. Und trotzdem: Die Menschen haben sich aber nicht beirren lassen.

Dann ist das Widerstandskonzept aufgegangen?
Ich denke ja. Das war natürlich alles auf einer symbolischen Ebene. Es wäre naiv, zu glauben, an dem G-8-Gipfel und seinem Verlauf wirklich etwas ändern zu können. Aber es war klar: Es gibt Widerstand, der Gipfel wird nicht einfach hingenommen.

War die Polizei tatsächlich überfordert, oder war es nach der Kritik an deren Einsatz auch Kalkül, Protestbilder am Zaun zuzulassen?
Ich glaube, daß die Polizei ihre Verbotszone gerne freigehalten hätte. Die Beamten haben nicht damit gerechnet, daß so viele Leute entschlossen Blockaden durchführen würden. Die Polizei war am Ende ihrer Kräfte und auf dem weiten Gelände nicht in der Lage, alle Wege freizuhalten.

Werden Sie Ihre Verhaftung auf sich beruhen lassen?
Nein, gegen die bewußt falsche Verdächtigung, die von Berliner Zivilbeamten des Landeskriminalamtes geäußert wurde, werde ich strafrechtlich vorgehen. Die Beamten waren codiert, also namenlos, was die Richter auch nicht begeistert hat. Darüber hinaus werde ich versuchen, mit möglichst vielen, die diese Guantánamo-ähnlichen Zustände über sich ergehen lassen mußten, rechtliche Schritte einzuleiten. Das war Körperverletzung.

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