Die Totalüberwachung

Marcel Kunzmann 31.05.2007 23:26 Themen: Freiräume Medien Repression Weltweit
London. In Englands Hauptstadt sind es nur wenige Meter von einer Kamera bis zur nächsten. Alle paar hundert Meter findet sich dort ein neues "Auge des großen Bruders", manchmal sogar zwei auf dieselbe Stelle gerichtet. Es kommt einem düster vor. Alle öffentlichen Plätze, jede noch so kleine Straße sind in Londons Innenstadt mit hunderten Kameras bestückt.
Insgesamt 4 Millionen Stück beobachten den Inselstaat, das ist eine Kamera für 14 Menschen. Weltweiter Rekord: So weit hat es nicht einmal die Stasi gebracht. Ein Mensch, so hat man errechnet, der sich einen Tag in London aufhält, wird rund 300 Mal von einem Objektiv erfasst und gefilmt.

Der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden reicht das allerdings nicht aus - sie empfinden es als Nachteil, wenn eine Kamera an einen Ort gebunden ist. So wird derzeit eine fliegende Drohne getestet, von denen einmal abertausende lautlos über England kreisen sollen, bestückt mit einem Objektiv soll den Behörden so nichts mehr entgehen. Zukunftsmusik? Keineswegs. Derzeit sind schon einige getestet worden - ohne Widerstand der Bevölkerung.

Denn die Einführung neuer Überwachungsmechanismen stellte in England noch nie ein großes Problem dar. Inzwischen gibt es schon die "sprechende" Kamera: Der Polizist hinter dem Monitor kann einen Lautsprecher einschalten und sich zur Situation äußern: "Hey, Sie in der roten Jacke! Werfen Sie ihren Kaugummi in den Mülleimer... so ists gut... weitergehen". Diese Passagen der wörtlichen Rede mag man in Orwells Meisterwerk "1984" wiederfinden. In England - längst Realität.

Der nächste Schritt ist schon in Planung: Die hörende Kamera. An jeder Kamera in England soll in Zukunft ein sensibles Richtmikrofon angebracht werden, das jedes Gespräch mithört, aufzeichnet und dann eventuelle "Terroristen" (vielleicht auch nur Freidenker) entlarvt.
Das Problem dieser Überwachungstechnik ist ja nicht diese An sich, sondern die Austauschbaren Feindbilder: Heute sind es Terroristen und Verbrecher. Morgen schon Freidenker und Kommunisten. Übermorgen ist es jeder kritische Geist.

Doch das schlimme ist ja die Egalität mit der die Englische Bevölkerung reagiert: Es gibt keinerlei öffentliche Proteste oder anderweitiges. Wirkt die Überwachung eventuell schon?
Auch beim ,,Information Commissioners Office‘‘ (ICO), das für Fragen des Datenschutzes zuständig ist, kann man sich nicht erklären, warum es so wenig Widerstand gegen die Bespitzelung gibt. ,,Es hat keinen Sinn, über die Vor- und Nachteile einer Überwachungsgesellschaft zu streiten‘‘, hatte schon im vergangenen Jahr ICO-Chef Richard Thomas betrübt konstatiert. ,,Wir haben schon solch eine Gesellschaft.‘‘

Viele Briten machen sich die Auffassung der Polizei zu eigen, die darauf verweist, dass häufig Verdächtige dank CCTV-Bildern ermittelt und dingfest gemacht werden können. Ob Kameras jedoch einen Beitrag zur Verhütung von Verbrechen leisten, ist umstritten. Selbst das Innenministerium stellte fest, dass ,,CCTV kaum einen Einfluss auf Verbrechensraten hatte‘‘.
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Ergänzungen

warum die Masse sich nicht wehrt:

muss_nicht 01.06.2007 - 02:17
Ich bin im Zusammenhang mit Venezuelas Medien-Ereignissen auf den Autor Chomsky gestossen, den Chavez in einer Rede vor der UNO empfiehlt.
Chomsky beschreibt die Entwicklung der heutigen Medien im Zusammenhang mit Propagandamassnahmen im 1. Weltkrieg. Es wird von dem Komitee zur Information der Öffentlichkeit berichtet:

"...Daraus ergab sich das Problem, eine pazifistisch gestimmte Bevölkerung in lauter verrückte antideutsche Fanatiker zu verwandeln... Ihre Aufgabe bestand darin, durch die Verbreitung von Propaganda eine hurrapatriotische Hysterie in der Bevölkerung auszulösen. Das Ganze war ein unglaublicher Erfolg. Binnen weniger Monate herrschte eine hemmungslose Kriegshysterie, und dem Kriegseintritt der USA stand kein Hindernis mehr entgegen..."

Die Medien sind die entscheidende Verbindung zwischen Politik und Bevoelkerung. Das Wahlvolk duerfte niemals waehlen, wenn es irgendetwas Grundlegendes aendern koennte. Deshalb darf man sich nicht ueber das Desinteresse der Leute wundern. Die Leute sind nicht dumm, sondern werden systematisch dumm gemacht.

Heute wurden kritische Journalisten beim G8-Gipfel nicht zugelassen.

Bericht Heise

Ein Beispiel, wie wichtig Medien sind.

Im Morgenmagazin fragte der Reporter immer wieder nach der Befuerwortung von Gewalt seitens der Demonstranten.
Merki begruesst ja jetzt auch die Demonstrationen. Aus gutem Grund. Die Medien werden die Demonstrationen fuer weitere Ueberwachungsmassnahmen nutzen. Es laeuft also alles nach Plan.

Eigendlich wollte ich nur Chomsky empfehlen.






Video dazu

fülm 01.06.2007 - 10:53
Beitrag zur Problematik von Überwachung.  http://youtube.com/watch?v=zO7oQnkArFw