Solidarität mit Venezuela: Sendelizenz von RCTV

FloP 29.05.2007 12:55 Themen: Bildung G8 Soziale Kämpfe Weltweit
Die venezolanische Regierung ist durch die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela dazu verpflichtet, einen öffentlichen Fernsehdienst mit nationaler Reichweite aufzubauen. Dieser neue öffentliche Fernsehdienst beginnt seine Sendungen am 28. Mai diesen Jahres. Tves, wie der neue national ausgestrahlte Kanal heißt, wird ein breites Programm anbieten, das von Künstlern, Intellektuellen, unabhängigen Produzenten, Universitäten, Kirchen und den Nutzern selbst erstellt wird. Es ist hervorzuheben, dass der neue Kanal keine Kopie irgendeines der anderen bereits in Venezuela bestehenden Kanäle sein wird. Er wird auch kein weiterer Kanal des venezolanischen Staates werden, sondern ein autonomer Kanal sein, der nur von der Kreativität seiner Produzenten und Nutzer abhängt.
Die venezolanische Regierung entschied, in Erfüllung der ihr durch sowohl durch die venezolanische Verfassung als auch durch internationale Abkommenen verliehenen Befugnisse, die Sendelizenz des Kanals RCTV nicht zu verlängern, die an diesem 27. Mai, 20 Jahre nach ihrer Erteilung 1987, ausläuft. Die bislang von RCTV genutzten Frequenzen werden ab dem 28. Mai dazu dienen, das Signal des neuen öffentlichen Fernsehens auszustrahlen.

Ich möchte hervorheben, dass es sich dabei in keiner Weise um eine „Schließung“ des angesprochenen Fernsehkanals handelt. Die Entscheidung der Regierung, die auslaufende Lizenz nicht zu verlängern, beeinträchtigt weder die Rundfunkdienste dieses Unternehmens noch die Möglichkeit, ihr Programm weiter über die Kabelnetze in Venezuela auszustrahlen.

Die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela hat immer die Meinungsfreiheit respektiert und wird sie weiter respektieren. Sie hat weder RCTV noch irgendeinen anderen venezolanischen Fernsehkanal geschlossen, nachdem diese Kanäle am 11., 12. und 13. April 2002 als Sprachrohre der Putschisten dienten, und auch nicht, als diese sich, unter offenen Bruch der Gesetze, der Erdölsabotage im Dezember 2002 und Januar 2003 anschlossen. Die venezolanische Regierung widersetzte aufgrund ihres großen Respekts für die Meinungsfreiheit damals den Forderungen vieler Menschen nach einer Schließung dieser Kanäle.

Es ist wichtig zu unterstreichen, dass das neue, plurale, offene, dialogbereite, humanistische, auch vom venezolanischen Staat autonome, für die Vielfalt zugängliche neue Fernsehen im öffentlichen Dienst einen neuen Schritt zur Vertiefung der venezolanischen Demokratie darstellt", so die Botschafterin der Bolivarischen Republik Venezuela in Deutschland

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Die deutschen Medien üben sich guter Tradition in der Verbreitung von Halbwahrheiten und Fehlinformationen, die offensichtlich nicht hinterfragt oder selbst ermittelt wurden:

Lüge 1

"Mit RCTV sei der letzte Privatkanal in Venezuela geschlossen worden"

Richtig: Neben RCTV gibt es in Venezuela ein dutzend weiterer Privatkanäle z.B. Globovision und Venevision- weitaus größere Privatkanäle als RCTV. Auch wurde RCTV nicht geschlossen, die staatliche Sendelizenz wurde nicht verlängert. Deswegen kann RCTV immer noch über Kabel und Satellit senden.

Lüge 2:

"Tausende seien gegen die Schließung des beliebten Kanals auf die Strasse gegangen"

Richtig: Wenige hundert Menschen, darunter viele Angestellte des Sendern und konservative Studenten demonstrierten gegen die "Schließung des Senders". Eine Schließung gibt es nicht. Der Großteil der Demonstranten waren Anhänger der Putschisten von 2002, die auch damals schon nicht vor Morden zurück schreckten.

Lüge 3:

"wütende Studentenproteste"

Richtig: Die protestierenden "Studenten" waren ausschlißelich Studenten der "Universidad Central de Venezuela", die schon immer die konservative Kaderschmiede des Landes war und so "großartige" Politiker wie Rafael Caldera oder Carlos Andrés Pérez hervorbrachte. Nicht beteiligt waren die Studenten der "Universidad Bolivariana de Venezuela". Die UBV wurde 2003 ins Leben gerufen.

Die UBV ist Teil, des von der Bolivarianischen Regierung geschaffenen, "Mission Sucre" Sozialprogrammes, deren Ziel es ist auch den armen Bevölkerungsteilen eine höhere Bildung zu ermöglichen. Die Aufnahmebedingungen an der UBV sind daher entsprechend wenig restriktiv. Einzige Voraussetzung ist ein Abschluss der Mittelschule, welche ebenfalls im Rahmen der Mission Sucre stattfindet.

Die UBV legt, aufgrund ihres Ursprungs in der bolivarianischen Revolution, besonderen Wert auf die soziale Ausrichtung ihres Bildungsangebotes sowie Lehrpersonals. Von Seiten der venezolanischen politischen Opposition wird die UBV, aufgrund ihrer politischen Ausrichtung und besonderen akademischen Bedingungen, wenig geschätzt.

(An der UBV werden folgende Studiengänge angeboten:
Agrarökologie (Agroecología), Architektur (Arquitectura), Kommunikationswissenschaft (Comunicación Social),Pedagogik (Educación), Umweltressourcenmanagement (Gestión Ambiental), Soziales Management lokaler Entwicklung (Gestión Social del Desarrollo Local), Management im öffentlichen Gesundheitswesen (Gestión de la Salud Pública), Medizin (Medicina), Informationstechnologie für Soziales Management (Informática para la Gestión Social), Jura (Estudios Jurídicos), Politikwissenschaften (Estudios Políticos y de Gobierno)
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Ergänzungen

Regierungserklärung?

sandankoro 29.05.2007 - 13:30
Bei allem Respekt für die Errungenschaften der Regierung Chavez und bei allem Verständnis für die oftmals schwierige Politik in einem Land mit einer starken rechtskonservativen Opposition und einem enormen Druck seitens der USA, hört sich der Text doch allzusehr nach einer Regierungserklärung von Chavez an.
Es sind auch nicht nur die angeblich ach wie konservativen Medien die gegen die Schließung angehen, sondern auch Organisationen wie Reporters Sans Frontiers, die alles andere als Konservativ sind:

 http://www.rsf.org/article.php3?id_article=22323

Ich habe leider keine Zeit den Artikel zu übersetzen, aber er deckt sich zu großen Teilen mit den Berichten hierzulande.

Es wäre schade, wenn die guten Anfänge von Chavez jetzt mit einem Abgleiten in die Diktatur pervertiert würden.

Ergänzungen

pablo 29.05.2007 - 14:22
... hört sich der Text doch allzusehr nach einer Regierungserklärung von Chavez an.

Hört sich vielleicht so an, aber manchmal sagen linke Regierungen auch die Wahrheit.

Es sind auch nicht nur die angeblich ach wie konservativen Medien die gegen die Schließung angehen, sondern auch Organisationen wie Reporters Sans Frontiers, die alles andere als Konservativ sind

Die Reporter Ohne Grenzen sind nun wirklich ein Paradebeispiel dafür, wie das schöne Wörtchen "Meinungsfreiheit" zu politischen Zwecken missbraucht wird. Sie bekommen auch Geld vom National Endowment for Democracy (NED), einer Institution der US-Regierung zur finanziellen Unterstützung von reaktionären Kräften in Ländern wie Venezuela oder Kuba (oder in der offiziellen Sprache: "zur Förderung der Demokratie"). Mehr z.B. hier, hier und hier.

Es wäre schade, wenn die guten Anfänge von Chavez jetzt mit einem Abgleiten in die Diktatur pervertiert würden.

Genau das passiert nicht. In Venezuela wird massiv die partizipative Demokratie ausgebaut und die Institutionen des bürgerlichen Staates werden zurückgedrängt. Das geschieht nicht ohne Widersprüche (wie es sich viele Linke immer wünschen), ist aber auf dem Weg zu mehr Mitbestimmung, nicht weniger. Die Nichtverlängerung der Sendelizenz ist ein gutes Beispiel dafür: Es geht um die Demokratisierung der Sendefrequenzen, d.h. darum, die Medien nicht als einen Raum zu begreifen dessen Zugang durch Geld geregelt wird, sondern ein demokratisches Recht ist. Das was die zahlreichen Basisfernsehsender und -radios fordern, wird jetzt durch die Regierungspolitik ein Stück weit Realität: Ein Kommunikationssystem, dass auf den Comunidades beruht, d.h. auf den nachbarschaftlichen Medien. Das Zusammenspiel zwischen linken und Basisorganisationen und der Regierung mag vielen befremdlich vorkommen und ist weit davon entfernt frei von Widersprüchen und Problemen zu sein, aber zur Zeit eröffnen sich dadurch nie gekannte Ausmaße von Freiheit für die Menschen in Venezuela.

Lüge 2: "Tausende seien gegen die Schließung des beliebten Kanals auf die Strasse gegangen"
Richtig: Wenige hundert Menschen, darunter viele Angestellte des Sendern und konservative Studenten demonstrierten gegen die "Schließung des Senders". Eine Schließung gibt es nicht. Der Großteil der Demonstranten waren Anhänger der Putschisten von 2002, die auch damals schon nicht vor Morden zurück schreckten.


Es bringt nichts, die Proteste der Opposition herunterzuspielen. In der venezolanischen Gesellschaft stehen im Moment gut 2/3 der Bevölkerung hinter dem Prozess. Das bedeutet aber auch, dass knapp ein Drittel nicht einverstanden ist. In einer Gesellschaft, die so politisiert ist, wie die venezolanische zur Zeit, übersetzt sich dies in enorme Massendemonstrationen. Die Proteste gegen die vermeintliche Schließung von RCTV waren sicher nicht riesig (und es gab Demos für die Nichtverlängerung der Lizenz, die deutlich größer waren), aber einige Tausend werden es wohl gewesen sein. Das Problem ist doch nicht, dass die Opposition durchaus in der Lage ist, Menschen für ihre Sache zu mobilisieren (das haben sie auch während des letzten Wahlkampfes geschafft). Das problem ist viel eher die verzehrte Berichterstattung darüber. Die Medienkonzerne berichten nur, dass die Opposition demonstriert. Dass es aber mindestens genauso große Demos gibt, die die Maßnahme der Regierung unterstützen, wird nicht erwähnt. Ist aber auch logisch, wird schließlich mit dem neuen Sender TVes versucht, das Medienmodell zu brechen, auf dem auch die bürgerlichen Medien in Deutschland basieren.

Richtig: Die protestierenden "Studenten" waren ausschlißelich Studenten der "Universidad Central de Venezuela", die schon immer die konservative Kaderschmiede des Landes war und so "großartige" Politiker wie Rafael Caldera oder Carlos Andrés Pérez hervorbrachte. Nicht beteiligt waren die Studenten der "Universidad Bolivariana de Venezuela". Die UBV wurde 2003 ins Leben gerufen.

Vielleicht sollte man hier erwähnen, dass es allein in Caracas 11 Unis gibt, von denen die UCV und die UBV nur zwei sind. Es gibt einige private und kirchliche Unis, die noch exklusiver, elitärer und konservativer sind als die UCV, an der es auch Institute gibt, an denen die Linken in der Mehrheit sind. Das Krasse ist, dass die UCV eine öffentliche Uni ist und trotzdem überwiegend weiße Oberschichtskinder dort studieren.

@pablo

sandankoro 29.05.2007 - 14:40
Hast Du auch Quellen, die nicht seit Jahren die Gerontologendiktatur auf Cuba hochleben lassen?
Ich kenne die Arbeit von RSF seit vielen Jahren in diversen Afrikanischen Ländern und habe ehrlich gesagt mehr Vertrauen zu denen als zu irgendwelchen Hurra Cuba Seiten.

Dennoch möchte ich betonen, dass ich grundsätzlich die Entwicklung der letzten Jahre in Venezuela positv sehe. Was mir aber Kopfschmerzen bereitet, sind die (mir von unterschiedlichsten Seiten bestätigten) Entwicklungen hin zu einem Personenkult und einer Diktatur.

Das sollte auch und gerade linken Kräften zu denken geben!

Merkwürdiges Freiheitsverständnis

liberaler Linker 29.05.2007 - 14:58
WAs ist den bürgerliche Pressefreiheit - was sozialstische Pressefreiheit? Einige Linke machen es sich da zu einfach. (Presse)Freiheitsbescränkung in den bürgerlichen Demokratien sind schlecht böse und autoritär - wenn es gegen sie selbst geht auch schon mal ein Grund zur Gewaltanwendung, wenn nun aber eben diese (Presse-)Freiheitsbeschränkung in einem soialistischen Land durchgestzt wird ist das legitime Abewehr konterrevolutionärer Agitation. Selbst wenn ich diese Logik nicht verstehen muss, bleibt doch ein offensichtlicher Widerspruch bestehen: Auch einige linke Medeinprojekt in der BRD ziehlen in ihrer Argumentation ganz klar auf die Abschaffung des Systems (dann nicht als konterrevolutionärer Akt sonder als revolutionäre Aktion). Also ist doch wohl die Klassifizierung als Systemfeindlich nicht das eigentliche Problem des Autors/der Autorin, sondern der Angriff auf ein von ihm/ihr unterstützten Gesellschaftssystem. Wenn dieses Durchgesetzt ist wird jede Kritik zum Terrorismus. Das unterscheidet sich nun wirklich in der Form der politischen Auseinadersetzung keineswegs von dem Stil des Herrn Schäuble. Also seit entweder kritisch - dann aber bitte auch gegen euch und eure Ideen oder seid unkritsch und habt euch nicht so wenn sich auch das System hier verteidigt. Die hier vertretende Moral ist totalitär und hat nichts mit emazipatorischer und freier Politik zu tun! Das ist weder links noch progressiv. Ein Teil der Linken lebt immer noch in den politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen längst vergangener Zeiten. Modernisiert auch mal eure eigene Bewegung... Ein neues linkes Selbstverständnis und dann auch Selbstbewusstsein kann aus solchen Einsichten jedenfalls nicht geboren werden. Autoritärer Machtanspruch ist in jedem Fall abzulehenen.

Landesmedienanstalten

scheider 29.05.2007 - 16:16
In allen Ländern, egal nach welcher Form von Demokratie sie organisiert sind, gibt es eine Kontrollbehörde wie die Landesmedienanstalten in Deutschland. Und diese Behörde ist immer paritätisch von den regierenden Parteien besetzt. In Venezuela heißt die Behörde Conatel und hat eine Frequenz nicht verlängert. In Deutschland vergeben die LMAen die Frequenzen nach den Vorstellungen der der hier regierenden Parteien. Na und? Worauf basiert nun der Diktatur-Vorwurf
gegen Venezuela?

Die Entscheidung, dass einer der beiden Monopolisten kein Geld mehr mit dem begrenzten Frequenzspektrum verdienen kann, sondern stattdessen ein öffentlicher Sender eingerichtet wird, muss ja wohl jeder/m einleuchten, selbst wenn er/sie RCTV nicht kennt.

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