Mumia: Anhörung in Philly am 17. Mai

@narcho 25.05.2007 07:20 Themen: Kultur Repression
Am 17. Mai fand in Philadelphia eine erneute Anhörung im Fall Mumia statt. Demonstranten zeigten vor dem Gericht ihre Unerstützung - im Gerichtssaal standen sich die beiden Seiten unversöhnlich gegenüber. Unterdessen sind neue Fotos vom Tatort aufgetaucht...
Mehr als 500 Menschen haben am 17. Mai in Philadelphia, USA vor dem dem 3. Berufungsgericht ihre Unterstützung für Mumia Abu Jamal demonstriert. Weitere 200 Menschen beobachteten im total überfüllten Gerichtssaal den Prozess im Verlaufe dessen die Richter die anklagende Staatsanwaltschaft und die Verteidigung zu der absichtlichen Nichtzulassung von Schwarzen in die Jury während der Prozesses gegen Mumia 1982 und die Einflussnahme auf die Jury und ihre Befangenheit befragten. Die Staatsanwaltschaft forderte erwartungsgemäß die Todesstrafe für Mumia, während Verteidiger Robert Bryan ein neues Verfahren forderte. Draußen vor dem Gerichtssaal skandierten die Demonstranten "Brick by brick, wall by wall, We’re gonna free Mumia Abu-Jamal". Während einige an ein neues faires Verfahren glaubten propagierten andere, das die gesamte Justiz grundsätzlich rassistisch sei.
Unter den Demonstranten befand sich unter anderem der Schauspieler und Regisseur Danny Glover (Lethal Weapon, Dreamgirls ua.), Angela Davis (ehem. Black Panther Aktivistin, ehem. Sprecherin der Kommunisten Partei), die ehemal. Black Panther Aktivistin Kathleen Cleaver, sowie Delegationen aus Deutschland und Frankreich, wo Mumia 2003 zum Ehrenbürger von Paris ernannt wurde und im letzten Jahr eine Straße nach ihm benannt wurde. Vertreter vieler linker Gruppen aus den USA, darunter auch VertreterInnen mehrerer Gewerkschaften, waren anwesend, um ihre Solidarität zu bezeugen. Auch in Houston im tiefsten Texas demonstrierten 30 AktivistInnen für Mumia.
Im Gerichtssaal in Philly versuchten die BeobachterInnen unterdessen aus dem Tenor die zu erwartende Richtung des Prozesses zu entschlüsseln. Offenbar besser vorbereitet als bei den früheren Prozessen stellten die Richter beiden Seiten kritische Fragen, doch wie Ramona Africa, die 1985 einen Anschlag auf die schwarze MOVE-Kommune in Philliadelphia überlebte, kritisch bemerkte: "Sie können da sitzen und sehr sorgfältig und aufmerksam tun und so tun, als würden sie auf die Verteidigung eingehen, doch das heißt noch gar nichts...Für mich war der beeindruckenste Part des Tages die Unterstützung all jener Leute zu sehen, die heute für Mumia gekommen sind. Als Beweis für die Befangenheit der früheren Prozesse führte Hauptverteidiger Robert Bryan eine Mitschrift aus dem Prozess von 1982 an. Ein Stenograph hatte folgende Aussage des verantwortlichen Richters Sabo mitgeschrieben: "Ich werde helfen den N---er zu grillen". Daraufhin fragte das Gericht weiter, warum dieses Aussage im Berufungsprozess 1995 nicht berücksichtigt wurde. Ein Beobachter, der schon 1995 anwesend war, kommentierte mit dem Hinweis, dass die Richter im Berufungsprozesss 1995 wild entschlossen waren, die Aussagen des rabiat-rassistischen Richters Sabo aus dem ersten Prozess sowie zahlreiche andere von der Verteidigung vorgebrachten Indizien und Beweise nicht zuzulassen. Auch bei der Auswahl der Geschworenen, letztlich waren 2 von 12 Geschworenen schwarz und das in einer Stadt, in der über 40% aller Menschen schwarz sind, konnten die Richter keine Diskriminierung entdecken. Alles in allem war das, was im Gerichtssaal passierte eher unspektakulär. Und so konnte Anwalt Bryan dann vor dem Gericht nur verkünden, er rechne mit einem Beschluss innerhalb von 45 bis 90 Tagen. Er konstatierte auch, dass die Richter, statt einen neuen Prozess anzuberaumen (was die Verteidigung fordert) oder die Todesstrafe wieder anzuwenden (was die Staatsanwaltschaft fordert) eine Mittel-Position einnehmen könnten.Das Gerich könnte den Fall zu einer neuen Anhörung an den Richter der Anhörung von 2001 zurückverweisen. Laut Verteidiger Bryan werde das Gericht das fundamentale Thema der Unschuld Mumias nicht anschneiden (der Auftragskiller Arnold Beverly hat 1999 zugegeben den Polizisten Daniel Faulkner erschossen zu haben, was trotzdem immer noch Mumia angelastet wird). Laut Bryan gebe es auch keinen Grund zu glauben, dass "ein neues Verfahren ein faires Verfahren in diesem rassistischen, kapitalistischen und ungerechten System sein kann".

Unterdessen sind neue Fakten bekannt geworden, die die Vorwürfe einer Manipulation des Falles durch die Polizei weiter erhärten. Es sind weitere Fotos vom Tatort des Mordes veröffentlicht worden. Michael Schiffmann, von der Universität Heidelberg hat aus seiner Dissertation zum Thema ein Buch (Rennen gegen den Tod. Mumia Abu-Jamal: Ein schwarzer Revolutionär im weißen Amerika)geschrieben. In diesem befinden sich auch bislang unveröffentlichte Fotos des Pressefotografen Pedro P. Polakoff vom Tatort, auf denen zu sehen ist, wie Polizisten am Tatort Beweise vernichten, indem sie bsw. die Pistole, mit der Daniel Faulkner erschossen wurde, mit bloßen Händen anfassen und so Fingerabdrücke verwischen oder die Mütze des Toten verrücken, um die Szene dramatischer wirken zu lassen. Der Fotograf hatte seine Fotos anscheinend auch schon der Staatsanwaltschaft angeboten, die allerdings aus nun verständlichen Gründen verhinderte, dass die Fotos den Weg in den Prozess fanden. Vielleicht könnten diese Bilder dem Fall eine neue Dynamik geben - frei nach dem Motto - "ein Bild sagt mehr als tausend Worte".

übersetzt von:
 http://www.phillyimc.org/or/2007/05/39683.shtml
 http://phillyimc.org/en/2007/05/39724.shtml
 http://www.phillyimc.org/en/2007/05/39742.shtml

Fotos:  http://www.flickr.com/photos/gregstraightedge/sets/72157600228134214/
 http://abu-jamal-news.com/

Infos zu Mumia:
 http://de.wikipedia.org/wiki/Mumia_Abu-Jamal
 http://abu-jamal-news.com/
 http://www.freemumia.com

zum weiterübersetzen
Interview mit Anwalt Bryan auf "democrazy now":
 http://phillyimc.org/en/2007/05/39687.shtml
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Ergänzungen

Prozess

Peter 25.05.2007 - 09:10
Der Prozess weist unverkennbar Parallelen zu dem von Sacco und Vancettis auf! Wieder mal Reaktion auf der ganzen Linie - Klassenkampf von Oben.

Juristische Deatails und Ausblicke

Berliner Bündnis für Mumia Abu-Jamal 22.08.2007 - 16:21
Am Ende des Artikels wird auf die Fotos von Pedro P. Pollakoff eingegangen. Es ist richtig, dass darauf neben den Manipulationen der Polizei am Tatort auch derjenige Polizist zu sehen ist, der unter Eid 1982 aussagte, die Pistolen von Daniel Faulkner (Polizist) und Mumia Abu-Jamal (Taxifahrer) für die Spurensicherung "gesichert" zu haben. Die Fotos belegen, das er sie immer wieder an verschiedenen Positionen mit blanken Händen anfasst und wenn überhaupt, dann eher Fingerabdrücke vernichtet.
Nur ist überhaupt nicht erwiesen, ob aus Mummias Waffe überhaupt je ein Schuß abgegeben wurde. Die forensischen untersuchungen hierüber galten schon 1982 als "verloren", an Mumia selbst ist nie die ansonsten übliche "Schmauchspurenuntersuchung" durchgeführt worden. Warum, darüber ist viel spekuliert worden. Eins ist aber sicher: Es läßt sich nicht sagen, dass auf den Fotos die Waffe zeigen würden, mit der Daniel Faulkner erschossen worden sei.

Das wird jetzt vielen als unwichtiges Detail vorkommen. Juristisch ist es wichtig, für die Solidarität mit Mumia natürlich egal. Wir sollten uns vielmehr auf mögliche Urteile vorbereiten. Sollte Mumia ein neues Todesurteil bekommen oder aber sein Fall für weitere Jahre (er sitzt jetzt 25 Jahre) durch die niederen Instanzen vertrödelt werden, werden hoffentlich viele reagieren.

Freiheit für Mumia Abu-Jamal!
Abschaffung der Todesstrafe weltweit!

weitere Informationen und Kontakt zur Unterstützung von Mumia Abu-Jamal: www.mumia-hoerbuch.de