Drohungen, Schikanen und Willkür im Jobcenter

weg mit hartz IV 23.05.2007 10:06 Themen: Soziale Kämpfe
Einer 1-Euro-Jobberin der Gärtnerei Holtensen (Beschäftigungsprojekt der Beschäftigungsförderung Göttingen) wurde vom Jobcenter das Arbeitslosengeld II um 30 % gekürzt, weil sie sich angeblich geweigert habe, Wochenenddienste zu verrichten.
Drohungen, Schikanen und Willkür im Jobcenter Göttingen

Einer 1-Euro-Jobberin der Gärtnerei Holtensen (Beschäftigungsprojekt der Beschäftigungsförderung Göttingen) wurde vom Jobcenter das Arbeitslosengeld II um 30 % gekürzt, weil sie sich angeblich geweigert habe, Wochenenddienste zu verrichten.

In einer Abmahnung vom 5.3. wird darauf verwiesen, dass sie dem Wochenenddienst am 28./29.4. nicht vorbehaltlos zugestimmt habe. Wohlgemerkt: bestraft wurde sie für ein noch nicht stattgefundenes Ereignis.

Der Wochenenddienst in der „etwas anderen Gärtnerei" (wie das GT diese Einrichtung bezeichnete) umfasst das Gießen und die Versorgung des Geflügels, die offiziell nicht der Gärtnerei, sondern einer Privatperson gehören.

Laut Stellungnahme der Beschäftigungsförderung, vom 23.4., ist die Versorgung der Tiere freiwillig. Ausdrücklich wird gesagt: „Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht."

Auch in der Eingliederungsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag steht nichts von einem zu verrichtenden Wochenenddienst. Im Gegenteil: In der Zuweisung, vom 21.12.06, ist die wöchentliche Arbeitszeit von Montag bis Freitag festgeschrieben.

Stellt sich also die Frage, wieso die Aussage „ich weiß nicht, ob ich dann (am besagten Wochenende) Zeit habe" eine Abmahnung und eine Sperre nach sich ziehen.

Am 2.3. wurde die 1-Euro-Jobberin zu einem Anhörungsgespräch, an dem neben der Arbeitsvermittlerin auch die Sozialpädagogin und die Anleiterin des Projekts teilnahmen, zitiert. In diesem Gespräch wurde die1-Euro-Jobberin massiv unter Druck gesetzt. Sie musste sich verpflichten, Wochenenddienste zu leisten.

Eine Woche später wurde sie von der Anleiterin und der Sozialpädagogin vor die Wahl gestellt, entweder eine Kündigung zu bekommen oder einen Auflösungsvertrag zu unterschreiben, ohne dass ein direkter Anlass dazu bestand. Auslöser war anscheinend die Unterstellung, dass die 1-Euro-Jobberin heimlich Berichte für die Gewerkschaft schreiben würde. Ihr wurde zugesichert, dass sie bei Unterschrift des Auflösungsvertrags keine Leistungskürzung erhalten würde. Aus rechtlicher Unkenntnis und aufgrund des Druckes hat die 1-Euro-Jobberin schließlich den Auflösungsvertrag unterschrieben.

Wiederholt wurde ihr gedroht, falls sie an die Öffentlichkeit gehen würde, hätte sie mit Konsequenzen zu rechnen.

Am 24.4. wurde ihr in einem Gespräch mit der Arbeitsvermittlerin dann vorgeworfen, sie träge die Schuld an dem 1-Euro-Spaziergang, von 28.3., in der Gärtnerei (siehe dazu den entsprechenden Bericht auf Goest.de).

Auch ihre Teilnahme an den Montagsdemos, dem Sozialforum oder den Protesten gegen den Lohnbetrug bei Ruch wurden negativ bewertet.

Die Gespräche gingen bis zur massiven persönlichen Beleidigung.

Am 3.5. schließlich bekam die 1-Euro-Jobberin schließlich die Kürzung um 30 % für drei Monate mitgeteilt.

Der gesamte Vorgang ist gespickt mit Formfehlern, ist persönlich entwürdigend und zeugt von absoluter Behördenwillkür.

Er ist symptomatisch für die Entrechtung von Alg II-EmpfängerInnen.

Die Behördenwillkür schreckt auch nicht vor der Zerstörung der Existenzgrundlagen der Betroffenen zurück.

Wir fordern die sofortige Zurücknahme der Kürzung!

Bündnis gegen 1-Eiro-Jobs
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Ergänzungen

Erster 1-€-Job-Spaziergang in Göttingen

x 23.05.2007 - 12:48
Am 28.03.2007 hat eine Gruppe von ca. 15 Personen die Gärtnerei in Holtensen besucht, um mit den dort arbeitenden 1-Euro-JobberInnen über ihre Tätigkeiten und ihre Situation zu sprechen.

In der Gärtnerei arbeiten Erwerbslose in drei Gruppen: Während die Frauen und Männer in sog. 1-Euro-Jobs arbeiten, gelten für Jugendliche in Göttingen längst die 0-Euro-Jobs.
Wie in allen 1-Euro-Jobs bekommen die Erwerbslosen nichts, wenn sie krank sind. Doch damit nicht genug – auch für die Zeiten von Praktika und Qualifizierung bekommen sie 0 Euro. Aus dem halben Jahr 1-Euro-Job wird so schnell für 3 Monate der 0-Euro-Job.

Damit der Unterschied zu regulärer Lohnarbeit auch allgegenwärtig bleibt, müssen sich die Erwerbslosen einen Umkleideraum teilen – wohlgemerkt Frauen und Männer. Mittlerweile gibt es wenigstens getrennte Toiletten – auch keine Selbstverständlichkeit. Erst nach einigen Beschwerden gab es getrennte Toiletten.

Ist es in regulärer Lohnarbeit schon schwer genug, sich gegen Schikanen und Zumutungen zu wehren, so bietet die Rechtlosigkeit innerhalb der 1-Euro-Jobs kaum noch Handlungsmöglichkeiten für die Betroffenen. Wer sich nicht fügt, muss nicht nur mit einer „Kündigung“ rechnen, sondern ist anschließend auch noch von einer Kürzung des ALG II-Betrages bedroht, in der Regel 30%. Im Wiederholungsfall auch bis zu 100%.

Die Erwerbslosen in Holtensen müssen neben der Gartenarbeit und diversen Bastelarbeiten auch noch Geflügel versorgen. Das Geflügel gehört nicht zu der Gärtnerei – aber trotzdem. Auch im 1-Job-Vertrag steht nichts davon. Da die Tiere auch am Wochenende versorgt werden müssen, muss reihum (neben Frühdienst und Abenddienst) Wochenenddienst geschoben werden. Aber wer traut sich da schon „nein“ zu sagen. „Draußen“ erzählen sollen sie das aber auch nicht, das seien Betriebsinterna und dürften nicht weitererzählt werden. Das ist eine unverschämte Art der Einschüchterung.

Natürlich erzählten auch einige JobberInnen, dass sie „freiwillig“ da wären, auch wenn sie sich doch erniedrigend fühlen. Aber was heißt schon „freiwillig“, wenn man einen „Job“ für einen Euro machen muss, da man mit dem AGL II sonst gar nicht über die Runden kommen würde? Die Qualifizierung, die sie sich versprochen haben, erhalten die JobberInnen jedenfalls nicht.

Fahrtkosten werden, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, erstattet, allerdings manchmal nicht vorgestreckt. Begründet wird dies damit, dass man ja erst mal sehen müsse, ob die Person denn auch wirklich „zur Arbeit“ komme. Es ist eine absolute Frechheit, die Leute zu nötigen, von ihrem geringen ALG II - Geld die Fahrten nach Holtensen bezahlen zu müssen, da sie sonst eine Kürzung ihrer Bezüge befürchten müssen.

Alles in allem ein aufschlussreicher Besuch.
Für uns kann die Forderung daher nur sein:
Weg mit den 1-Euro-Jobs!!

Bündnis Montagsdemos und Soziales Zentrum Göttingen
Kontaktmöglichkeit: soziales-zentrum-goettingen.de

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Besuchen ? — Syndikalist

revolutionärer Hausbesuch! — Staatsapparat

sozialgericht — qua

No No — Mensch

Schwarzarbeit — stift

widerstand — aufbauen