Aktionstag in Vechta mit der G8-Chaoskarawane

locals 18.05.2007 14:20 Themen: Antirassismus G8 G8 Heiligendamm Repression
Nachdem die Chaoskarawane am Dienstag, den 15.05. Osnabrück verlassen und einen Stopp in Hesepe am Abschiebelager eingelegt hatte (Link), ging es weiter nach Vechta.
Nach Camping bei Regen, aber auch Dusche und lecker Essen, konnte am Mittwoch trotz Regen ein Aktionstag beginnen, wie Vechta ihn selten erlebt hat. Eine Aktion am Demokratiemobil des Bundestags, eine Live-Sendung von Mars-TV sowie eine Anti-Knast-Aktion. Und das alles in Vechta!
Als Steilvorlage wurde der Halt des Infomobils des Bundestages gesehen. Das Infomobil ("Propagandatruck") wollte die Demokratie transparent machen, die Mitbestimmung des Einzelnen aufzeigen und Werbeartikel wie Deutschlandbuttons mit Adler an den Mensch bringen. Diese wurden dankend entgegen genommen und im nächsten Mülleimer entsorgt.
Als wir ankamen, stellten wir zunächst interessierte Fragen, die der leicht irritiert wirkende Mensch im Mobil, ein Politikwissenschaftler, auch freundlich beantwortete:
"Entschuldigung...hier bei dieser Grafik über Gesetzgebung...wo komme ich denn da vor?"
- "Na nirgends natürlich."
"Nirgends? Aber wie kann ich denn dann ein Gesetz mitbestimmen?"
- "Gar nicht.."
"Auch nicht, wenn wir 10 sind?"
- "Nein!"
"10000?"
- "Nein natürlich nicht! Da müssen Sie sich an Ihre Bundestagsabgeordnete wenden."
"An meine?"
- "Jeder Wahlkreis hat bestimmte Bundestagsabgeordnete, die für die Menschen zuständig sind."
"Und warum sind die Wahlkreise nicht rund? Es sind doch Kreise...."

Währenddessen wurden die Stellwände mit Stickern jeglicher Art verschönert, was den Wachposten des Trucks so ärgerte, dass er den mutmaßlichen "Täter" hinauswerfen wollte. Wir wollten aber ganz demokratisch darüber abstimmen, ob er denn jetzt gehen müsse. Schließen befanden wir uns ja in einem Demokratiemobil. Das wurde ihm scheinbar zu demokratisch, so dass er die Polizei rief, die wiederum von dem disskussionsfreudigen Politikwissenschaftler mit den Worten "nein, nein, wir haben uns darauf geeinigt, dass wir das hier ausdiskutieren wollen" weggeschickt wurde. Die Diskussion wurde auch ernsthafter, allerdings wich der Politikwissenschaftler ständig aus. Seine persönliche Meinung sei eine ganz andere, aber er täte hier nur seinen Job...
Zu guter Letzt rastete eine Frau, die sich vorher hauptsächlich im Hintergrund aufgehalten hatte, völlig aus. Sie habe jetzt Feierabend, werde nicht länger bezahlt und habe außerdem Hunger. Wir sollten den Truck verlassen.

Beobachtet vom örtlichen Staatsschutz ging’s also weiter zum Shopping-Center.
Verkleidet als Marsmännchen führten AktivistInnen eine Befragung im Kaufhaus durch:
Was ist eigentlich Einkaufen? Essen ErdbewohnerInnen auch Dinge, die nicht auf der Erde wachsen? Was ist eigentlich Geld und wozu dient es? Warum trinken die ErdbewohnerInnen Dinge, die zwar nicht den Durst löschen, aber lustig machen? Warum haben ErdbewohnerInnen nie Zeit, wenn Marsmensch sie etwas fragen will? Und warum droht ein Chef des Marktes mit Polizei. Und was ist das eigentlich, eine Polizei? Und warum gibt es einen Chef?

Am frühen Abend fand dann noch eine Anti-Knast- Aktion vor dem örtlichen Jugendknast statt. Hierzu kletterten AktivistInnen auf Bäume, um für die InsassInnen und PassantInnen sichtbar ein Transparent mit der Aufschrift "Gefängnisstrafen abschaffen – Lösungen aufzeigen" zu befestigen. Die eilig herbeigeeilte Polizei wusste nicht so recht mit der Situation umzugehen, nachdem sich die Menschen auf den Bäumen weigerten, herunterzukommen. So wurde erst mal Verstärkung geholt und gewartet. Unterdessen trafen auch immer mehr UnterstützerInnen ein, sodass unten ein größeres Treiben entstand. Die Polizei wartete und wartete...und die AktivistInnen auf den Bäumen wurden mit Decken, Getränken und Essen versorgt. Während gewartet wurde, kam es auch zu einigen Spielchen mit der Polizei, die aber nicht so recht mitspielen wollte. Außerdem blieb die Frage ungeklärt, welche Bäume jetzt eigentlich beklettert werden dürften und welche nicht ("da müssen Sie die jeweiligen Stadtverordnungen lesen") und gegen welches Gesetz denn jetzt eigentlich verstoßen wurde ("versuchte Kontaktaufnahme zu Strafgefangenen.. Naja, eigentlich sind das gar keine Strafgefangenen, aber das ist hier egal.."). Auch das Abspielen von Musik wurde wegen "Störung der Totenruhe" (nebenan befindet sich ein Friedhof) untersagt.
Zwei Stunden vergingen und die Aktion wurde beendet.
Schließlich hatte das Kochteam bereits ein leckeres Essen zubereitet, das die für den Abend geplante Party einläutete.
Gestern morgen, also am Donnerstag, ist die Karawane dann wieder aufgebrochen. Jetzt geht`s weiter nach Oldenburg, wo Abschiebelager und Freiräume thematisiert werden.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in Heiligendamm!
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Ergänzungen

der vergessene Link

local 18.05.2007 - 14:32

im Wahlmobil auch ernsthaft diskutiert

einer, der dabei war 20.05.2007 - 13:49
Es wurde auch lange ernsthaft diskutiert, z.B. über Basisdemokratie, über den "Inhalt" verschiedener Parteien, über Selbstorganisierung, Konsensentscheide, Wahlboykott, Mechanismen des Kapitalismus,Polizeieinsätze ... der Mobilmensch hat den Diskutierenden in nahezu allen Punkten zugestimmt, aber immer wieder betont, dass es sein Job sei, nun einmal das hier vorzustellen und dass Demokratie ja auch ihre Vorteile hat. Im Grunde hat er den Diskutierenden nach dem Mund geredet, so dass eine ernsthafte, weiterführende Diskussion meist schwierig war. Viele Punkte wurden deshalb nur kurz angeschnitten, vorgestellt, bejaht... Sehr merkwürdig irgendwie.

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peinlich — chavezz