Kopiergebühr und Internetzensur in Spanien

Ralf Streck 16.05.2007 19:53 Themen: Kultur Medien Netactivism Weltweit
Obwohl die sozialistische Regierung in Spanien mit dem Urhebergesetz das gesetzliche Vakuum um die sogenannte Kopiergebühr beseitigte, gelingt es ihr seit fast einem Jahr nicht, die Höhe der Gebühr auf Datenträger und Geräte zu bestimmen. Die Tatsache, dass sie rückwirkend angewandt werden soll, liegt als drohender Schatten über den Herstellern von DVDs, Druckern und MP3-Playern. Die Netizen haben eine Million Unterschriften gesammelt und ihren Protest gegen die hohe und undifferenzierte Gebühr auch bei der EU-Kommission formuliert. Die Regierung ging derweil noch einen Schritt auf die Autorenvereinigungen zu und wollte ihnen sogar ein Zensurrecht im Internet gewähren.
Der jahrelange Streit um die hohe Kopiergebühr in Spanien geht weiter, obwohl die sozialistische Regierung das rechtliche Vakuum im vergangenen Jahr geschlossen hat. Zuvor wurde die Gebühr jahrelang wie eine Steuer beim Kauf von CD- und DVD-Rohlingen eingezogen, ohne dass dies gesetzlich geregelt war. Auch deshalb hatten Gerichte immer wieder die Rückzahlung der Gebühr angeordnet. Mit ihren Klagen wollten die Gegner der Gebühr eine Entscheidung des Verfassungsgerichts erzwingen, was bisher nicht gelungen ist.

Doch mit dem Gesetz zum Urheberrecht (LPI) wurden der Streit und die Unsicherheit nicht beendet, obwohl es schon am 29. Juli 2006 in Kraft trat. Denn es definierte einen langen Zeitraum bis zum 27. März 2007, um die Gebühren festzulegen, die nun auch auf Speicherkarten, USB-Sticks, Mobiltelefone und MP3-Player ausgeweitet werden sollen. Gebühren auf Festplatten und DSL-Verbindungen, wie es Autorenvereinigungen verlangt hatten, konnten durch massiven Widerstand noch verhindert werden. Da sich die Hersteller der Geräte und Speichermedien nicht mit den Autorenvereinigungen, allen voran die SGAE, einigen konnten, wäre es an der Regierung gewesen, die Gebühren bis Ende März festzulegen.

Doch die traute sich nicht. Der Gesetzgeber sieht sich in dem Streit merkwürdigerweise eher in der Rolle eines "Schiedsrichters", wie Industrieminister Joan Clos erklärte. Dabei ist bekannt, dass es heftige Widersprüche zwischen Clos und der Kultusministerin Carmen Calvo gibt. Bisweilen wird von einem "Krieg" zwischen den Ministerien gesprochen, der eine Einigung verhindere. Klar ist, dass Calvo eher auf der Seite der Autorenvereinigungen steht und Clos eher die Beschwerden der Industrie, des Handels und gefährdete Arbeitsplätze im Blick hat. Doch den Handel drückt nicht nur, dass die Preise für Geräte und Datenträger in Spanien steigen werden und so, im Zeitalter der Globalisierung, viele ihre Bestellung in Zukunft per Internet im Ausland aufgeben werden.

Handel und Industrie drückt immer stärker, dass die Gebühr rückwirkend ab dem Inkrafttreten des Gesetzes eingezogen werden soll. Allein für die seither verkauften MP3-Player seien, je nachdem wie hoch die Gebühr ausfällt, schon Millionen an Schulden aufgelaufen, wenn man sich an Vergleichsweisen geringen Gebühren in verschiedenen Ländern der EU orientierte. Die Margen beim Verkauf seien sehr eng, weshalb die Gebühren, von denen niemand weiß, wie hoch sie ausfallen, nicht an die Kunden weitergereicht werden könnten. Für kleine Firmen und Produzenten könnte eine hohe Nachzahlung das finanzielle Ende bedeuten, wird allseits befürchtet.

Angesichts der hohen Gebühren auf CDs und DVDs darf davon ausgegangen werden, dass sich Spanien auch bei den neu einbezogenen Geräten eher im oberen Bereich ansiedeln wird, wenn es nach dem Willen der Autorenvereinigungen geht. Auf einen iPOD, mit 30 GB Speicher, könnte eine Gebühr von sage und schreibe 90,6 Euro entfallen, im Gegensatz zu Großbritannien, wo keine Gebühr anfalle. 2,56 oder 9,87 Euro entfielen darauf in Deutschland oder Italien, schreiben die Netizen mit Bezug auf eine Studie des Studienzentrums Enter.

Für alle CDs, egal was darauf gespeichert wird, werden in Spanien 22 Cents an Gebühr abgeführt, für DVDs werden sogar 1,65 Euro fällig, zuzüglich Mehrwertsteuer. In Deutschland fallen für eine CD nur 7,2 Cent bei der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) je Spielstunde an und hier müssen nur für 30 Prozent aller CDs Gebühren abgeführt werden. Damit wird Rechnung getragen, dass damit auch Datensicherung betrieben wird, private Bilder und ähnliches darauf gebrannt werden. Bei einer 4,7 Gb DVD fällt der Vergleich noch deutlicher aus, denn hierfür fallen in Deutschland nur 17,4 Cent Gebühr an.

Die Unternehmervereinigung (Asimelec) hat in den Verhandlungen in Spanien gefordert, die Gebühren auf CDs und DVD um 75 Prozent zu senken. Je nach Produkt mache sie derzeit zwischen 40 und 60 Prozent des Endpreises aus. Das habe zu einem mafiosen Schwarzmarkt geführt und oft würde im Ausland eingekauft, um die Gebühr zu vermeiden. Die Verkäufe seien nach ihrer Einführung um 50 Prozent gefallen. Das hatte Auswirkungen auf den Vertrieb und die Produktion in Spanien, mit dem entsprechenden Wegfall von Arbeitsplätzen. Ähnliches wird befürchtet, wenn eine hohe Gebühr nun auch auf Abspielgeräte und andere Speichermedien ausgeweitet wird. Sogar für Drucker und Faxgeräte wollen die Autorenvereinigungen nun eine Gebühr von 16 und 19 Euro, obwohl die ungeeignet sind, um urheberrechtlich geschützte Werke zu kopieren. Das würde die Preise für sie bis zu 30 Prozent verteuern.

Da die Vorstellungen weit auseinander liegen, ist zu verstehen, warum bisher keine einvernehmliche Lösung gefunden wurde. Die Gegner der Gebühr ziehen auch weiter gegen die Tatsache zu Felde, dass die Gebühr für das Recht auf eine Privatkopie erhoben wird, das wegen Kopierschutz oft nicht umgesetzt werden kann. Das Knacken des Kopierschutzes wird aber mit Strafen bedroht. Zudem sei es ein Unding, dass alle Datenträger mit der Gebühr belegt werden, auch wenn dort eigene Fotos, Filme, Texte oder Programme gesichert werden, die zum Teil sogar dem Copyleft unterliegen. Asimelec schätzt, dass nur auf 13,2 Prozent der Datenträger urheberechtlich geschützte Inhalte gespeichert werden, während die SGAE das für 77 Prozent annimmt. Mit dem sehr hoch angesetzten Wert räumt sie aber auch ein, dass die undifferenzierte Gebühr ungerechtfertigt ist.

Die Gegner, die in der Plattform "Todoscontraelcanon" vereinigt sind, haben der Regierung nur mehr als eine Million Protestunterschriften übergeben und ihren Widerstand auch vor der EU-Kommission in Brüssel deutlich gemacht. Sie argumentieren, dass die undifferenzierte Gebühr gegen die EU-Direktive 2001/29/CE verstößt und die Gebühren in Europa allgemein dazu führen werden, dass europäische Firmen gegenüber asiatischen und us-amerikanischen an Konkurrenzfähigkeit verlieren.

Zählt man hinzu, dass in Spanien im nächsten Frühjahr Wahlen anstehen, dann ist verständlich, warum die Regierung nicht die verdorbene Suppe auslöffeln will, die sie sich eingeschenkt hat. Egal welche Gebühren sie festlegt, würde sie von einer Seite mächtig Prügel erhalten. Denn ihr ursprünglicher Plan ging nicht auf, die Streitparteien, unter Umgehung der Konsumenten, über die Höhe der Gebühren entscheiden zu lassen.

Um die Lage noch komplizierter zu machen, wird die Firma Traxdata, die sich einst schon heftig gegen die Einführung der Kopiergebühr wehrte, noch diesen Monat ein neues Produkt auf den Markt bringen, das frei von der Kopiergebühr sein soll. Andere Firmen werden nachziehen. Die CD, mit einer Speicherkapazität mit 680 MB, lässt nur das Brennen eigener Fotos zu und ist deshalb von der Kopiergebühr befreit, sagte Vicky Escamilla, Marketingdirektorin von Traxdata Ibérica.

Auch an einer anderen Stelle hat sich die sozialistische Regierung mit den Netizen angelegt und hat nun wieder den Rückzug angetreten. Zunächst war bekannt geworden, dass es mit dem Gesetz zur Anregung der Informationsgesellschaft (LISI) Behörden erlaubt werden sollte, ohne richterliche Prüfung Webseiten zu schließen. Dabei wurde zunächst noch gerätselt, ob es sich um Konfusion bei der Formulierung des Entwurfs oder um Zensur handelte.

Kürzlich hat die Regierung für heimliche Aufklärung gesorgt. Das Gesetzesvorhaben war ohne die Konsultation der zuständigen Gremien sogar weiter verschärft worden. Wie die Netizen aufdeckten, war heimlich ein Abschnitt eingefügt worden, der sogar die Autorenvereinigungen zu Zensurinstanzen erheben wollte. SGAE und andere Vereinigungen sollten den Providern vorschreiben können, sogenannte illegitime Inhalte ohne richterliche Kontrolle von den Servern zu entfernen oder sie zu blockieren.

Selbst der Staatsrat, der bei der Ausgestaltung von Gesetzen befragt werden muss, hatte die "Restriktionen bei der Internetnutzung" genauso kritisiert, wie die Tatsache, dass mit den zuständigen Gremien nicht über die Veränderungen diskutiert wurden, sie nicht einmal darüber in Kenntnis gesetzt wurden.

Schließlich nahm die Regierung das Vorhaben wieder zurück. Allerdings versuchte sie zuvor noch einmal, nach dem Protest von Autorenvereinigungen, ihr Vorhaben in leicht veränderter Form doch noch umzusetzen. Nachdem sie nun mehrfach dabei ertappt wurde, die Zensur in die Hand von Behörden oder sogar von Vereinigungen zu legen, lädt sie nun die Beteiligten plötzlich dazu ein, über den Gesetzesentwurf zu diskutieren.

Das dürfte das Ergebnis der schnellen und heftigen Kritik sein, zu der sich die Tatsache gesellt, dass man bei den Netizen die Winkelzüge der Sozialisten sehr genau beobachtet und schon im nächsten Frühjahr Wahlen anstehen. Viele erinnern sich noch gut daran, dass die PSOE einst in der Opposition gegen das Kontrollgesetz für das Internet (LSSI) der konservativen Vorgänger geißelte, das lediglich im Anhang die Möglichkeit für Behörden offen ließ, Webseiten zu schließen.

Statt das LSSI wie versprochen nach ihrem Wahlsieg 2004 abzuschaffen, arbeiten die Sozialisten seither an Verschärfungen und einer Ausweitung der Kontrolle. Es scheint, sie wollen das spanische Netz in einen Selbstbedienungsladen für Zensur verwandeln. Gegenüber den geplanten Maßnahmen im Rahmen des LISI waren die Vorhaben der Konservativen geradezu zahm.

© Ralf Streck den 15.05.2007
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