Demo in Mittweida: 2000 gegen rechte Gewalt

TiH 13.05.2007 04:19 Themen: Antifa Antirassismus
Unter dem Motto „Naziterror stoppen - alternative Freiräume schaffen“ fand gestern, am 12.Mai, in Mittweida/Sachsen die im Vorfeld stark diskutierte Demo gegen rechte Gewalt statt.
Daran nahmen circa 1500-2000 Personen teil. Die Route wurde von zahlreichen Kundgebungen begleitet. Das "braune Herz Sachsens" war in letzter Zeit aufgrund zahlreicher neonazistischer Gewalttaten in den Medien.
Aufgerufen hatte das antifaschistische Jugendbündnis Mittweida unter Unterstützung des "Bündnis für Menschenwürde - gegen Rechtsextremismus im Landkreis Mittweida" und zahlreichen anderen linke Gruppen, Verbänden, Vereinen, etc.

Vor allem Bürgermeister Damm und Landrat Schramm waren in Vorfeld öfter in die Kritik geraten, da sie die Demonstrationsaufruf und die Veranstalter massiv kritisierten und die Vorfälle der letzten Monate verharmlosten.

Anwärter aus Bamberg und Nazi-WGs

Gegen 14 Uhr fanden sich bereits circa. 1000 Leute am Startpunkt der Demo am Gedenkstein für die Opfer der Außenstelle Mittweida des KZ Flossenbürg (Feldstraße) ein. Bis 15 Uhr gab es die ersten Wortmeldungen und Kundgebungen. Diese wurden leider auch von den ersten Schikanen durch die Polizei begleitet. So wurden zahlreiche Teilnehmer bereits im Vorfeld kontrolliert, durchsucht und Personaldaten verlangt.
Die insgesamt circa 800 Beamten wurden nicht nur aus Chemnitz, Dresden und Leipzig eingeflogen, sondern ein großer Teil von ihnen waren Polizeianwärter aus Bamberg. Die durften im Rahmen der Demo offensichtlich einen Teil ihrer praktischen Ausbildung absolvieren.
Trotz alledem ging es relativ pünktlich gegen 15 Uhr los entlang der Demoroute, welche über Bahnhofsstraße, Leisniger Straße, Prof-Holzt-Straße, Lutherstraße und Rochlitzer Straße zum Markt führte. Auf dem Weg wurden zahlreiche Nazi-WGs durch den Lauti benannt, um den Teilnehmern zu zeigen, an welchen Ecken sie sich in Acht nehmen sollten. Auch wurde schnell klar, dass durch die zahlhafte Nennung, längst nicht aller Nazi-Wohnungen, Mittweidas rechtsradikales Hinterland wesentlich größer sein muss, als von einigen Politikern dargestellt.

Nur kleinere Zwischenfälle

Auf dem Weg zur Kundgebung im Neubaugebiet an der Lutherstraße kam es dann zu dem einzigen Sichtkontakt mit ein paar wenigen (vermeintlichen) Neonazis. Dabei wurden 2 Personen in einem kleinen Geschäft auf der Leisniger Straße hinter der Schaufensterscheibe gesehen und eine Gruppe von scheinbar 10-15 Personen unterhalb des Kauflands. Diese versteckten sich hinter einem Gebüsch und beobachteten, die mittlerweile ca. 1500 Demoteilnehmer. Kurzzeitige Ausreißversuche in ihre Richtung von einer Hand voll Punks unterband die Polizei.

Nach der Kundgebung im Neubaugebiet kam kurz vor dem Tzschirnerplatz zur ersten kleinen Auseinandersetzung zwischen Linken und Beamten. Ein paar Demonstranten hatten Laternen und Briefkästen mit Antifaschisten Aufklebern bestückt. Darauf hin wurden sie von Polizeibeamten attackiert und ihnen dieses Handeln unter dem Vorwand der angeblichen Sachbeschädigung untersagt.

Am Marktplatz angekommen, kam es zu einem weiteren Zwischenfall; diesmal eher verbaler Natur. Denn der Bürgermeister Mittweidas, Matthias Damm (CDU), hatte sich spontan zu einer Ansprache auf dem Markt durchgerungen. Im Vorfeld kritisierte er immer wieder massiv die Veranstaltung und deren Motto.
Nachdem er anfangs als Redner eingeplant war, verweigerte er seine Teilnahme, nachdem das ursprüngliche Motto "Für Demokratie und Toleranz - gegen Rechtsextremismus!" in "Naziterror stoppen - Alternative Freiräume schaffen" umgewandelt wurde. Mehrfache Einladungen, dennoch an der Kundgebung teil zu nehmen, lehnte er immer wieder ab.
Heute wollte er dann doch noch unangemeldet auf dem Marktplatz sprechen, außerhalb der Demonstration quasi. Daraufhin wurde er allerdings vom Organisator Michael Leutert (Die Linke.PDS) "weggeschickt".

Nachdem die Demo wieder die Rochlitzer zurück Richtung Feldstraße führte, wo sie etwa 3 Stunden vorher begann gab es am Technikumplatz die letzte Zwischenkundgebung.
Anschließend wurde die Demonstration entgegen der geplanten Route noch bis zum Bahnhof fortgesetzt. Auf dem Weg dorthin kam es dann noch zu einer kurzen Rangelei zwischen einzelnen Demonstrationsteilnehmern und Polizeibeamten.
Auch präsentierte sich in einem Fenster einer Parterre-Wohnung kurzzeitig ein offensichtlich rechtsradikales Reenie-Girl. Dieses präsentierte dem Demozug selbstbewusst und dumm gleichzeitig dem Mittelfinger. Dank schnellem Handeln eines Ordners und eines Polizeibeamten wurde die Frau jedoch schnell in die Wohnung zurück geschickt und die Situation konnte rechtzeitig entschärft werden.

Bilanzierung

Die Gesamtbilanz ist also eine recht friedliche (und leider auch ziemlich leise) Demo mit recht hohem Antifa-Anteil und sehr wechselhaftem Wetter. Sie zeigte aber auch klar, dass auch Mittweidaer Bürger die Probleme mit Neonazis ernst nehmen. Beweis dafür sind allein die 2000 Teilnehmer (laut Ordnungsamt), welche entgegen Bürgermeister Damms Ansichten nicht alle "eingeflogen" wurden.
Schade ist, dass die Medien mal wieder kläglich versagten und die Demonstration negativ als möglich präsentierte, siehe dem MDR-Aktuell-Beitrag (erstmals gesehen 12.05. 19Uhr). Schade auch, dass die Polizei sich trotz der kaum nennenswerten Ereignisse dazu genötigt sah, nahezu die ganze Demo zu filmen.
Und dass Video werden wir mal wieder nicht zu Gesicht bekommen…
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Ergänzungen

"genötig"

war dort 13.05.2007 - 09:53
Naja, die Sherrifs sahen sich auch dazu genötigt auf die letzten 40- 50 Meter nochmal bissl die Muckies spielen zu lassen... Völlig sinnlos aber die Gewaltbereitschaft und das Eskalationspotential lagen definitiv auf Bullenseite!
Abgesehen von den Gängelungen und der Willkür der Polizei (spontanes, unberechtigtes Herausgreifen und Festnehemn von DemonstrantInnen) lief die Demo sehr friedlich. Die Stimmung hätte etwas besser sein können, aber das ließe sich auch auf das Wetter schieben ;)

polizei

xxx 13.05.2007 - 10:31
die polizei spricht von 440 beamtInnen, 5 ingewahrsamnahmen auf linker und 24 auf rechter seite.

weiterer Bericht und Bilder

AKuBiZ e.V. 13.05.2007 - 10:46
Ein weiterer Bericht und Bilder finden sich hier:

Bericht:  http://akubiz.de/modules/news/article.php?storyid=188

Bilder:  http://akubiz.de/modules/myalbum/viewcat.php?cid=68

Bullen aus Bamberg

Antifa 13.05.2007 - 11:09
Soweit ich das auf dem vorletzten Bild erkennen kann, sind das keine Polizeianwärter aus Bamberg, sondern vielmehr USK-Beamte aus Nürnberg. Einige der Fratzen kenn ich doch.
Alle VW-Busse des USK haben Bamberger Kennzeichen, weil dort die Einsatzzentrale ist.
Einheiten sind stationiert in Würzburg (1 Zug), Nürnberg (Hundertschaft), Dachau (Hundertschaft) und in München glaub ich auch noch mal ne Hundertschaft.
Hättest du die mal in Aktion erlebt, hättest du gemerkt, dass die nicht in ihrer Grundausbildung sind. Infos hier:

 http://de.wikipedia.org/wiki/Unterst%C3%BCtzungskommando


Seid froh, dass ihr die nicht auf jeder Demo ertragen müsst...

Schleichbullen

nichtschleichbulle 13.05.2007 - 12:05
Beim Rennen sind se aber nicht mitgekommen... erst nachdem alle stehengeblieben sind, konnten die Bullen sich wieder vor uns stellen.
Das im MDR hätte ich aber auch gerne gesehen!

ArschDamm

diePureWut 13.05.2007 - 19:52
...sehr wichtige und vor allem aufsehnerregene Demo. Obendrein gabs die Erkenntis, dass dieser Bürgermeister den Nazis dieses Kaffs und der Umgebung mit seinem Verhalten offensichtlich den Rücken stärken wollte. Ist ihm aber nicht gelungen und deshalb ist der genau so lächerlich, wie 90% der Einwohner von Mittweida, die hinter vorgehaltener Hand tuscheln und jammern, wie schlecht doch alles is, aber sich nicht mal zu so einem Anlass, wo sie den Mund aufmachen können, auf der Straße blicken lassen- unglaublich ist das!!!

Nicht ganz richtig

Schreiberling 13.05.2007 - 20:07
Also die Wertung des Auftritts von Herrn Damm ist völlig falsch in diesem Bericht dargestellt: Nicht für IHN war es peinlich, die Demo verlassen zu müssen, sondern für Michael Leutert war es peinlich, ihn der Demo verweisen zu MÜSSEN, mit der Begründung, für Damms Sicherheit könne er nicht garantieren.
Das war genau das, was der Bürgermeister in den Medien transportiert haben wollte. Mit den Worten: "Da weiß ja jeder Bescheid, was das über die Demonstration aussagt, wenn der Bürgermeister von angeblich friedlichen Demonstranten von seinem eigenen Marktplatz vertrieben wird" ging er HOCH ERHOBENEN HAUPTES in sein Rathaus. Die Botschaft war ganz klar: Er habe ja schon immer gesagt, dass diese angereisten Demonstranten alles Kriminelle seien.

Und mal ehrlich: Ich als Medienvertreter fand Eure Demo toll und habe mich auch lange und sehr intensiv für einen Erfolg der Anti-Nazi-Kampagne in MW eingesetzt. Aus meinen Artikeln ist in den vergangenen Wochen auf dieser Webseite auch oft zitiert worden. Aber als ich dann die geröteten Augen und den schwankenden Gang einiger (weniger) Demo-Teilnehmer gesehen hatte, war ich mir im Nachhinein sicher, dass die Friedfertigkeit dieser Demo nicht in erster Linie an deren Teilnehmern gelegen hat sondern vielmehr an der Polizei, die im Vorfeld die ganzen Glatzen der Straße verwiesen hat. Nicht Ihr, sondern die Polizei hat Euren Job an diesem Tag und in der folgenden Nacht gemacht (Da haben sie nämlich noch sieben Neonazis verhaftet). Das war für mich der eigentliche Erfolg der Demo, von der ich mir das nächste Mal wünschen würde, dass die Linken EINMAL ohne interne Streitigkeiten eine echte, gesellschaftliche und nachhaltige Kampagne gegen die Nazis lostreten.

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scheiss bericht — bla

mh — bla bla

blubber — der autor

Für Demokratie und Toleranz — gegen Rechtsextremismus

zivibullen — -

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ausbesserung von artikeln — autor nochmal