9.Prozesstag im Todesfall Oury Jalloh/ Dessau

prozessbeobachterInnen 11.05.2007 00:34 Themen: Antifa Antirassismus
„Sie können mir glauben, wenn ich den Eindruck habe das mich ein Zeuge anlügt, dann steppt der Bär“

ein Polizeibeamter des gehobenen Dienstes wird intensiv befragt//Widersprüche in der Zeugenaussage


 http://prozessouryjalloh.de
Den 9. Verhandlungstag beginnt Richter Steinhoff mit der Frage in den Zuschauerraum: „Ist Herr Kö. da?“. „Anwesend!“, antwortet der Vorgeladene aus der Mitte des Publikums. Der 47jähriger Polizeibeamte berichtet zunächst, welchen Dienstgrad er inne hat und welche Funktion er im Dessauer Polizeirevier ausfüllt: „Ich bin 1. Polizeihauptkommissar und Leiter des Reviereinsatzdienstes“. Sein Büro würde sich in der ersten Etage im Zimmer 228 befinden. Er sei für den Pflicht- und Soforteinsatzdienst verantwortlich und zudem unmittelbarer Vorgesetzter der Dienstgruppenleiter.



Der Richter befragt den Zeugen zu den Geschehnissen am 07. Januar 2005. Der Zeuge berichtet daraufhin erst einmal über die Wahrnehmungen, die er damals gemacht haben will. „Ich habe gewusst, dass sich ein ausländischer Bürger im Gewahrsam befindet“, gibt der Beamte des gehobenen Dienstes an. „In welcher Zelle die Unterbringung erfolgte und wie der Gesamtzustand war, davon hatte ich keine Kenntnis“, konkretisiert er seine Angaben. Diese Information habe er aus dem Dienstjournal, welches über seinen Computer abrufbar sei. Im konkreten Fall Jalloh sei ihm noch erinnerlich, dass er nachdem er den Journaleintrag gelesen habe, den Dienstgruppenleiter S. angerufen habe, um diesen an die Meldepflicht zu erinnern. Der Zeuge gibt an, dass es einen Erlass gebe, nach dem „Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte“ und „Straftaten von Ausländern“ der übergeordneten Dienststelle zu melden seien.



Vor allem an eine Uhrzeit könne er sich noch genau erinnern: „12.03 Uhr“. Diese Zeit sei ihm deshalb noch so detailliert präsent, weil er an diesem Tag 13.00 Uhr Feierabend gehabt haben soll. Da habe er auf seine analoge Armbanduhr geschaut. „Die geht schon ein Stückchen nach“, bestätigt er dem Vorsitzenden auf Nachfrage. „Nach 3-4 Wochen eine Minute“, so seine heutige Einschätzung zur Ungenauigkeit seines Chronometers. Gegen 12.03 Uhr hätte er in seinem Dienstzimmer mit dem Revierleiter K. zu einer Besprechung zusammengesessen. Dieser hätte „5 vor Zwölf“ seinen Dienstraum betreten. Just zur obengenannten Zeit hätte dann sein Telefon geläutet: „Am anderen Ende war Herr S.“. Dabei sei ihm aufgefallen, das der Anruf nicht aus der „Leitstelle“ gekommen wäre, sondern aus der „Hauswache“. Steinhoff möchte nun wissen, was denn der Dienstgruppenleiter S. gesagt habe. „Er teilte mir mit, dass der Brandmelder im Gewahrsamstrakt ausgelöst hat und ob ich mal mit runter kommen könnte“, berichtet der Zeuge. „Ja, ich komme“, soll er geantwortet haben. Nach seiner Erinnerung hätte der Angeklagte in dem Gespräch nicht erwähnt, dass es brennt. „Ich empfand die Stimme nicht als aufgeregt, eher als normal“, gibt der Beamte heute an. Wie lange das Telefonat denn gedauert habe, will der vorsitzende Richter wissen: „Vielleicht 10 Sekunden“. Der Revierleiter K. wäre da noch in seinem Dienstzimmer gewesen und habe ihn „ohne weitere Worte begleitet“. Sie seien dann beide „zügigen Schrittes“ Richtung Gewahrsamstrakt gegangen.



“Als wir auf der Höhe des Postens waren, sah man Qualm“, berichtet Kö. von der Ankunft im Erdgeschoss im Bereich des Hintereingangs. Zeitgleich hätte er da den Angeklagten Schubert die Treppe hoch rennen sehen, dieser habe gerufen: „Es brennt, es brennt“. „Auffällig war der Grad der Erregung“, beschreibt der Zeuge seine damaligen Wahrnehmung bezüglich der Verfasstheit des Angeklagten S. Dieser habe in diesem Moment keinen Feuerlöscher in der Hand gehabt. Seine Dienstbluse wäre voller Russ gewesen. „Das Gesicht war aschfahl“, so Kö. weiter. „Er hat nur Feuerlöscher und Decke gerufen, sehr laut“, erinnert sich Kö. an Äußerungen des Dienstgruppenleiters. Kö wäre dann unverzüglich in den Bereich der Verkehrspolizei gerannt und habe dort eine Decke geholt. Anschließend habe er sich diese um den Körper gelegt und damit seine Nase und den Mund bedeckt. Wo der Dienstgruppenleiter in diesem Moment gewesen sei, könne er nicht sagen. Er wäre dann „laufenden Schrittes“ in den Keller. Dort wäre der Rauch immer dichter geworden und er hätte kaum etwas sehen können. Schließlich wäre es ihm gelungen, bis zum Eingangsbereich der Zelle Fünf vorzudringen: „Da war intensiver schwarzer Rauch, die Zelle war komplett verqualmt“. Es wäre ihm dann schwindlig geworden: „Ich habe teilweise die Orientierung verloren“. Außerdem habe er in der Zelle einen Feuerschein wahrnehmen können. „Ich wusste ja nicht, dass er gefesselt war“, antwortet Kö. auf eine konkrete Nachfrage des Richters, ob ihm die Fixierung des Oury Jallohs zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei. Dann wäre er wieder die Treppe hoch und auf den Hof.
weiter unter:  http://ouryjalloh.wordpress.com/about/#9_Prozesstag
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Ergänzungen

Info zur PD Dessau

- 12.05.2007 - 21:27
Möglicherweise bringt nachfolgender Aspekt nochmal ein bisschen mehr Fahrt in den Prozess. Der Tagesspiegel berichtet, dass der Vize-Chef der Polizeidirektion Dessau die Abteilung Staatsschutz zum Hinwegsehen über rechtsextreme Straftaten aufgefordert habe:
Der Vizechef der Polizeidirektion Dessau, Hans-Christoph Glombitza, soll nach Informationen des Tagesspiegels versucht haben, die Bekämpfung rechtsextremer Kriminalität zu bremsen. Dies geht aus dem Protokoll einer Besprechung hervor, die drei Staatsschützer des Fachkommissariats der Direktion im Februar mit dem Leitenden Polizeidirektor geführt haben. Danach soll Glombitza den Beamten unter anderem nahegelegt haben, "dass man nicht alles sehen müsse". Außerdem könnte das Ansehen des Landes Sachsen-Anhalt "nachhaltig geschädigt werden". Der Polizeidirektor soll zudem die von der Landesregierung initiierte "Hingucken!"-Kampagne gegen Rechtsextremismus mit den Worten abqualifiziert haben, "das ist doch nur für die Galerie" und "das dürfen sie nicht ernst nehmen".
Quelle: Tagesspiegel zitiert nach Presseportal (11.05.2006)

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