Kampagne gegen Christians Klar

Wolfgang 08.05.2007 11:19 Themen: Medien Repression
Medien hetzen gegen Christian Klars Freilassung
Anmerkungen zu der Rolle der Medien
Im März wurde schon festgestellt, dass es Funktion der Medien ist, die Sonderhaftbedingungen der Gefangenen aus der ehemaligen RAF weiterhin zu vertuschen und ihre psychische und physischen Auswirkungen zu tabuisieren. Von Rache, Vergeltung und Siegerjustiz wird nicht Abstand genommen. Wir wollen das jetzt in den nächsten Zeilen an einigen Beispielen noch einmal etwas verdeutlichen und darüber hinaus einige Hintergründe benennen, die in der Debatte bewusst herausfallen und nicht nur von den Medien, sondern auch von der herrschenden Klasse verschwiegen werden. In der aktuellen Debatte geht es nicht nur um eine Abrechnung mit der seit 1998 aufgelösten RAF, sondern es ist auch die heutige Linke gemeint. Die Botschaft lautet: Antagonistischer Widerstand gegen die europäische Großmacht BRD ist nicht erlaubt und wird kriminalisiert, das war damals vor 30 Jahren so und ist heute nicht anders.
Die Medien instrumentalisieren auch Menschen, die sich selbst als Opfer bezeichnen, aktuell jetzt bei einer mögliche Freilassung von Christian Klar.
Zum Beispiel auch Frau Keller, die sich im Oktober 1977 in der entführten Lufthansamaschine Landshut befand.
„Keine schnelle Begnadigung vom Terroristen Klar“ stand ja schon häufig in Bild. Anfang Februar druckte das Blatt einen Brief aus dem Bundespräsidialamt. Die Adressatin war dort eine gewisse Beate Keller. „Sonderlich aufwendig dürfte die Recherche dennoch nicht gewesen sein. Schließlich arbeitet Frau Keller selbst als Telefonistin für Springer.“ (FR 10.2.)
Weiterhin schrieb die FR: „ Es war nicht der erste Brief, der den Präsidenten in Sachen RAF ereilte...bislang war keiner davon an die Öffentlichkeit gedrungen. Das hat sich nun geändert.. da (sie) ausgerechnet für Deutschland größten Boulevard-Verlag arbeitet.“
Ein weiteres Beispiel ist die Polizistenwitwe Sigrun Schmid, deren Mann Nobert 1971 von Gerhard Müller erschossen wurde. In einem längeren Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 16.März polterte Schmid: „ Es darf keine Gnade für die Gnadenlosen geben“ und meint damit die noch inhaftierten Gefangenen aus der RAF. Sie verfasste einen Brief an den Bundespräsidenten Köhler und unterzeichnete ihn namentlich mit dem Zusatz „Polizistenwitwe“.
Unterstützt wird sie von ihrem Lebengefährten Klaus Lohmann. Ein ehemaliger Polizist, „befasst mit dem Aufspüren von Terroristen. Später sattelte er um und wurde Journalist beim NDR“
Noch einige Bemerkungen zu Müller: Er war RAF-Mitglied und wurde später zum Kronzeugen, deshalb wurde er für die Tötung des Polizisten Schmid nicht belangt. Der damalige Bundesjustizministers Vogel “hatte einen Sperrvermerk über diese Akte verhängt, weil es dem Wohl der BRD schaden würde, wenn ihr Inhalt an die Öffentlichkeit gelangen würde“ (Irmgard Müller, Seite 82 in „ RAF das war für uns Befreiung“). Müllers Aussagen brachten Irmgard lebenslänglich ein.
Bild hetzt fast täglich besonders exponiert gegen noch inhaftierte und freigelassene ehemalige Mitglieder der RAF.
„Sie waren und bleiben Mörder!“ meint der Kommentator Einar Koch am 25.4 in Bild. Der vom Kronzeugen Boock denunzierte Stefan Wiesniewski, der schon 21 Jahre wegen RAF-Aktivitäten weggesperrt war, wird von Bild regelrecht ausspioniert: Fotos von seiner Wohnung und Briefkasten und bisher unbekannten persönliche Daten werden veröffentlicht.
Zu Peter Jürgen Boock ist auch noch einiges mehr anzumerken: Er war in den siebziger Jahren Mitglied der RAF und belog seine GenossInnen, in dem er vorgab, er leide unheilbar an Darmkrebs und benötigte eine Unmenge an Medikamenten, um seine Schmerzen zu betäuben. In Wirklichkeit war er drogenabhängig . Mehrere Mitglieder wurden wegen der Beschaffung dieser Mittel verhaftet. 1981 wurde Boock festgenommen und kooperiert seitdem mit der Justiz und den Medien. Aktuell hat er vermutlich einen Exklusivvertrag mit dem Spiegel. Er vergleicht heute die RAF u.a. mit Nazis. Genaueres zu ihm haben damals Gefangene aus der RAF in der Konkret 10/88 veröffentlicht.
Franz Josef Wagner, seit 2001 Chefkolumnist bei Springer, lässt in der Bild vom 25.4. seinen Aggressionen gegen Christian freien Lauf: Wäre er im offenen Vollzug als Bühnenarbeiter tätig, „ ..würden wir uns treffen...Ich nehme an, dass ich Ihnen den Inhalt meines Sektglases ins Gesicht schütte...In ist, einen Mörder zu hofieren, out ist, einen Mörder zu verachten.“ . Diese gewalttätigen und wütenden Zeilen erinnern an die Hetze der Springergazetten vor 40 Jahren gegen die Angehörige der Außerparlamentarischen Opposition , die das Attentat auf Rudi Dutschke 1968 mit auslösten. An deren Spätfolgen verstarb Rudi 1979.
Heute hetzen viele Blätter immer noch. Eine Vereinfachung und Verharmlosung wäre es aber das nur auf Springer zu reduzieren“...da werden Noch-Inhaftierte per Foto und Kopf-ab-Hetze dem Mob angedient; werden ehemalige politische Gefangene mittels halbseitigen Fahndungsfotos und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten wieder in den Knast geschrieben; werden einem Gefangenen nach einem Vierteljahrhundert Haft nicht einmal die gängigen humanen Standards gewährt.“ Schrieb die junge Welt vom 5.5.07 treffend.
Jüngste Hetze gab es gegen Ralf Reinders, ehemaliger Gefangener aus der Bewegung 2.Juni, auf einer Berliner 1.Mai Kundgebung hatte er historische Fakten zu den von der RAF der erschossenen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Kapitalistenmultifunktionär Hanns Martin Schleyer benannt. Letzterer war Mitglied in der NSDAP seit 1937 und „Handlanger des SS-Massenmörders Reinhard Heydrich in der besetzten Tschechoslowakei“ (junge Welt 5.5) und Buback war Mitglied seit 1940. Später war er in seiner Funktion als Chefankläger der Republik mitverantwortlich für Verschärfung der Isolationshaftbedingungen und den Tod u.a. von den Gefangenen Holger Meins und Ulrike Meinhof.
Es ist aber nicht nur Hetze, sondern es existiert auch Angst bei den Mächtigen, was auch oft von der Linken vor lauter Repression nicht wahrgenommen wird, zeigt der Kommentar vom Hamburger Abendblatt vom 5.5.: „ Es gibt sie noch die Gespenster der Vergangenheit. Wer gedacht hat, sie seien verschwunden, hat sich geirrt. Das wird schlagartig klar, wenn ein Ewiggestriger,......wie Ex-Terrorist Ralf Reinders, mit ewiggestrigen Parolen seine Autonomen-Freunde ..begeistert....Das wäre eine fatale Entwicklung, die neue Anhänger anziehen könnte.“ Ihre Befürchtung ist, das junge und alte Linke zusammenkämen, um gemeinsam aus der Geschichte lernen und damit besser agieren zu können.
Dass Publikationen mit Polizeibehörden zusammenarbeiten wird offensichtlich z.B. bei politischen Verhaftungen oder Demonstrationen: Oft wird kritiklos die Meinung der Sicherheitsorgane übernommen.
Es gab früher in den siebzigen Jahren auch noch krassere Vorfälle, so deckte der Springerverlag den VS -Mitarbeiter Egon Giordano, der als Betriebsrat eben dort in Hamburg tätig war. Giordano war Mitglied der alten KPD, belastete alte GenossInnen, und war später in verschiedenen linksradikalen Zusammenhängen tätig. Seine Polizeimitarbeit und seine linke Bezüge waren der Führungsetage bestimmt nicht unbekannt. Illegale aus der RAF hatten Kontakt zu ihm und Ziel des Staatsschutzes war es, diese zu erfassen und möglichst viele Mitglieder zu verhaften. Das scheiterte Anfangs der achtziger Jahre, weil die Illegalen der Polizei damals entkommen konnten.
Die Medien positionieren sich, wie beschrieben, auf verschieden Ebenen gegen die Freilassung von Christian Klar, in dem die Fakten verdrehen, verschleiern oder unterdrücken.
Es sollte gefordert werden, das alle polizeilicher und geheimdienstlicher Archive geöffnet werden, um zum Beispiel die Ereignisse der Stammheimer Todesnacht am 18.Oktober 1977 transparent zu machen.
Dass Christian nach über 24 Jahren Knast keinen Tag länger mehr drin bleiben sollte, müsste eigentlich Forderung aller Linken sein, da er einer von uns ist!
Wolfgang
Dieser Artikel ist in der neuen Ausgabe des Gefangenen Infos 324 erschienen.
Weitere Themen sind u.a.: zur Lage von Mumia Abu Jamal und von Rainer Dittrich.
Das Gefangenen Info kostet 1,55 Euro und ist zu beziehen: GNN-Verlag Neuer Kamp 25 20359 Hamburg E-Mail:gnn-hhsh@hansenet Gefangenen Info im netz. www.political-prisoners.net
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Ergänzungen

veranstaltung

blubb 08.05.2007 - 11:32
Eine Veranstaltung zum Thema in Göttingen:
15.Mai | 20 h | Apex -
Gnadengesuche, Rachegelüste und der ganze Rest. Der Mediendiskurs um die RAF.
Veranstaltung mit Hanno Balz (Dozent, Bremen / Göttingen) und Oliver Tolmein, (Rechtsanwalt, Autor der Zeitschrift konkret, Hamburg)

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