Spanien – Paradies für Geldwäscher?

Ralf Streck 07.05.2007 13:30 Themen: Weltweit
Irgendein witziger Zeitgenosse hat ihm den Namen Bin Laden gegeben. Gemeint ist der lilafarbene 500-Euro-Schein, denn jeder hat schon von ihm gehört, aber niemand hat ihn je zu Gesicht bekommen. Das ist erstaunlich, denn nirgends gibt es derart viele 500er Scheine wie in Spanien. Nach Angaben der Zentralbank Spaniens bilden mehr als 112 Millionen dieser Scheine gut 67 % der gesamten im Umlauf befindlichen Geldmenge. Mehr als zwei Drittel von 86,2 Milliarden im Land stellen die Bin Ladens und damit haben sich allein in dem Land schon mehr als ein Viertel aller 500er der Eurozone versammelt. Seit langem droht die Regierung mit Maßnahmen, geschehen ist bisher wenig.
Die Zahl der 500-Euro-Scheine im Umlauf in Spanien ist in den letzten Jahren mit dem Bauboom stark gewachsen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18406/1.html). Regierung, Finanzämter und Banken gehen davon aus, dass in diesen Boomsektor in den vergangenen Jahren viel Schwarzgeld investiert und gewaschen wurde. Die großen Scheine eignen sich ganz besonders gut, um möglichst viel Geld, außerhalb des Bankverkehrs, einigermaßen unauffällig über die Grenze zu bringen. 1000 Scheine, also 500.000 Euro, wiegen gerade einmal 1,14 Kilogramm und sind bequem zu verstauen. Da es in Dollar nur 100er Noten gibt, steigen immer mehr Kriminelle auch international auf den Euro um.

Da die Bauwut anhält, in den letzten Jahren wurden in Spanien mehr Wohnungen gebaut als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen, hat sich der Anteil der 500er Scheine am Geldvolumen drastisch erhöht. Machte er noch vor einem Jahr 62 % aus, sind es nun schon 67 %, Tendenz weiter steigend ( http://www.elpais.com/articulo/economia/billetes/500/euros/superan/primera/vez/tercios/dinero/circulacion/Espana/elpepueco/20070410elpepieco_8/Tes). Einst wurde Spanien bei der Einführung des Euro mit 13 Millionen 500ern ausgestattet, also hat sich die Zahl in fünf Jahren fast verneunfacht.

Schon vor einem Jahr wurde das Finanzministerium von den dramatischen Zahlen auf den Plan gerufen. Es leitete eine Untersuchung ein, weil diese Zahl an 500er Scheinen in keiner Weise der Wirtschaftskraft des Landes entspricht. Für viele Finanzexperten ist klar, dass Spanien zu einer großen Geldwaschanlage geworden ist, die sich im Zusammenhang mit extremem Bauboom entwickelt hat.

Die Finanzbehörden versichern ebenfalls, dass die zu Beginne des Jahres eingeleiteten Untersuchungen einen verstärkten Bedarf der Scheine im Bereich von Immobilienaktivitäten festgestellt haben. Vor allem gelte dies für Gemeinden mit einem starken Wachstum im Bereich des Mittelmeeres. Gewinne würden hier über Strohmänner abgeführt, weshalb man in diesem Jahr 30 neue Ermittlerteams aufstellen werde. ( http://www.elmundofinanciero.com/noticia.asp?ref=79)

Es ist ein offenes Geheimnis, dass in Spanien beim Kauf von Immobilien stets große Summen am Fiskus vorbei bezahlt werden. Um beim Kauf oder Verkauf einer Wohnung weniger Steuern zu zahlen, ist es üblich, bei der Beurkundung des Vertrages einen weitaus niedrigeren Preis anzugeben. Die Differenz wird dann mit so genanntem B-Geld am Fiskus vorbei beglichen. Damit werden nicht nur Steuern gespart, die bei dem Transfer anfallen, sondern der Käufer kann auch sein angesammeltes Schwarzgeld anlegen, das er am Fiskus vorbei erworben hat. Der Vorgang findet meist sogar quasi unter den Augen der Notare statt, damit auch alles seine „Richtigkeit“ erhält. Immobilienmakler und Banken spielen oft ebenfalls mit, die sogar beratend zur Seite stehen. Das kann nachgelesen werden und wurde dem Autor auch von verschiedenen Seiten bestätigt ( http://blog.unlugarenelmundo.es/2006/04/19/dinero-negro-en-el-mercado-inmobiliario-un-fraude-consentido). Anlagemöglichkeiten erhält man auch Deutschland zum Teil von Experten auf Seminaren ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17417/1.html).

Denn viele, vor allem einfache Wohnungskäufer, haben eine Beratung nötig. Denn „offiziell“ wird spanischen Banken stärker kontrolliert als in der EU üblich. Es muss schon bei Aus- oder Einzahlungen in Bar von mehr als 3000 Euro eine Kopie des Personalausweises angefertigt werden, um den Vorgang zu dokumentieren. Üblich ist in der EU die Grenze von 15.000 Euro. Deshalb raten die freundlichen Helfer, die Abhebungen kleineren Summen durchzuführen. Auf Anraten des Kreditberaters wurde das zu zahlende B-Geld schon zuvor auf verschiedene Konten verteilt, um das Abheben zu vereinfachen. Von Immobilienmaklern und von Banken werden nötige Dokumente und Kreditverträge gerne oft auf die Steuersparverkäufe angepasst. Der Promotor, oft auch selbst Bauträger, zahlt von dem Schwarzgeld wiederum seine Schwarzarbeiter…

Natürlich wurde auch viel Schwarzgeld auf die Urlaubsinseln und an die Südküste gelockt, wo mit der Bestechung von Politikern und Beamten Baugenehmigungen erkauft werden und sich viele Europäer, auch mit Schwarzgeld einen Zweitwohnsitz gebaut haben. Dieser „Qualitätstourismus“ ist dort für die massive Zerstörung der Umwelt verantwortlich. ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25079/1.html).

So ging der Fall des Bürgermeisters der mallorquinischen Gemeinde Andratx, die auch bei deutschen Prominenten beliebt ist, im vergangenen Herbst durch die Presse. Bei Razzien im Haus des Bürgermeisters Eugenio Hidalgo (gleichzeitig Bauunternehmer) und verschiedener städtischer Beamter wurden im letzten Herbst insgesamt 750.000 Euro in Bar sichergestellt. Gefunden wurden auch zahlreiche Wertgegenstände, darunter auch sehr teure Autos, die ebenfalls als Schwarzgeldanlage gelten. Der Gesamtwert umfasste etwa sieben Millionen Euro. Mit Korruption wurden sogar Neubauten in Naturschutzgebieten möglich. Das Korruptionssystem im Umfeld der ultrakonservativen Volkspartei (PP) soll bis in die Spitzen der PP-Regionalregierung reichen. Vermutet wird, dass sich die Partei illegal darüber finanziert. Neben anderen deutschen Prominenten zählt zu den regelmäßigen Gästen in Andratx auch der umstrittene Ministerpräsident aus Baden Württembergs Günther Oettinger.

Auch in der südspanischen Stadt Marbella war im vergangenen Jahr eine große Korruptionsblase geplatzt. Bei Razzien im Fall „Malaya“ wurden vergangenen März große Mengen der 500er konfisziert. Die Gesamtsumme des beschlagnahmten Geldes lag über 3,5 Millionen Euro. Wegen der Korruptions- und Geldwäscheaffäre im Immobilienbereich musste sogar das gesamte Stadtparlament aufgelöst werden, die Bürgermeisterin und andere kamen in den Knast und auch der lokale Polizeichef ist in die Vorgänge verwickelt

Für den Präsidenten der spanischen Vereinigung der Steuerfahnder APIFE ( http://www.inspectoresdehacienda.org/jsp/paginaspublicas/pagina.jsp?idpag=12_18_1), José Maria Peláez, verbirgt sich hinter all dem vor allem ein enormer Steuerschwindel. Er sagt, es gäbe in Spanien keinen Willen die enorme Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft zu bekämpfen. „Mit dem obligatorischen Umtausch der Peseten in Euro wurde die große Chance verpasst“. Es sei dem Schwarzgeld ein weiteres langes Moratorium gewährt worden und damit einer Schattenwirtschaft, deren Anteil am Bruttoinslandprodukt (BIP) enorme 20 % ausmachen soll.

Nach Ansicht von Peláez wäre es einfach die zu identifizieren, die im großen Stil mit den 500er Scheinen operieren. „Doch daran besteht kein Interesse, es ist kein Wille da“. Viel werde geredet, doch es fehlten die Mittel, klagt Peláez, von 20.000 Immobilienmaklern in Madrid wären gerade 500 überprüft worden (www.belt.es/noticias/2005/octubre/06/billete.asp). Zaghaft wurde mit der Regulierung von fast 600.000 illegalen Einwanderern 2005 tatsächlich etwas gegen die Schattenwirtschaft unternommen. Die alle gingen zuvor der Schwarzarbeit nach und mussten das für ihre Legalisierung auch nachweisen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20093/1.html).

Tatsächlich fällt auf, dass neben dem Bereich Immobilien die 500er Scheine im Bereich von Korruption, Drogenhandel und Betrugsfälle große Mengen an 500er auftauchen. Bei der wohl größten Abzocke mit einem Pyramidensystem, angeblich waren angelegte Gelder über Briefmarken abgesichert, wurde ein Schaden von etwa fünf Milliarden Euro an den Guthaben von mehr als 350.000 Sparern angerichtet. Im Mai vergangenen Jahres wurden 10 Millionen Euro in 500er Scheinen in der Luxuswohnung von Francisco Guijarro gefunden, der die Firma Afinsa mit Briefmarken beliefert hatte. ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22654/1.html).

Immer wieder demonstrieren die Betroffenen und forderten Entschädigungen von der Regierung. Jahrzehntelang wurde dem Treiben tatenlos zugesehen. Vor einer Großdemonstration am 21. April kündigten die Sozialisten nun Beihilfen in der Höhe von einer halben Milliarde Euro für die Geschädigten an. ( http://www.elmundo.es/mundodinero/2007/04/20/economia/1177078464.html)

Ein weiteres Feld ist der Drogenhandel. Nirgendwo sonst in Europa wurde 2005 so viel Kokain beschlagnahmt (50 Tonnen), und bei Haschisch und Marihuana (650 Tonnen) lag das Land sogar weltweit an der Spitze. Die Sicherheitskräfte behaupten, das Land habe den Krieg gegen die Drogen verloren und habe sich zum Hauptumschlagplatz für Kokain entwickelt. 50 % des gesamten Kokains aus Kolumbien, das in der EU konsumierte werde, käme über Spanien. ( http://www.elmundo.es/papel/2003/06/08/espana/1412596.html).

Von hier aus wird auch anderes Rauschgift über die offenen Grenzen über ganz Europa verteilt. Die Gewinne fließen in Form von 500er Scheinen wieder ab, nachdem sie „gewaschen“ wurden. Interessant ist auch eine Untersuchung der Tageszeitung El Mundo ( http://www.elmundo.es/elmundo/2006/12/24/espana/1166928254.html). In dem europäischen Land mit der höchsten Zahl an Kokainschnüfflern (etwa 800.000), sind nach einer Stichprobe 94 % der 100 Euro-Scheine mit Kokain angereichert, weil die aufgerollten Scheine zum Schnüffeln benutzt werden. Hundert Scheine wurden in fünf Großstädten willkürlich gesammelt und untersucht, bei 94 wurden Kokainspuren festgestellt.

Viele Scheine würden allerdings auch beim Kontakt in Geldbörsen oder Geldautomaten kontaminiert. Allerdings stachen Scheine aus Spanien bei einer EU-weiten Untersuchung wegen der großen Mengen von Kokain hervor, der in den Scheinen anzutreffen war. Analysiert wurden insgesamt 600 Scheine aus der gesamten Eurozone. Die aus Spanien (sie stammten alle aus Barcelona) wiesen im Durchschnitt 335 Mikrogramm Kokain auf. Die aus Italien lieferten 71, aus Deutschland 6,6 oder aus Frankreich, mit den geringsten Spuren, 0,102 Mikrogramm.

© Ralf Streck, 06.05.2007
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Ergänzungen

Ganz ehrlich

O 08.05.2007 - 09:02
Der Artikel ist schon in Ordnung, denn er schneidet tatsächlich einige wichtige Themen an, hab da den Mund ein wenig voll genommen und bereue das jetzt.

Trotzdem ist der Artikel wörtlich schon vor einigen Zagen bei Telepolis veröffentlicht worden und meiner Meinung nach soll Indymedia keine Copy-and-paste-Plattform sein, sondern ein Ort, wo Leute selber Nachrichten bringen.

An U: Auf einen Link zu klicken und festzustellen, dass es sich um den selben Artikel handelt, das wirst du ja noch schaffen, was. Mich aber als Fascho zu beschimpfen ist wieder diese typische Kinderkacke. Nicht jeder, der kritisch was anmerkt, ist gleich ein Fascho. Dir ist es vielleicht nicht klar, aber damit, jeden gleich einen Fascho zu nennen, machst du es den Nazis schön einfach. Wegen solcher Kindereien werden wir Linken nicht ernst genommen. Also lieber sparsam mit solchen Beschimpfungen umgehen, es sollte nur die Richtigen treffen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

Mal ehrlich

O 07.05.2007 - 17:19
Was hat dieser Artikel auf indymedia zu suchen? Außerdem ist er schon am 5. Mai bei Telepolis veröffentlicht worden.

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25171/1.html

Mal unehrlich

ich 07.05.2007 - 20:33
Was ist dein Problem, ich find es interessant!

@ O

U 08.05.2007 - 00:32
1. der artikel wurde nicht bei telepolis veröffentlicht, sondern nur einer zum selben thema

2. was zu indymedia gehört und was nicht entscheiden zum glück nicht solche faschos wie du.

Vielleicht

Ralf 08.05.2007 - 16:02
Hast du bemerkt, dass ich nicht Copy und Paste eingesetzt habe, sondern selbst der Autor bin? Ist das also doof, Artikel, mit denen man seinen Lebensunterhalt verdient, auch Indymedia umsonst zur Verfügung und damit zur Diskussion zu stellen?

Gut, wundert mich, dass der Artikel von der Startseite verschwunden ist.