Neuer Verbotsrekord gegen baskische Linke

RAlf Streck 05.05.2007 18:30 Themen: Repression Weltweit
Fast 400 Wählerlisten will die sozialistische spanische Regierung vor den Regional- und
Kommunalwahlen verbieten. Nicht nur die einer neuen Partei sind komplett dran, sondern auch die Hälfte der Listen der Traditionspartei ANV. Das ist eine besonders repressive Auslegung des Parteiengesetzes der ultrarechten PP. Die Begründungen sind absurd und damit dürfte der Friedensprozess endgültig beendet werden.
Die sozialistische spanische Regierung stellt vor den Regional- und
Kommunalwahlen am 27. Mai neue repressive Rekorde auf. Das Ministerium für
Staatsanwaltschaft hat Verbote für knapp 400 Wählerlisten in den drei
Provinzen der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) und der Provinz
Navarra bei der Sonderkammer des Obersten Gerichtshof beantragt, die bis
zum Samstag Nacht in Schnellverfahren nun entscheiden muss. Die Kammer wurde mit
einem Parteiengesetz geschaffen, das extra für das Verbot der
linksnationalistischen Partei Batasuna (Einheit) im März 2003 geschmiedet
wurde. Die stehe hinter den angefochtenen Listen sagt die spanische
Staatsanwaltschaft. Zwischen 10 und 20 Prozent der Basken soll erneut
keine Wahloption haben.

Das ist quantitativ und qualitativ ein neuer Rekord. Die spanischen
Sozialisten (PSOE) haben alle 246 Listen der neuen Partei Abertzale
Sozialistak (Patriotische Sozialisten/AS) angefochten, da Batasuna keinen
Hehl daraus macht, dass sie hinter ihnen steht. Dazu kommen Anträge zum
Ausschluss von weiteren unabhängigen Listen. Batasuna wollte mit der
Neugründung von AS den Friedensprozess voranbringen und erfüllte alle
Forderungen, die an sie gestellt wurden. Dafür respektiere man sogar ein
"undemokratisches Gesetz", erklärte die Partei. In den Statuten
distanziert sie sich klar vom Einsatz von Gewalt, um politische Ziele zu
erreichen. Damit wurde auch das Parteiengesetz erfüllt. Selbst der Begriff
Batasuna wurde später noch aus dem Namen gestrichen, denn eigentlich
sollten die Listen als Abertzale Sozialisten Batasuna (Vereinte
Patriotische Sozialisten/ASB) antreten.

Qualitativ neu ist, dass nun auch 133 Listen einer legalen Partei verboten
werden sollen. Die Partei Eusko Abertzale Ekintza (Baskisch-Patriotische
Aktion/EAE-ANV) ist 77 Jahre alt und ist seit dem Ende der Diktatur legal.
Sie trat zwar 1978 der Koalition Herri Batasuna (HB/Volksunion) bei, stieg
aber aus dem Vereinigungsprozess aus, aus dem 2001 Batasuna hervorging.
Die PSOE dehnt das Parteiengesetz der ultrarechten Volkspartei (PP)
repressiv weiter aus und will nun sogar die Hälfte der Listen einer
legalen Partei verbieten. Die soll daran gehindert werden, ins
Regionalparlament von Navarra oder in die Stadträte von Bilbao,
Donostia-San Sebastian oder Gasteiz-Vitoria einzuziehen.

Der Generalstaatsanwalt Cándido Conde-Pumpido begründete, die Listen von
(EAE-ANV) seien "unterwandert", wenn mindestens drei "Batasuna-Kandidaten"
darauf kandidierten. Dafür sei bis 1995 zurückgeschaut worden, als es die
Partei noch nicht einmal gab. Deshalb wurde in 19.000 Verfahren gegen fast
12.000 Menschen ermittelt, die schon einmal für einst legale Listen oder
Parteien kandidierten. Das ist auch ein neuer Rekord.

So stützt sich Conde-Pumpido auf die sehr zweifelhafte Entscheidung, mit
Batasuna auch Herri Batasuna und ein Wahlbündnis rückwirkend zu verbieten,
die es bei der Verabschiedung des Gesetzes längst nicht mehr gab. Auch
über diesen Vorgang hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in
den vier zurückliegenden Jahren noch nicht entschieden. Tausenden Basken
wird auch unter der PSOE das elementare Recht abgesprochen, sich zur Wahl
aufzustellen, obwohl ihnen nie die Bürgerrechte abgesprochen wurden. In
einem einzigartigen Vorgang werden ihre Kandidaturen nun sogar Listen von
legalen Parteien ausgeschlossen. Ein Blick ins Nachbarland Frankreich
zeigt zudem die gesamte Absurdität des Vorgangs. Hier tritt Batasuna, die
in Spanien angeblich zur Untergrundorganisation ETA gehört, weiter legal
bei Wahlen an.

Das Vorgehen der Sozialisten ist angesichts des angestrebten
Friedensprozesses noch erstaunlicher. Für Batasuna ist klar, dass die
Regierung nun den Prozess versenken will, um den scharfen Angriffen der
ultrarechten PP bei den spanischen Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr
zu entgehen. Der Batasuna Sprecher Arnaldo Otegi sagte: "Der Angriff auf
die patriotische Linke hält an und so kann man nicht vorankommen". Otegi
kann nicht ausschließen, dass die ETA nun wieder zu den Waffen greife. Er
fragte die spanische Regierung, wie man in dieser Lage Hoffnung auf einen
Prozess zur Lösung des politischen Konflikts machen soll. Wahrscheinlich
ist, dass die ETA die Waffenruhe aufgibt, wenn nicht spätestens das
Verfassungsgericht, das bis zum Beginn des Wahlkampfs am Donnerstag
entscheiden muss, die Situation korrigiert. Schon im Dezember hatte die
ETA die Partei von Otegi überrascht und ihre Waffenruhe vom März 2006 mit
einem tödlichen Anschlag in Madrid unterbrochen. In einem Kommunique
begründete sie dies damit, dass die Sozialisten die Repression sogar noch
verschärft hätten. Zwar kehrte die ETA wieder in eine Waffenruhe zurück,
behielt sich aber das Recht auf "Reaktionen" vor, falls die "Angriffe" auf
Basken weiter andauerten.

© Ralf Streck den 04.05.2007
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