Kapitalistischer Reichtum in Deutschland

Wal Buchenberg 03.05.2007 12:11 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit

Die Debatte über ein Grundeinkommen für alle hat volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen wieder in Mode gebracht. Der Debatte geholfen haben diese Berechnungen kaum. Der Aufmarsch einer Zahlenarmee von Milliardenbeträgen wirkt wie eine Doppeldosis Schlaftabletten. Meine grafisch unterstützte Analyse des kapitalistischen Reichtums in Deutschland und seiner Verwendung begnügt sich mit nur sechs offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Ich beginne mit der Gesamtsumme des im Jahr 2006 vorhandenen Reichtums.




Erwirtschaftet wurden im Jahr 2006 Waren und Dienstleistungen im Wert von 2.245 Milliarden Euro. Geschaffen haben diesen Reichtum - wie Karl Marx aufzeigte - im Wesentlichen die produktiven Lohnarbeiter. Zwar kann man auch kleine Gewerbetreibende - vom kleinen Bauer bis zum selbständigen Handwerker oder Programmierer, zu den "produktiven Arbeitern" rechnen, aber das Gesamtprodukt dieser Einzelarbeiter fällt volkswirtschaftlich nicht ins Gewicht.

Neben produktiven Lohnarbeitern und kleinen Selbständigen gibt es eine weitere Gruppe Menschen, die zum Reichtum in Deutschland beitragen. Ihr Beitrag wird in der Statistik als "Außenbeitrag" erfasst.
Siehe die Grafik 2).



Es handelt sich um 123 Mrd. Euro, dem Saldo zwischen Importkosten und Exporterlös. Da in aller Regel Kapitalisten die Besitzer der im- und exportierten Waren- und Dienstleistungsmenge sind, wandern diese 123 Mrd. Auslandsüberschuss auch in die Taschen der Kapitalisten. Die 123 Mrd. Euro sind kapitalistischer Profit, der außerhalb Deutschlands erwirtschaftet wurde und den Reichtum der Kapitalisten in Deutschland vergrößert. Ausbeutung und Ausplünderung (z.B. durch ungleichen Tausch) spielt da eine Rolle, auf die ich aber hier nicht weiter eingehe. Da es sich nur um 5% des deutschen BIP handelt, werde ich die 123 Mrd. im folgenden vernachlässigen.

Es bleibt ein im Inland geschaffener Reichtum im Wert von 2.184 Mrd. Euro. Dessen Verwendung soll im folgenden analysiert werden.

Der in Deutschland geschaffene Reichtum im Wert von 2.184 Mrd. Euro kann nicht insgesamt unter die Gesellschaftsmitglieder verteilt werden. Bei der Herstellung der Produkte und Dienstleistungen werden Produktionsmittel (Rohstoffe, Maschinen, Bauten, Energie etc.) eingesetzt, deren Verbrauch auch jedes Jahr ersetzt werden muss, sonst kann die Produktion im folgenden Jahr nicht auf selber Stufe wiederholt werden. Soll die Produktion im Folgejahr sogar gesteigert werden, muss der Umfang der Produktionsmittel schon in diesem Jahr ausgeweitet und vergrößert werden.

Der vom Statistischen Bundesamt erfasste Wert für Erneuerung und Erweiterung von Sachkapital hatte 2006 eine Größenordnung von 411 Mrd. Euro - 17,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt BIP. Abgesehen von 32 Mrd. staatlicher Investitionen stammten Produktionsmittel im Wert von 379 Mrd. aus den Mitteln der Kapitalistenklasse.



Bei Berechnungen des kapitalistischen Reichtums wird der Wert der Sachanlagen gerne und oft vergessen. Diese Produktionsmittel wurden und werden aber aus dem Mehrwert (dem privaten Reichtum) der Kapitalistenklasse angeschafft und sie bleiben Eigentum dieser Kapitalisten.
Diese Produktionsmittel sind Gänse, die den Kapitalisten goldene Eier legen. Wer den Kapitalreichtum beziffern will, der sollte auch den Wert dieser Gänse zum Wert der gelegten Eier hinzurechnen. Kapitalreichtum ist mehr als nur Geldreichtum. Geldreichtum verbraucht sich und verschwindet. Kapitalreichtum erneuert und vermehrt sich.
Der Anteil der Kapitalinvestitionen am BIP ist in wichtigen kapitalistischen Ländern rückläufig. Gewissermaßen gibt es hier eine chronische Überproduktion von Goldgänsen, die immer kleinere Eier legen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um aus diesem relativen Rückgang der Kapital-Investitionen eine chronische Erkrankung des Kapitalismus in den industriellen Kernländern herauszulesen.
Siehe dazu die Grafik 4) aus Wikipedia.



Nach Abzug der Kapitalkosten blieben 2006 vom gesellschaftlichen Reichtum in Deutschland noch Waren und Dienstleistungen im Wert von 1773 Mrd. Euro. Auch die können noch nicht an alle Gesellschaftsmitglieder zu privatem Konsum verteilt werden. Ein Teil dieser Werte, wie behördliche Aktenordner und Büroklammern, aber auch Handschellen, Gummiknüppel und Panzer, werden nicht privat, sondern öffentlich verwendet und verbraucht. Im Jahr 2006 machten diese öffentlichen Sachkosten 426 Mrd. Euro.



Zu diesen sachlichen Staatskosten sind noch die personellen Staatskosten zu rechnen, die Personalkosten im Öffentlichen Dienst von 167 Mrd. Euro. Die eigentlichen Staatskosten der Bundesrepublik machen also insgesamt 593 Mrd. Euro oder 26 Prozent des BIP.

Die gesamten Bruttoausgaben des bundesdeutschen Staates machten im Jahr 2006 aber 1054 Mrd. Euro. Davon flossen netto 461 Mrd. Euro über Transfers wieder an die Gesellschaft zurück: Entweder an die Kapitalisten (durch Subvention) oder an die aktiven und inaktiven Lohnarbeitern durch Rentenzahlungen, Arbeitslosengeld oder sonstige Beihilfen zur Ausbildung oder zum Lebensunterhalt.

Am Verhältnis der nackten Staatskosten von 593 zu den "sozialen" Leistungen von 461 Mrd. Euro können wir die Effektivität dieses Staatsapparates messen: Die Gesellschaftsmitglieder pumpen über Steuern und Abgaben rund 1000 Milliarden in diesen Moloch. 460 Milliarden gibt er wieder an die Gesellschaftsmitglieder zurück. Wahrlich eine "soziale" Leistung!

Für das Haushaltjahr 2003 hatte ich beispielhaft die Finanzen der bundesweiten Arbeitsämter untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass von 100 Euro eingezahlten Beiträgen nur 44 wieder an die Versicherten zurückgegeben werden.
Unser Sozialstaat ist ein Umverteilungsapparat, der sich unter sozialem Deckmäntelchen selber bereichert. Das hat er mit karitativen Großorganisationen gemeinsam. Die Staatsbediensteten sind schlechte Verwalter des gesellschaftlichen Reichtums und ihre Vermögensverwaltung wird nicht von der Basis, den Versicherten, kontrolliert. Eine direkte und selbstbestimmte Verwaltung der Sozialkassen durch die Versicherten wäre eine weit bessere und effizientere Möglichkeiten, die Sozialkassen zu verwalten.

Kommen wir zum Ende und betrachten noch Grafik 6). Es bleiben noch 1347 Mrd. Euro für den Privatverbrauch aller Gesellschaftsklassen.



Wollten wir die 2006 für privaten Konsum verfügbare Waren- und Dienstleistungsmenge auf alle Leute gleich verteilen, ergäbe das folgende Rechnung:
1347 Mrd. geteilt durch 82 Millionen Menschen in Deutschland ergäbe ein Netto-Jahreseinkommen pro Kopf von 16.420 Euro oder ein monatliches Einkommen für jeden Einzelnen von knapp 1370 Euro - egal welchen Alters.

Tatsächlich wird aber der konsumierbare Reichtum in Deutschland nicht gleichmäßig oder irgendwie "gerecht" verteilt. Die Verteilung des jährlichen Reichtums geschieht entlang der Eigentumsgrenzen: Produktionsmittelbesitzer bekommen (in der Regel) viel. Wer keine Produktionsmittel besitzt, bekommt (in der Regel) wenig. Dazwischen liegen die Staatsbediensteten.

Betrachten wir die drei Gruppen im Einzelnen:
595 Mrd. Euro standen 2006 zur Verfügung für rund 56 Millionen Menschen, die direkt oder indirekt von Lohneinkommen leben müssen. Im Großen und Ganzen stammt der Lebensunterhalt der aktiven Lohnarbeiter aus dem Nettolohn, der Lebensunterhalt der inaktiven Lohnabhängigen stammt aus dem Bruttoanteil (plus Arbeitgeberbeitrag) der gesellschaftlichen Lohnsumme.
Statistisch gesehen hatte jeder Einzelne dieser aktiven und inaktiven Lohnabhängigen im Jahr 2006 ein Netto-Jahreseinkommen von 10.625 Euro zur Verfügung, macht 885 Euro im Monat.

Natürlich gibt es innerhalb der Lohnabhängigen deutliche Einkommensunterschiede. Das ändert nichts an der Tatsache, dass für 56 Millionen Lohnabhängige nur diese 595 Mrd. Euro zur Verfügung standen. Was die einen mehr hatten, hatten andere weniger. Jedenfalls ist das der Standpunkt unserer Politikagenten.
Sie reden zum Beispiel vom "Generationenvertrag" und behaupten, dass die aktiven Lohnarbeiter sparen (also weniger konsumieren sollen), damit die Rentner oder sonstige Transferempfänger besser leben. Oder es wird gesagt, das Lohnniveau in Deutschland sei zu hoch, deshalb gehe es den Arbeitslosen so schlecht usw. Die deutschen Gewerkschaften schützten einigermaßen erfolgreich das Einkommensniveau der aktiven Lohnarbeiter und kümmerten sich nicht um die Einkommensverhältnisse derjenigen, die von Transferzahlungen leben müssen. Immer steht dahinter die Vorstellung einer begrenzten gesellschaftlichen Lohnsumme, die an die Millionen Lohnabhängigen verteilt wird.

Armut durch Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter kennen die Lohnarbeiter im Öffentlichen Dienst kaum - vor allem nicht die besonders privilegierte Gruppe der Beamten. Die Staatsbediensteten einschließlich einer guten halben Million Staatspensionäre teilten sich 2006 eine Konsummenge von 167 Mrd. Euro, ergibt durchschnittlich pro Kopf 33.400 Euro Nettoeinkommen im Jahr - das Dreifache der normalen Lohneinkommen. Auch diese Einkommen sind in Wirklichkeit sehr ungleich verteilt, dennoch ist der Topf für die Staatsbediensteten pro Kopf dreimal größer.

Niemand wundert es: "Systemgewinner" sind die Gruppe der Selbständigen und Kapitalisten: Im letzten Jahr teilten sich 4 Millionen Selbständige eine Netto-Profitsumme von 585 Mrd. Euro, ergibt ein statistisches Durchschnittseinkommen von 146.250 Euro netto pro Kopf und Nase.

Jeder weiß, es gibt auch selbständige Hungerleider. Was die weniger haben, das haben die eine Million wirklichen Kapitalisten mehr (Wirkliche Kapitalisten sind im Sinne von Karl Marx diejenigen, die sich von fremder Arbeit bereichern). Der Topf, aus dem sich vier Millionen Selbständigen bedienen, ist fast ebenso groß wie der Topf, aus dem 51 Millionen Lohnabhängige abgespeist werden. Na denn, kräftigen Appetit, ihr Herren Kapitalisten!

Datengrundlage: Statistisches Bundesamt

Text von Wal Buchenberg, Grafiken von frosch, 1. Mai 2007


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Ergänzungen

Originaldaten und ihre Quellen

Wal Buchenberg 04.05.2007 - 07:39
Hallo,

Offizielle Bezeichnungen und Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind:

BIP = Bruttoinlandsprodukt 2006 = 2.37,2 Milliarden Euro.

Außenbeitrag (Exporte minus Importe) = 122,71 Mrd.

Bruttoanlageinvestitionen = 411,45 Mrd.

Konsumausgaben Staat = 426,62 Mrd.

Private Konsumausgaben= 1348,66

Ein Teil der Konsumausgaben sind:
Unternehmens- und Vermögenseinkommen = 585,49 Mrd. Euro

Alle diese Daten stehen in dieser Tabelle:  http://www.destatis.de/basis/d/vgr/vgrtab1.php

Aus der Tabelle "Staatsfinanzen"  http://www.destatis.de/basis/d/vgr/vgrtab11.php:
stammen:

Personalkosten Öffentlicher Dienst = "Arbeitnehmerentgelt" = 167,48 Mrd.

Monetäre Sozialleistungen = 420,18 Mrd.

Subventionen = 26,01 Mrd.

Gruß Wal Buchenberg

Fehlerkorrektur

Wal 04.05.2007 - 08:05
Bruttoinlandsprodukt (BIP) muss heißen: 2 307,20 Mr. Euro (nicht: 2.37,2)


Sorry
Wal

Geht das?

Juli 04.05.2007 - 10:42
Hallo!

Dann hab ich doch noch mal ein paar Nachfragen.
Die Daten etwa zur Re-Investition von Sachkapital (also die 411,45 Mrd. Euro Bruttoanlageinvestitionen) beziehen sich auf die Verwendungsrechnung des BIP. Da geht es darum, wofür das Geld augegeben wird. Der Kapitalistenkonsum von 585,49 Mrd. Euro bezieht sich auf die Unternehmens- und Vermögenseinkommen und entstammt daher der Verteilungsrechnung. Bei der geht es da drum, wo die Gelder herkommen, die in der Verwendungsrechnung ausgegeben werden. Die Zahl besagt (wenn ich das richtig verstehe) dann doch nur, das es insgesamt 585,49 Mrd.Euro Einkommen von Unternehmen gab, aber eben noch nicht, wofür die ausgegeben wurden. So liegt es nahe, das von dem Geld 411,45 Mrd. Bruttoanlageinvestitionen reinvestiert wurden (in marxschen Kategorien: ein Teil von m wurde in C re-investiert). Der Rest wäre der Kapitalistenkonsum.

Womit sich der Kapitalistenkonsum vergleichsweise gering ausnähme und tatsächlich - ähnlich der marxschen Darstellung im 2. Band des Kapital, ein Sonderproblem darstellen würde, während das automatisches Subjekt fröhlich vor sich hinprozessiert.

Geht so

Wal 04.05.2007 - 11:12
Hallo,
bei der zitierten kapitalistischen Gewinnsumme handelt es sich um den Nettobetrag, vom dem die (Re)Investitionen schon abgezogen sind. Also geht dieser Betrag in den privaten Konsum. Dort wird er vom Statistischen Bundesamt aufgeführt.

Im übrigen gibt es für genau solche Sachfragen mein Diskussiosforum  http://f27.parsimony.net/forum66069/

Indymedia ist kein Diskussionsforum.

Gruß Wal

Kapitalist = Arbeitnehmer !!!

Alex 09.05.2007 - 21:24
Eins wird bei der Rechnung nicht beachtet.
Durch die Aktiengesellschaft und die Teilhabe der Arbeitnehmer daran, ist eine Unterscheidung so einfach nicht möglich.

Arbeiter sind auch in AGs meist nicht Kapital

Oliver Hankeln 11.05.2007 - 22:45
Ob Arbeitnehmer in einer AG
Arbeitnehmer oder Kapitalisten sind kann man recht einfach am Anteil, den sie besitzen ablesen.

Wenn eine AG 100 Arbeitnehmer hat und jeder 1% des Gesellschaftskapitals hält, dann sind die Arbeitnehmer eigentlich selbständig. Wer mehr hat ist Kapitalist, wer weniger hat Arbeitnehmer. (Das ist recht plakativ, aber im Prinzip sollte das so richtig sein)

Am Beispiel Siemens:

891.087.241 Aktien verteilt auf 480.000 Mitarbeiter.
=> wer weniger als 1856 Aktien hat, wird ausgebeutet, wer ca. 1856 Aktien hat ist selbstständig, und wer mehr hat bereichert sich an der Arbeit anderer.
(BTW: 1856 Aktien haben heute (11.05.2007 einen Wert von ca. 160.000 € - die meisten Leute, die Aktien haben dürften damit unter die Arbeitnehmer fallen)

Aktienbesitz

Leser 12.05.2007 - 08:29
Hallo,
es gibt rund 3,5 Mio. kapitalistische Unternehmen in Deutschland, aber nur rund 15.000 Aktiengesellschaften.
Innerhalb der Aktiengesellschaften regieren die Großaktionäre zusammen mit den Banken, die das Depotstimmrecht für die Kleinaktionäre ausüben.
Wie das geschieht, ist im folgenden Text zu lesen:

"Diese Spiel beherrschen die Hedge-Fonds und Großaktionäre der Deutschen Börse perfekt: Macht zeigen, ohne physisch anwesend zu sein. Einmal mehr haben sie diese Strategie auf der Hauptversammlung (HV) des Börsenbetreibers in der Jahrhunderthalle vor den Toren Frankfurts bewiesen.

Statt, wie die anwesenden Vertreter der Kleinaktionäre bei der üblichen Fragerunde einer HV selbst an das Rednerpult zu treten und Lob und Tadel zu äußern, nutzen sie einen subtileren Weg, um Börsen-Chef Reto Francioni die Grenzen aufzuzeigen. Als Botschafter wählten die Hedge-Fonds die dezent agierenden Stimmrechtsvertreter (d. h. die Banken). Sie stimmen im Auftrag großer institutioneller Investoren für oder gegen einzelne Tagesordnungspunkte auf der HV-Agenda. Ihre Stimme wurde offensichtlich gehört.


Dem Vernehmen nach sorgten die zwei Größten und in der Vergangenheit stets sehr aktiven Börsenanteilseigner, Atticus und The Children's Trust (TCI), dafür, dass Vorstand und Aufsichtsrat den Tagesordnungspunkt "sechs" erst gar nicht zur Abstimmung stellten. "Ihre Stimmrechtsvertreter machten deutlich, dass der Punkt, der eine Kapitalerhöhung vorsah, keine Mehrheit erhalten wird", hieß es in Finanzkreisen. Immerhin halten allein Atticus und TCI fast 20 Prozent an der Börse. Bei einer HV brauchen sie jedoch nur 50 Prozent plus eine Stimme des anwesenden Kapitals. Am Freitag betrug diese Quote rund 51 Prozent. (...)


Die Börse hatte ursprünglich - mit Tagesordnungspunkt "sechs" - vorgehabt, sich die weitere Ausgabe von 14 Millionen neuer Aktien von der Hauptversammlung genehmigen zu lassen. Damit hätte sich Vorstand und Aufsichtsrat einen finanziellen Spielraum für weitere größere Übernahmen oder Anteilsbeteiligungen geschafften. (...)
Das Machtspiel zwischen dem Börsenchef (...) und den Großaktionären (...) geht damit weiter."
(...)
gekürzt aus: FTD, 11.05.2007

Kleinaktionäre haben keinen bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik. Es ist normal, dass z.B. VW-Arbeitern mit ein paar VW-Aktien bei VW gekündigt wird, obwohl sie angeblich zu den "VW-Kapitalisten" gehören.
Aktienbesitz allein verschafft keinen bestimmenden Einfluss im Kapitalismus. Ein Kapitalist muss eine beherrschende Größe von Aktienbesitz haben.






aussenbeitrag

"usus fructus" 12.05.2007 - 19:19
schon etwas mutig sich in der vorliegenden form an den zahlungströmem einer volkswirtschaft auszutoben und zu erörtern wem der ganze reichtum eingentlich gehört.

es sollte darauf hingwiesen werden, dass die im leitartikel dargestellten sachverhalte so stark vereinfacht sind, dass nahezu jede politische interpretation möglich ist.

ein beispiel:

zitat:

"Da in aller Regel Kapitalisten die Besitzer der im- und exportierten Waren- und Dienstleistungsmenge sind, wandern diese 123 Mrd. Auslandsüberschuss auch in die Taschen der Kapitalisten. Die 123 Mrd. Euro sind kapitalistischer Profit, der außerhalb Deutschlands erwirtschaftet wurde und den Reichtum der Kapitalisten in Deutschland vergrößert."

der aussenbeitrag ist eine differenz zwischen importen und exporten aller konsumentengruppen innerhalb der systemgrenzen (staat, unternehmen, konsumenten). mit einem kalkulatorischen gewinn kann dieser faktor nicht gleichgesetzt werden.
über die profite positiver nettoexporte kann keine aussage getroffen werden. die gewinnmargen der exporte werden dabei von den inländischen arbeitskräften und robotern erzeugt, dieser wird nicht ausserhalb deutschlands erwirtschaftet.

an dieser stelle kann auch nicht von unfairen tausch handel gesprochen werden. gelieferte waren werden ja nicht durch warenleferungen eingelöst sondern durch devisentransfer.
welcher preis sich für ein inländisches gut auf dem internationalen markt bildet, hängt dabei von der faktorspezifität des gutes ab, sowie von den raumwirtschaftlichen faktoren eines systems (hotelling, ricardo, thünen

bevor man mit thesen über profite, ausbeutung und der allokation von reichtum unter wohlfahrttheoretischen aspekten beginnt, empfiehlt es sich ausser marx, weitere wirtschaftstheorien zu erfassen und einzubeziehen!

an dieser stelle nur ein paar standartwerke und autoren die mir aus meiner grundstudiumszeit noch einfallen.

ronald coase- the problem of social costs
hobbes - leviathan (machtverteilung, verfügungsrechte, gesellschaftsverträge)
ricardo, hotelling, thünen - aussenhandelstheorien
thomas von aquin - wirtschaftstheorien über kapital und zinsen

und nicht zuletzt die enstehungsgeschichte unseres rechtssystems, das im prinzip auf 4 verfügungsrechten basiert und im übertragenen sinne definiert was und wieviel jemanden gehört ( usus, usus fructus, abusus und ius abutendi (honsell römisches recht, 2002 )).

geschlechtergerechte formulierungen !

brainbug 13.05.2007 - 18:18
das eine oder andere Innen wäre in dem text nicht schlecht - schließlich arbeiten und konsumieren auch frauen!

Außenbeitrag + Kapitalinvestitionen

robin 13.05.2007 - 19:39
Beim Außenbeitrag ist ebenso offengelassen, wieviel an Devisenbesteuerung in den Staatshaushalt zurückfließt. Hier eine Frage: werden diese Transaktionen noch besteuert? Sie wurden unter der Kohl-Regierung mehr freigegeben, soweit ich weiss.
Ihr steuerlicher Anteil würde ja zur inländischen Verteilung zur Verfügung stehen.

"Der Anteil der Kapitalinvestitionen am BIP ist in wichtigen kapitalistischen Ländern rückläufig. Gewissermaßen gibt es hier eine chronische Überproduktion von Goldgänsen, die immer kleinere Eier legen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um aus diesem relativen Rückgang der Kapital-Investitionen eine chronische Erkrankung des Kapitalismus in den industriellen Kernländern herauszulesen."

Das die Kapitalinvestitionen rückläufig sind ist richtig (Stichwort Standortverlagerungen), nur ist daraus nicht auf eine chronische Erkrankung des Kapitalismus zu schließen. Um in der Sprache von wal zu bleiben, werden die Investitionen je nach Marktlage getätigt. Unter dem Prinzip der Gewinnmaximierung.
Die Wahl der Produktionsorte bzw.- länder ist dabei insgesamt eher prozessual zu sehen (historisch): und verläuft zyklisch mit Ausdehnungen und Zusammenziehungen (geografische Spanne; Transportwege).
So zum Beispiel die Massenarbeitslosigkeit der Weber in England im 19. Jh durch die Verlagerung der Baumwollprdouktion nach Indien. Oder der Ankauf von kanadischen Holz statt englischem.

In diesem Sinne ist die momentane Auslagerung des Kapitals nicht als chronische Erkrankung zu bewerten, sondern als Ausdehnung des Marktes in (erneute) Billiglohnländer. Ob zum Beispiel die Zentren der Kaptalisten sich im Vergleich zum 19 Jh. verlagert haben ist eine andere Frage (auch ob die Art des Handels sich im wesentlichen geändert hat [Wirtschaftsprinzipien]; oder ob die Kapitalisten je wieder in der west-europäischen Region in dem Maße wie vorher investieren werden).

Untersuchungen zu wirtschaftlichen Zyklen wurden nur sehr wenige geführt:

Kondratieff, N.: Die langen Wellen der Konjunktur. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Bd. 56. 1926

Schumpeter, Joseph A., Konjunkturzyklen - Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, 2 Bde., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1961

Nefiodow, Leo A., Der sechste Kondratieff. St.Augustin, 2001

Und bei Marx/Engels:
Marx, K.: Das Kapital. 1. Bd.

Marx, K./Engels, F.: Aufstand in Indien.

Engels, F.: Die Lage der arbeitenden Klasse in England.



vermögensverteilung

helli 14.05.2007 - 21:59


ergänzende infos zur vermögensverteilung:

hier der link (ZEW-forschungsbericht im auftrag der bundesregierung):
 http://www.bmg.bund.de/nn_603382/SharedDocs/Publikationen/Forschungsprojekte-Lebenslagen/a-339-10250,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/a-339-10250.pdf

zitat:
Die Haushalte in der unteren Hälfte der Vermö-
gensverteilung verfügen über etwas weniger als 4 Prozent des gesamten Nettovermögens,
während die 20 Prozent vermögensstärksten Haushalte rund zwei Drittel des gesamten privaten Geld- und Immobilienvermögens auf sich vereinen.


Der German Wealth Report 2000 von Merrill Lynch und Cap Gemini Ernst & Young resümiert:

"In Deutschland leben rund 365.000 Personen mit mehr als einer Million Euro Geldvermögen und 3.700 mit einem Geldvermögen von mehr als 30 Millionen Euro. Die Gruppe der Reichen nahm im Zeitraum von 1996 bis 1999 um 5,3 Prozent jährlich, entsprechend insgesamt um 52.000 Personen, zu. 612 Milliarden Euro befinden sich allein im Besitz der 3.700 Superreichen
...
Insgesamt 25,7 Prozent des gesamtdeutschen Vermögens werden von 0,5 Prozent der erwachsenen deutschen Bevölkerung gehalten.

Soziale Marktwirtschaft

klaus stetefeldt 29.05.2007 - 09:39
Die Statistik mag nicht Fehler-frei, doch zeigt sie eindeutige Tendenzen auf. Aus der Sicht der Meister/Lehrer/Weisen - oder wie auch immer ihr sie nennen mögt - sind Sozialismus und Kapitalismus notwendig für eine funktionierende Gesellschaft.
'Die Hierarchie hält 70 Prozent Sozialismus und 30 Prozent Kapitalismus für das ideale Verhältnis, um einen echten sozialen Zusammenhalt und Gerechtigkeit zu schaffen.'
(Quelle: SI/1-2007; Frage zu Hugo Chavez

)

Da gibt's noch einiges zu tun auf unserer Welt. Nur anhaltende regelmäßige Proteste und Demonstrationen werden das Denken der Politiker auf Dauer zu ändern vermögen und sie zum Handeln zwingen. Auch wenn wir das aus unserer Sicht möglicherweise nicht einschätzen können.
(siehe auch SI/4-2007; Frage zur Basisdemokratie

)

Falsch

nichtidentisches 01.06.2007 - 13:25
"Wirkliche Kapitalisten sind im Sinne von Karl Marx diejenigen, die sich von fremder Arbeit bereichern"

Nein, das ist eine völlig primitive Marx-Exegese, die etwa 600 von 800 Seiten kapital 1 auslässt.
Wirkliche Kapitalisten sind die, die das via Arbeit erzeugte Mehrwertkapital REINVERSTIEREN, nicht verfrühstücken. Die Investition fehlt demnach in deiner tollen Kuchentabelle.
Marx weist doch gerade nach, dass der Privatkonsum der Kapitalisten im wesentlichen der Statusvermehrung dient und wiederum dem Zweck der Kapitalvermehrung dient. Du setzt die Kapitalisten als Parasiten, und begiebst dich damit auf die ebene der Luddisten und primitiven Sozialisten herab.

Wer ist Kapitalist?

Karl Marx 01.06.2007 - 13:46
„Jedes individuelle Kapital ist eine größere oder kleinere Konzentration von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 653.

Die „Macht asiatischer und ägyptischer Könige ... ist in der modernen Gesellschaft auf den Kapitalisten übergegangen, ob er nun als vereinzelter Kapitalist auftritt, oder, wie bei Aktiengesellschaften, als kombinierter Kapitalist.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 353.

Das Kapital „ist offenbar ... ein Produktionsverhältnis.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 413.

„Das Kapital ist wesentlich Kapitalist.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 412.

Weiteres hier:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_b/bourg.html

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Alternative Kapitalismus abschaffen

80 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 00 03.05.2007 - 13:47
Mir gefaellt die Rechnung unter dem Strich, wenn das mal das Problem waere. Wenn es jedoch um einen Raubbau an der Welt und um die Ausbeutung der Voelker geht und der dazu gehoerigen unwiederbringlichen Natur der Welt, wie rechnet sich das.
Sollte volkwirtschaftliches Denken sich nicht mit den Folgen auseinandersetzen oder ist es eine Kostenfrage wie teuer Ausbeutung und Vernichtug werden.
Wir leben in reichen Laendern hier in Europa und ich bezweifele nicht, dass wir nach und nach sozialvertraegliche Verhaeltnisse finden koennten. Gleichzeittig ist so ein logisches Denken aber nicht wirklich so gut und so gerecht wie es vorgibt zu sein. Niemand lebt wirklich von der Arbeit anderer Menschen. Die einen beuten aus und die anderen lassen sich ausbeuten, weil sie keine Alternative haben. Nur das Verhaeltniss von Ausbeuter und Ausgebeuteten zu veraendern, durch zum Beispiel bessere Entlohnung, wuerde an der zerstoererischen Kraft des Systems nichts aendern.

nun meckert nicht gleich rum

nxlmxlgun 03.05.2007 - 18:52
kannst dich ja selbst mal ransetzen und die torte erweitern

und jetzt ne runde diskuieren

trotzki 03.05.2007 - 21:23
viel spass macht es auch, mit wal in seinem! forum zu diskutieren. zumindest solange du seiner meinung bist, werden deine beiträge nicht zensiert und auch dein nick wird nicht gesperrt. also folgt schön der einladung in dieses derzeit eher sehr mässig besuchte 'stalin'forum der besonderen art.

Originaldaten

Juli 03.05.2007 - 23:13
also mich würde schon mal interessieren, was in dieser statistik die originalbezeichnungen von den datengrößen sind. damit das nachvollziehbarer wird. könnte die autorin da vielleicht mal was zu erzählen?

Einkommensverteilung

Peter 04.05.2007 - 12:27
So schrullig, autoritär, intolerant der/die Wal auch ist, er/sie hat doch Einiges drauf, wenn es um Darstellung und Auswertung von Fakten geht.
Schaut man sich das Datenmaterial einmal an, dann fällt auf, dass die Gesamtsumme der Löhne des Proletariats recht gering ausfallen. Die Kapitalisten schneiden grandios ab, aber auch die sogenannten Staatsdiener lassen sich nicht lumpen, langen auch recht tüchtig zu.
Was lernen wir aus der ungerechten Verteilung, auch hierzulande? Nun wir sollten daraus lernen den Verhältnissen wie bei "1000 und 1 Nacht" ein Ende zu bereiten. Wird aber nicht getan, das Proletariat befindet sich noch immer im Dornröschenschlaf und schnarcht ein wenig vor sich hin.
Irgendjemand sollte mal hingehen und die ganzen Bewertungen etwas vereinfachen sowie zusätzlich kommentieren. Eine solche Darstellung sollte, zwecks Aufklärung, in allen möglichen Foren (wo`s möglich ist)sowie sonstigen Publikationen die "Runde" machen.

@alex

arbeitgeber 10.05.2007 - 16:11
Ja, Alex,
Kapitalisten sind Arbeitnehmer, weil sie die Arbeit der Lohnarbeiter nehmen und damit Profite machen.
Falls keine Profite winken, schmeißen sie die Lohnarbeiter aus ihrem Betrieb raus und nehmen ihre Arbeit nicht.
Lohnarbeiter sind also die Arbeitgeber.

Was soll dieser Streit um Worte? Worte sind Schall und Rauch.

Wieviele Lohnarbeiter mit einem Jahresdurchschnittslohn von 30.000 Euro haben denn am Monatsende Geld übrig, um Aktien zu kaufen?
Und falls sie ihr Gespartes in Aktien anlegen, was bringt ihnen das?
Sind diese kleinen Aktionäre die Herren der Unternehmen? Können sie über ihr Schicksal selber bestimmen? Brauchen sie dann nicht mehr um eine Lohnerhöhung zu betteln?

Großaktionäre brauchen nur knapp über 25% der Gesamtaktien, um eine AG zu beherrschen.
Meinst du, das wäre nicht allgemein bekannt.