Preisverleihung an die Polizei in Göttingen

Kommunikationsguerilla 28.04.2007 19:32 Themen: Repression
Verkehrte Welt in Göttingen – Preisverleihung an die Polizei

Heute bei strahlendem Sonnenschein war es soweit – das Bündnis für mehr Sicherheit hielt in der überfüllten Innenstadt ihren Festakt „Danke, dass wir sicher leben“ ab. Der Vorlauf begann schon vor einigen Wochen.
Stadtobere und Polizeiführung sowie die Presse erhielten Einladungen an diesem Festakt teilzunehmen, und Plakate kündigten den Festakt öffentlich an. (siehe Einladungen.pdf und Plakatbild)
Es dauerte nicht lange und eine Gegenmobilisierung startete ebenfalls, um diese Dreistigkeit nicht einfach hinzunehmen.
Schon vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung erklang klassische Musik und der Aufbau mit Bühne erregte viel Aufmerksamkeit. Punkt 13 Uhr ging es mit dem Festakt los, der mit der pompösen Titelmusik von Krieg der Sterne eingeleitet wurde. Der eigentliche Festakt bestand aus diversen Prämierungen von Bullen. Es gab Medaillen in den Kategorien: grimmigster Blick, spektakulärste Brutalität, Sicherheit durch Präsenz, blühendste Phantasie, raffiniertest verdeckte Gewalt, modernste Technologie, bestgetarnter Zivilpolizist. Jede Prämierung wurde mit einer Fanfare eingeleitet.
Beispielhaft sei hier die Prämierung für die raffiniertest verdeckte Gewalt vorgestellt:

Wir machen jetzt weiter mit der Prämierung herausragender Leistungen der Polizei. Als nächstes verleihen wir den Preis in der Kategorie – raffinierteste verdeckte Gewalt. Und der Gewinner in dieser Kategorie ist Herr Fabian Thom. (Fanfare)
Wir vom Bündnis für mehr Sicherheit waren selbst überrascht, dass überhaupt Vorschläge in dieser Kategorie eingegangen sind. Schließlich ist verdeckte Gewalt für Außenstehende – zumindest wenn sie professionell durchgeführt wird – nicht wahrnehmbar. Die Nominierung stammt daher wohl von den Demonstranten unter uns Bürgern. Aus erster Hand berichteten sie, von unglaublich geschickten Übergriffen von der Polizei. Herr Fabian Thom ist uns als sehr bescheidener Mann bekannt. Von ihm selbst erhielten wir keine Hinweise auf sein Vorgehen. Aufmerksame Mitbürger konnten ihn aber bei einem besonders raffinierten verdeckten Gewaltakt fotografieren. Es handelt sich um eine Szene am Rande eines Polizeieinsatzes am 21. Oktober letzten Jahres. Verwirrte Menschen hatten sich zusammengerottet, um die Polizei zu kritisieren und Lügen zu verbreiten. Der Fahrradverkehr in der Innenstadt war auch behindert. Herr Thom konnte sich im Laufe der Auseinandersetzung in die Nähe der Polizeigegner begeben. Bald trennte nur noch ein Stofftuch ihn von einem besonders auffälligen jungen Mann. Das Foto zeigt nun Herrn Fabian Thom, wie er scheinbar belanglos seine Hand auf das Transparent legt. Wenn wir aber genau hinschauen (roter Kreis), sehen wir, wie er seine muskulösen Finger bis zum Anschlag in die Rippen seines Gegenübers bohrt. Fantastisch. Vorbildlich.
Herr Thom setzte sich für die Sicherheit ein, auch wenn dies nur im Verborgenen möglich ist. Wir würden jetzt gerne Herrn Fabian Thom die Ehrenmedaille überreichen und bitten ihn zu uns auf die Bühne. – Aber wo ist er denn? Herr Thom? Oh, er ist wohl schon gegangen, bescheiden wie er ist. Also lassen wir ihm die Medaille später zukommen und grüßen ihn an dieser Stelle mit einem dreifachen: Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit! (gemeinsam)

Dies nur ein Beispiel aus den unterschiedlichen Kategorien, die alle sehr gelungen waren.
Zwischen den Prämierungen, die in verschiedene Blöcke eingeteilt waren, gab es noch verschiedene Einlagen auf der Bühne.

Als erstes stellte das „Aktionsprogramm für ein sauberes und sicheres Göttingen“ vor, wie sich die Bürger und BürgerInnen künftig in der Innenstadt zu verhalten haben, wenn erst mal die komplette Innenstadt mit mehr Kameras ausgestattet ist. (höre Audiomitschnitt)
Das Auswahlensemble der Eliteeinheit des Polizeimusikcorps spielte auf Blockflöten das Lied „der Kuckuck und der Esel“. Etwas schräg aber voller Elan wurden 3 Strophen gespielt und aufgrund der unermüdlichen „Zugabe“-Rufe schließlich auch noch eine 4. Strophe.
Zuguterletzt wurde die DNA-Sammelstation den Anwesenden vorgestellt, mit der Aufforderung, ihre Spucke in dieser Sammelstation abzugeben. Im Anschluß wurde diese Sammel-DNA der Polizei übergeben. Schon während der gesamten Aktion stand diese Sammelstation, eine große Tonne, in der Fußgängerzone, scharf von Security bewacht und Mitglieder des Bündnisses für mehr Sicherheit forderten die PassantInnen auf, freiwillig ihre DNA abzugeben und in die Tonne zu spucken. Leider waren nur allzu wenige PassantInnen bereit, dieser Aufforderung nachzukommen. (Flugblatt dazu als pdf)
Außerdem wurden „Autogrammkarten“ verteilt, mit denen versucht werden konnte, von der Polizei Autogramme zu bekommen. Eine Bildwand mit einem Bullen im Bobbycar, durch die mensch den Kopf stecken konnte, um sich so fotografieren zu lassen gab es auch noch. Diese Bildwand sorgte auch für viel Spass.

Unter den zahlreichen ZuschauerInnen befand sich auch ein „schwarzer Block“, der von einem Absperrband eingegrenzt war, und dadurch auffiel, dass besonders laut Parolen skandiert wurden: „Was wir wollen – mehr Kontrollen!“ oder „Wir sind dabei, bei der Gen-Datei!“ Immer wieder unterbrachen sie die ModeratorInnen mit Zwischenrufen wie: „Super!“, „Genau!“ und riefen „Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit!“
Die Stimmung unter den ZuschauerInnen war super, die circa 150 Leute plus viele PassantInnen, die stehenblieben, um dem Festakt eine Weile zuzuschauen, hatten ihren Spass an den Darbietungen.

Neben den Prämierungen wurde verschiedene Flugblätter verteilt: eine kritische Auseinandersetzung mit Überwachung und Polizeirepression und eine Anleitung für den „Zivi-Enttarner“ (siehe pdf).
Die Polizei selbst übrigens glänzte durch ihre Abwesenheit vor Ort, nur ein Wagen war hier präsent. In den Seitenstrassen dagegen waren sie zu Hauf anzutreffen. Normalerweise sind wir in Göttingen da ganz anderes gewöhnt.

Ganz am Ende, nach über einer Stunde, gab es noch einen Redebeitrag, der auf die Ernsthaftigkeit des ganzen Spektakels hinwies und in dem dargestellt wurde, wie weit die Überwachung in dieser Gesellschaft schon geht und was das für uns alle bedeutet.
Als Abschluß gab es noch das Lied „Bullenschweine“ von Fischmob.
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Ergänzungen

wie sonst die cops bei uns abfahren

ist ausgefüllt 28.04.2007 - 20:31
Demo gegen Polizeigewalt eskaliert:
 http://de.indymedia.org/2006/10/159748.shtml

gegen die Demoauflagen läuft gerade eine Klage gegen die Stadt Göttingen.

Weiterempfehlen können wir auch einen Artikel in der Göttinger Gipfelzeitung, der die Überwachung im alltag thematisiert:
 http://de.indymedia.org/2007/04/173288.shtml

widerstand gegen repressionen

------------ 28.04.2007 - 22:36
weitere beispiele um repressionen nicht widerstandslos hin zunehmen

Prozess gegen Antifaschisten in Göttingen
 http://de.indymedia.org/2007/04/173634.shtml


Freispruch für Cornelius Yufanyi
 http://de.indymedia.org/2007/01/166303.shtml

Video: Polizeigewalt in Berlin

monitor 29.04.2007 - 13:54
nn

Beispielhaft!

Nachahmenswert 29.04.2007 - 22:05
Super Aktion, endlich mal was Kreatives, das Spass macht und trotzdem - oder vielleicht deswegen? - von den PassantInnen wahrgenommen und verstanden werden kann. Es lebe die Spassguerilla! Solche Veranstaltungen bleiben noch lange angenehm im Gedächtnis!

weiter so

*********** 30.04.2007 - 09:58
Gegen Polizeiübergriffe und Überwachungsstaat

bericht über aktion auch auf  http://goest.de/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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subbor!!! — WinNy tHe pOOh