Mittweida: Antifa-Demo am 12.05.2007

AntifaschistInnen aus der Region 28.04.2007 14:01 Themen: Antifa Freiräume
Es kommt Bewegung in den Landkreis Mittweida: Sachsens Innenminister Buttolo verbot am Donnerstag die Nazi-Kameradschaft "Sturm 34". Antifaschistische Gruppen rufen indes zu einer Demonstration "Naziterror stoppen - Alternative Freiräume schaffen" am 12.05.2007 in Mittweida auf.
Nach neuerlichen Nazi-Übergriffen in Mittweida und zunehmender Medienaufmerksamkeit mußte Sachsens Innenminister Buttolo reagieren: Am 26.04.2007 wurde die neonazistische Kameradschaft Sturm 34 verboten. Polizisten durchsuchten mehrere Wohnungen in Stollberg, Burgstädt und Mittweida und stellten dabei Schreckschusswaffen, Würgehölzer, Sturmhauben und Propagandamaterial sicher, sowie den 24 Angehörigen der Gruppe die Verbotsverfügung zu. Bis zu 150 Personen werden dem Umfeld von Sturm 34 zugerechnet, darunter 50 Frauen. Vor einer Woche hatten die Mittweidaer Nazis noch einmal für Aufmerksamkeit gesorgt: Vor einem Einkaufsmarkt der Stadt pöbelten mehrere Nazis einen Kameruner an und zeigten den Hitlergruß. Der in einem früheren Artikel bei Indymedia ( http://de.indymedia.org/2007/04/173039.shtml) genannte 19 jährige Tom W. sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er wird dem Führungskreis der Kameradschaft zugerechnet. Am gleichen Tag blockierten 20-25 Nazis das PDS-Büro in Mittweida, in dem eine Veranstaltung "Courage zeigen" stattfand. Eine Chronik früherer Vorfälle findet sich hier:  http://de.indymedia.org/2007/04/173337.shtml.
Zu befürchten ist aber, dass sich allein durch das überfällige Verbot der Kameradschaft Sturm 34 nichts an den Zuständen in der Region ändern wird, wie die Beispiele aus der Sächsischen Schweiz nach dem verbot der dortigen "SSS" zeigen. Auch deshalb ruft das "Antifaschistische Jugendbündnis Mittweida" weiterhin zu einer Demonstration am 12.05.2007 in Mittweida auf.
Nachdem das Nazi-Problem im braunen Herzen Sachsens von den zuständigen Lokalpolitikern bagatellisiert oder totgeschwiegen wurde, erregt nun die antifaschistische Demonstration Anstoß: "Ich finde es bedauerlich, dass es zu einer solchen Eskalation kommt", holte Bürgermeister Matthias Damm (CDU) im Stadtrat am Donnerstag zu einer unerbittlichen Verbalattacke aus. Die vom PDS-Bundestagsabgeordneten Michael Leutert für den 12. Mai angemeldete Demonstration unter dem Motto "Naziterror stoppen - alternative Freiräume schaffen" sei völlig unnötig. Es gebe keinen Naziterror in Mittweida, maximal Straftaten mit rechtem Hintergrund. Er finde es schlimm, dass 500 Leute "eingeflogen" werden. "Wir brauchen niemand von außerhalb, wir müssen unsere Probleme vor Ort selbst lösen", sagte er. Dazu hatte er mehrere Jahre Zeit. Im Gegensatz zu Landkreis und Stadt Mittweida, die sich von der Demonstration in einer gemeinsamen Erklärung distanzieren ( http://www.landkreis-mittweida.de/cms/3135.htm) wird diese - wenn auch zum Teil mit unterschiedlichen Aufrufen - unterstützt von folgenden Gruppen und Einzelpersonen:
AG Antifa Oberlausitz, Antifa Chemnitz, Antifa Dresden, AHSG Dresden, Antifa Freiberg, Antifa Lausitz, Antifa RDL, Antifa Stollberg, Autonome Antifa Ostsachsen, Bon Courage (Borna), Bündnis „Für Demokratie und Menschenwürde gegen Rechtsextremismus“ Landkreis Mittweida, Bon Courage Borna, Brennpunkt e.V. Branderbisdorf, DGB Ortsverband Erlau, Dr. Cornelia Ernst (Landesvorsitzende Linkspartei.PDS), FreibÄrger Jugendinitiative „Buntes Leben“, Freya-Maria Klinger (MdL), Geschäftsstelle SPD Unterbezirk Chemnitz, JASAM (Jugend Antifa- Sozialistische Aktion Muldental), Jörn Wunderlich (MdB), Jugendclub Kriebethal, Jusos Chemnitz, Kerstin Köditz (MdL), Klaus Bartl (MdL), LAG Antifaschistische Politik, Linkspartei.PDS Kreisvorstand Chemnitzer Land, Linkspartei.PDS Kreisvorstand Mittweida, Michael Leutert (MdB), NAM-Crew Dresden, AJZ Chemnitz, OAP Chemnitz, RHG Chemnitz, Rothaus e.V. Chemnitz, Solid Sachsen, StuRa Mittweida, Verdi Ortsverband Landkreis Mittweida, Verein zur Förderung alternativer Jugendkultur Mittweida i.G.

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Aufruf des antifaschistischen Jugendbündnisses Mittweida:

Naziterror stoppen – alternative Freiräume schaffen!

In den letzten Jahren entwickelte sich die Region um Mittweida mehr und mehr zu einem Zentrum neonazistischer Gewalt. Bei der Berücksichtigung von Kontinuität und Permanenz der Übergriffe überholt der Landkreis Mittweida in der Statistik rechtsextremer Übergriffe schon lange solch braune Flecken auf der Landkarte, wie den Muldentalkreis oder die Sächsische Schweiz. Provokationen, Schmierereien und massive Übergriffe mit faschistischem Hintergrund stehen auf der Tagesordnung. Andersdenkende, bzw. nicht ins Weltbild der Nazis passende Menschen, werden angegriffen und schwer, teils lebensgefährlich verletzt. Überfälle auf alternative Jugendzentren und öffentliche Veranstaltungen häufen sich. Es ist offensichtlich, dass seitens der Nazis versucht wird, multikulturelles Leben einzuäschern. Konkrete Beispiele hierfür sind die Brandanschläge auf einen Asia-Imbiss in Mühlau und den linken Jugendtreff in Geringswalde, sowie Überfälle auf das Dorffest in Breitenborn und das Cafe Courage in Döbeln. Allein in einem Jahr erfolgten acht Anschläge auf das Bürgerbüro der Linkspartei in Mittweida. Hierbei wird deutlich, dass „einäschern“ von den Neonazis wörtlich genommen wird, was eine drastische Steigerung im Auftreten der Neonazis darstellt.

Den Hintergrund dieses alltäglichen Terrors bilden neben unorganisierten Nazischläger_innen und Jugendlichen aus der Nazisubkultur hauptsächlich Gruppierungen aus dem Kameradschafts-spektrum. Hier sei ganz besonders die militante Kameradschaft „Sturm 34“ genannt, welche sich mit ihrer Namensgebung auf eine frühere SS- Abteilung in der Region um Chemnitz bezieht. Diese auch über die Region hinaus aktive Gruppe rekrutiert sich vornehmlich aus jugendlichen Neonazis, geschult und angeleitet werden sie allerdings von älteren Kadern, welche oft aus dem Spektrum der NPD kommen. Hier ist zu erwähnen dass die NPD als einzige Neonazipartei der Region im Landkreis Mittweida bei den Landtagswahlen 2004 etwa 12% der Stimmen erreichte. Der NPD- Kreisverband Mittweida zählt zu den mitgliederstärksten Verbänden Sachsens. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz eröffnete im August 2006 ein Verfahren gegen den „Sturm 34“, unter anderem auch wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Trotz des noch laufenden Ermittlungsverfahrens stellen die Personen aus dem Umfeld dieser Gruppe ihre Aktivitäten keinesfalls ein. Gründe dafür sind, dass die prekäre Lage von der lokalen Presse und den Institutionen weitestgehend ignoriert wird. Andere Ermittlungsverfahren gegen Nazis gehen schleppend voran oder werden ganz eingestellt.

Natürlich entsteht das Naziproblem keinesfalls im luftleeren Raum. Den Nazis fällt es nicht schwer, ideologisch an den gesamt-gesellschaftlichen Diskurs anzuknüpfen. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, homophobe Denkmuster und Geschichtsrevisionismus sind allgemein präsent. Des weiteren spielt die ländliche Struktur der Region eine Rolle, in welcher xenophobe und autoritäre Einstellungen stark verbreitet sind und ein erheblicher Mangel an alternativen bzw. emanzipatorischen Freiräumen besteht. Hinzu kommen oft auch eigene Existenzängste und die Sorge um die eigene soziale Situation. Diese führen meist zu einem völlig unreflektierten Projektionsverhalten was wiederum einen Nährboden für faschistisches Gedankengut darstellt und die Arbeit für braune Demagogen erleichtert. Diese Faktoren führen dazu, dass in der Region ein rechter Mainstream entsteht bzw. entstehen konnte und in einigen Städten, wie in Mittweida, die Nazis eine Hegemoniestellung innehaben.

Eine offensive Intervention gegen diese unerträglichen Zustände ist dringend notwendig.

# Deshalb fordern wir: Nazis entschieden entgegentreten, faschistisches Gedankengut nicht tolerieren, Zerschlagung rechtsextremer Strukturen
# Förderung emanzipatorischer Gegenkultur, schaffen alternativer Freiräume
# kritischen Umgang der Medien mit der Situation in der Region
# Beschleunigung der Ermittlungsverfahren gegen Nazitäter

Mit der Demonstration am 12. Mai 2007 wollen wir klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir diese Zustände hier entschieden bekämpfen werden!

Treff: 14 Uhr, Denkmal für die Opfer des KZ Flossenbürg, Feldstraße Mittweida
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Ergänzungen

Mittweida Sachsen Antifa Demo

Reflexion 29.04.2007 - 22:53